Aktion "KEINE/R MUSS ALLEIN ZUM AMT!" TEIL IV

FelS - Für eine linke Strömung 18.09.2009 16:10 Themen: Soziale Kämpfe
Am 17.09.fand in Berlin eine weitere Aktion der Reihe „Keine/r muss allein zum Amt!“ statt. Nachdem bereits in den vergangenen Monaten den JobCentern Pankow, Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg ein Besuch abgestattet wurde, kam nun Mitte dran. Die Aktion war dieses Mal eingebettet in den bundesweiten Aktionstages „Wir zahlen nicht für eure Krise!“.
Gegen 9 Uhr versammelen sich ca. 30 Personen vor dem JobCenter Mitte in der Sickingenstraße. Das JobCenter ist zu dem Zeitpunkt schon gut besucht. Eine Stunde später reicht die Warteschlage bis hinaus aus dem Gebäude über den Bürgersteig bis auf die Straße. Die Aktivist/innen bieten den Leuten, die zu einem Termin aufs Amt müssen eine „Begleitung“ an, denn viele dieser Termine sind für die Betroffenen unangenehm, manchmal auch schickanös. Sie haben es oft mit verständnislosen oder herablassenden Sachbearbeiter/innen zu tun und oft ergeben sich Situationen, in denen es fast unmöglich ist, alleine seine Rechte durchzusetzen.

„3 Monate wurde mein Antrag verschleppt!“

Dementsprechend gut wird das Angebot angenommen. Darüber hinaus sind Menschen vor Ort, die sich teilweise seit Jahren in unabhängigen Sozialberatungsstellen engagieren. Sie unterstüzen mit ihrem Wissen und gaben Hinweise zum Umgang mit den Mitarbeitern des JobCenters und rechtliche Ratschläge.

„Ich spreche nur wenig deutsch. Die Männer und Frauen wollen mich manchmal nicht verstehen.“

Einige Aktivist/innen führen wenige Meter entfernt Kurzinterviews durch und fragen nach konkreten Problemen, danach, wie die Einzelnen das System HartzIV erfahren und was die Forderungen der Erwerbslosen sind. Bei diesem Befragungen zeigen sich viele Menschen aufgeschlossen gegenüber der Aktion und zeigen Sensibilität gegenüber den Problemen anderer Erwerbsloser und einen solidarische Grundeinstellung.

„Mit jemandem zusammen hingehen ist schon besser. Gerade Ausländer werden hier behandelt wie der letzte ...“

Das ist aber bei weitem nicht bei allen Angesprochenen der Fall. Zuweilen ergibt sich auch ein Einblick in die Untiefen des Alltagsverstandes.

„So kann man kein Volk regieren. Wir brauchen einen König oder Hape Kerkeling.“

Ein Redner weist während dessen darauf hin, dass "Begleitungen" ins JobCenter praktizierte Solidarität sind. Es sei Gegenwehr gegen die Zumutungen von HartzIV und setze bei den Bedürfnissen der Menschen an. Es komme auch darauf an, abseits solcher öffentlichkeitswirksamen Aktionen, diese Form der Solidarität im Alltag zu verankern.

Zeitgleich mit der Aktion in Berlin Mitte fanden ähnliche Aktionen in mehreren Städten bundesweit statt, darunter Hanau, Mannheim, Karlsruhe, Köln, Jena und Oldenburg.
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Ergänzungen

prima beitragund wie es

weiterging, sieht man 18.09.2009 - 19:36

clip

kanalB 20.09.2009 - 14:32

Veranstaltung zum Zahltag in Berlin

heinz 22.09.2009 - 02:26


07.10.2009 / Berlin

Wo: Zielona Gora, Grünbergerst. 73
Wann: 20:00 Uhr


Aktion Zahltag – Beginn einer neuen Erwerbslosenselbstorganisierung?
mit Berliner Initiative „KeineR muss allein zum Amt“ Anne Seek, Erwerbslosentreff in der Lunte Holger Marcks FAU, Peter Nowak ,Herausgeber des Buches Zahltag. Nach dem Ende der Montagsdemonstrationen vor 5 Jahren schien die Erwerbslosenbewegung im Tiefschlaf zu liegen. Doch seit einiger Zeit finden in zahlreichen Städten Zahltagaktionen und auch die Aktion »Niemand muss allein zum Amt« unter Erwerbslosen viel Zustimmung. Von Köln und Oldenburg aus haben sich die Aktionen nach Berlin, Bonn, das Rhein-Main-Gebiet ausgebreitet. Denn damit konnten Erwerbslose zumindest teilweise ihre Angst im Jobcenter überwinden und ihre eigene Situation verbessern. Am Roten Abend werden AktivistInnen der Berliner Initiative „KeineR muss allein zum Amt“ über ihre Erfahrungen berichten.


Veranstalter: Internationale KommunstInnen
Link:  http://www.interkomm.tk

Buch zum Zahltag

heinz 22.09.2009 - 02:29
Peter Nowak
Zahltag
Zwang und Widerstand: Erwerbslose in Hartz IV.


ISBN: 978-3-89771-103-7
Ausstattung: br., ca. 80 Seiten
Preis: ca. 7.8 Euro
Erscheint voraussichtlich Oktober 2009



unrast transparent – soziale krise

Die Proteste gegen Hartz IV haben die Verhinderung der Gesetze nicht erreicht, waren aber keineswegs erfolglos. Seitdem steht das Thema Repression und Erniedrigung von Erwerblosen vermehrt auf der Tagesordnung. Der Schwerpunkt des Buches liegt auf dem fortdauernden Widerstand der Betroffenen. Die Palette reicht von den vermehrten Klagen vor den Sozialgerichten bis zu Widerstandsformen - wie den Aktion Zahltag – und die solidarische Begleitung von Erwerbslosen.

Der Band wendet sich an Leser_innen, die angesichts der Bedrohung durch Hartz IV nach einer Orientierung suchen. Vermittelt wird ein erster guter Überblick über das Thema.

Schlüsselwörter
Arbeitslosigkeit, soziale Krise, Repression und Widerstand

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@„Wir zahlen nicht für eure Krise!“

Florian 21.09.2009 - 13:41
Warum sollte der arbeitende Teil der Gesellschaft für die Lebenskrise der Langzeitarbeitslosen zahlen?

Aus dieser Misere kann man nur aus eigener Kraft wieder heraus, durch harte Arbeit, Fleiß und Genügsamkeit. Zeitarbeit wäre ein guter Einstieg.

Respekt für die tolle Aktion

Differenzierender 22.09.2009 - 10:48
Tatsächlich ist es so, dass dieser Staat in Form von Jobcentern und ähnlichen Ämtern schon eingen ganz widerlichen Auswuchs bekommen hat. Armut ist wirklich keinem zu wünschen, da Elend in diesem Land nicht verhindert oder abgemildert, sondern lediglich vermietet wird.

Man sollte jedoch auch differenzieren. Die eingestreuten Zitate: „Ich spreche nur wenig deutsch. Die Männer und Frauen wollen mich manchmal nicht verstehen“ und „Mit jemandem zusammen hingehen ist schon besser. Gerade Ausländer werden hier behandelt wie der letzte ...“ lassen einem dann aber doch die Stirn runzeln. Man kann nicht nur fordern, fordern, fordern - man muss auch bereit sein, selbst etwas für einen Job, ein besseres Auskommen zu tun. Und wenn dann jemand hier in diesem Land leben möchte und eine Arbeit sucht - verdammt, dann muss er eben auch mal etwas besser Deutsch lernen, denn sonst wird er in unserer perversen Verwertungslogik für immer "der letzte ..." bleiben.

Das hat im Übrigen rein gar nichts mit Fremdenhass oder Ähnlichem zu tun - es ist ganz einfach nur Pragmatismus, Deutsch zu lernen, wenn man dem eigenen Elend entfliehen möchte. Anders geht's zumindest momentan leider nicht, denn auf die Revolution muss man wohl noch ein Weilchen warten...