Prozess in GI kippt: Justiz zieht hart durch!

feldbefreierInnen 16.09.2009 19:17 Themen: Biopolitik Repression Ökologie

Kurzfassung: Das Verfahren ist gekippt, das Gericht zeigt die Fratze der Justiz ++ Alle (!) 78 Anträge der Verteidiger und der Angeklagten als "ohne Bedeutung" abgewiesen ++ sichtbar wurden nicht einmal alle durchgelesen ++ nur eine Stunde Zeit für weitere Anträge ++ Ende des Prozesses und Urteil waren geplant - Prügeltruppe der Polizei stand für das Ende bereit ++ offenbar stehen ein hartes Urteil und eventuell sogar die sofortige Verhaftung fest ++ Nächster Prozesstermin und wahrscheinlich letzter Prozesstag mit Urteilsverkündung am Mittwoch, den 30.9. um 14 Uhr!

Der bisherige Prozessverlauf ...

Am Mittwoch, dem 16. September 2009, fand der sechste Verhandlungstag des „Gengerste“-Prozess statt. Hintergrund ist eine 2006 von vier Personen teilweise durchgeführte Feldbefreiung – Ziel war ein Versuchsfeld der Uni Gießen, auf der diese nach eigener Aussage „Biosicherheitsforschung“ an transgener Gerste durchgeführt hat. Zwei „Feldbefreier“ wurden in erster Instanz zu 6 Monaten ohne Bewährung verurteilt die Staatsanwaltschaft legte auf dieses Urteil Berufung ein, die vor dem Landgericht Gießen verhandelt wird.

Seit knapp zwei Monaten läuft die Berufungsverhandlung des „Gengerste“-Prozess. In der Wahrnehmung verschiedener Beteiligter war das Verfahren von einer fairen Verhandlungsführung geprägt, die unter anderem umfangreiche Vernehmungen beinhaltete. Polizeibeamte und beteiligte Wissenschaftler mussten sich kritischen Fragen seitens Verteidigung, der Angeklagten und dem Gericht stellen.

 

Doch plötzlich: Steht „Gengerste“-Prozess in Gießen vor vorhersehbarem Ende?

Doch heute – 16. September 2009 – ist alles etwas anders. Es beginnt damit, dass vor dem Gericht ein noch umfangreicheres Polizeiaufgebot abgestellt ist: sieben Mannschaftswagen mit Beamten, die für „Aufstandsbekämpfung“ ausgerüstet sind. Etwas liegt in der Luft, der erste Verdacht: man hat vor, das Verfahren heute zu beenden.

Offizieller Verhandlungsbeginn ist 9:42. Der gesundheitlich angeschlagene Vorsitzende setzt an, Entscheidungen zu den am vorigen Verhandlungstag eingereichten Beweisanträgen zu verlesen, wird aber von der Staatsanwältin gestoppt. Sie hatte noch nicht zu allen Beweisanträgen Stellung bezogen (das war ein schon beträchtlicher Verfahrensfehler!) und holt dies nach mit der Bemerkung: „Ich kann mich ganz kurz fassen. Es sind die gleichen Gründe“, die Anträge seien abzulehnen. Richter Nink beugt sich zu den beiden Schöffen und fragt, ob sich etwas verändert hat. Zwei mal ein verneinendes Nicken – das nennt sich „nochmalige Beratung des Gerichts“ –, und der Vorsitzende verkündet seinen Beschluss.

 

Alle Anträge abgelehnt

Alle Anträge seitens des Angeklagten B und seines Verteidigers, Tronje Döhmer, seien abzulehnen. Mit Begründungen, teilweise bestehend aus zwei Sätzen, wischt Richter Nink in zehn Minuten über 70 Beweisanträge vom Tisch. Tenor der Begründung: Anträge, die sich nicht direkt mit dem Genehmigungsbescheid des Versuchs beschäftigen, sprich: dessen Rechtswidrigkeit darstellen, sind ohne Bedeutung für das Verfahren. Und die, die sich damit beschäftigen, ebenfalls. Der Widerspruch ist offensichtlich. Danach werden die Anträge des Strafverteidigers Künzel ebenfalls zurückgewiesen.

Der Angeklagte B fordert daraufhin eine längere Pause, weil er prüfen müsse, ob er einen Befangenheitsantrag stellen möchte, und wenn ja, weil er dann Zeit zur Formulierung benötige; Strafverteidiger Döhmer reicht die Beweisanträge 51-100 ein, die als Grundlage auf Tatsachen zurückgreifen, die in der Broschüre „Organisierte Unverantwortlichkeit“ dokumentiert werden.

Um 10:03 wird die Verhandlung unterbrochen, fortgesetzt wird um 10:40. Viele ZuschauerInnen sind ziemlich empört darüber, dass dieser Prozess abgewürgt wird, ohne dass auch nur ein Antrag von Angeklagten oder Verteidigern beachtet würde. Alles, was die formulieren, ist "ohne Bedeutung". Eine Zuschauerin erklärt, jetzt nicht mehr aufstehen zu wollen. Sie ärgert sich hörbar, bislang aufgestanden zu sein. Wieder einmal konnte ein Gericht die Maske der Freundlichkeit aufsetzen und die Menschen täuschen ...

 

Frist zur Antragsstellung: noch eine Stunde … ?

Nach der Pause meldet sich RA Döhmer zu Wort und erklärt, dass der Beweisantrag mit der Ziffer 75 zugleich als Gegenerklärung zu dem Gerichtsbeschluss, alle Anträge zurückzuweisen, angesehen werden kann. Döhmer: „Es kommt meines Erachtens sehr wohl auf die Würdigung der Gesamtumstände an.“

Der vorsitzende Richter gibt bekannt, dass die Stellung des Befangenheitsantrages von B bis zur nächsten Pause aufgeschoben wird und kündigt an, dass er der Verteidigung eine Frist vorgibt für die Stellung der Anträge. Auf Nachfrage kündigt RA Döhmer an, dass er noch etwa 59 Beweisanträge vorbereiten wolle. „Das sind zwei Tage Arbeit.“

Richter Nink sagt, dass ihm eine Frist bis heute, um 12 Uhr vorschwebe. Also noch knapp eine Stunde: sehr fair. Es gibt eine Debatte darum, an der sich beide Anwälte und der Angeklagte B beteiligen. Um 10:57 ergeht die Anordnung des Vorsitzenden, dass Beweisanträge bis 12 Uhr zu stellen seien.

RA Döhmer beantragt Gerichtsbeschluss und führt aus, warum er das Vorgehen des Gerichts für rechtswidrig hält:. „Dem Gericht war klar, welche Umstände aus Sicht der Verteidigung aufklärungsnotwendig sind. Das Gericht hätte die Gelegenheit gehabt, vorher eine angemessene Frist zu setzen."

Richter Nink ist über die Erklärung nicht erfreut, lenkt aber ein; offenbar will er Rechtsfehler vermeiden, die das Verfahren in de Revision gefährden könnten. Er will jetzt hart durchziehen, aber nicht allzuviele Fehler dabei riskieren. So beginnt eine Phase mit kurzfristigen Terminvorschlägen, sogar Samstag ist ein paar Minuten lang dabei („Ich hätte liebend gerne am Samstag verhandelt“, sagt Nink).

Mehrfach verständigen sich die Verteidiger – die Angeklagten sind bei solcher Terminsfindung egal – mit der jeweiligen Kanzlei, aber dann ist klar: ein Hauruck-Termin klappt nicht. Nach langem Hin- und Her wird als Termin festgesetzt: Mittwoch, 30. September, 14 Uhr. Angesichts der Lage der Dinge dürfte das der Letzte werden ... (aber mensch weiß nie)

Frist für Beweisanträge ist nun Samstag, der 19. September 2009; RA Döhmer bittet um Gerichtsbeschluss zur Fristfrage. Um 11:13 tritt eine weitere Pause ein.

 

Befangenheitsantrag, der Erste

Um 11:35 wird die Verhandlung fortgesetzt; Richter Nink ist stimmlich stark angeschlagen. B trägt seinen Befangenheitsantrag vor, dessen Inhalt die Streitpunkte hinter den Anträgen gut zeigt. Daher der komplette Wortlaut:

Antrag auf Verdacht der Befangenheit des erkennenden Gerichts und der als solche tätigen Personen als Einzelne
Die bisher vor allem in formal nicht wirksamen Rechtsgesprächen und Bemerkungen vorgetragene Behauptung, es käme allein auf die Frage der Rechtswidrigkeit des Genehmigungsbescheides oder gar dessen Nichtigkeit an, wird durch die nun bekanntgegebenen Beschlüsse zu den Beweisanträgen einerseits bestätigt und somit formal wirksam, andererseits aber wird selbst diesem Anspruch nicht Genüge getan, in dem selbst Anträge, die genau auf die Frage der Gesetzmäßigkeit ausgerichtet sind, durchgehend bescheinigt wird, sie seinen ohne Bedeutung.
Diese Wahllosigkeit der Entscheidung, dass sowohl Anträge zu den Kriterien des § 34 StGB also auch Anträge zur Frage der Rechtmäßigkeit oder Nichtigkeit bedeutungslos seien, zeigt, dass schlicht alles als bedeutungslos gewertet wird und Aussagen darüber, was hier Gegenstand sein soll aus den vorangegangenen Verhandlungstagen auch nicht mehr gilt, wenn zu diesen Punkten (eben: Rechtswidrigkeit bzw. Nichtigkeit) Anträge gestellt werden.
Das begrenzt die Mitwirkungsmöglichkeiten an der weiteren Beweisaufnahme auf Null. Da sachliche und rechtliche Gründe nicht erkennbar sind, entsteht der Verdacht der Befangenheit, aus der heraus diese Entscheidungen entstehen. Ob sich diese Befangenheit gegen meine Person, zusätzlich weitere Personen oder nur gegen bestimmte Teile meines Verhaltens richten, ist nicht von Bedeutung für die Frage ob der Verdacht begründet ist.

Weitere Begründung:
Zunächst soll an den Wortlaut des §34 StGB erinnert werden. Dieser lautet:

Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.

Wie unschwer zu erkennen ist, ist die Frage der Rechtswidrigkeit oder Nichtigkeit eines der Gefahr vorausgehenden Verwaltungsaktes in dem Paragraphen gar nicht erwähnt. Es ist also bereits aus der Phantasie geboren, dass diese Kriterien beachtet werden müsste. Bedenklich stimmt bereits, dass hier, obwohl es – wie vorgetragen – keinerlei gesetzliche Grundlage besteht, offenbar sämtliche Personen am RichterInnentisch und die Staatsanwältin eine solche Position gleichermaßen vortragen. Die Position wurde durch verschiedene Bemerkungen der vergangenen Prozesstage verstärkt, in dem – jedenfalls für mich – eine Neigung erkennbar wurde, die Frage der Rechtswidrigkeit oder Nichtigkeit sogar wichtiger zu bewerten als die im § 34 StGB benannten Kriterien, obwohl die Rechtswidrigkeit ja gar nicht im § 34 enthalten ist.
Am vergangenen Verhandlungstag nun hat erstmals die Staatsanwältin mit ihren Stellungnahmen zu den Anträgen deutlich gemacht, dass sie sogar der Meinung, dass alle im Gesetz benannten Kriterien nicht beachtet werden sollen, während ein nicht im Gesetz genanntes Kriterium einzig und allein beachtet werden solle.
Dieser Auffassung hat sich nun das Gericht mit den heutigen Beschlüssen angeschlossen. Damit ergibt sich für mich eine Prozesssituation, nach der keine Chance mehr besteht, die Kriterien des § 34 StGB zu Grundlage der Verhandlung zu machen.
Das allein wäre schon ausreichender Grund für den Verdacht der Befangenheit, denn die offensichtliche und durch nichts begründete Abweichung von dem Wortlaut des Gesetzes kann diesen nur erzeugen, weil andere Motive nicht erkennbar sind.

Als zweiter und für sich auch eigenständiger Grund der Befangenheit kommt allerdings hinzu, dass absurderweise auch alle Anträge, die genau den – meines Erachtens nicht gesetzeskonform als einzig zulässig angenommenen – Punkt der Rechtswidrigkeit oder Nichtigkeit betreffen. Ich halte es für ausreichend, dieses an zwei Beispiel aus der Fülle der Anträge, die genau diesen Punkt treffen, zu belegen.
Zum einen führe ich die Ablehnung des Antrags „Bergstedt 4“ an. In diesem habe ich das Genehmigungsverfahren kritisiert, dass es offensichtlich rechtsfehlerhaft verlief. Im Paragraph 16 des GentG zum Genehmigungsverfahren findet sich die Vorschrift, dass die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit bei jedem Antrag eine Bewertung und Gefahrenabschätzung abgeben muss. Die Formulierung ist eindeutig, dass die ZKBS dieses selbst tun muss. Sie „prüft und bewertet“ die Anträge.
Mein Beweisantrag nun stellte die Tatsache unter Beweis, dass im konkreten Verfahren zum Gengerstenversuch dieses nicht erfolgt ist, sondern die Genehmigungsbehörde BVL in Person von Herrn Leggewie selbst den als ZKBS-Stellungnahme formulierten Text verfasst hat.
Wäre das war, so würde es die Nichtigkeit des Bescheides zur Folge haben, weil ein gesetzlich vorgeschriebener, zentraler Verfahrensschritt nicht stattgefunden hat. Die fehlende Begutachtung durch die ZKBS wäre ein derart starker Verstoß, dass selbst die von der Staatsanwältin zur Abwehr von Anträgen hier vorgeschlagene Akzeptanz der „Stirn-Theorie“ (besagt, dass der Fehler so groß sein muss, dass es wie auf die Stirn geschrieben sofort erkennbar ist, dass ein Verfahren rechtswidrig ist) erfüllt wäre.
Aus diesem Grunde entsteht durch die Ablehnung auch dieses Antrages (und weiterer ähnlicher) der Eindruck, dass nicht nur die Kriterien des § 34 StGB nicht beachtet werden sollen, sondern schlicht alle Anträge, die sich mit dem Versuch und dem Genehmigungsverfahren befassen.
In ähnlicher Weise ist der Umgang mit dem Antrag zum Mäuseschutzzaun zu bewerten. Wenn der Versuch in zentralen Punkten vom Bescheid abweicht, stellt der konkret beschädigte Versuch nicht mehr den genehmigten Versuch dar und ist daher nicht mehr durch den Bescheid als rechtmäßig gedeckt.
Selbst wenn – wofür kein Grund besteht – der Bescheid als rechtmäßig begriffen wird, würde es notwendig sein, festzustellen, dass der konkrete Versuch vom Bescheid in erheblichen Punkten abwich und deshalb nicht mehr durch diesen formal gedeckt wäre.
Da nun auch die Anträge, welche den benannten Kriterien Nichtigkeit, Rechtswidrigkeit und Abweichungen entsprechen, abgelehnt werden, entfaltet den Verdacht der Befangenheit auch in diesem weiteren Punkt.

Da mir unbekannt ist, wie im Einzelnen die Beratung und Abstimmung des Gerichts verlaufen sind, richtet sich dieser Befangenheitsantrag gegen jede einzelne Person wegen des Verdachts der Befangenheit aufgrund der Zustimmung zu dieser rechtlich abwegigen Umdefinierung des §34 StGB einerseits und der gleichzeitigen Ablehnung auch aller Anträge, die auf diese Umdefinierung genau passen.
Zumindest ist bekannt, dass sich niemand von Ihnen hier ablehnend gegen diese abwegige Rechtspraxis ausgesprochen hat und damit von jedem und jeder Einzelnen von ihnen die Verunmöglichung einer weiteren Beteiligung in der Beweisaufnahme zumindest toleriert wird.

Ich möchte darauf hinweisen, dass ich mit diesem Antrag ausschließlich die Befangenheit in den beschriebenen Verfahrensfragen benennen will. Dieses ist keine Aussage über Sie im Allgemeinen und auch kein Verzicht darauf, zwischen Ihnen hier und dem Gericht der ersten Instanz oder zwischen Ihnen als Gericht und dem Verhalten der Staatsanwältin unterscheiden zu können.

 

Beobachtungen in der Pause ... und der zweite Befangenheitsantrag

Als Richter Nink hoffte, weitermachen zu können, wurde er eines Besseren belehrt. Der Angeklagte B. beantragte nach dem Verlesen des ersten Befangenheitsantrags eine weitere Pause, weil er in der vorigen Unterbrechung auf Tatsachen getroffen sei, die einen zweiten Befangenheitsantrag rechtfertigten. Also wieder: Pause, um 12:04 geht es weiter. Nach Nachfragen an N, die seinen Bundeszentralregisterauszug betreffen, trägt B den zweiten Befangenheitsantrag vor, der im Wesentlichen den Vorwurf eines erkennbar abgekarteten Spiels macht und auch wiedergibt, was in der Pause geschehen war. Der Wortlaut:

Antrag auf Verdacht der Befangenheit des Vorsitzenden Richters
Am heutigen Vormittag vor Prozessbeginn beobachtete ich, dass eine besondere Einheit der Polizei erstmals in diesem Prozessverlauf anwesend war. Diese war in besonderer Weise ausgestattet mit den typischem Material der Aufstandsbekämpfung.
Die Einheit verschwand im Gerichtsgebäude. Ich registrierte zudem eine auch insgesamt größere Polizeipräsenz.
In der vorangegangenen Pause ging ich nach Fertigstellung meines Befangenheitsantrags auf die Toilette. Dabei sah ich, wie Angehörige der benannten Polizeieinheit das Gebäude verließen. Ich ging spontan hinterher und sah, wie diese einen Polizei-Personentransporter bestiegen und abfuhren.
Damit war für mich klar, dass diese Personen wegen dem hier laufenden Verfahren da waren und im dem Moment abfuhren, als klar war, dass der Prozess heute nicht zuende gehen würde. Umgekehrt ergibt sich aus der Anwesenheit und dem zeitlichen Abrücken der Einheit Folgendes:

  1. Es gab besondere Gründe, ein erheblich erweitertes, schlagkräftiges Polizeiaufgebot vor Ort zu haben.
  2. Diese Gründe waren hinfällig, als klar wurde, dass der Prozess heute nicht zuende gehen würde.
  3. Das bedeutet zum einen, dass bereits vor Ende der Beweisaufnahme und trotz angekündigter Beweisanträge im zwei- bis dreistelligen Bereich das Ende der Verhandlung für heute vorgesehen war.
  4. Es war also ohne Kenntnis der Anträge geplant, diese abzulehnen.
  5. Außerdem war ohne Kenntnis von sehr vielen angekündigten Anträgen bereits beschlossen, das Verfahren heute, wenn möglich zu Ende zu führen.
  6. Die Anwesenheit einer Polizeitruppe mit Aufstandsbekämpfungsausrüstung deutet zudem darauf hin, dass ein bestimmtes Urteil oder zumindest dessen Richtung bereits feststand, obwohl noch viele Anträge angekündigt waren und wir uns immer noch in der Beweisaufnahme befinden.
  7. Aus dem Vergleich meiner Erfahrung in einem ähnlich gelagerten Fall hier im gleichen Raum Ende April 2005 muss ich sogar Schlimmeres fürchten. Auch dort war ein solches Polizeiaufgebot vorhanden. Aus einem Telefonat eines Polizisten konnte ich glücklicherweise schon vor Beginn des letzten Verhandlungstages erfahren, dass nicht nur ein hohes Urteil, sondern die sofortige Inhaftierung wegen Fluchtgefahr beschlossen werden sollte. Ich habe diese Gefahr damals mit einem 8,5 stündigen Plädoyer abwenden können. Später kippte das Bundesverfassungsgericht die Willkürurteile Gießener Justiz. Die heutige Vorgehensweise ist identisch der damaligen. Ob dahinter auch der gleiche Wille bestand, kann ich nicht beurteilen. Das ist aber auch nicht nötig, da bereits die anderen Punkte eine Befangenheit ausreichend begründen.

Das Urteil in diesem Verfahren steht fest. Der Rest war freundliche Debatte, für die ich mich bedanke. Das ändert nichts daran, dass hier gerichtete Justiz stattfindet und sich in der beschriebenen Art ausdrückt. Die dahinterstehende Befangenheit ist offensichtlich.

Meine eben gemachten Angaben über die hier agierenden Persönlichkeiten gelten seit meiner Feststellung nur noch eingeschränkt.

Die Entscheidungen über die Befangenheitsanträge sind noch nicht getroffen worden, sondern wurden vom Gericht zurückgestellt. Das muss nun bis zum nächsten, spätestens aber zum übernächsten Termin (falls es den doch geben sollte) nachgeholt werden. Aber das abgekartete Spiel ist jetzt klar - und in diesem Prozess wird kein Antrag von Angeklagten und Verteidigern mehr eine Chance haben. Um 12:09 endet der Verhandlungstag. Da seit dem fünften Verhandlungstag Beweisanträge im schriftlichen Verfahren eingereicht werden müssen, gibt der Angeklagte B nach der Verhandlung einen Stapel von Anträgen auf der Geschäftsstelle ab. Anträge, die mit großer Wahrscheinlichkeit das gleiche Schicksal erwartet wie ihre Vorgänger: abgelehnt zu werden.

Die nächsten Termine

  • Mittwoch, 30. September, 14 Uhr in Gießen, Landgericht (Ostanlage 15) im Raum 15: Siebter (und voraussichtlich letzter) Verhandlungstag der Berufung im Prozess gegen die Feldbefreier von 2006 in Gießen

Mehr Informationen

 

Weitere Termine

  • Mittwoch 14.10. um 19 Uhr in der Pumpe (Galerie), Haßstr. 22, Kiel: Vortrag "Deutsche Gentechnik - Verflechtung von Staat und Konzernen" (zum Inhalt siehe 15.10)
  • Donnerstag, 15.10., 19 Uhr in der Werkstatt 3 (Altona, Nernstweg 32-34/Gaußstr.): Vortrag "Monsanto auf Deutsch - Seilschaften der deutschen Gentechnik"
    Kennen Sie Filme oder Bücher über Monsanto? Immer wieder wird einen intensiver Filz zwischen Konzern und Aufsichtsbehörden aufgedeckt. Doch St. Louis, der Firmensitz des Round-up- und Agent-Orange-Herstellers, ist weit weg. Wie aber sieht es in Deutschland aus? Warum werden hier Jahr für Jahr immer neue Felder angelegt, obwohl 80 Prozent der Menschen keine Gentechnik im Essen wollen? Warum fließen Steuergelder auch dieser 80 Prozent fast nur noch in die Gentechnik, wenn es um landwirtschaftliche Forschung geht? Der Blick hinter die Kulissen der Gentechnik mit ihren mafiosen Strukturen und skandalösen Zustände bei Genehmigungen und Geldvergabe bietet eine erschütternde Erklärung, warum die überwältigende Ablehnung und der gesetzlich eigentlich vorhandene Schutz gentechnikfreier Landwirtschaft (einschließlich Imkerei) gegenüber der grünen Gentechnik so wenig Wirkung hat. Denn: In den vergangenen Jahrzehnten sind alle relevanten Posten in Genehmigungsbehörden, Bundesfachanstalten und geldvergebenden Ministerien mit GentechnikbefürworterInnen besetzt worden. Die meisten von ihnen sind direkt in die Gentechnikkonzerne eingebunden. Mafiose Geflechte von Kleinstunternehmen und seltsamen Biotechnologieparks names Biotechfarm oder Agrobiotechnikum sind entstanden, zwischen denen Aufträge und Gelder erst veruntreut und dann hin- und hergeschoben werden, bis sich ihre Spur auf den Konten der Beteiligten verliert. Es wird Zeit für einen Widerstand an den Orten der Seilschaften.
    In der Veranstaltung werden minutiös die Seilschaften zwischen Behörden, staatlicher und privater Forschung, Konzernen und Lobbyorganisationen durchleuchtet. Genauere Blicke lohnen auf die Genehmigungsbehörde BVL (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsichergheit und deren Beratungsstellen JKI und ZKBS. Dann sollen beispielhaft zwei Zentren der grünen Gentechnik vorgestellt werden: Das AgroBioTechnikum in Groß Lüsewitz mit seinen Firmengeflechten um biovativ und BioOK und die BioTechFarm in Üplingen mit dem sachsen-anhaltinischen Gentechfilz um InnoPlanta.
    Den Abschluss bildet ein Ausblick auf Möglichkeiten des Widerstandes: "Wer nach mehr Forschung ruft oder sich auf staatliche Stellen verlässt, ist verlassen. Gentechnikfreiheit gibt es nur dann, wenn die 80 Prozent Ablehnung sich auch zeigen - nicht zwar nicht nur per Stimmzettel, Protestmail oder am Supermarktregal, sondern dort, wo die Gentechnikmafia arbeitet und die Felder angelegt werden!"
  • 26.10.2009, 19 Uhr in Leipzig, "Die Vorratskammer" FoodCoop LE-Ost (Eisenbahnstr. 109), Vortrag "Deutsche Gentechnik - Verflechtung von Staat und Konzernen" (zum Inhalt siehe 15.10)
  • Weitere Termine: 20.10. voraussichtlich in Lüneburg, 28.10. in Halberstadt, 29.10. eventuell in Quedlinburg
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

anwälte?

jb 21.09.2009 - 21:55
Die Staatsanwaltschaft strebt eine hohe Strafe an, ca. 1 Jahr. Daher ist in diesem Prozess eine Pflichtverteidigung gegeben, d.h. ich MUSS mit Anwalt antreten. Allerdings gibt es bislang aber auch keinen Grund für mich, unzufrieden mit den Anwälten zu sein.

Lage der Dinge

feldbefreii 24.09.2009 - 10:26
Bio-Imker Micha Grolm ist nach fast einem Monat wieder raus aus dem Knast - das Verfassungsgericht hat der regionalen Justiz das diktiert. Christian Pratz aus Witzenhausen sitzt zur Zeit in Kassel wegen einer Feldbefreiung. Am 5.10. geht Karl Braig ins Gefängnis (in Ba-Wü).
In Gießen wollen die Robenträger den Prozess möglich sofort zuende bringen. Anträge von Anwälten und Angeklagten werden nicht mehr angenommen und bisherige pauschal als "ohne Bedeutung" abgelehnt. Der nächste Termin ist Mittwoch, der 30.9. um 14 Uhr. Hier soll wohl das Urteil gesprochen werden. Vorher ist mit massiven Einschränkungen der Prozessrechte von Angeklagten und Verteidigung zu rechnen, z.B. mit der pauschalen Ablehnung von über 100 Anträgen als "ohne Bedeutung". Die Staatsanwältin fand schon beim ersten Antrag, dass alles nur der Prozessverschleppung diene.
Zur Zeit wirkt das Gericht so, als wenn die anfällige Nachsichtigkeit vor allem der Beruhigung diente - und nun ein dickes Ende kommt. Um 12 Uhr ist eine Demo durch die Innenstadt geplant - Treffpunkt ist der Kirchenplatz.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 8 Kommentare an

Nicht entmutigen lassen!! — Roland Ionas Bialke

Unrechtsstaat BRD — muenger

Vortrag über Genfilz — Videodokumente

Eine Überlegung — Fidelio Grinsesau

@grinsesau — jb

Mehr Öffentlichkeit — Traumjost