Pankower Festgemeinschaften 2009

North East Antifascists (NEA) 16.09.2009 16:04 Themen: Antifa
Im August und September fanden in Nordostberlin mehrere Bürger_innenfeste
statt: das Blumenfest, das Fest an der Panke und das Blankenburger
Feuerwehrfest. Die Feste waren in den letzten Jahren immer wieder
Anziehungspunkt für rechtes Publikum und stellten schon oft einen Angstraum
für nicht rechte Menschen dar. Für alle, die diesen Goldstücken ostdeutscher
Bürgerfestkultur nicht beiwohnen konnten, möchten wir mit diesem Text einen
kurzen Überblick in Sachen Neonazi-Ornithologie bieten.
Blumenfest (28. - 30. August 2009 / Weißensee)

Nicht ganz so groß und nicht ganz so bierselig wie in den Jahren zuvor
gestaltete sich das Blumenfest in diesem Jahr. Die Veranstalter_innen hatten
viel Wert auf Kulturprogramm und die Kooperation mit verschiedenen
Initiativen und Vereinen gelegt um den Ruf eines schmuddeligen Bierfestes,
der dem Blumenfest nun Mal zu Recht anhaftet, abzustreifen. Trotzdem waren
eben jene zugegen, die den Veranstalter_innen bei ihrer „Neuerfindung“ des
Festes eben hinderlich sind, um ihren Alkoholdurst zu stillen.
Aus dem rechten Spektrum waren vorwiegend ältere Säufer-Nazis anwesend, viel
"Thor Steiner" wurde zur Schau getragen, aber auch Shirts mit Aufdrucken wie
"Nationaler Sozialismus jetzt!" waren auf dem Fest vorzufinden. Am Stand des
Germanentrunk hatten sich auch bei diesem Fest wieder zahlreiche Neonazis
gesammelt. Plakate der Piraten Partei wurden entlang der Allee von rechten
Festgästen mit Sprüchen wie "mehr Nationalstolz (auch Außerhalb der WM)"
oder "Todesstrafe für Kinderschänder" beschmiert.

Das Fest fand in diesem Jahr, wie das historische Blumenfest, auf der
Berliner Allee statt. Das erste Mal seit Jahren gab es keine Genehmigung für
Parteien, ihre Stände auf dem Fest aufbauen zu können, was auch an dem neuen
Vorbereitungskreis liegen mag. Allerdings bot der diesjährige
Bundestagswahlkampf Parteien trotzdem die Basis zu werben. So waren letzten
Endes die NPD mit einem Stand und die CDU durch das Wahlkampf-Team Gottfried
Ludewigs vertreten. Ludewig kandidiert für die Pankower CDU als
Direktkandidat für den Bundestag. Bekannt wurde er in der Vergangenheit
unter anderem durch seine verachtenden Äußerungen gegenüber Erwerbslosen (1)
und die Beseitigung studentischer Strukturen an der Technischen Universität
(Verkauf der Uni-Druckerei usw.) durch den RCDS, dessen Vorsitzender er von
2006 bis 2008 war (2).

- Die Veranstalter_innen -

Die Organisation des Festes lag bisher immer beim Bezirk Pankow. Diese
Aufgabe wurde mittlerweile an Private abgegeben und wird derzeit vom Verein
für Weißensee e.V. übernommen. Der "Verein für Weißensee e.V." hatte bereits
zu Beginn des Jahres in der "Berliner Woche" um Beteiligung der Weißenseer
Bevölkerung an der Vorbereitung des Festes geworben. Bei dem "Verein für
Weißensee e.V." handelt es sich allerdings nicht um einen politisch
ungefärbten Zusammenschluss von Weißenseer_innen. Vielmehr ist es ein
CDU-naher Verein mit entsprechender Besetzung. Vorsitzender des Vereins und
organisatorischer Hauptansprechpartner des Festes ist ein alter Bekannter:
Dirk Stettner. Stettner ist stellvertretender Vorsitzender der CDU Pankow
und Vorsitzender der Weißenseer CDU sowie Betreiber der Firma "Stettner
Immobilien". Er war unter anderem in der "Interessengemeinschaft
Pankow-Heinersdorfer Bürger e.V." (IPAHB) aktiv, die die Proteste gegen den
Bau der Ahmadiyya-Moschee von 2006 bis 2008 organisierte. Die Pankower CDU
(3), wie auch Stettner selbst standen wegen ihrer Unterstützung der
rassistischen Protestbewegung bereits in der Kritik (4).

Der Verein hat es sich zum Ziel gesetzt, Weißensee als attraktiven
Gewerbestandort zu vermarkten. Um die Gegend als Zuzugsgebiet für
finanzkräftigeres Publikum attraktiv zu gestalten, ist schließlich die
geplante Ansiedelung von Gewerbetreibenden dringend notwendig. Seit
anderthalb Jahren ist ein stetiger Anstieg der Mieten zu verzeichnen und an
vielen Stellen des Bezirks entstehen Townhouses oder Privatwohnungskomplexe.
Weißensee wird gegenüber jungen Familien mit höherem Einkommen als
kinderfreundlicher Wohnort im Grünen vermarktet, wo mensch in Ruhe wohnen
kann, aber nicht auf die Citynähe verzichten muss. Ähnlich wie Lichtenberg
oder Pankow wird der Bezirk Menschen, die gern im Innenstadtbereich
(Szenekieze usw.) wohnen möchten, als passable Ersatzvariante für die
entsprechende Erstbezugsmiete angeboten. Für genau diese
Vermarktungsstrategie stehen unter anderem die "Puccini-Hofgärten" in der
Puccini-Straße, die passenderweise auch ihren Platz auf der
Unterstützer_innenliste des Weißenseer Blumenfestes hatten (5). Die
Bestrebungen des Vereins sind somit auch als Teil eines
„Aufwertungsprozesses“ im Bezirk Weißensee einzuordnen.

- NPD-Stand -

Das Parteienverbot“ traf auch die NPD, weshalb sie ihren Stand nicht wie
üblich auf dem Fest aufbauen konnten. Erst baute sie den Stand in der Nähe
der Tram Station Indira-Gandhi-Straße auf, wo sie von den Veranstalter_innen
des Platzes verwiesen wurden. Anschließend bauten sie ihren Stand an der
Ecke Berliner Allee/Lindenallee auf, wo sie ihr Material weitestgehend
ungestört verteilen konnten. Viele Menschen nahmen es allerdings auch nicht
an. Der Stand wurde durch 8 Neonazis aus dem Spektrum des NPD-Kreisverbandes
8 und der "Vereinte Nationalisten Nordost" (VNNO) betreut. Zugegen waren
unter anderem Vicky Seidler (6), Diego Pfeiffer (7), Andy Fischer (8),
Daniel Steinbrecher (9), Sandor Makai (10). In der Pistoriusstraße und an
der Kreuzung Pistoriusstraße/Berliner Allee hängten die NPDler insgesamt
acht Plakate auf, die in der folgenden Woche wieder beseitigt wurden.

Mehr Infos über die NPD Pankow und weitere Nazistrukturen gibt es hier:
Fight Back Nr. 4 (Mai 2009)
 https://berlin.antifa.net/wp-content/uploads/fightback04.pdf


Blankenburger Feuerwehrfest (4. – 6. Sept. 2009 / Blankenburg)

Laut Polizeimeldungen kam es nach Beendigung des Blankenburger Ortsfestes zu
einer Auseindersetzung, an der sich rund 100 alkoholisierte Personen
beteiligten. Da die Menge immer aggressiver wurde erteilte die Polizei
Platzverweise und zog später weitere Einsatzkräfte hinzu. In den
Morgenstunden wurde die Polizei erneut gerufen, da Unbekannte an mehreren
Aufbauten des Festplatzes Parolen und Zeichen angebracht hatten. Ob es sich
dabei um einen rechten Hintergrund handelt ist derzeit nicht klar (11).
Allerdings ist dies auch nicht komplett auszuschließen, da das Fest schon
immer Anziehungspunkt für rechtes Publikum nicht nur aus Pankow, sondern
auch aus dem Kreis Barnim war.

Fest an der Panke (12. – 13. Sept. 2009 / Pankow)

Da die NPD am 13. September 2008 auf dem "Fest an der Panke" mit einem Stand
und einem Dutzend UnterstützerInnen vertreten war, hatten Antifaschist_innen
im Vorfeld des Pankefestes Plakate entlang des Festgeländes geklebt, die
sich gegen die Anwesenheit von Neonazis auf dem Fest richteten. Im Gegensatz
zum letzten Jahr hatte die NPD auf dem diesjährigen Pankefest allerdings
keinen Stand.
Beim parallel stattfindenden Feuerwehrfest hingegen hatten sich zahlreiche
Neonazis versammelt. Geschätzte 70 Prozent der Anwesenden konnte diesem
Spektrum zugerechnet werden. Kleidung mit deutsch-nationalen oder
offensichtlich rechten Aufdrucken war prägend für das Gesamtbild des Festes.
Auch mehrere der Pankower Neonazis der VNNO waren anwesend. Da sich im
letzten Jahr ebenfalls beim Feuerwehrfest etliche "Sieg heil!" grölende
Nazis versammelt hatten, hatten die Veranstalter für dieses Jahr versichert,
sich „gegen Rechtsextremismus“ zu positionieren. Zu spüren war davon
allerdings relativ wenig.


North East Antifascists (NEA), Aug./Sept. 2009


Quellen:

01: „Rentner und Arbeitslose als Wähler zweiter Klasse?“, Tagesspiegel, 23.5.2008:  http://www.tagesspiegel.de/politik/deutschland/RCDS-Wahlrecht-CDU;art122,2536469

02: „Der Tag, an dem die Asta-Druckerei verschwand“, Spiegel, 10.08.2007:  http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/0,1518,499063,00.html

03: „Heinersdorfer Sumpf“, Junge Welt, 19.07.2006  https://www.jungewelt.de/loginFailed.php?ref=/2006/07-19/012.php)

04: „Podiumsdiskussion mit CDU / IPAHB gestört“, Indymedia, 07.09.2006  http://de.indymedia.org/2006/09/156634.shtml

05: Promo-Video der Hofgärten:  http://www.youtube.com/watch?v=fYDx_CWaUHs

06: Victoria "Vicky" Seidler:  http://users6.nofeehost.com/nazisinpankow/02-seidler1.htm

07: Diego Pfeiffer:  http://users6.nofeehost.com/nazisinpankow/02-pfeiffer.htm

08: Andy Fischer  http://users6.nofeehost.com/nazisinpankow/02-fischer.htm

09: Daniel Steinbrecher:  http://users6.nofeehost.com/nazisinpankow/02-steinbrecher.htm

10: Sandor Makai:  http://aw.antifa.de/bilder/aw_texte/npd_nazi.jpg

11: „Randale nach Feuerwehrfest“, Morgenpost, 05.09.2009  http://www.morgenpost.de/berlin/polizeibericht/article1164528/Randale_nach_Feuerwehrfest.html
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Ergänzungen