Wuppertal: Knäste zu Grünflächen

hermilebt 15.09.2009 00:27 Themen: Freiräume Repression
Am 12. September 2009 ging der Protest und Widerstand gegen den neuen Jugendknast in Wuppertal in eine nächste Runde. Nach der vielbeachteten Podiumsdiskussion in Ronsdorf mit Gefängnispfarrern und KritikerInnen des Gefängnissystems, nach den Protesten von UmweltschützerInnen gegen die Grundsteinlegung durch die Justizministerin Piepenkötter wurde auf dem Festival gegen den Jugendknast vor allem ehemaligen Gefängnisinsassen und sog. "Heimzöglingen" das Wort gegeben.
Der heutige (Jugend) Strafvollzug hat in Deutschland eine besondere Vorgeschichte. "Verhaltensauffällige" und "straffällig" gewordene Jugendliche wurden schon in Weimarer Republik-Zeiten in "Fürsorgererziehung" und Jugendgefängnissen unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten. Die nationalsozialistische Gesellschaft verstärkte den Zugriff und sperrte diese Jugendlichen in geschlossene Heime, in sog. "Landespflege- und Heilanstalten" und Jugendkonzentrationslager ein. Diese Jugendliche fielen dann zum Teil den Mordprogrammen der Nazis zum Opfer, fast alle aus diesem Personenkreis wurden zwangssterilisiert.

Die Initiative huschhusch, das Autonome Zentrum Wuppertal sowie die örtliche Antifa beteiligten sich vergangenen Samstag am Festival gegen den Jugendknast in Wuppertal Ronsdorf. Eindrucksvoll schilderten Paul Brune, ein Opfer der NS-Psychatrie, der auch nach 1945 in Heimen eingesperrt war, Stefan und Gerhardt, beide Ex-Häftlinge in Jugendgefängnissen der neueren Vergangenheit, ihre Erfahrungen und traumatisierenden Erlebnisse. Paul Brune, Jahrgang 1935 wurde als "gemeingefährlicher, debiler Psychopath" von 1943 bis 1957 psychiatrisiert und war der Gewalt von Anstaltsleitern, Ärzten und Ordensschwestern ausgeliefert. Als achtjähriger Schuljunge entging er nur knapp der Ermordung durch NS-Ärzte und sollte noch in den fünfziger Jahren als "gefährlicher Psychopath" für immer hinter Anstaltsmauern verschwinden. So wurde von den Zuständen innerhalb der Heime und Gefängnisse berichtet, aber auch von den Versuchen erzählt, innerhalb und außerhalb der Mauern Widerstand gegen die Verhältnisse zu organisieren. Vorangegangen war der Diskussionsrunde ein Zaunspaziergang, entlang des Geländes auf dem der Jugendknast gebaut werden soll, bzw. bereits gebaut wird - dieser wurde durch die anrückende Staatsgewalt allerdings unterbunden, alle Anwesenden des Geländes verwiesen. Bei Antifa-Infostand, veganer Küche und Livemusik wurde dann weiter über die Zustände in Knästen diskutiert. Der Teilnehmer, der über ganz aktuelle Ereignisse berichten sollte, war leider arbeitsbedingt verhindert, so fehlte ein wichtiger Bestandteil der Diskussion. Der Tag endete mit Livemusik von Grog von Teds & Grog (Liedermacher – Berlin), Mettfabrik (Elektro-Hip-Hop – Wuppertal), Nic Knatterton (Hip-Hop / Aachen), Microphone Mafia (Hip-Hop – Köln) und Du & Ich tanzen jetzt (Elektro – Wuppertal).
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Ergänzungen

auserdem noch

anti knast 15.09.2009 - 13:59
Außerdem werden dort eine Justizvollzugsschule sowie die Bereitschaftspolizei eine neue Heimat finden.

Zudem gab es noch eine weitere Aktion in Wuppertal die in zusammenhang mit dem Knastsystem
steht so konnte mensch am 28.Mai auf der Onlineseite der Westdeutschen Zeitung folgenden Artikel Lesen:

Unbekannte zerstören Autoreifen
von Robert Maus
Autonome bezichtigen sich selbst der Tat. Bekennerschreiben per Mail in die WZ-Redaktion.

Barmen. Böse Überraschung für die Eigentümer von 27 Autos, die am Dietrich-Bonhoeffer-Weg in Barmen, direkt vor der Justizvollzugsschule, geparkt hatten. Unbekannte haben die Reifen an den Autos in der Nacht zu Donnerstag zerstochen. Nach Auskunft der Polizei wurden ein bis zwei Reifen an jedem Fahrzeug platt gestochen. Der entstandene Sachschaden beträgt fast 4000 Euro.

Bekennerschreiben per Mail in die WZ-Redaktion

Donnerstagmittag ist unterdessen in der WZ-Redaktion ein Bekennerschreiben eingegangen. Demnach erklärte eine Gruppe mit dem Namen „Autonome Automarder – AG Umschulung“, sie habe die Reifen der Autos von Auszubildenden der Justizvollzugsschule Wuppertal zerstört. I

hr Ziel sei es, den Auszubildenden klar zu machen, dass diese umschulen sollten. Die mutmaßlichen Täter geben an, mit dieser Tat im Namen der Gefangenen den „zukünftigen Schließern“ ihren „Hass und ihre Ablehnung“ gezeigt zu haben. Die Gruppe fordert eine „Gesellschaft ohne Knäste“ und kündigt in dem Schreiben an, auch zukünftig mit solchen Aktionen gegen den Neubau der Jugendvollzugsanstalt Widerstand leisten zu wollen: „Deshalb werden wir dem Knastneubau, auf dessen Gelände auch die von uns angegriffene Justizvollzugsschule Platz finden soll, unseren Widerstand entgegen setzen."

weiter konnte mensch auf directactionde.blogspot.com folgende erklärung lesen:

PKWs von Auszubildenden der Justizvollzugsschule tiefergelegt
Wuppertal 28 Mai 2009

Eine Erklärung die uns tzugeschickt wurde:

"KNÄSTE ZU BAULÜCKEN!
SCHLIEßER ZU GÄRTNERN!

Wir haben in der Nacht vom 27. auf den 28.Mai 2009 zahlreiche PKWs von Auszubildenden der Justizvollzugsschule Wuppertal und einen Transporter der Justizvollzugsschule tiefergelegt, d.h. die Reifen zerstört.

Wir wollen damit den zukünftigen Schließern die Chance auf eine rechtzeitige Umschulung geben, indem wir ihnen mitteilen, dass sie nicht einen Beruf wie jeden anderen gewählt haben. In Knästen werden tagtäglich Menschen psychisch und körperlich geschädigt. Schließer sind daran, neben Richtern, Staatsanwälten, Politikern und einer Öffentlichkeit und Presse, die das "Wegschließen" einfordert, maßgeblich und unmittelbar beteiligt. Die Gefangenen sind vom Wohlwollen der Schließer völlig abhängig und ihrer Willkür vierundzwanzig Stunden am Tag ausgesetzt. Daher können sie den Menschen, die ihnen gegenüber tagtäglich Repression ausüben, ihren Hass und ihre Ablehnung nicht einmal zeigen. Also zeigen wir dies stellvertretend. Getroffenen haben wir einige, gemeint sind alle die am unmenschlichen Knastsystem mitwirken.

Wir wollen eine Gesellschaft ohne Knäste. Dies ist keine absurde Utopie. Knäste sind keine gesellschaftliche Notwendigkeit, sondern Ausdruck eines Systems, dass auf Konkurenzz basiert, die Bedürfnisse der Menschen nicht erfüllt und Menschen durch Zwangssysteme wie Familie, Schule, Arbeitszwang, Hartz IV und eben Knast zerstört. So sind z.B. Vergewaltigungen in einer patriachalstrukturierten Gesellschaft keine Taten von "Treibgestörten", sondern die extreme Ausformung eines alltäglichen und gesellschaftsimmanenten und -konformen Sexismus. Entgegen der allgemeinen Vorstellung sind die Knäste jedoch nicht voll mit Vergewaltigern und Mördern. In einer Gesellschaft, die nur nach einer kapitalistischen Verwertungslogik funktioniert, ist es nicht überraschend, dass der größte Teil der Gefangenen wegen Eigentumsdelikten u.ä. einsitzt. Das unsere kapitalistische Gesellschaft die Aufrechterhaltung der Eigentumsverhältnisse höher bewertet, als die Integrität von Menschenleben kommt nirgendwo deutlicher zum Ausdruck als in den Gefängnissen.

Obwohl die Verhältnisse oft liberaler als früher dargestellt werden, steigt seit Jahren die Anzahl der Gefangenen bei gleichzeitig sinkender "Kriminalität". Schärfere Gesetze und härtere Strafen zu fordern ist eine einfache Antwort auf die durch Medienhetze hervorgerufene Angst vor Kriminalität. Statt Gewaltprävention werden neue Knäste, wie der für Jungendliche in Wuppertal-Ronsdorf, gebaut. Jeder Knast ist einer zuviel!! Ein Neubau dient nicht der Verbesserung der Situation der derzeitigen Gefangenen, sondern nur der weiteren Erhöhung der Gefangenenzahl. Deshalb werden wir dem Knastneubau, auf dessen Gelände zukünftig auch de von uns angegriffenen Justizvollzugsschule Platz finden soll, unseren Wiederstand entgegen setzen.

Autonome Automarder - AG Umschulung"

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