Demo-Auflagen in Berlin: neue Verhältnisse?

Wir bleiben Alle! 09.09.2009 11:19 Themen: Freiräume Repression Soziale Kämpfe
Obwohl die gestrige Demo für den Erhalt der Liebig 14 und aller bedrohten Projekte als "gefährlich" eingestuft wurde, wurden Seitentransparente in beliebiger Länge, das Verknoten von Transpis, das Tragen von Stahlkappenschuhen ausdrücklich auch offiziell zugelassen - eine einmalige Angelegenheit oder ein Verweis darauf, dass die bisherige schikanierende Auflagen-Praxis sich ändert?
Sehr viele von uns werden es schon erlebt haben. Seit Jahren gab es fast keine Demo, auf der nicht mittels Auflagen das Tragen von Seitentransparenten mit einer Länge von mehr als 1,50 Meter verboten gewesen wäre. Gleiches galt auch für das Tragen von Schuhen mit Stahlkappen.

Auf ungezählten Demos in den letzten Jahren führten diese bescheuerten Auflagen zu Stress, oft auch zu Festnahmen und Körperverletzungen, wenn hoch-agressive Kampfbullen in die Demo stürmten, um angeblich zu lange Seitentranspis wegzureissen oder um Leute mit angeblichen oder tatsächlichen Stahlkappenschuhen festzunehmen.

Owohl die Demo gestern laut Einschätzung der Bullen als Demo eingeschätzt wurde, bei der mit einem "unfriedlichem" Ablauf gerechnet werden müsse, gab es gestern keinerlei Auflagen bezüglich Transparenten oder Bekleidung. Was nicht durch Auflagen verboten ist (oder grundsätzlich, unabhängig von Auflagen, verboten ist, wie etwa "Vermummung"), ist erlaubt. Gestern hätten also durchaus auch Seitentransparente von vielen Metern Länge legal getragen werden können.

Mit diesem Zusammenhang von als "gefährlich" eingeschätzter Demo und fehlenden Auflagen zu Tranpis und Schuhen bei der Demo von gestern lässt sich auch in Zukunft vielleicht argumentieren, falls Bullen und Versammlungsbehörde wieder auf die Idee kommen, erneut bescheuerte Transpi- und Kleidungsauflagen zu erlassen. Deswegen wollen wir an dieser Stelle mal etwas ausführlicher aus dem Auflagenbescheid zitieren. Interessant ist hierbei vor allem wohl die Einschätzung als "gefährliche" Demo mit Tendenz zum "Unfrieden".

"Sie haben einen Aufzug angemeldet, der sich im Besonderen gegen die Räumung des alternativen Wohnprojektes "Liebig 14" und im Allgemeinen mit dem Themenkomplex "Freiräume und Stadtumstrukturierung" beschäftigen soll. Dieser Themenbereich genießt in der linken Szene generell einen hohen Stellenwert...

Die Bedrohung alternativer Wohnprojekte wird seitens der linken Szene gerne in den Begründungszusammenhang zur Begehung von Straftaten gestellt. Eine Teilnahme von Personen, die sich solcher "Legitimation" bedienen, kann auch vorliegend nicht ausgeschlossen werden. Mobilisierungsaufrufe für die Demonstration finden sich auf dem linken Internetportal "Stressfaktor", der Internetpräsenz des Hausprojektes "Liebig 14" sowie auf der Seite der "wba-Kampagne". Des weiteren sind Plakate und Flugblätter im thematischen Zusammenhang im Stadtgebiet aufgetaucht. Die "wba-Kampagne" zeichnet verantwortlich für die im Jahr 2008 durchgeführten "actiondays" sowie die diesjährigen "actionweeks", in deren Zusammenhang es zur zahlreicher Straftaten wie Sachbeschädigungen, schweren Landfriedensbrüchen sowie Widerstands- und Branddelikten, zum Teil auch anlässlich demonstrativer Aktionen und Hausbesetzungen kam. Auch Demonstrationen, die außerhalb dieser Aktionszeiträume unter dem Motto "Wir bleiben Alle" durchgeführt wurden, nahmen des öfteren einen unfriedlichen Verlauf...

Eine Teilnahme von gewaltbereiten Personen an der Demonstration kann vorliegend nicht ausgeschlossen werden. Zumindest Farbbeutel- Flaschen- und Steinwürfe gegen Reizobjekte sind zu besorgen. Der Aufzug ist damit als störanfällig einzustufen..."

Den kompletten Auflagenbescheid werden wir später noch hier als Ergänzung als PDF ins Netz stellen, für die, die es interessiert.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Ist wohl eine gerichtliche Entscheidung...

Carlos 09.09.2009 - 13:56
Nicht durch die Versammlungsbehördeurde sondern gerichtlich wurde dies vermutlich festgelegt.
Hier sei auf einen Artikel des akj (Arbeitskreis kritischer Juristen) verwießen.

Zitat (Auszug):
"Die in den nächsten Tagen zu erwartende Entscheidung wird nach der Mitteilung des Gerichts die Beschränkungen für Seitentransparente gänzlich kippen. Zukünftig können Seitentransparente danach nicht nur länger als 150 cm sein, sondern auch direkt miteinander verknotet werden. Lediglich das „Verseilen“ von Transparenten kann weiterhin verboten werden, wenn dadurch eine Gefährdung für die Öffentlichkeit entsteht.

Auch ein generelles Verbot von Stahlkappenschuhen auf Demonstrationen wird es nicht mehr geben. Derartige Schuhe seien inzwischen ein vielgetragenes Modeaccessoir, die nicht pauschal für alle DemonstrationsteilnehmerInnen verboten werden dürfen, weil dies zur Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsteile führen würde."

 http://akj.rewi.hu-berlin.de/erklaerungen/VG_Demo.htm

Die Entscheidung scheint gefallen zu sein. Allerdings kenne ich dazu keinen Artikel. Wer mehr weiß, bitte posten!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 2 Kommentare an

ausgefüllt — über 87

mmmmm — trulla