DTMB - Ein entsolidarisierter Arbeitskampf

* aka * 07.09.2009 12:33 Themen: Blogwire Kultur Soziale Kämpfe
Am 5. September fand am Deutschen Technikmuseum Berlin (DTMB) ein Warnstreik der Besucherbetreuung und des Wachpersonals der T&M Technik und Museum Marketing GmbH für Verhandlungen zu einem Tarifvertrag statt. Dazu aufgerufen hatte die Gewerkschaft ver.di. Die erneute Eskalation des Arbeitskampfes am DTMB ist vor allem durch eine Isolation der Belegschaft und eine mangelnde, solidarische Öffentlichkeit gekennzeichnet.
Im Februar diesen Jahres hatte sich am DTMB eine ver.di Betriebsgruppe gegründet. Im April wurde eine Tarifkommission gewählt, die einen Tarifvertrag für die Besucherbetreuer_innen und das Sicherheitspersonal erarbeiten sollte. Ziel war ein Stundenlohn von 7,50 Euro, was immer noch unter dem vom Berliner Senat im Kulturausschuß im Juni 2008 durch Andre Schmitz zugesicherten Mindestlohn für Beschäftigte der T&M von 7,80 Euro liegt (siehe  http://de.indymedia.org/2008/08/225852.shtml). Erfreulich ist, daß die aktuelle Tarifforderung – scheinbar außerhalb der Tarifkommission - innerhalb weniger Monate auf 9 Euro (in anderen Veröffentlichungen auch 9,50 Euro,  http://www.rbb-online.de/nachrichten/politik/2009_08/ver_di_protest_bei.html) pro Stunde erhöht wurde.

Die neuen Entwicklungen am DTMB kommen äußerst überraschend. Der Betriebsrat der T&M hat sich seit Juni 2008 nicht mehr öffentlich geäußert. Jürgen Stahl, der ver.di Vertreter weigert sich ebenfalls seit Monaten über die Situation am DTMB Auskunft zu geben. Die ver.di Betriebsgruppe hat nie über ihre Gründung und ihre Ziele informiert. Der Blog der Besucherbetreuung ist verweist. Ihr Forum ist schon seit Wochen nicht mehr erreichbar.

Seit Mitte August hat sich dies geringfügig geändert. Einen Monat nach dem Aufruf zum Boykott des Filmtheater Babylon scheint ver.di den prekären Sektor wieder entdeckt zu haben. Der stellvertretende Berliner ver.di Vorsitzenden Andreas Köhn, der gerne selbst für Streikbrecher_innen sorgt (siehe  http://jungle-world.com/artikel/2007/26/19892.html), macht diesen Konflikt zur „Chefsache“ und will für die Belegschaft des Kinos verhandeln. Die Beschäftigten des Babylon können sich über eine derartige Aufmerksamkeit ohne Rücksprache mit ihnen nach Monaten zynischen Schweigens nur wundern (siehe  http://www.fau.org/artikel/art_090903-020406).

Im Zuge dieser Offensive der Berliner ver.di Spitze in der Kulturbranche scheint der seit über einem Jahr immer noch schwelende Arbeitskampf am Technikmuseum wieder entdeckt worden zu sein. Es entsteht allerdiings der Eindruck, daß der Konflikt im DTMB nur als (erfolgreicher) Alibi-Arbeitskampf im Kulturbereich inszeniert werden soll, um von ver.dis Versagen und unsolidarischem Verhalten im Babylon abzulenken.

Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn mensch die Umstände des Arbeitskampfes am DTMB betrachtet. Die Betriebsgruppe und ver.di, vertreten durch ihren Sekretär Jürgen Stahl, agierte bisher betont still. Die aktuellen Protestaktionen sind schlecht organisiert. So war von Aktivitäten während der „Langen Nacht der Leitathletik“ zum Abschluß der Weltmeisterschaften der Leichtathletik am 21. August im Technikmuseum nichts zu hören. Der Warnstreik während der Öffentlichen Vorführung der rbb-Dokumentation „24h Berlin. Ein Tag im Leben“ am vergangenen Samstag dürfte die Geschäftsleitung der T&M ebenfalls wenig beeindruckt haben. Trotz breitem Medieninteresse an beiden Veranstaltungen konnte der Arbeitskampf im Technikmuseum nicht thematisiert werden.

Der Zeitpunkt, die isolierte Belegschaft, ihr stummer Betriebsrat, eine geräuschlose Betriebsgruppe, die kürzlich erhöhte Forderung des Stundenlohnes, die Intransparenz des Arbeitskampfes am DTMB und vor allem die mangelhafte Ernsthaftigkeit der Aktionen spricht dafür, daß die Mitarbeiter_innen der T&M GmbH von der Berliner ver.di Leitung lediglich benutzt werden. Trotz enormer medialer Präsenz am Technikmuseum konnten die Beschäftigten davon nicht profitieren und ihren Arbeitskampf nach Außen tragen. Viel mehr wird seit mehr als einem Jahr jede Öffentlichkeit gemieden. Frühe Bündnisparter_innen, wie das Maydaybündnis, Aktivist_innen der Montagsdemonstration, Jusos, Gewerkschafter_innen in der SPD, enge Kontakte zum rbb, selbst die gewerkschaftliche Vernetzung wurden nicht genutzt, sondern jeder Kontakt und öffentliche Betätigung außerhalb des DTMB rigoros unterbunden.

Solidarität ist eine Waffe! Solidarische Netzwerke können eine breite Öffentlichkeit herstellen, die insbesondere im kulturellen Bereich wichtig ist, um erfolgreich intervenieren zu können. Am 27. August, bei der Videokundgebung des Berliner Mayday-Bündnisses unter dem Motto „Prekäre Arbeitsverhältnisse überall angreifen“ (siehe  http://de.indymedia.org/2009/08/259249.shtml), wurde eine Möglichkeit zur Vernetzung der Arbeitskämpfe offenbar bewusst verpasst. Die Isolation des eigenen Arbeitskampfes hilft nur der Geschäftsleitung.

Prekäre aller Länder vereinigt Euch!
Gemeinsam sind wir stark!
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Ergänzungen

Leider kein Einzelfall

FB13 07.09.2009 - 13:30
Danke für die gute Analyse. Solche Beispiele gibt es leider viele. Und es hat ja durchaus auch seine Gründe, warum immer mehr Leute diesen Funktionärsgewerkschaften, für die ihre Mitglieder nur Verfügungsmasse sind, über deren Köpfe man einfach hinwegentscheiden und -agieren kann, den Rücken kehren. Das sich ver.di in Berlin mit dem Kino Babylon Mitte ( http://prekba.blogsport.de) allerdings jetzt auch noch zum zweiten Mal (nach dem Streik bei der jW vor einem Jahrzehnt) als Streikbrecher zum Wohlgefallen der Geschäftsleitung hergeben will, finde ich als Mitglied dieser Gewerkschaft zum Kotzen. So langsam ist auch bei mir trotz langjähriger Mitgliedschaft die Grenze des Erträglichen bei diesem Geklüngel "guter Freunde" in Linkspartei und ver.di-Vorstand erreicht.