Auch in Bayern: Skandalprozess um Gentechnik

Auch in Bayern: Skandalprozess um Gentechnik 05.09.2009 16:11 Themen: Repression Ökologie
Am 2.9. wurden zwei AktivistInnen, denen die Beteiligung an einer Feldbefreiungsaktion von über 50 UmweltaktivistInnen im Rahmen einer Gendreck-Weg Aktion im Juni 2008 vorgeworfen wird, vom Amtsgericht Kitzingen zu je 70 Tagessätzen a 20€, jeweils 500 Euro Ordnungsgeld, sowie den Prozesskosten verurteilt. Das Urteil wurde in Abwesenheit beider Angeklagter verkündet, die im Verlauf des Prozesses von der Verhandlung ausgeschlossen worden waren! Richter Betz zeichnete sich durch extrem autoritäres Gehabe und die Verhängung von insgesamt 1250€ Ordnungsgeld in 2 Verhandlungstagen aus.
Zum Hintergrund:

Die Feldbefreiungsaktion fand im Rahmen eines Gendreck-weg Aktionswochenendes im Juni 2008 statt; es wurde ein MON-810 Genmaisfeld nahe Kitzingen, Unterfranken, weitesgehend zerstört. Über 50 weitere Personen sind in dieser Sache angeklagt und zum Teil auch schon verurteilt, einige Prozesse stehen noch aus. Die bisherigen Prozesse verliefen dabei unscheinbarer, und unterscheiden sich vor allem auch in der Urteilshöhe. Die verhängten Geldstrafen bewegen sich zwischen 30 und 45 Tagesätzen, wobei auch hier schon die Tendenz des Richters Betz erkennbar ist, allein den Widerspruch gegen den Strafbefehl zu bestrafen. In Sämtlichen Strafbefehlen wurden lediglich 20 Tagesätze verhängt.

Zum Prozess:

Nachdem die beiden Angeklagten Widerspruch gegen Ihre Strafbefehle eingelegt hatten wurde ihnen konsequent die Einsicht in die Gerichtsakten verweigert. Erst am 1. Prozesstag, dem 31.8. konnte das Recht auf Akteneinsicht durchgesetzt werden, was zur Vertagung auf den 2.9. führte. Dies jedoch nicht ohne dass Richter Betz das Nichtaufstehen der Angeklagten, was diese mit einer Grundsätzlichen Justizkritik verbanden, mit je 500€ Ordnungsgeld ahndete. Der 2. Verhandlungstag begann mit einem Befangenheitsantrag beider Angeklagter gegen Richter Betz, nicht zuletzt wegen der verweigerten Akteneinsicht.
Als dieser nach halbstündiger Beratungspause von Richter und Staatsanwalt aufgrund eines Formfehlers abgelehnt wurde ging es turbulent weiter. Eine dreiviertel Stunde lang versuchten beide Angeklagte Anträge zu stellen, Befangenheits-, oder Beweisanträge oder auch einfach nur Anträge auf Pause, die jedoch durchweg abgelehnt wurden. Auch ein Antrag auf Zuweisung eines Pflichtverteidigers wurde abgelehnt. In der Beratungspause des Richters hatte der Staatsanwalt den ungehorsamen Angeklagten zudem persönlich angedroht, ihnen den Laptop zu beschlagnahmen, den sie während ihrer Verteidigung benötigten.

Erster Rauswurf

Als der Angeklagte B. dem Richter gegen 11:30 einen schriftlichen Antrag überbrachte, wurde dieser auf ein Pappschild aufmerksam, dass sich B an den Gürtel geschnallt hatte. Darauf war zu lesen: “Ja, er Steht!“ was als Querverweis auf das von Betz konstruierte Aufstehproblem des 1. Tages zu sehen war. Es ergab sich eine Debatte zwischen Richter und Angeklagtem, in der Ersterer letzterem ungebührliches Verhalten und eine Störung des Prozesses vorwarf, was B. jedoch entschieden von sich wies. Nichts desto trotz kündigte B. an das Schild zu entfernen falls Betz ihm ein erneutes Ordnungsgeld androhe. Doch dazu kam es nicht mehr. Als B. sich von UnterstützerInnen aus dem Publikum einen Hinweiszettel abholte, bestand Richter Betz darauf, in die Notizen des Angeklagten B zu sehen (was er rechtlich nicht darf). Der unliebsame Angeklagte, der auf seine Rechte verwies, wurde nach kurzer Pause durch den Richter von der weiteren Verhandlung ausgeschlossen und rausgeschmisen. Der Angeklagte habe die Verhandlung „massiv und dauerhaft gestört“. Weil er sich weigerte aufzustehen!

Nach der Mittagspause

Das banale aufstehen blieb jedoch weiterhin von Bedeutung, jedenfalls für Richter
Betz. Als sich ein Zuschauer nach der Mittagspause ebenfalls nicht für den Herrn Vorsitzenden erhob, wurde auch dieser mit Ordnungsgeld in Höhe von 250€ belegt. Die Verhandlung lief nun brisant mit nur noch einer anwesenden Angeklagten weiter:
Zuerst wurde die Ladung eines Entlastungszeugen abgelehnt, und zwar mit der Begründung, man wisse aus vorherigen Verfahren schon, dass dieser keine Angeben machen könne. Der Polizeieinsatzleiter Niklaus war nämlich im Strafbefehl als Zeuge aufgeführt, obwohl er überhaupt nicht vor Ort war. Es zeigte sich weiterhin, dass die Staatsanwaltschaft der Angeklagten die Vorgeworfene Sachbeschädigung nicht nachweisen konnte. Auch aus den am „Tatort“ aufgenommenen Beweisfotos war nicht ersichtlich ob die beschuldigte L. tatsächlich Genmaispflanzen unschädlich gemacht hatte. Der angeklagte T. hatte sich zu der Aktion bekannt, und von beiden Angeklagten war stets die Wichtig-, und Richtigkeit von Feldbefreiungsaktionen betont worden. Dies wurde Eindrucksvoll durch den einzig geladenen Zeugen, den Landwirt Müller, dem das befreite Genfeld gehörte, unterstrichen.
Die Frage ob ihm bekannt gewesen sei, dass sein Genmais zum Zeitpunkt der letztjährigen Aussaat in Frankreich bereits aufgrund der unabschätzbaren Risiken verboten war, bejahte er.
Die genauen Gründe hierfür interessierten ihn jedoch nicht.
„[Die Risiken] wollte ich ja gar nicht wissen“.


Zweiter Rausschmiss und Urteilsverkündung

Nach dem ein weiterer Entlastungszeuge und sämtliche von der Angeklagten beantragten Pausen und weitere Anträge wegen unterstellter „Verfahrensverschleppung“ abgelehnt wurden, eskaliert die Situation ein weiteres mal. Als Richter Betz zu Protolkoll gibt, der Staatsanwalt sei beleidigt worden, woraufhin die Angeklagte anfängt „die Gedanken sind Frei“ zu singen, wird auch L. von der Verhandlung ausgeschlossen. Richter Betz begründet die Maßnahme mit der Justizkritik der Angeklagten, welche er als „infantiles Gehabe“ versteht, und unterstellt ein weiteres mal sie habe das Verfahren durch das Stellen von juristisch legitimen Anträgen verschleppen wollen.
Nachdem L. den Saal verlässt, steht einem Schnellen Ende des Verfahrens nun niemand mehr im Weg. Die Beweisaufnahme wird geschlossen, die Staatsanwaltschaft plädiert und fordert 90 Tagessätze. Dies wird unter anderem ganz offen mit der politischen Einstellung der Angeklagten, deren „Anarchie“, die man nun lange genug über sich habe ergehen lassen müssen, begründet und der Tatsache, dass die Angeklagten, neben politischer Aktivität, nicht Berufstätig seien.
Richter Betz folgt dem weitgehend, bleibt jedoch noch etwas hinter den Forderungen des Staatsanwaltes zurück und verhängt 70 Tagessätze. Der geständige Angeklagte B. wurde für Sachbeschädigung verurteilt, während die Angeklagte L., welcher nichts nachgewiesen werden konnte, für „Mittäterschaft“ ebenfalls verurteilt wurde.

„Durch die Höhe des Strafmaßes haben Staatsanwalt und Richter ihre Unfähigkeit gezeigt, mit politischer Justizkritik umzugehen. Wir bleiben widerständig gegen ein überkommenes System und kämpfen weiter für die Befreiung von Mensch, Tier und Natur. Das bedeutet für mich, auch Repressionsorgane anzugreifen, welche die Gentechnik schützen und uns zu unmündigen BürgerInnen macht. Gentechnik ist nur ein Beispiel von vielen, wo wenige Menschen und Konzerne versuchen die Weltbevölkerung zu beherrschen. “, so die Angeklagte L.

Gerichte zu Baulücken – Knäste zu Skateparks! Gentechnik angreifen!
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Ergänzungen

anwesenheit

jb 06.09.2009 - 23:30
Nein, bei der Urteilsverkündung muss die angeklagte Person nicht explizit anwesend sein. Schwierig ist es eher beim Letzten Wort. Das muss nämlich von der angeklagten Person kommen. Und außerdem darf nur ohne Angeklagte verhandelt werden, wenn die permanent und stark stören. Das scheint das Geschehen aber nicht herzugeben.
Ansonsten: Wahr ist, was dann im Protokoll oder der ERklärung des Richters steht. Denn Wahrheit gibt es nicht, sondern wird konstruiert - hier durch Richterspruch.
Die Frage ist, ob die Staatsanwaltschaft in Berufung geht. Sonst wäre nämlich eine Sprungrevision möglich, die genau das prüft. Problem: Geht nur mit AnwältIn.

Fristen beginnen dann, wenn mensch bei der Urteilsverkündung nicht dabei ist, erst dann an, wenn das Urteil zugestellt wird.

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