Gießener Gentech-Prozess: Höhepunkt steht an

k.o.b.r.a.__antirepressionsplattform____ 23.08.2009 18:59 Themen: Biopolitik Repression Ökologie

Der Strafprozess und damit der langjährige Streit um das Gießener Gengerstefeld als Symbol für eine erbitterte Auseinandersetzung der Seilschaften deutscher Gentechnik gegen selbstorganisierte Aktionsgruppen mit emanzipatorischer Gentechnikkritik (die Umweltverbände, Grünen usw. spielen bei der Kritik an deutscher Gentechnik so gut wie keine Rolle) geht in die entscheidende Phase. Am Mittwoch, den 26.8. ist der Hauptzeugem Versuchschef und Uni-Vizepräsident Prof. Kogel geladen. Zudem kommt der Sachbearbeiter der Überwachungsbehörde und ein Zivilfahnder der Gießener Polizei. Aber auch rundherum beschäftigt der Prozess Polizei, Justiz und politische Debatte. Die Verhaftung einer Zuschauerin am Rande des ersten Verhandlungstages ist für rechtswidrig erklärt worden.

Im Gießener Strafprozess wegen der Attacke auf ein Gengerstenfeld der Uni Gießen an Pfingsten 2006 steht der bisher wichtigste Verhandlungstag bevor: Am Mittwoch, den 26.8.09 (4. Prozesstag) werden ab 8.30 Uhr am Landgericht sowohl der Versuchsleiter Prof. Kogel wie auch der Sachbearbeiter bei der Überwachungsbehörde geladen. Da fast alle wichtigen Behördenakten Gegenstand des Verfahrens sind, dürfen auch zu allen Aspekten Fragen gestellt werden. Es ist mit einer intensiven Überprüfung der Frage, wieweit der Genversuchs rechtmäßig genehmigt und verlaufen ist und ob von ihm Gefahren ausgingen. Eine Rolle werden auch das mögliche Versagen der Genehmigungsbehörde sowie Unregelmäßigkeiten bei der Beantragung und Abrechnung von Fördergeldern spielen. Hintergrund ist die Prüfung des Gerichts, ob sich die beiden Angeklagten auf den rechtfertigenden Notstand berufen können - einem Paragraphen im Strafgesetzbuch, nach dem Menschen auch sonst strafbare Handlungen begehen dürfen, wenn nur so eine Gefahr abgewendet werden kann.
Nach den beiden Vernehmungen kommt noch einer der Zivilpolizisten, die das Feld und die Aktivitäten der GentechnikkritikerInnen hätten observieren sollen. Hier geht es weiter um die Frage, ob die Polizei nur blöd war und trotz präziser Ankündigung die Attacke auf das 9,6 qm große Feld nicht verhindern konnte oder ob sie bewusst die Feldbefreiung zuließ, um - möglicherweise erneut im Auftrag des hessischen Innenministers - das Genversuchsfeld opferte, um unerwünschte Oppositionelle inhaftieren zu können. Einen ähnlichen, allerdings spektakulär gescheiterten Versuch dieser Art hatten Innenminister Bouffier sowie Gießener und hessische Polizei und Justiz nämlich drei Wochen vor der Feldbefreiung schon einmal unternommen.

Informationen

Termin!!!

  • Mittwoch, 26.8., 8.30 Uhr in Gießen, Landgericht (Ostanlage 15) voraussichtlich im Raum 15: Vierter Verhandlungstag der Berufung des Prozesses gegen die Feldbefreier von 2006 in Gießen

Zuende ist der Prozess aber sicherlich an dann noch nicht, unter anderem sind etliche Beweisanträge durch Verteidigung und Angeklagte angekündigt, die weiterer Details der Gentechnikmafia, ihrer Handlungsweisen und Verstrickungen sowie der konkreten Abläufe beim Gengerstenversuch erhellen sollen.

 

Inhaftierung nach erstem Prozesstag war rechtswidrig!

Nach dem ersten Verhandlungstermin zeigten Gießener Polizei und Justiz mal wieder ihre Krallen und sperrten die Aktivistin Cecile Lecomté für eine Nacht ein - wegen Gefahr des Kreidemalens. Cecile ließ die Sache überprüfen und das Landgericht fällte ein kompliziertes Urteil: Die Maßnahme war rechtswidrig ... und zwar so verrückt, dass das Vorgehen von Polizei und Justiz nie zu einem irgendwie gültigen Beschluss geführt hätte. Es gäbe nur eine Schein-Entscheidung. Die Inhaftierung sei rechtswidrig, gegen den konkreten Beschluss könne Cecile aber keine Beschwerde einlegen, weil es einen gültigen Beschluss nie gegeben hätte. Denn die Polizei hatte sich ihr Handeln nur vom zufällig daherkommenden Landgerichtspräsidenten bestätigen lassen - der aber war nicht zuständig, er arbeitete nicht einmal beim passenden Gericht. Warum ein Landgerichtspräsident und ein Polizeiführer das nicht gewusst wollen, wird sicherlich nie überprüft. Denn Straftaten in Robe oder Uniform gegen Menschen ohne Elitezugehörigkeit werden in diesem Land nicht verfolgt ... da hat es in Gießen schon ganz andere Absurditäten gegeben wie die Federballnacht des 14.5.2006 oder die vermeintliche Brandanschlag, der eine Gedichtelesung war (3.12.2003)

 

Einen Tag nach dem Gießener Prozess: Bio-Imker Micha Grolm wegen Feldbefreiung ins Gefängnis!

Am 27. August wird der Gentechnikgegner und Berufsimker Michael Grolm im Gefängnis in Suhl erwartet. Statt traurigem Haftantritt steht eine farbenfrohe Demonstration auf dem Programm für den endgültigen Stopp der Gentechnik in der Landwirtschaft. Da Michael Grolm zunächst in Weimar bei der Gerichtsvollzieherin
vorsprechen muss, gibt es dort eine Demo zum Mitmachen, später eine Mahnwache und Soliaktionen in Suhl. Der Grund für die jetzige Inhaftierung liegt schon eine Weile zurück: Im Jahr 2007 fand die dritte große freiwillige Feldbefreiung auf einem Genmaisfeld in Brandenburg statt. Mit dabei erneut Michael Grolm aus Thüringen. Weil er als Feldbefreier schon bekannt war, ließ ihm der Genmais-Anbauer per Gerichtsvollzieherin eine einstweilige Verfügung überbringen, die ihn aufforderte, das Genmaisfeld zu meiden und ihm ansonsten eine hohe Strafe androhte. Der Imker ließ sich nicht aufhalten, ging mit vielen Gleichgesinnten und zahlreichen Journalisten zusammen auf das Feld und half tatkräftig dabei, Genmaispflanzen unschädlich zu machen. 2008 fand der Zivilprozess um die Missachtung der Verbots-Verfügung in Frankfurt/Oder statt. Kein guter Tag für den Monsanto-Anwalt, der den Genmais-Bauern vertrat. Anstatt Grolm zur Zahlung der geforderten 10.000 Euro zu verurteilen, reduzierte das Gericht auf 1.000 Euro. Womit auch neun Zehntel der Gerichtskosten beim Kläger verblieben. 1.000 Euro, so hatte es der Gentech-Anwalt gefordert, entsprechen in diesem Urteil zwei Tagen Haft. Der Feldbefreier war von Anfang an bereit, diese zwei Tage auch im Gefängnis verbringen, um seine Entschlossenheit deutlich zu machen und erneut für die gentechnikfreie Landwirtschaft zu werben. Allerdings verlangte das Gericht einen Offenbarungseid, bevor die Ordnunghaft in Anspruch genommen werden könnte. Den will Grolm nicht ablegen und muss nun in Erzwingungshaft. Wie lange diese dauert, ist ungewiss. Allerdings schreibt das Recht vor, dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben muss.

Aus Anlass der Verhaftung des langjährigen Mitstreiters will einer der in Gießen angeklagten Feldbefreier seinen Vortrag "Monsanto auf Deutsch - Seilschaften der deutschen Gentechnik" als Freiluftveranstaltung in der Innenstadt von Weimar und an der Gefängnismauer in Goldlauter halten. Die genauen Termine:

  • 27.8.2008 ab 7.30 Uhr morgens: Treffpunkt in Weimar, Gerichtsvollzieherin, J.-Sebastian-Bach-Straße 1a, dann Kundgebung und Treckerdemo zum Amtsgericht.
  • 27.08.2008 ab 10 Uhr: Gefängnis Suhl-Goldlauter. Mahnwache vor dem Gefängnisgebäude.
  • 28.08.2008 ab 20 Uhr, Weimar, Goetheplatz 11 - mon ami: Mahnwache und Vortrag "Monsanto auf Deutsch - Seilschaften der deutschen Gentechnik"
  • 29.08.2008 ab 20 Uhr, Gefängnis Suhl - Goldlauter Mahnwache mit Vortrag "Monsanto auf Deutsch - Seilschaften der deutschen Gentechnik"
    Ansprechpartner für die Mahnwachen: Frank Schellhorn: 03685 - 77 28 72 und 0160 - 43 23 04 2

 

Ab 6. September: Aktionstage gegen Gentechnik und die Gentechnik-Seilschaften

  • Börde und umgebende Städte (Blog)
    - BioTechFarm in Üplingen
    - Felder Firma KWS über die Region verteilt
    - Bundesfachbehörde Julius-Kühn-Institut in Quedlinburg
    - Seilschaften in Sachsen-Anhalt rund um FDP-Landtagsfraktion und Lobbyverband InnoPlanta (Gatersleben)
    Bisheriger Terminplan (erweiterbar!)
    • Sonntag, 6.9.: Hoffest auf dem Lindenhof in Eilum ... u.a. 15 Uhr: Vortrag "Monsanto auf Deutsch - Seilschaften der deutschen Gentechnik" (siehe 15.10) und Hoffest in der Bördegärtnerei (Erxleben)
    • Montag, 7.9., ganztags in Üplingen vor der BioTechFarm: Proteste und Aktionen (zeitgleich findet dort das InnoPlanta-Forum 2009 statt ... der Treffpunkt der Gentechnik-Seilschaften!)
    • Folgetage: weitere Aktionen und Veranstaltungen
  • Berlin mit ... (Blog)
    - Genehmigungsbehörde Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)
    - Bundesministerium für Landwirtschaftschaft, Ernährung und Verbraucherschutz (BMELV)
    - Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
    Bisheriger Terminplan
    • Donnerstag, 9. September
      vormittags Kletteraktion vor dem Julius-Kühn-Institut
      abends Vortrag über Gentech-Seilschaften
    • Freitag, 10. September: vormittags Clown-Aktion, nachmittags Guerilla-Picknick
    • Samstag, 11. September: vormittags Gentechnikkritischer Markt, abends Party
    • Sonntag, 12. September: Infoveranstaltungen und Workshops
    • Montag/Dienstag: weitere Aktionen vor BMBF und BVL
    • Regionaler Kontakt: Hanna Poddig, Tel. 0175/9767027
  • Rostock und Groß Lüsewitz mit ... (Blog)
    - Institut für Agrobiotechnologie der Uni Rostock (Prof. Inge Broer)
    - AgroBioTechnikum-Komplex mit BioOK, biovativ und weiteren in Groß Lüsewitz
    - Versuchsfelder in Thulendorf
    Bisheriger Terminplan (erweiterbar!)
    • 12.8.: Hoffest Ulenkrug und Infostand/Aktionen auf Wochenmarkt in Rostock
    • 13.8. nachmittags: Filme, Aktionen, Spaziergänge und mehr an den Versuchsfeldern in Sagerheide und am AgroBioTechnikum in Groß Lüsewitz
    • 14.8. ganztags: Aktionstag in Groß Lüsewitz
    • 14.-16.8.: Weitere Aktionen und Abendveranstaltungen
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Ergänzungen

Ankündigung in HNA

feldbefreierInnen 25.08.2009 - 12:35
Etwas personenzentrierter Text in der HNA (von FR-Redakteurin geschrieben ohne aktuellen Kontakt zur dargestellten Person):  http://www.hna.de/hessenstart/00_20090825080400_Der_hessische_Streithahn.html