Colditz - Kurzbericht aus der Angstzone

luna 22.08.2009 22:16 Themen: Antifa
Nachdem ein für den 22.8. geplantes Antirassistisches Fußballturnier von der Stadt Colditz de facto verhindert wurde, fand stattdessen am 22.8. eine Kundgebung auf dem städtischen Markt statt. Die permanente Präsenz und Angriffslust der lokalen Nazis verschaffte einen Eindruck des krassen Alltages in der sächsischen Kleinstadt
Ein für den 22.8. in der sächsischen Kleinstadt Colditz, Landkreis Leipzig, geplantes Antirassistisches Fußballturnier konnte aufgrund der Feigheit und politischen Indifferenz von Sportverein und Bürgermeister nicht stattfinden. Die sicherlich berechtigte Angst des Colditzer Fußballvereines vor „Racheaktionen“ der Nazis führte dazu, dass dem Initiator des Turniers, dem „Freiräume Muldental e.V., krasse Bedingungen gestellt wurden: der Verein sollte für jegliche Sachbeschädigung auf dem Sportplatz zwei Wochen vor und zwei Wochen nach dem 22. August 2009 haften. Ein Vermittlungsgespräch, bei dem die Stadt hätte die Verantwortung für das Turnier übernehmen können, scheiterte. Der Verein musste das Turnier wegen der unzumutbaren Bedingungen absagen.
(Vorgeschichte siehe auch hier:  http://de.indymedia.org/2009/08/258630.shtml)
Gemeinsam mit der Kampagne „Meine Stimme gegen Nazis“, die das Turnier als festen Termin in ihrem Tourplan hatte, wurde nach erfolglosen Interventionsversuchen für denselben Tag eine Kundgebung auf dem Colditzer Markt angemeldet. Im Kooperationsgespräch geforderte, absurde Auflagen (vor allem vom Colditzer Ordnungsamt selbst vorgebracht) wurden von Landratsamt des Landkreises Leipzig in einem Auflagenbescheid zurückgenommen. Ganz so wenig Polizei wie angekündigt (Personalmangel) war dann am heutigen Samstag nicht vor Ort.
Bereits beim Aufbau von Infoständen und Musikanlage fuhren mit Nazis besetzte Autos am Kundgebungsort auf und ab. „Good night left side“ und „Todesstrafe für Kinderschänder“ scheinen zum Standard-Kleidungs- und auto-Aufdruck-Repertoire der jüngeren ColditzerInnen zu gehören. Weil der von der Stadt Colditz zugesagte und durch die Veranstalter bezahlte Stromversorgung doch nicht funktionierte, verzögerte sich der Beginn der Kundgebung. Als es 16 Uhr dann schließlich beginnen sollte, kamen an die 20 stadtbekannte Nazis auf den Markt, allesamt mit Thor-Steinar-Klamotten, dicken Oberarmen und Bier ausgestattet – Klientel, mit dem nicht zu spaßen ist.
Während die antifaschistische Kundgebung nichts desto trotz startete, versuchten die Veranstalter die Polizei dazu zu bewegen, die offenkundigen Gegner der Veranstaltung vom Platz zu verweisen. „Solange nichts passiert, werden wir nichts machen“, so die lapidare Antwort der Beamten.
Über zwei Stunden liefen trotz der permanenten Präsenz der Nazis Redebeiträge und live-Musik mit der Skate-Punkband „HeMaTom“ (Colditz). Unter den ca. 50 BesucherInnen.fanden sich wenige ColditzerInnen.
Kurz vor Ende hatten sich die pöbelnden, ungebetenen Gäste dann schließlich so viel Mut angetrunken, dass sie sich einzeln der Kundgebung näherten. Ein Protagonist ging sogar in die Menschenmenge hinein und forderte von einem Antifaschisten die direkte Auseinandersetzung. Nur das Einschreiten der Polizei konnte die Eskalation seinerseits sowie den Angriff weiterer Nazi-„Sportler“ verhindern.
Gemeinsam verließen die KundgebungsteilnehmerInnen gegen 18 Uhr schließlich den Ort des Geschehens und begleiteten die wenigen beteiligten ColditzerInnen bis zu einem anderen Platz. Die Nazis folgten. Unter Polizeischutz wurden die Auswärtigen sodann aus der Stadt geleitet.

Colditz war krass. Was viele als „Angstzone“ aus Erzählungen und Texten kennen, ist hier Realität. Im Februar 2008 überfielen die mit der inzwischen verbotenen Kameradschaft „Sturm 34“ vernetzten lokalen Nazis bspw. einen Dönerladen, eine Turnhalle und ein Elektrogeschäft , dabei wurden Scheiben eingeschmissen, Molotowcoktails geworfen, eine Nebelgranate und eine Bombe, in der sich Farbe oder ähnliche Chemikalien befanden gezündet. Der Inhaber des Elektroladens hatte vorher eine Turnhalle für alternative Konzerte zur Verfügung gestellt. Im Mai erst wurden die Vereinsräume des „Freiräume Muldental e.V.“ verwüstet (mehr zu Naziaktivitäten in Colditz u.a. hier  http://de.indymedia.org/2008/02/208896.shtml und hier  http://www.meine-stimme-gegen-nazis.de/index.php5?go=broschuere-6-raeume)
Verhältnismäßig wenige Nazis, dafür aber gut vernetzte und gewaltbereit, dominieren in Colditz Straße und Stadtklima. Angst und Ignoranz der Mehrheitsbevölkerung bieten ihnen den Background zum ungestörten Agieren. Denen, die sich klar antifaschistisch positionieren oder auf niedrigerem Level für ein angstfreies, von Toleranz geprägtes Klima einstehen werden dagegen Steine in den Weg gelegt. Der Bürgermeister der Stadt trägt hierfür ganz klar Verantwortung.
Den wenigen, mutigen Menschen in Colditz, die sich der durch Nazis ausgeübte Kontrolle und Dominanz des öffentlichen Lebens widersetzen, ist viel Kraft und Durchhaltevermögen zu wünschen.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

soli-adresse

affi chemnitz 24.08.2009 - 12:16
Erklärung des „A.F.F.I.-Cups“ Chemnitz zum geplanten antirassistischen Fußballturnier am 22.08.2009 in Colditz

Zeitgleich zum heutigen Cup der Antifaschistischen Fussballfaninitiative Chemnitz (A.F.F.I.) sollte in Colditz ein antirassistisches Fussballturnier stattfinden. Das Turnier wurde mangels Unterstützung der Stadt Colditz und dessen Bürgermeisters Manfred Heinz de facto untersagt. Unter Verweis auf mögliche Sachbeschädigungen seitens von Neonazis, sollten die Veranstalter für jegliche Sachbeschädigung auf dem Sportplatz zwei Wochen vor und zwei Wochen nach dem Turnier haften. Eine unannehmbare Forderung.

Wir, mehr als 150 Menschen und 20 Teams aus verschiedenen Städten Sachsen und Thüringens grüßen die aus diesem Grund heute stattfindende Protestkungebung auf dem Colditzer Markt.
Wenn wir heute auf einem antirassistischen Cup Fussball spielen können, ist uns bewußt, dass Euch das nicht möglich ist. Ob nun aus Angst von gewalttätigen Neonazis oder aus Furcht vor einer Störung der zweifelhaften Ruhe und Harmonie in Colditz, die keine Ruhe für die Opfer von Neonazis ist, oder als strikte Umsetzung der Extremismustheorie sei dahin gestellt.
Eins ist klar: Mit einer solchen Entscheidung wird antirassistisches und antifaschistisches Engagement behindert, gerade in einer Region die solches sehr nötig hat. Der Beifall kommt dann nicht von den Rängen sondern von Seiten der Neonazis.

Wir fordern den Colditzer Bürgermeisters Manfred Heinz auf, seine Verweigerungshaltung aufzugeben und das Fussballturnier zu ermöglichen und zu unterstützen. Wir fordern damit eine Situation, die für uns in der Chemnitz selbstverständlich ist. Hier unterstützen Stadt und Verwaltung ausdrücklich antirassistische Aktivitäten wie den heutigen A.F.F.I.-Cup.

Wir erklären uns mit den antirassistischen und antifaschistischen Initiativen im Muldental und in Colditz solidarisch.
Das Fussballturnier muss nachgeholt werden. Wir fordern Anstoss für Antira-Turniere überall, auch in Colditz. Herr Heinz, geben Sie den Ball frei!

Affi Chemnitz
22.08.09

Hooligans, Nazis

Rosi 24.08.2009 - 12:27
Einfach ekelig der (ost)deutsche Volksmob:

Tat 1:

Chemiespieler überfallen, verprügelt und ausgeraubt.

Auf dem Weg zum Spiel beim KSC wurde ein Spieler unserer Mannschaft in der Straßenbahn feige von mehreren Schlägern überfallen, zusammengeschlagen und ausgeraubt. Die Angreifer kommen aus dem Umkreis der Fanszene des 1. FC Lok Leipzig. Der Vorstand der BSG Chemie verurteilt zu tiefst diesen feigen Akt der Gewalt gegen einen Spieler unseres Vereins und fordert die Rückgabe der entwendeten Sachen.

Quelle:
 http://www.chemie-leipzig.de/

Tat 2:

Hooligans überfallen Ausländer

Nach dem Besuch des Stadtfestes in Taucha haben Hooligans am Sonntag auf dem Heimweg drei Ausländer attackiert. Die Gruppe von 15 Männern aus der Leipziger Hooliganszene habe ihre Opfer zunächst mit ausländerfeindlichen Parolen beschimpft, teilte die Polizei mit. Daraufhin seien die drei Ausländer geflüchet. Ein 23-jähriger Libanese sei jedoch von den Hooligans zu Fall gebracht, geschlagen, getreten und mit einer Bierflasche beworfen worden. Er wurde dabei ebenso verletzt wie ein Polizist, der ihm zu Hilfe kam.

Denn auch die Polizeibeamten wurden bei ihrem Eintreffen von den Hooligans angegriffen und beleidigt, ihr Streifenwagen beschädigt. Zehn Tatverdächtige im Alter zwischen 17 und 22 Jahren wurden schließlich festgenommen. Die Ermittlungen wegen schweren Landfriedensbruchs, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und gefährlicher Körperverletzung dauern an.

Quelle:
 http://www.mdr.de/sachsen/leipzig/6627152.html

Weiterführender Link zur Dokumentation rassistischer, faschistischer und diskriminierender Ereignisse in und um Leipzig:
 http://www.chronikle.org:3015/

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an

Übernahme? — Simone