Verstaerkte Repression im Baskenland

Rabia 16.08.2009 14:40 Themen: Repression Weltweit
Dieses Wochenende in der baskischen Kuestenstadt Donostia hat bisher ein skurriles Bild geliefert: Waehrend die Feierlichkeiten der Semana Grande (bask. Aste Nagusia) in vollem Gange sind und die Stadt jeden Abend von 22.45 bis 23.00 Uhr im Licht pompoeser Feuerwerke erstrahlt, greifen Einheiten der Spezialpolizei Ertzaintza demonstrierende Menschen mit Gummigeschossen und Schlagstoecken an.
Hintergrund fuer das brutale Vorgehen der Polizei gegen die DemonstrantInnen war die Entscheidung des Untersuchungsrichters Baltazar Garzóns, die fuer das Wochenende in Donostia geplanten Demonstrationen gegen Kriminalisierung und Zensur und fuer die Rechte der 740 baskischen politischen Gefangenen zu verbieten.
Das Verbot betraf unter anderem den seit 19 Jahren jeden Freitag stattfindenden Gedenkmarsch der Angehoerigen der politischen Gefangenen, die, Bilder der Inhaftierten tragend, an diese erinnern und deren Verlegung ins Baskenland fordern.

Laut spanischem Gesetz muessen Gefangene in einem Umkreis von 100 Kilometern um ihren Heimatort inhaftiert werden. Dennoch werden die baskischen Gefangenen seit zwanzig Jahren auf alle spanischen Haftanstalten verteilt, mit der Intention, das Gefangenkollektiv zu brechen. Diese Dispersionspolitik hat zur Folge, dass Angehoerige fuer einen Besuch von maximal 40 Minuten zum Teil tausende Kilometer zuruecklegen muessen. (Vgl.  http://info-baskenland.de/aktuell/ingo-niebel-20-jahre-dispersion.html )

Nach Bekanntwerden des Verbots rief die Angehoerigenorganisation Etxerat (bask. nach Hause) dazu auf, sich dennoch zur sogenannten encartelada zusammenzufinden.
Tatsaechlich versammelten sich hunderte Menschen in der Altstadt, um ihren freitaeglichen Zug durch die Strassen Donostias trotz des Verbots durchzufuehren.
Die Menschenmenge wurde auf dem Boulevard von der Ertzaintza gestoppt und kehrte daraufhin um. Im Moment des Rueckzugs begannen Mitglieder der Ertzaintza mit Gummigeschossen auf die Menschen zu schiessen, wobei mindestens zwei Personen, darunter ein 85-jaehriger Mann, verletzt wurden.
Trotz anhaltender Praesenz der Polizei fand sich einige Zeit spaeter eine Gruppe junger Menschen zusammen, die mit Fotos der Gefangenen durch die Strassen der Altstadt zogen, um gegen die gewaltvolle Aufloesung der encartelada zu protestieren.
(Vgl.  http://euskalherria.indymedia.org/es/2009/08/62448.shtml )

Gestern um 19.00 Uhr startete an der grossen Konzerthalle “Kursaal” trotz Verbot die alljaehrlich waehrend der Aste Nagusia stattfindende Demonstration fuer die Rechte der politischen Gefangenen, zu der die Organisation pro-amnistía aufgerufen hatte und der am Freitag von Richter Eloy Velasco mit der Begruendung die Genehmigung verweigert worden war, man wolle der Lobpreisung des Terrorismus und der Verhoehnung dessen Opfer vorbeugen (vgl.  http://euskalherria.indymedia.org/es/2009/08/62448.shtml: (“prevenir un posible enaltecimiento terrorista con escarnio a sus víctimas”).
Der Demonstrationszug loeste sich nach kurzer Zeit auf; im Stadtteil Gros ging die Ertzaintza mit Schlagstoecken gegen eine kleine Gruppe zumeist aelterer DemonstrantInnen vor, wobei schaetzungsweise zwei Personen verletzt und drei Menschen festgenommen wurden. Ein 64 Jahre alter Mann musste ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Doch die Demonstration war damit nicht beendet, sondern sie wurde vielmehr spontan verlegt- und zwar in den grossen Zug der Fussballfans, die zum Freundschaftsspiel zwischen Real Madrid gegen Real Sociedad pilgerten.
Circa 500 Menschen nutzten die Moeglichkeit der marschierenden Menge, um die zuvor aufgeloeste Demonstration fortzufuehren.
Vereinzelt versuchte die Ertzaintza, die Menschenmasse durch den Einsatz von Gummigeschossen zu trennen.

Am morgigen Tag enden die Feierlichkeiten der Semana Grande in Donostia. Das Ende der Repression gegen die baskische linke Bewegung, die politischen Gefangenen sowie deren Angehoerigen ist dahingegen nicht in Sicht. Im Gegenteil.

Aktuelle Informationen siehe:
 http://www.info-baskenland.de/

Videos von der encartelada am 14.08.2009:

 http://euskaltube.com/play.php?vid=4708
 http://www.youtube.com/watch?v=QgTznc8SffM

Buchlesung:
"Das Baskenland - Geschichte und Gegenwart eines politischen Konfliktes" mit dem Autor Ingo Niebel
 http://www.jungewelt.de/ladengalerie/index.php
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Ergänzungen

Sensation im Baskenland

Abu 16.08.2009 - 16:00
Der bekannte ETA-Mann José María Matanzas Gorostiaga sagt sich vom Terrorismus los und fordert seine Kampfgenossen auf die Waffen nieder zu legen.
Ein weiterer schwerer Schlag für die nationalen Sozialisten.

keine Sensation

Rococo 17.08.2009 - 18:49
... und er kritisiert gleichzeitig die aktuelle Repressionspolitik der neuen bas. Regierung. Wird aber meistens vergessen zu erwähnen, passt dann wohl nicht mehr ins Bild. Übrigens hat selbst Batasuna geäußert, daß andere Wege zum Frieden gesucht werden müssen als der bewaffnete Kampf. Dem Widerspricht aber der spanische Innenminister, Rubalcaba, der meinte das Ende der ETA wird nicht der Dialog sein.

Übrigens ....

Uschi Grandel 17.08.2009 - 19:06

Die Gewaltorgie des spanischen Staates, der gerade versucht, den Basken ihre Feierlaune durch Prügelgarden auszutreiben, zeigt ungewollt die unglaubliche Stärke und Verankerung der linken Unabhängigkeitsbewegung. Obwohl die baskischen Polizisten der Ertzaintza seit Tagen in spanischem Auftrag Leute von der Strasse prügeln, weil sie Fotos von Gefangenen in den Händen halten, haben sich letzten Freitag wieder in unzähligen Dörfern und Städten Menschen versammelt, um ihre Solidarität mit den baskischen politischen Gefangenen zu zeigen. U.a. 65 in Arbizu, 87 in Aranatz; in Bilbo 110; in Lekeitio 100; 135 in Zarautz; 32 in Mundaka; 42 in Lazkao; 260 in Iruñea und dieselbe Anzahl in Gasteiz; 90 in Hernani; 12 in Bera und 122 in Orereta.