Strafprozess in B: Angeklagter blieb draußen!
Am Mittwoch, den 12.8.2009, hätte eigentlich ein Strafprozess wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt am Amtsgericht Tiergarten laufen sollen. Doch es kam anders: Mehrere ZuschauerInnen und auch der Angeklagte wurden von übereifrigen Beamten im Eingang traktiert und z.T. mehrfach kontrolliert. Dabei verloren sie die Übersicht, wollten den Angeklagten ein zweites mal überprüfen, was dieser ablehnte. Das alles dauerte so lange, dass der Richter im Raum 1104 sein Urteil sprach - ohne den Angeklagten. Der ist jetzt verurteilt und wird eine rechtliche Überprüfung der nicht ganz alltäglichen Abläufe versuchen.
Worum es ging ...
Es ist schon etwas her, da stürmte die Polizei auf das offen zugängliche Gelände der ehemaligen Blindenschule in Berlin-Hirschgarten. Offenbar hatten Unbekannte dort in den Gebäuden randaliert. Als Team Green kam, war natürlich schon alles vorbei. Stattdessen schlenderten vier Personen auf einem Weg am Rand des Geländes entlang. Ersatzweise knüpfen sich die Uniformierten die SpaziergängerInnen vor und lassen ihre üblichen Methoden von Einschüchterung, Machtspielchen usw. nun an den vieren aus. Die aber sind nicht pflegeleicht - durch ständiges Nachfragen und Interpretation der Polizeihandlungen nerven sie die BeamtInnen. Weil Uniformträger es gewohnt sind, dass mensch sich unterwirft, werden sie etwas ruppiger und traktieren eine Person mit zwei Taschenlampen, mit denen beide aus geringer Entfernung (ca. 30 cm) in beide Augen des einen leuchten, obwohl niemand irgendwelche Angriffe auf die Beamten gestartet hätten.
Strafbefehl
Der Ärger kam auch ... einige Monate später per Strafbefehl wegen angeblichem Hausfriedensbruch (gegen alle 4) und Widerstand in Tateinheit mit Körperverletzung und Sachbeschädigung (gegen einen). In üblicher juristischer Manier wurden die frei erfundenen Geschichten der Polizei vom Gericht sofort in eine Bestrafung umgesetzt. Ermittlungen, Überprüfungen u.ä.: Fehlanzeige. Die nun schon Verurteilten (Widersprüche sind eingelegt) hatten nicht einmal die Möglichkeit, sich zu äußern, denn die entsprechenden Formulare der Polizei waren mit falschen Namen oder Adressen versehen. Nachfragen dazu wurden nicht beantwortet. Politische Justiz in Deutschland. Mensch hätte sich auf einen Prozess freuen dürfen, der die Logiken gerichteter Justiz deutlich gemacht hätte. Egal welchen Unsinn sie reden: Die Polizei hat immer Recht. RichterInnen sind VollstreckerInnen einer gewünschten Gesellschaftsordnung. Menschen sind im Gerichtssaal nur Nummern, nur die auf die gesellschaftliche Norm zu formende Nummer. Unterhaltsam aber wirds: Die Vernehmung der Polizeibeamten, die sich solche Märchen ausdenken, kann sehr interessant werden - einschließlich der Reaktion von Staatsanwaltschaft und Gericht, die selbst den blankesten Unsinn und offensichtlichste Lügen noch zu Urteilen wandeln können, wenn die Lügner in Uniform stecken.
Angeklagter durfte nicht zu seinem Prozess
Am 12.8.2009 wurde eine größere Zahl von Personen, die einer öffentlichen Gerichtsverhandlung beiwohnen wollte, im Eingangsbereich des Amtsgerichts Tiergarten, Kirchstraße 6, einer Sicherheitskontrolle unterzogen. Auf solche Sicherheitskontrollen, wenn auch nur stichprobenhaft, wies ein Hinweisschild an der Eingangstür hin. Aufgrund der längeren Zeit, die die Gesamtkontrolle in Anspruch nahm, wurde ich Zeuge, wie statt Stichproben offensichtlich nach äußerem Erscheinungsbild Personen kontrolliert wurden, während andere unkontrolliert in das Gebäude gelangten. Während dieser Kontrollen wurden mehrere der Personen, deren Taschen und Körper abgetastet und mit einem Metalldetektor überprüft wurden, aufgefordert, ihren Personalausweis vorzuzeigen. Mehrere fragten nach dem Grund dieser Kontrolle. Eine Antwort darauf wurde nicht gegeben.
500km Anfahrt, vorherige Akteneinsicht - als das war schnell umsonst. Auch der Angeklagtge wurde dieser Kontrolle unterzogen, wobei er wegen der Androhung, nicht zum Prozess zugelassen zu werden, und der gleichzeitigen Unmöglichkeiten, vor Ort eine Beschwerde einzureichen, diese hinnahm, ohne darauf zu verzichten, auf die Rechtswidrigkeit der Personalienkontrolle hinzuweisen. Sichtbar ergab die Kontrolle auch keinen Sinn, weil erstens nicht alle Personen ihren Ausweis zeigen mussten und zweitens auch keinerlei weitere Handlung erfolgte, d.h. die eingesetzten Justizbediensteten betrachteten nur den Ausweis und gaben ihnen danach zurück. Die Kontrolle der Personalien wurde durchgeführt, ohne dass eine Rechtsgrundlage benannt wurde. Ein Beamter verwies auf das Informationsschild am Eingang. Das ist aber erstens keine Rechtsgrundlage und zweitens befand sich auf dem Schild gar keine Information über Personalienkontrollen.
Nachdem der Angeklagte nun sowohl hinsichtlich seiner Personalien wie auch seines Gepäcks kontrolliert war, wurde er einen Meter weiter an der Tür erneut zur Personalienkontrolle aufgefordert. Er verwies auf die weiterhin generell fehlende Rechtsgrundlage und dass er bereits kontrolliert worden sei. Er wurde jedoch trotzdem nicht durchgelassen. Allerdings bestand bei den eingangsversperrenden und sonstigen Justizbeamten keinerlei Zweifel an seiner Identität. Er wurde ständig in seiner Rolle als Angeklagter angesprochen und mehrfach machten die Beamten auch Witze darüber, dass er nun wohl verurteilt würde, weil er nicht in den Gerichtssaal käme. Mit dieser Drohung sollte er zu einer erneuten Kontrolle veranlasst werden, die sichtbar ohne Rechtsgrundlage, nutzlos und – wegen bereits bekannter Identität – auch rein schikanös war. Der Aufforderung, intern zu klären, dass erstens Personalienkontrollen nicht zulässig seien sowie dass der Angeklagte schon kontrolliert sei (einschließlich seiner Personalien), wurde nicht beachtet – obwohl mehrere ZeugInnen aussagten, dass er bereits kontrolliert worden sei.
Versuche, mit der Geschäftsstelle des Gerichtes Kontakt aufzunehmen, wurden in der Weise unterbunden, dass dort Bescheid gegeben wurde, dass der Angeklagte anzurufen versuchte und daraufhin das Telefon nicht mehr abgenommen wurde. Erst nach mehrfacher weiterer Aufforderung begann eine Rückklärung unter den Justizbeamten über die Frage, ob die Kontrolle nicht schon erfolgt sei. Das aber wurde dann dadurch unterbrochen, dass im Gerichtssaal inzwischen aufgrund der Abwesenheit der Widerspruch gegen den Strafbefehl verworfen worden war. Der nicht eingelassene Angeklagte war damit in Abwesenheit verurteilt worden - obwohl er extra 500km angereist war, vorher Akteneinsicht genommen hatte und auch gewillt war, rechtzeitig zu erscheinen.
Das die Identität des Angeklagten bekannt war, ist auch dadurch bewiesen, dass ein Justizbeamter in den Gerichtssaal ging und dort verkündete, dass „der Angeklagte“ sich nicht erneut ausweisen wolle. Dass es der Angeklagte war, war folglich bekannt – damit auch seine Personalien, da er der einzige Angeklagte in dem Verfahren war.
Und nun?
Spannende Frage, denn der Ablauf ist sicherlich nicht alltäglich. Der betroffene Angeklagte will ...
- verwaltungsrechtlich überprüfen lassen, ob die Prüfung von Personalien im Eingang eines Amtsgericht, also beim Zugang zu öffentlichen Verfahren, überhaupt zulässig ist.
- verwaltungsrechtlich klarstellen lassen, dass Personalienfeststellungen bei Personen, deren Personalien feststehen und bekannt sind, generell illegal sind.
- die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragen.
- per Mitteilung an die Staatsanwaltschaft diese prüfen lassen, ob das Nichteinlassen in einen Gerichtssaal nicht eine Straftat darstellt (Nötigung?), wenn dieses mit Gewalt durchgesetzt wird.
Wie die Sache weitergeht, ist offen. Die Fristen laufen noch nicht - der Angeklagte war ja bei der Urteilsverkündung nicht anwesend. Bleibt die Frage, ob solch ein (rechtswidriges) Vorgehen nicht absichtlich erfolgt. Der betroffene Angeklagte erlebte es nämlich schon zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres, dass er seinen eigenen Prozess nicht besuchen wurde. Im September 2008 flog er in Gießen aus seinem eigenen Verfahren. Auch dort ohne jegliche Rechtsgrundlage ...
Letztlich spricht das aber für die Idee der kreativen Antirepression - offenbar werden Gerichte mit dieser Strategie nicht mehr recht fertig. Angesichts des Unsinns von Knast und Strafe wäre es ja ein erstrebenswertes Ziel, wenn die Justiz nicht mehr funktioniert ...
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)
Ergänzungen
jura-nachhilfe
@strafverteidiger
Nachhilfe II
Kirchstr seit Jahren keine Kontrolle !
hingegen hab ich in der Kirchstr. in all den Jahren noch NIE eine Einlasskontrolle erlebt
das häng mit den Zuständigkeiten zusammen
http://www.berlin.de/sen/justiz/gerichte/ag/tierg/zustaendigkeit_gvpl_adhaes.html
http://www.berlin.de/sen/justiz/gerichte/ag/tierg/verkehr.html
http://www.berlin.de/sen/justiz/gerichte/ag/tierg/
http://www.berlin.de/sen/justiz/gerichte/lg/index.html
Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen
Sinnlose Debatte ...
Emanzipation ist die Selbstermächtigung, die Aneignung eigener Handlungsfähigkeit. Bloß nicht von den ParagraphenreiterInnen abhängig sein ...
@ den kobra-spinner
"Emanzipation ist die Selbstermächtigung, die Aneignung eigener Handlungsfähigkeit. Bloß nicht von den ParagraphenreiterInnen abhängig sein ..."
dann emanzipier dich mal schön mittels selbstermächtigung. dabei wirst du allerdings auf die nase fallen, da es dir am erforderlichen fachwissen fehlt. der zitierte paragraph betrifft eben nicht nur die sitzung an sich, sondern alle fragen, welche den ungestörten und ordnungsgemäßen ablauf der sitzung betreffen. hierzu gehört eben auch die anordnung von zutrittskontrollen. das ist- wie gesagt - bereits vor jahrzehnten höchstrichterlich entscheiden worden. aber typen wie du zeichnen sich ja dadurch aus, dass sie trotz kompletter ahnungslosigkeit prinzipiell alles besser wissen.
und was die abhängigkeit von paragraphenreitern angeht: wer hat denn die rechtliche überprüfung der ganzen angelegenheit angeregt? du willst juristische fachfragen also ohne jede rechtskenntnis klären..? durchaus eine sehr pfiffige idee.
mal aus schierer neugierde: schonmal nen intelligenztest gemacht?