Gentechnik-Prozess in Rostock verschoben

Feedup Ready 14.08.2009 15:55 Themen: Repression Ökologie
Rostock/Groß Lüsewitz - Am Donnerstag, den 13. August 2009 hätte en Zivilprozess stattfinden sollen. Die Agrobiotechnikum Groß Lüsewitz hatte nach einer Genfeldbesetzung in Sagerheide auf Unterlassung geklagt. Die AktivistInnen legten Widerspruch ein. Doch die am 13. August angesetzte Hauptverhandlung wurde kurzfristig verschoben. Die AktivistInnen zogen stattdessen in die Rostocker Innenstadt und warben mit Straßentheater für die Aktionstage im September.
Am 03. April 2009 hatten GentechnikkritikerInnen ein Feld des Agrobiotechnikums Groß Lüsewitz besetzt, um symbolisch gegen die geplante Aussaat zu protestieren. Die Kleinstfirma Biovativ GmbH führt auf den betreffenden Flächen im Auftrag von Universitäten und Gentechnik-Konzeren wie BASF und Monsanto diverse Versuche an Pflanzen wie Gerste, Weizen, Kartoffeln und Petunien durch. "Offiziell wird von Sicherheitsforschung gesprochen, da dafür die Akzeptenz höher ist und diese zudem mit Fördergeldern in millionenhöhe subventioniert wird.", sagte eine Aktivistin, "Doch wer sich genauer mit den Versuchen auseinandersetzt muss feststellen, dass es hier um Entwicklung neuer Pflanzen geht. Diese werden hier bereits im Forschungsstadium ins Freiland ausgebracht."

Die Besetzung wurde noch am selben Tag geräumt. In der Folgezeit ließ das Amtsgericht Rostock den Besetzern auf Antrag der Biovativ GmbH einstweilige Verfügungen zukommen, in denen diesen untersagt wird, die Fläche in Zukunft zu betreten. Es folgten Rechnungen des Monsanto-Anwalts Dr. Hartwig Stiebler, der die Verfügungen im Auftrag der Biovativ-Geschäftsführerin Kerstin Schmidt angestrengt hatte.

Die AktivistInnen hatten Widerspruch eingelegt, da sie die dadurch produzierten Kosten für mutwillig hielten - schließlich hätte ein Hausverbot ausgereicht. Es kam zu Gerichtsverhandlungen. In zwei bereits gelaufenen Prozessen wurde die Verfügung in erster Instanz bestätigt, ohne dass die Argumente der beklagen AktivistInnen gehört worden wären.
Der dritte Prozess hätte am Donnerstag, 13.08.09 stattfinden sollen. Die beklagte Aktivistin hatte sich gut vorbereitet und ihre Gründe, weshalb die Verfügung nie hätte erteilt werden dürfen, bereits im Vorfeld ausformuliert. Unter anderem stellt sie in Frage, ob die biovativ GmbH wirklich die vollständige Verfügungsgewalt über die Fläche hat. Sie teilte zwei Tage im voraus dem Gericht mit, dass sie dafür Kerstin Schmidt, die Geschäftsführerin der biovativ GmbH befragen müsse und beatragte die Hinzuziehung der das Gelande betreffenden Pachtverträge.
Doch vor Ort erfuhren ZuschauerInnen und Beklagte, dass die Verhandlung verschoben sei. Der Anwalt der Gegenseite (der Monsanto-Hausanwalt Dr. Hartwig Stiebler) hätte am Tag vor der Verhandlung einen Unfall gehabt.

Kerstin Schmidt hatte in ihrer weiteren Funktion als Geschäftsführerin der Biotechfarm Üplingen auch in der Magdeburger Börde Verfügungen gegen FeldbesetzerInnen angestrengt. Diese wurden kürzlich am Amtsgericht Oschersleben zurückgewiesen.
"Neben ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin diverser Kleinstfirmen im Gentechnik-Bereich, war Kerstin Schmidt bis 2008 auch als Geschäftsführerin des Lobby-Vereins FINAB tätig. Sie arbeitet eng mit den großen Gentechnik-Konzernen und -Instituten zusammen. Gleichzeitig ist sie als Beraterin der EFSA tätig - also der EU-Behörde, die unter anderem über die Zulassung der Versuche der Biovativ GmbH entscheidet. Zudem pflegt Frau Schmidt Kontakte zu Forschungsmisterin Annette Schavan, die das Agro-Biotechnikum Groß Lüsewitz politisch und finanziell unterstützt.", beschreibt eine Person die vielfache Geschäftsfüherin und damit auch einen Ausschnitt aus den Verflechtungen in der Gentechnik-Industrie.

ZuschauerInnen und Beklagte nutzten den freigewordenen Tag für eine Aktion in der Rostocker Innenstadt. Ein Straßentheater - frei nach einer Idee von Gendreck-weg - sollte die Passanten auf die steigende Abhängigkeit der LandwirtInnen durch Saatgutkonzerne und Gentechnikindustrie aufmerksam machen.
PassantInnen wurden angeboten Lebensmittel zum halben Preis zu kaufen - im Gegenzug müssten sie sich lediglich verpflichten in Zukunft nur noch der Produkte der Marke Feedup Ready zu kaufen. Der Konzern würde sich vorbehalten die Kühlschränke der Esser regelmäßig zu kontrollieren. Preiserhöhungen könnten nicht ausgeschlossen werden.
Viele der Angesprochenen reagierten befremdet: "So werden Sie Ihr Essen aber nicht los!" Die Vertragsbedingungen könne er sowieso nicht einhalten, erklärte ein Familienvater. Ein Jugendlicher fragte, ob die Lebensmittel auch nicht abbelaufen seien. Nur wenigen musste der Vertrag garnicht erst gezeigt werden: "Ach, sie machen hier eine Aktion gegen Gentechnik?", verwies eine Dame mittleren Alters auf das Anti-GMO-Banner und wurde über die Verflechtungen in der deutschen Gentechnik-Industrie informiert. Darüber dass in den Genehmigunsbehörden zum größten Teil exakt die Leute sitzen die selbst Versuche durchführen und befürworten.

Auf der Rückseite des "Vertrages" waren Informationen zu den Hintergründen nachlesen. Eine Aktivistin beschreibt: "Die Gentechnik-Konzerne zwingen den Bauern Knebelverträge auf. Natürlich sind die in der Realität etwas subtieler forumuliert. Dennoch kommt unser Vertrag der realen Situation erschreckend nahe."

Nach Aufkläreung durften sich die Angesprochenen dann - natürlich kostenfrei und ohne Vertrag - Lebensmittel und weitere Informationen zum Agrobiotechnikum Groß Lüsewitz mitnehmen. Dieses führt Versuche für die kritisierten Gentechnik-Konzerne durch und ist fest im deutschen Gentechnik-Filz verankert.

Dieser Filz sollen während der Gentechnik-Aktionstage im September weiter angegriffen werden. Vom 6. bis 16. September werden zeitversetzt in der Magdeburger Börde, Berlin und Rostock Aktionen stattfinden, die sich explizit gegen die Hochburgen der Gentechnik sowie Genehmigungsbehörden und die zuständigen Stellen in der Politik richten. Jede und jeder ist eingeladen sich an Blockaden und Diskussionen, gemeinschaftlichen und clandestinen Aktionen zu beteiligen oder diese selbst zu gestalten.
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