Kopenhagen: Massiver Widerstand gegen Abschiebung

69 13.08.2009 16:38 Themen: Antirassismus Weltweit
In der Nacht auf den 13.August gegen 1.30 Uhr hat die Polizei mit einem Grossaufgebot damit begonnen die "Brorsons Kirke" im Stadtteil Nørrebro zu räumen.
In der Nacht auf den 13.August gegen 1.30 Uhr hat die Polizei mit einem Grossaufgebot damit begonnen die "Brorsons Kirke" im Stadtteil Nørrebro zu räumen.
In dieser Kirche haben sich seit Anfang Mai etwa 60 irakische Flüchtlinge einquartiert um durch Kirchenasyl ihre drohende Abschiebung zu verhindern.
Ein Grossteil dieser Menschen lebt schon seit 10-12 Jahren in Dänemark,sie sprechen fliessend dänisch, haben Kinder mit dänischen Namen - sind also selbst in der konservativsten Definition in die Gesellschaft integriert.
Das Dänische Integrationsministerium hatte vorgetäuscht ein Abkommen zur Rücksendung mit der irakischen Regierung geschlossen zu haben, welches aber gestern von irakischer Seite dementiert wurden war.

Sofort nach der Alarmierung strömten 300-400 AktivistInnen und Menschen aus dem Bündnis "Kirkeasyl" zum Platz des Geschehens um zunächst mit Sitzblockaden und Sprechchören die Polizeiaktionen zu behindern.
Bereits hier verhielten sich die Bullen teilweise sehr aggresiv und brutal.
Nach und nach wurde versucht die umliegenden Seitenstrassen zu blockieren um den Bullen möglichst wenig Möglichkeiten zum Abtransport der Flüchtlinge zu geben.

In der Kirche versammelten sich die Flüchtlinge im Altarraum vor einer leuchtenden Jesus-Ikone. Die Polizei umstellte sie in Kampfausrüstung und Schilden - ein Bild, welches im konservativen und recht christlich-religiösen Dänemark einem Skandal gleichkommt, somal die Kirche ja traditionell ein Ort des Schutzes und frei von Staatsgewalt sein sollte. Selbst den Bullen müsste diese Situation moralisch stark zusetzen, sofern sie soetwas wie Moral besitzen.

Gegen 2.30 Uhr wurde damit begonnen die Flüchtlinge in einen bereitgestellten Bus zu bringen.
Unbestätigten Meldungen zufolge soll es auch einen Selbstmordversuch eines Flüchtlings gegeben haben, was von offizieller Seite nicht abgestritten wurde.
Der Polizeisprecher wörtlich: "Es gab einige Episoden, auf die ich nicht näher eingehen möchte"
Durch lautes Zurufen und Winken auf beiden Seiten wurde versucht Mut und Trost zu spenden.
Die Männer wurden von den Frauen und Kindern getrennt; viele der Männer wurden mit Kabelbindern auf dem Rücken gefesselt und so im Bus belassen.

Gegen 4.00 Uhr versuchte sich der Konvoi der Polizei in Bewegung zu setzen. Rund um den Bus fuhren mehrere Mannschaftswagen, begleitet durch extrem aggresive Fusstrupen, welche sofort auf alles einschlugen, was sich ihnen in den Weg stellte.
Ein heftiger Strassenkampf entbrannte, in dem versucht wurde durch queergestellte Autos, Fahräder und Barrikaden den Weg zu versperren.
Mutige Menschen versuchten immer wieder durch Sitzblockaden den Bus aufzuhalten und wurden sogleich durch die Bullen äusserst brutal mit Knüppeln, Pfefferspray und Hunden angegriffen.
Es wurden mit Sicherheit viele Menschen verletzt, genaue Zahlen sind aber nicht verfügbar. Selbst die bürgerliche Presse verurteilt lautstark diese Polizeigewalt.
Immerhin konnte durch einen Angriff mit Farbbomben die Frontscheibe des Busses teilweise verschmiert und beschädigt werden und einige AktivistInnen versuchten mehrmals unter den Bus zu kriechen.

Nur durch äusserste Brutalität gelang es den Bullen schliesslich nach längerer Zeit den Bus abfahren zu lassen.
Die Flüchtlinge wurden zunächst zur Polizeistation Bellahøj gebracht und dort verhört. Später wurden sie ins Flüchtlings -und Abschiebelager Sandholm gebracht.

Heute Abend werden in Kopenhagen und vielen weitern Städten Dänemarks Solidaritätsdemonstrationen stattfinden.


Durch entschlossenen und heftigen Widerstand gelang es den Abtransport der Flüchtlinge um fast 4 Stunden zu verzögern.
Es wurde deutlich, dass der Kampf gegen Abschiebungen und gegen die Festung Europa von einem breiten Spektrum der Gesellschaft getragen wird. SchülerInnen, StudentInnen, Leute aus der "Mittelschicht", RentnerInnen, MigrantInnen, Punx und nicht zuletzt schwarz vermummte Autonome haben sich der Maschinerie des Staatsterrorismus in den Weg gestellt und ein deutliches Zeichen der Solidarität mit den Flüchtlingen gesetzt.
Abschiebung in Kriegs-und Hungergebiete ist Mord! Keine Abschiebungen nirgendwohin!
Der Kampf geht weiter, Asyl ist Menschenrecht!

NO BORDER NO NATION


Bilderserien:  http://galleri.tv2.dk/index.php/category-Nyhederne/id-24314607/page-1.html
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Videomaterial:  http://nyhederne.tv2.dk/article.php/id-24317666.html?forside
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Ergänzungen

Hintergrund

69 13.08.2009 - 17:36
Auf einem öffentlichen Infoplenum wurden heute nachmittag über genauere Hintergründe der Räumung berichtet.
Ursprünglich wollte die Bullerei "nur" eine Personalienfeststellung der betroffenen Iraker durchführen, welche merkwürdigerweise auf dem Revier vorgenommen werden musste. Hintergrund für diese Personalienfeststellung ist der Besuch einer Delegation aus dem Irak, welche eingeflogen worden war, um die Identität der Flüchtlinge anhand ihrer Sprache festzustellen.Dieses beruht auf dem schwammigen Abkommen zwischen Dänemark und Irak, welches allerdings noch gestern vom irakischen Präsidenten dementiert worden war.
Laut Bullerei liegt die Zahl der festgenommenen Iraker bei 17, allerdings sind kirkeasyl 18 Namen bekannt.
Weitere Infos folgen..

Überall der gleiche Scheiß!!!

unwichtig 13.08.2009 - 20:39
Auch in Würzburg, Nordbayern, gibts es ein großes Lager für Flüchtlinge, euphemistisch als "Gemeinschaftsunterkunft" bezeichnet. Doch auch hier formiert sich Widerstand. Ein linksradikales Bündnis ruft zu einer überregionalen Demonstration am 5.9. auf.

Um 12 Uhr wird es am Würzburger Hauptbahnhof losgehen.

Solidarität mit allen von Abschiebung bedrohten Menschen!!
Abschiebeknäste zu Baulücken!

No Border Camp

lesvos09 13.08.2009 - 23:26
Deshalb auf zum No Border Camp in Lesvos, 25. - 31. August

video davon

tv 14.08.2009 - 14:02

Schuhe für Agiassos

No-Border-org. 15.08.2009 - 19:48
In Agiassos auf der Insel Lesvos reisen im Jahr etwa 1000 junge Flüchtlinge weiter auf das griechische Festland und versuchen, von dort aus in andere europäische Länder zu gelangen. Viele von ihnen kommen ohne Schuhe an. Diese sind auf der langen Reise - viele kommen aus Afghanistan, Somalia oder dem Irak - kaputtgegangen.

Staatliche finanzielle Unterstützung oder neue Bekleidung gibt es für die Flüchtlinge in Lesvos nicht. Sie sind auf Kleiderspenden der Bevölkerung angewiesen oder müssen sich von ihrem noch verbliebenen Geld selbst neue Sachen kaufen. Viele setzen die gefährliche Reise in billigen Flip-Flops fort und versuchen damit in Patras auf Lastwagen zu klettern, die sie nach Italien bringen
sollen.

Die deutsche Vorbereitungsgruppe des Nobordercamps auf Lesvos vom 25.08. bis 31.08.2009 bittet Euch deshalb um Schuhe in den Größen 40 bis 45, robust und gut erhalten. Wenn Ihr selbst hinfahrt, nehmt ein zusätzliches Paar für die Jugendlichen in Agiassos mit. Wer Schuhe übrig hat und nicht nach Lesvos fährt, kann sie bis zum 14.08.2009 in die Ligsalzstr. 08 in München bringen; die Mitnahme wird dann organisiert.

Hintergründe der Kirchenräumung

Eine Ergänzung von vielen 18.08.2009 - 18:23
Dies ist die Rede von dem Pastor der Brorsons Kirche, welche er zur Demo am 13 August gehalten hat. Einige Sachen sind gekürzt worden, weil sie mit der Asylgeschichte dann doch nicht mehr so viel zu tun haben. Das wichtigste war den Teil zu veröffentlichen, der beschreibt wie die Bullerei das ganze durchgezogen hatte- ohne Rücksicht auf Verluste und unter Missachtung der Kirche als Schutzraum. Es ist das erste Mal in der gesamten Geschichte Dänemarks, dass sich die Obrigkeit gewaltsam Zutritt in eine Kirche verschafft hat.

Das Original ist nachzulesen auf  http://indymedia.dk/articles/1215 und  http://kirkeasyl.dk/


Rede von Pastor Per Ramsdal zur Demonstration am 13.August 2009

Der heutige Tag ist ein trauriger Tag.Donnerstag, den 13.August werde ich auf jeden Fall immer als ein unglaublich schrecklichen und schockierenden Tag in Erinnerung behalten. In meinen wildesten Phantasien hätte ich mir nicht träumen lassen, dass die OrdnungshüterInnen in eine Kirche eindringen würden, um hilflose AsylbewerberInnen mit Gewalt herauszuholen. Und ich hätte mir schon gar nicht vorstellen wollen, dass diese Aktion derartig brutal ablaufen würde.


Ich wurde um halb 2 nachts von PolizistInnen geweckt, die an meiner Tür klingelten und sagten, dass sie mich nur darüber in Kenntnis setzen wollten, dass sie gerade dabei waren eine kleine Aktion drüben in der Kirche durchzuführen.Eben um zu ob gucken, ob sich dort Personen befänden, die gesucht seien und wenn ja würden sie sie gleich verhaften.

Zu diesem Zeitpunkt waren sowohl die Kirche als auch meine Pastorenwohnung von der Polizei massiv umstellt worden und gleichzeitig waren ca.50 BeamtInnen in die Kirche eingedrungen. Der Einsatzleiter riet mir davon ab dort hinüber zu gehen,doch als später heftige Schreie vom Innern der Kirche zu hören waren, wurde ich doch stutzig und ging durch die Hintertür dort hinein. Fast wünschte ich mir, ich hätte es nicht getan, denn der Anblick der sich mir dort bot, hat sich mir so gewaltig ins Gedächtnis gebrannt, dass ich ihn niemals vergessen werde.

Die IrakerInnen hatten sich am Kirchenaltar versammelt und standen dort mit ihren Babys auf dem Arm (...)
Einer der Iraker war im Innern in den Kirchenturm geklettert und stand nun dort oben und drohte damit sich herunterzustürzen. Die Polizei war gerade dabei ein Falltuch vorzubereiten, welches den Mann auffangen sollte, falls er seine Drohung ernst machen würde.

Das für mich zuviel und ich musste nach Hause gehen. Den Rest der Nacht verfolgte ich die Strassenkämpfe von meinem Küchenfenster. Es war genauso erschütternd mitanzusehe, was ausserhalb der Kirche passierte, wo sich 2-300 AktivistInnen versammelt hatten, um gegen das Vorgehen der Polizei zu protestieren. Es war eine laute, aber ansonsten friedliche, anti-konfrontative Demonstration, doch die Polizei setzte sowohl Schlagstöcke als auch Pfefferspray ein, um die DemonstrantInnen zu halten-ich beobachtete wie mehrere junge Menschen einige Meter auf dem Asphalt geschleift wurden und ich habe selbst die Verletzungen auf dem Rücken einiger Mädchen gesehen, nachdem sie mit den Schlagstöcken in berührung gekommen waren.

Ich weiss sehr wohl, dass die Polizei behauptet ich lüge, wenn ich erzähle,dass dass BeamtInnen in Kampfausrüstung in der Kirche waren. Sie hätten hellblaue Hemden und Schlips getragen, behaupten sie. Das ist auch richtig, doch ich kenne kein Wort für PolizeibeamtInnen in hellblauen Hemden, Schlips und Helm mit runtergeklappten Visir und Schildern. Das ist anscheinend dann kein/e Beamte/r in Kampfmontur, doch ich hätte niemals gedacht, dass ich gepanzerte Schilde in der Kirche sehen würde.

Alle Männer wurden verhaftet und sitzen nun im Abschiebegefängnis in Ellebæk beim Flüchtlingslager Sandholm. Alle Frauen und Kinder wurden anscheinend aufgefordert zu gehen, bevor die Männer verhaftet wurden und sind jetzt in alle Winde zerstreut bei Bekannten und Familie in der Stadt untergekommen. Manche verliessen die Kirche barfuss und im Nachthemd.

Als die Polizei die Verhaftungen abgeschlossen hatte, liessen sie eine hell erleuchtete und unabschlossene Kirche hinter sich, so dass praktisch jede/r hätte reinkommen können und das gesamte Kircheninventar, wie auch die personlichen Sachen, wie Computer und andere Wertsachen der IrakerInnen, hätte mitnehmen können.

Ich ging gegen 5 Uhr morgens hinüber, um die Kirche abzusc½hliessen- es sah dort ziemlich wild aus. Es war anscheinend mit Stühlen geworfen worden und auch der Altar sah recht mitgenommen aus. Gerade als ich das letzte Licht löschen wollte, sahen wir einen Arm, der sich aus einen Haufen Stühle in der Ecke streckte. Und wir waren entsetzt, als wie eine der sehr alten irakischen Frauen sitzend hinter dem Stuhlberg fanden. Sie war im heftigen Schockzustand und konnte nichts sagen. Sie ist zuckerkrank und war total dehydriert.
Wir brachten ihr etwas Wasser und eine der freiwilligen Helfer/innen nahm sich ihrer an. Aber wir waren froh, dass wir sie fanden- ansonsten hätte sie die ganze Nacht hinter den Stühlen gesessen.

Ich muss gestehen, dass ich immer noch sprachlos bin und mir keine Worte bekannt sind, die beschreiben könnten, was ich heute nacht erlebt habe.
Ich bin überzeugt davon, das die Polizei wollte dass ich mich fern halte; denn nun bin ich der einzige, der gesehen hat was sich dort zugetragen hat.

Ich muss zugeben, ich war auch völlig ausser mir über dieses Erlebnis, denn es war wirklich schlimm mit ansehen zu müssen, wie die Menschen die, die letzten 3 Monate unsere Freunde geworden sind, behandelt wurden.

Da ist Mahmood 65 Jahre, mit dem ich viele philosophische und religiöse Gespräche über Islam und Christentum hatte.

Shalaw, 23 Jahre, der mir seine ganze Geschichte erzählt hat, wie seine ganze Familie ermordet worden ist.

Salar,verheiratet und Vater von Bishan,14 Jahre und dem kleinen Baby Niros ,16 Monate alt.

Ja, und viele, viele andere.

‑­
Für uns in der Kirche sind sie nicht nur AsylbewerberInnen oder Nummern in einer Karthotek, sondern sie sind Menschen (...) wie wir und welche verdienen als solche respektiert und behandelt zu werden. Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass sie einfach so aus einer Kirche gezerrt werden würden und in ein gewöhnliches Gefängnis gesperrt, mit Aussicht auf Abschiebung zurück in ein chaotisches und vom Krieg zerstörtes Irak, von dem sie geflüchtet sind. Was ist das für eine Art Menschen zu behandeln (...)
Heute haben wir einen Teil unserer Identität, einen unserer Werte als Kirche verloren, nämlich den, ein heiliger Ort des Friedens zu sein, wo Menschen Zuflucht suchen können, wenn das Leben unerträglich zu leben wird.
In allen anderen Ländern wird die Kirche als Raum für Asyl respektiert und die gesetzliche Obrigkeit würde sich nicht träumen lassen dort einzudringen, doch diese ungeschriebene Regel und uralte Traditionen gelten anscheinend nicht in diesem Land.

Dieses Land, was ich ansonsten immer als ein offenes und tolerantes Land gesehen habe, welches sich für Freiheit, Mitmenschlichkeit und Menschenrechte einsetzt.

Diese Werte sind heute nacht gewaltig erschüttert worden und ich persönlich finde es schwer darüber hinweg zu kommen.
Der 13. August ist ein schrecklicher Tag - ein trauriger Tag, doch ich fordere euch alle auf zusammen zu halten und einander zu helfen.Wir dürfen nicht aufgeben hoch erhobenen Kopfes weiter für Frieden, Gerechtigkeit und Liebe in dieser Welt zu kämpfen. (...)

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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@mods

69 13.08.2009 - 16:47
bitte ergänzt das Wort "Abschiebung" in der Überschrift