"Musikalische Inspektion" Endlager Gorleben

rosa für lebenslaute 09.08.2009 00:00 Themen: Atom Kultur Ökologie
Bepackt mit Instrumenten und Notenständern haben 60 Musikerinnen und Musiker der Aktionsgruppe „Lebenslaute“ am Samstag, dem 8.8., um 10:30 Uhr überraschend die etwa vier Meter hohe Mauer um das Gelände des geplanten Atommüll-Endlagers in Gorleben überwunden und ein Protest-Konzert gegen den weiteren Ausbau des ungeeigneten Gorlebener Salzstocks zum (illegalen) Endlager und für die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen gegeben.
Film auf Graswurzel.tv:  http://www.graswurzel.tv/index.php?flv_id=86
„Diese Musik ist Ausdruck der Lebensenergie verschiedener Generationen. Damit fügt sich unsere Aktion gut in das breite Spektrum des kreativen Widerstandes im Wendland ein“, erläutert Katharina Dehlinger, Lebenslaute-Aktivistin aus dem Landkreis Paderborn. „Besser heute kommt lebendige Musik durch die Mauern und Zäune um das Gorlebener Bergwerk als zukünftig tödliche radioaktive Strahlung. Der Salzstock Gorleben ist für eine sichere Atommüll-Endlagerung nicht geeignet. Das Projekt muss beendet werden“.

2010 läuft das sogenannte „Moratorium“ der ersten rot-grünen Bundesregierung aus und damit der zehnjährige Erkundungsstopp des geplanten Endlagers Gorleben. Dieses ist momentan lediglich ein Forschungsstandort, in dem sich also noch kein Atommüll befindet; der aber inzwischen illegal zum Endlager ausgebaut wurde. Nach den Bundestagswahlen im September wird über die Zukunft der Atomenergie und so auch über die des Gorlebener Salzstocks neu entschieden, weshalb es gerade jetzt wichtig ist, das Thema öffentlich zu problematisieren - entgegen dem Werbetrommel-Rühren von Stromkonzern-Lobbyist_innen und Bundestags-Wahlkämpfer_innen, Gorleben als weltweit erstes Endlager zu etablieren. Darum wollte die Aktionsruppe ihren Widerstand „lebenslaut“ in Wort, Klang und Tat auf das Betriebsgelände tragen.


VORBEREITUNGEN

Seit Dienstag, dem 4.8., liefen im Camp im nahen Gedelitz die Vorbereitungen auf Hochtouren: Kennenlernen, Bezugsgruppenfindung, Diskussionen, Entscheidungen, Aktionstraining und natürlich viele Proben… Die Aktiven wuchsen zu einer lebendigen, aufmerksamen, konsensgetragenen, herrschaftskritischen Aktionsgruppe zusammen, von der sich bald jede_r Einzelne getragen fühlte.

Am Freitagabend gab es in der mit ca. 200 Menschen gut gefüllten Johanniskirche in Dannenberg (nächstgrößere Stadt) ein „Vorkonzert“, wobei das Aktions-Konzertprogramm schon vorab (in definitiv von der Polizei ungestörter Atmosphäre) dargeboten wurde.
Das bunte und anspruchsvolle Programm von Barock bis Moderne, von Chor- über Orchester- bis Kammermusik, von romantischen, nachdenklichen bis kämpferischen Werken begeisterte das Publikum, das sich immer wieder zu donnerndem Zwischenapplaus hinreißen ließ und sich über die Unterstützung seines Kampfes gegen die Atomanlagen in Gorleben freute. Die zu erhaltende Schönheit der Natur wurde mit Werken von G. P. Telemann, Willy Burkhard und Fanny Hensel besungen. Als Anklage und Aufruf zum dringend notwendigen Handeln gegen die tödlichen Gefahren der Atomenergie wurde Heinrich Schütz' Choral „Wie nun, ihr Herren, seid ihr stumm" zu Gehör gebracht, sowie Teile der Sinfonie „Die Uhr" von J. Haydn und ein Chorsatz von Bon Jovi‘s „It`s my life". Kammermusik in unterschiedlicher Besetzung rundete das Konzert ab.


DIE AKTION

Für Samstag war ein Straßenkonzert angekündigt, was dann aber ersetzt wurde durch die um 24 Stunden vorgezogene Aktion. Die auf den angekündigten Termin am Sonntag fixierten Polizeibeamten bemerkten nichts davon, dass alle Musiker_innen und Unterstützer_innen samt Instrumenten, Stühlen, Notenständern, Transparenten und Sonnenschirmen seelenruhig (bis auf die natürliche Aufregung vor einem Konzert) über eine eigens angefertigte, wunderschöne Holztreppe die 4m-hohe Mauer überwanden. Erst als alle wohlbehalten angekommen waren, alles aufgebaut war, die Besetzung schon ca. eine halbe Stunde dauerte und das Konzert schon begonnen hatte, umstellte die Polizei die Gruppe, die sich davon jedoch nicht beirren oder gar stören ließ – ein Konzert unterbricht mensch schließlich nicht! Das Konzert endete mit dem Lied „Das Publikum war heute wieder wundervoll“, das unter Wink-Gesten auch in Richtung Polizei gesungen wurde, die sich das Lächeln zwangsweise verkniff. Danach wurde das Ensemble auf eigenen Wunsch hin durch eines der Haupttore hinaus eskortiert – direkt in die Arme der inzwischen vor dem Tor versammelten Unterstützer_innen, die dem Konzert mittels einer Live-Schaltung hatten lauschen können.
Für alle, die am Samstag nicht so spontan hatten kommen können, gab es am Sonntag noch ein Konzert vor dem Haupttor des geplanten Endlagers mit einem Bericht vom Vortag, mit vielen sehr erfreuten Zuhörer_innen und mit einer Polizei, die dem Frieden nicht so recht traute…

„Wir haben die Zäune und Mauern von Gorleben überwunden, um dort wirksam gegen die lebensbedrohende Atomtechnologie protestieren zu können. Wir wollen aufrütteln, provozieren, wollen dramatisieren – und wir stehen, jeder und jede einzeln, für diese Provokation ein“, so Berthold Keunecke, evangelischer Pfarrer aus Herford.
„Die Atomlobby will den Ausbau des Salzstocks Gorleben zum Endlager fortsetzen, obwohl
spätestens die Skandale um das Salzbergwerk Asse deutlich gemacht haben, dass auch
Gorleben nicht sicher ist“, erklärt Katja Tempel, Hebamme aus dem Wendland. „Wir fordern angesichts ungelöster Entsorgung den Stopp der Atommüll-Produktion, also die Stilllegung der Atomkraftwerke. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien muss forciert werden.“

Lebenslaute fordert mit Nachdruck: „Atomlobby übertönen! Energieressourcen fair teilen! Alle Atomanlagen stilllegen!!!“


DIE GRUPPE

Die LEBENSLAUTE steht schon seit 1986 für eine Kombination von gewaltfreien Aktionen zivilen Ungehorsams und überwiegend klassischer Musik. Wir sind eine politisch aktive Musiker_innen aus dem ganzen Bundesgebiet, Laien und Profis, Instrumentalist_innen und Sänger_innen sowie nichtmusizierende Aktivist_innen (für Organisatorisches, Pressekontakt, Verpflegung, Kinderbetreuung) und Zuhörer_innen.
Als eine offene Musik- und Aktionsgruppe von Menschen verschiedenen Alters, mit unterschiedlichen Weltanschauungen und Berufen leisten wir gemeinsam musikalischen Widerstand gegen Militarismus, Umweltzerstörung, Rassismus und Unmenschlichkeit an lebensfeindlichen Orten wie vor Atomfabriken, Raketen- und Giftgasdepots, Rüstungsexportfirmen, auf Militärübungsplätzen und Abschiebeflughäfen, in Ausländerbehörden usw.

Mehr Infos über die Gruppe sowie mehr Fotos+Links:  http://www.lebenslaute.net
Schicker Film von der Aktion:  http://www.graswurzel.tv
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Ergänzungen

das wars

egal 23.08.2009 - 09:48
Atomendlager Gorleben vor dem Aus?

Die weitere Erkundung des Salzstocks Gorleben als Atommüll-Endlager steht offenbar vor dem Aus. Grund ist, dass die notwendigen Verträge mit den Grundstückseigentümern Ende 2015 auslaufen. Das teilte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel mit, der damit einen Bericht der "Süddeutschen Zeitung" bestätigte.
Nach Angaben der Zeitung geht es um rund 100 Verträge mit Grundbesitzern der Region, in denen sie die Erkundungsrechte an den Salzstöcken unter ihrem Land abtraten und damit die bisherige Erkundung ermöglichten. Das Bundesamt für Strahlenschutz, dem die Erkundungsrechte mit den Verträgen übertragen worden waren, bezeichnete die genannte Größenordnung als "nicht unwahrscheinlich". Die genaue Zahl könne derzeit nicht beziffert werden. Nach 2015 gehen die Salzrechte wieder auf die Eigentümer des darüber liegenden Grund und Bodens - zumeist Gegner eines Atommülllagers in der Region - über.

Eine Verlängerung der Verträge wäre nur mit Hilfe zeitaufwändiger Enteignungsverfahren durchsetzbar. Doch unter der rot-grünen Bundesregierung war diese Möglichkeit aus dem Atomgesetz gestrichen worden. Ein entsprechender Passus müsste also mittels einer Gesetzesänderung neu eingeführt werden.

Trecker-Treck nach Berlin

Wendländer 30.08.2009 - 00:55
05.09.-Anti-Atom-Demo
Bei PubliXviewing gibts Bilder vom Treck...
graswurzel.tv will nen Filmchen ins Netz stellen...

ContrAtom fahren mit und schreiben in ihrem Blog direkt vom Trecker...
-.augestrahlt auch...
die aktuellsten Infos zur Demo und dem Treck gibts beim Blog der BI - Treck-Blog-Aktuell

Bei Anti-Atom-Treck.de gibts Infos über den Treck, die Demo, wie Mensch am besten nach Berlin kommt, usw.
Anti-Atom-Demo am 5.9. in Berlin

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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vielen dank — Indyana

hm — hm