FFM: Kampf gegen Flughafenausbau geht weiter

Aktivist 08.08.2009 18:07 Themen: Freiräume Repression Soziale Kämpfe Ökologie
Seit langen gibt es Widerstand gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens, die Waldbestzung bei Kelsterbach hat ihn zu einem überregionalen Thema gemacht. Schwerpunkt dieses Artikels liegt auf der Zeit nach der Räumung.
Der Frankfurter Flughafen liegt mitten in einem der letzten großen, zusammenhängenden Waldstücke im Ballungsgebiet Rhein-Main. Seit seiner Inbetriebnahme in den 30er Jahren wird seine Ausdehnung und Kapazität permanent erhöht.
Jede Vergrößerung der Flughafenfläche ist nur möglich durch Privatisierung öffentlicher Naherholungsgebiete, Rodung großer Waldflächen und Vertreibung der dort lebenden Tiere.
Jeder Anstieg des Flugbewegungen erhöht die Lärmbelästigung und Gesundheitsbelastung der AnwohnerInnen und treibt den globalen Klimawandel voran (Flugzeugemissionen sind aufgrund der Höhe der Freisetzung um ein vielfaches klimawirksamer als andere Abgase).
Am Beispiel des Frankfurter Flughafens zeigt sich deutlich der Widerspruch zwischen kapitalistischer Verwertungs- und Wachstumslogik auf der einen und Umweltschutz und Lebensqualität auf der anderen Seite.
Seit den 60er Jahren leisten Menschen Widerstand gegen die Flughafenerweiterung. Vertreten sind sowohl bürgerliche als auch emanzipatorische Positionen.

Das größte Ausbauprojekt ist momentan der Bau der Nord-West Landebahn im Kelsterbacher Wald. Eine Handvoll unabhängiger AktivistInnen hat Ende Mai 2008 einen Teil der Waldes besetzt. Das Bündnis der lokalen Bürgerinitiativen, die Umweltschutzorganisation Robin Wood, und viele Einzelpersonen unterstützten die BesetzerInnen. Die Besetzung wuchs schnell, insgesamt haben viele hundert Menschen dort zeitweise gewohnt. Viele der AktivistInnen verstanden sich als herrschaftskritisch. Zum ersten Mal seit langer Zeit, fand die Thematik auch in manchen linksradikalen Kreisen eine gewisse Beachtung.
(Eine Auswahl der zahlreichen Indy-Berichte:
5. Woche -  http://de.indymedia.org/2008/07/221635.shtml
Hüttenbau -  http://de.indymedia.org/2008/08/225410.shtml
Aktionswoche -  http://de.indymedia.org/2008/09/226652.shtml
Die Linkspartei -  http://de.indymedia.org/2008/10/228440.shtml
Reflexion nach 7. Monaten -  http://de.indymedia.org/2009/01/238719.shtml
Ärger mit der FAZ -  http://de.indymedia.org/2008/12/234693.shtml )

Ende Januar 2009 eskaliert die Situation. Unter Polizeischutz wird die gesamte Besetzung eingezäunt, ein Aktivist kettet sich in einem unterirdischen Bunker an, die Polizei arbeitet bis in die Abendstunden um ihn da herauszuholen. In anderen Waldstücken beginnen die Rodungen. Immer wieder stören AktivistInnen die Arbeiten, in dem sie Rodungsmaschinen und Bäume besetzen (YouTube-Video:  http://www.youtube.com/watch?v=o5miuk-aXuI ). Mehrere Demonstrationen finden statt, die größte mit über 1000 TeilnehmerInnen. Die Flughafenbetreiber versuchen die BesetzerInnen mir Psychoterror klein zu kriegen: Nachts Flutlicht und Generatorenlärm, Tags Blick auf Security am Bauzaun und das Krachen der Bäume, Tag und Nacht: Einzäunung, Rein geht’s nur nach Personen und Taschenkontrolle durch die Polizei.
An einem Morgen mitte Februar rückt die Polizei mit Spezialeinheiten an, um die Besetzung zu räumen. Der Psychoterror scheint nicht wirkungslos geblieben zu sein: Die Meisten BesetzerInnen sind am Boden und lassen sich abführen, viele Plattformen in den Bäumen sind unbesetzt. Eine Handvoll AktivistInnen befindet sich in den Baumkronen, kettet sich an und gibt der Polizei so Arbeit für einige Stunden. Bis zum Abend sind alle Hütten zerstört worden, Bäume samt Baumhäusern gefällt.
2 Tage später findet noch eine Demo statt, Bäume und ein Hausdach auf dem Rodungsgelände werden besetzt, ein Autokorso wird gestoppt. (Bericht auf Indymedia:  http://de.indymedia.org/2009/02/242553.shtml )
Inzwischen ist der größte Teil des Waldes gerodet, viele AktivistInnen reisen ab, die Präsenz im linksradikalen Diskurs geht zurück.
Doch diese Wahrnehmung täuscht, denn auch nach der Räumung ging der Widerstand weiter.

Mahnwache im Wald
Seit Anfang 2009 exestiert außerhalb der Rodungsfläche, aber in der Nähe des ehemals besetzten Waldes eine Mahnwache gegen den Flughafenausbau. Die Mahnwache soll ein Ort der Information, Vernetzung und Planung sein. Neue MitbewohnerInnen sind dort gern gesehen, die Mahnwache steht allen offen, die den Ausbau ablehnen. Zurzeit ist dort relativ wenig los, was wohl gleichermaßen an der geringen Anzahl der dort Aktiven als auch an deren geringen Engagement liegt.

„Horst, Dein Auto brennt!“ (FR vom 12.03.)
Horst Amann ist Chefplaner des Flughafenausbaus. In der Nacht des 10. März (sein Geburtstag!) haben Unbekannte seinen Dienstwagen abgefackelt. Es gibt kein BekennerInnenschreiben, fast alle BeobachterInnen gehen aber von einer politisch motivierten Tat aus. Der Frankfurter Rundschau ist ein brennendes Auto 3 Seiten Zeitung wert , inklusive Rückblick auf den jahrelangen, militanten Kampf gegen die Startbahn West und Interview mit einem Sprecher der Bürgerinitiativen. Dieser besitzt die Unverschämtheit, zu behaupten, die AktivistInnen gegen den Ausbau wären nicht radikal, sondern „die treuesten Staatsbürger“. Peinlich...
Horst Amann arbeitet in leitender Position an einem Projekt, dass einen Angriff auf Lebensqualität, Gesundheit und Leben vieler Menschen darstellt. Mit einer kleinen Aktion wurde ein großes Presseecho erzeugt.
Doch das darf über eins nicht hinwegtäuschen: Durch Angriffe auf Planer oder Politiker lassen sich solche Großprojekte nicht aufhalten. Denn sie sind ein Erfordernis der kapitalistischen Ökonomie, die nach permanenten Wachstum und Profitmaximierung schreit.

Demo in Walldorf
Nicht nur in Kelsterbach sondern auch im nahegelgenden Walldorf fiel Wald für den Flughafenausbau. Hier sollen Lagerhallen und sonstige Infrastruktur gebaut werden. Ein Bündnis lokaler Initiativen mobilisierte vor Ort sehr aufwendig für eine Demonstration zu den Rodungsflächen. Diese fand am 26. April statt, 450 Menschen nahmen teil, für viele schien es die erste Demo zu sein. Die Demo war eher bürgerlich geprägt. Eine Handvoll ehemaliger WaldbesetzerInnen war dort, hatte wegen einem Transparent (Waldbesetzung Kelsterbach – ACAB) Ärger mit der Polizei und lief dann samt Transpi einfach am anderen Ende der Demo weiter.

Feierlicher erster Spatenstich gestört
Am 8. Mai inszenieren die Flughafenbetreiber den feierlichen ersten Spatenstich für die Landebahn. Obwohl das ganze unter der Woche während der Arbeitszeit stattfand, folgen etwa 100 Personen dem Aufruf zu einer Gegendemonstration auf der einzigen offiziellen Zufahrt. Trotz einem Großaufgebot der Polizei gelang es einigen Robin Wood AktivistInnen sich von einer Eisenbahnbrücke über der Straße samt Transparent („Klimaschutz statt Kahlschlagparty“) abzuseilen. Gemeinsam wird die Zufahrt für mehrere Stunden für Fahrzeuge blockiert, die meisten geladenen Gäste müssen durch ein Spalier wütender AnwohnerInnen laufen. Schließlich räumt die Polizei sehr brutal eine Sitzblockade, die KletterInnen werden per Hubwagen geräumt.
Kritisiert wurde auch die Wahl des Datums. Der 8.Mai ist der Tag der Befreiung vom Faschismus, die Betreiberinnen haben bis heute die NS-Vergangenheit des Flughafens nicht wirklich aufgearbeitet. Bis Kriegsende mussten Kriegsgefangene hier Zwangsarbeit vernichten, 1944 existierte eine KZ-Außenstelle nur für Arbeiten am Flughafen (  http://kz-walldorf.de/ ).
Pressmitteilung von Robin Wood:  http://www.robinwood.de/Newsdetails.13+M5e3497a3edf.0.html

Bäume gepflanzt
Am 10. Mai pflanzten knapp 50 Personen vor Augen der Lokalpresse junge Bäume auf der Rodungsfläche. Die Meisten auf einer Fläche außerhalb des Bauzauns, einige überwanden aber auch den Zaun und pflanzten im eingzäunten Bereich. Die Polizei war nach einer Weile mit einigen Streifenwagen vor Ort – nicht genug um einzugreifen.
YouTube-Video:  http://www.youtube.com/watch?v=NznFgkt81Dw

Proteste vor dem VGH-Kassel
Am 2. Juni (nachdem der Wald längst gerodet ist) beginnen beim Volksgerichtshof Kassel die Verhandlungen über die Rechtmäßigkeit des Ausbaus. Eine Fahrradkarawane von AktivistInnen fährt 5 Tage lang von der Mahnwache bis zum Gericht. Vor dem Gericht findet eine Kundgebung der Bürgerinitiativen statt.
YouTube-Video:  http://www.youtube.com/watch?v=NiSbuBPUCoc

Jubiläum im Wald
Ende Mai wird in der Mahnwache das einjährige Jubiläum der Waldbesetzung gefeiert. Aus diesem Anlass wird, mit viel Wolle eine der Hauptzufahrten zu Landbahn-Baustelle kurzzeitig geschlossen.

Bürgerbegehren in Kelsterbach
Während die ersten Bäume fielen, schloss der Bürgermeister von Kelsterbach (der sich bis dato als Ausbaugegner bezeichnete) einen Vertrag mit den Flughafenbetreibern. Inhalt: Die Stadt Kelsterbach verzichtet auf Klagen gegen den Ausbau, verkauft das Gebiet auf dem die Landebahn liegt und viele weitere Grundstücke, und kriegt dafür einen Batzen Geld.
Einge Kelsterbacher BürgerInnen beantragten ein Bürgerbegehren, welches den Vertrag stoppen soll, und sammelten auf Anhieb mehr Unterschriften als zur Zulassung nötig.
Das Referendum hatte nicht nur die Funktion, in staatliche Entscheidungsprozesse einzugreifen. Viele Betroffene, die bis dato wenig über die Materie wussten und keine Meinung hatten, sollten auf einmal Stellung beziehen. So gelang es recht effektiv, den Ausbau in Kelsterbach zu thematisieren.
Am 28.Juni fand in und um die Mahnwache ein Fest statt, um für das Bürgerbegehren zu werben. Am 5. Juli war die Wahl: Mehr als 60 Prozent der TeilnehmerInnen stimmten gegen den Verkauf. Das Bürgerbegehren wurde nicht Rechtskräftig, da 264 Personen zu wenig gegen Vertrag gestimmt haben.
Jetzt soll das Stadtparlament noch einmal über den Verkauf entscheiden. Die Letzte Sitzung zu dem Thema wurde von AusbaugegnerInnen gesprengt...

Ausblick 1

Wahnsinnstage und Aktionswoche
Vom 21.-23. August sollen in der Mahnwache die „Wahnsinnstage“ stattfinden. Das Wochenende soll sich thematisch mit dem Flughafenausbau aber auch mit anderen umweltschädlichen Großprojekten im Rhein-Main-Gebiet auseinandersetzen. Es wird Vorträge, Workshops, kulturelles Programm und hoffentlich auch Aktionen geben.
Einige AktivistInnen rufen dazu auf, sich bereits ab dem 15. August in der Mahnwache zu treffen. Von dort ausgehend soll es dann selbstorganisierte Weiterbildung, Diskussionen und Aktionen zu den Themen Flughafenausbau, emanzipatorische Ökologie und Repression gegen ökologische und soziale Bewegungen geben.
Vollständiger Aufruf:  http://waldbesetzung.blogsport.de/2009/07/31/das-klimacamp-2009-rhein-main-findet-nicht-statt/

Gerichtsprozesse
Diverse AktivstInnen haben in letzter Zeit Vorladungen von Polizei und Staatsanwaltschaft oder Strafbefehle erhalten. Bis heute ist nichts rechtskräftig, aber es ist absehbar, dass es zu einer Reihe von Gerichtsprozessen kommen wird.
Hierbei handelt es sich eindeutig um einen Einschüchterungsversuch des Staates, der offenbar versucht den Widerstand zu ersticken. Ob dies gelingt ist äußerst fraglich: Viele Vorwürfe sind an den Haaren herbeigezogen, die Solidarität in der Region ist groß und eine Spendenkampagne ist bereits angelaufen.
Die Prozeße werden wahrscheinlich von einer Reihe weiterer Aktionen begleitet werden.
Spendenaufruf:  http://waldbesetzung.blogsport.de/2009/07/31/das-imperium-schlaegt-zurueck-spendenaufruf-fuer-gerichtskosten/

Rodung im Herbst
Sei es aus technischen Gründen, oder wegen dem Widerstand: Der Fraport ist es im Winter nicht gelungen, das gesamte Areal der geplanten Landebahn zu roden. Die Rodungen im Kelsterbacher Wald werden wahrscheinlich im September fortgesetzt. Hoffentlich nicht ohne Widerstand...

Ausblick 2

Die weltweite Konkurrenz zwischen den Flughafenbetreibern wird (trotz weltweiten Widerstand) zunehmend härter. Es ist unwahrscheinlich, dass der Bau der Nordwest-Landebahn das Ende des Flughafenausbaus ist. Die Schädigung der AnwohnerInnen verschlimmert sich genauso wie die Folgen des weltweiten Klimawandels. Es ist eigentlich höchste Zeit den Flughafen in seine Schranken zu weisen.
Doch angesichts der zu erwartenden Profite halten Staat und Kapital zusammen. Hier ist Widerstand von unten notwendig.
Der Kampf gegen die Erweiterung ist ein hervorragender Anknüpfungspunkt für eine radikale, emanzipatorische Bewegung mit eigenen Argumenten wie z.B. Kapitalismus- und Staatskritik.
Doch bisher schafft es die Szene nur bedingt, über ihren Tellerrand hinauszuschauen. Dabei geht es hier gleichermaßen um ökologische und soziale Probleme – hervorgerufen durch die Funktionsweise der kapitalistische Ökonomie, und einen Staat der ihre Interessen durchsetzt.
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