Israel/Palälestina: Wasserkonvoi

antinational solidarity movement 07.08.2009 21:17 Themen: Weltweit
In einem kleinen Dorf in der Nähe von Ramallah fand heute eine Aktion gegen die unmenschliche Wasserpolitik Israels statt. Mehrere hundert Menschen aus Palästina und Israel und internationale Aktivist_innen begleiteten den Wasserkonvoi und zelebrierten damit den Auftakt einer Kampagne für den barrierefreien Zugang zu Wasser für Alle.
Heute, am Freitag dem 7. August, fand in der Nähe von Ramalla/Westjordanland der erste öffentliche Wasserkonvoi statt. Organisiert hatten ihn verschiedene friedensaktivistische Gruppen aus Israel (siehe Liste der beteiligten Gruppen unten) in Zusammenarbeit mit den Gemeinderäten einiger von Wasserknappheit betroffener Dörfer. Aus Jerusalem, Tel Aviv und Ramallah hatten sich am frühen Nachmittag mehrere Hundert Aktivist_innen in Konvois aus Autos und Bussen auf den Weg nach Qarawat Bani Zaid gemacht. Ein paar Kilometer vor dem Ort stießen drei Wassertanks dazu, die von dort aus symbolisch eskortiert wurden. Auf dem Dorfplatz von Qarawat erwartete eine Menschenmenge die Gäste mit lauter Musik und quirligem Volksfestcharme. Obwohl diese Aktion hauptsächlich dazu gedacht war, die Aufmerksamkeit der israelischen Medien, Bevölkerung und Politiker_innen auf dieses Thema zu lenken, nutzten viele Dorfbewohner_innen die Möglichkeit, alle auffindbaren Behältnisse mit Wasser zu füllen.

Denn in Qarawat Bani Zaid ist die Lage sehr ernst, seit Mitte März sind die Wasserleitungen trocken – kein Wasser zum Trinken, zum Waschen, für die Viehzucht, Land- und Subsistenswirtschaft.
Auch in den umliegenden Ortschaften Kafr Ein, Beit Rima, Dayr Ghasana und Nabi Saleh steht es schlecht um die Wasserversorgung: In dieser Gegend nord-westlich von Ramallah leben etwa 15.000 Menschen, denen in der glühenden Sommerhitze 48 Liter Wasser pro Tag pro Person zur Verfügung stehen – etwa ein Fünftel der Menge, die für die Bewohner_innen der israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten und in Israel zur Verfügung gestellt wird (235 Liter pro Tag) und weniger als die Hälfte, die von der WHO als Index für Wassermangel festgelegt wurde (100 Liter pro Tag).(1)

Früher kam das Wasser in den Haushalten von Qarawat Bani Zaid und den anderen Dörfern in der Umgebung aus der Quelle Aboud. Seit dem Jahr 2000 jedoch verwaltet der israelische Wasserbetrieb Mekorot dieses natürliche Ressource und nur noch etwa 20% des Quellwassers wird in die palästinensichen Leitungen eingespeist. Etwa 100 Kubikmeter pro Stunde müssten durch die Leitungen gepumpt werden, um alle Familien der Region ausreichend mit Wasser zu versorgen. Zu guten Zeiten sind es aber nur 70 Kubikmeter pro Stunde und jetzt im Hochsommer sogar nur 30 Kubikmeter die Mekorot den Palästinenser_innen zukommen läßt. Das am weitesten von der Quelle entfernte Dorf Qarawat Bani Zaid hat darunter am meisten zu leiden: 90% der Bewohner_innen haben seit über vier Monaten überhaupt keinen Zugang zu Wasser aus der Leitung.

Um diesen Mangel auszugleichen, sind sie gezwungen, Wasser zu horenden Preisen von Tankfahrzeugen zu kaufen – ein Kubikmeter (1000 Liter) kostet 40 Schekel, also etwa 7 Euro und damit das zehnfache gegenüber dem Wasser aus der Leitung. Vielen ärmeren Familien reicht das Einkommen kaum um den Bedarf an Trinkwasser zu decken.
”Wenn sich die Situation nicht ändert, werden viele Menschen die Region verlassen müssen.” befürchtet Sabri Arah, Mitglied des Gemeindrats, ”Aber das entspricht ja schliesslich auch der israelischen Siedlungspolitik.”

Seit der Besetzung des Westjordanlandes 1967 haben die israelischen Behörden die Kontrolle über die lokalen Wasserressourcen und benutzen sie hauptsächlich um den Bedarf in Israel und den israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten zu befriedigen.
Israel und Palästina teilen sich grundsätzlich zwei relevante Wassersysteme:
Die Gebirgsgrundwasserschicht und das jordanische Becken, was ebenfalls zum Lebanon, zu Syrien und Jordanien gehört.
Das Wasser aus dem Gebirgsgrundwassersystem, was sich zu leicht größeren Teilen im besetzten Westjordanland befindet, wird zu rund 67% von Israel beansprucht. Auf das Wasser aus dem jordanischen Becken haben palästinensische Wasserbetriebe gar keinen Zugriff, obwohl es sich zu grossen Teilen im Westjordanland befindet, während Israel etwa 31% des Wassers nutzen kann.

Rund 30% der palästinensischen Gemeinden sind gar nicht an ein Trinkwassersystem angeschlossen und sind somit von der Nutzung ihrer Brunnen und dem Auffangen von Regenwasser in Zisternen abhängig. Die Klassifizierung des Grundwassers als israelische Eigentum, läßt den Neubau von Brunnen oder Zisternen ohne schriftliche Genehmigung zur Straftat werden, die Genehmigung zu bekommen ist unwahrscheinlich bis gerade zu unmöglich, der Bearbeitungsprozess dauert auf jeden Fall Jahre. In vielen Fällen ist Palästinenser_innen der Zugang zu älteren Brunnen und Zisternen auf ihrem Land nicht mehr möglich, weil das Land beschlagnahmt wurde – für eine israelische Siedlung oder einen Militärstützpunkt – oder weil es auf der anderen Seite der Mauer liegt. (2)

Die Gewährleistung des barrierefreien Zugangs zu Wasser zur Deckung der häuslichen, öffentlichen, agrawirtschaftlichen und industiellen Bedürfnisse der palästinensischen Gesellschaft ist keine Gefälligkeit, die Israel erbringen soll. Solange Israel die palästinensischen Gebiete besetzt hält, ist es eine gesetzmäßige Pflicht. Die Nichteinhaltung dieser Pflicht ist eine schwere Verletzung internationaler Gesetze.
Der Sinn der heutigen Aktion – des Wasserkonvois – war es, ein öffentlichese Bewußtsein für diese Problematik zu schaffen. Die Veranstalter_innen rufen zu einer Protestkampagne in Israel auf und hoffen auf internationale Solidarität.

Quellen:
(1) ”The Water Crisis” B’tselem,  http://www.btselem.org/English/Water/2008070_Acute_water_shortage_in_the_West_Bank.asp
(2) ”Palestine Monitor 2009 Factbook”  http://www.palestinemonitor.org/spip/IMG/pdf/factbook_Final_online-2.pdf

Die Veranstalter_innen:

Alternative Information Center:  http://www.alternativenews.org
Anarchist Against Walls:  http://www.awalls.org
Bat Shalom – Feminist center for Peace and Social Justice:  http://www.batshalom.org
Coalition of Women for Peace:  http://coalitionofwomen.org/home/English
Combatants for Peace:  http://www.combatantsforpeace.org
Communist Party of Israel:  http://www.maki.org.il/index.php?option=com_content&task=blogcategory&id=79&Itemid=106
Gush Shalom:  http://zope.gush-shalom.org/index_en.html
Hadash Party - The Democratic Front for Peace and Equality
Humans Without Borders:  http://humanitywithoutborders.ning.com
ICAHD – Israeli Committee against house demolitions:  http://www.icahd.org
Machsom Watch – Israeli Women against the Israeli Occupation:  http://www.machsomwatch.org
Meretz Party – left-wing Zionist Party
New Profile -  http://www.newprofile.org/english/
Physicians for Human Rights-Israel
PCATI - the Public Committee Against Torture in Israel:  http://www.stoptorture.org.il/en
Rabbis for Human Rights -  http://www.rhr.org.il/index.php?language=en
Sadaqa-Reut:  http://www.reutsadaka.org/
Taayush-Arab-Jewish Partnership:  http://www.taayush.org/
Tarabut-Hithabrut - AntiRa-Movement
Yesh Gvul – refusal movement:  http://www.yeshgvul.org/about_e.asp
Young Communist League of Israel

Internationale Unterstützung:
ISM – International Solidarity Movement:  http://www.palsolidarity.org
IWPS - International Women’s Peace Service:  http://www.iwps-pal.org
Michigan Peacemakers Team:  http://michiganpeaceteam.org/
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Ergänzungen

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wohlgemerkt — tagmata

sehr guter Artikel — ggggggggg

@ tagmata — krav-tofu

Spinnt ihr? — Mama

@(ge)Rechter — egal

keine Zukunft — für irgendwen

Meine Wahnwelt — Justus Wertmüller