LE: Antifa Kundgebung gegen Collegium Humanum

aktionskreis gegen antisemitismus 05.08.2009 20:32 Themen: Antifa
Unter dem Motto „Antisemiten aller Couleur entgegentreten“ veranstaltete der Aktionskreis gegen Antisemitismus am heutigen 5. August direkt vor dem Leipziger Bundesverwaltungsgericht eine antifaschistische Kundgebung. An der knapp 6stündigen Veranstaltung nahmen bis zu 100 Menschen teil. Grund für das antifaschistische Engagement war eine juristische Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen das neonazistische Zentrum Collegium Humanum. Letzteres wurde durch die EX-Vorsitzende und verurteilte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel vertreten. Nachdem im Mai letzten Jahres das Bundesinnenministerium den Verein wegen seiner „rechtsextremistischen“ und verfassungsfeindlichen Grundhaltung verboten hatte, wurde heute schließlich die Gegenklage verhandelt. Damals worden wegen starker personeller wie struktureller Verknüpfung mit dem Collegium Humanum, der Verein Bauernhilfe e.V., sowie auch die 2003 aus dem Collegium Humanum gegründete Initiative „Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten“ verboten.
Zu den Inhalten des Collegium Humanum gehörten vor allem ein abstruser Geschichtsrevisionismus, nach welchem die deutsche Schuld am 2. Weltkrieg geleugnet wurde, eine systematische Leugnung des Holocaust, dem Massenmord an den europäischen Juden, sowie das Bestreben die gegenwärtige politische Ordnung durch ein neues nationalsozialistisches Reich zu ersetzen.

Ziel der Kundgebung war es jedoch nicht nur diesen Nazis deutliche antifaschistische Signale entgegenzuhalten, sondern viel mehr die Einforderung einer generellen Auseinandersetzung mit Antisemitismus und Nazismus in der Gesellschaft. Oftmals gehen staatliche Behörden alleine mittels Verboten gegen die organisierte Naziszene vor, schaffen damit zwar eine Schwächung dieser Strukturen, nicht aber eine Auseinandersetzung mit deren Inhalten. Überhaupt wird so der Fokus alleine auf die Nazis gelenkt, welche dann als vermeintliche Randerscheinung bekämpft werden. Dass aber Antisemitismus, Rassismus und Geschichtsrevisionismus in gesellschaftlichen Mehrheiten ebenso vorkommen, wird hier meist ausgeklammert. Genau auf diese Tatsache wollte die Kundgebung hinweisen und mit der Forderung „Antifa statt Verbote“ eine intensive Auseinandersetzungen mit diesen Ideologien sowie generellen Formen von Diskriminierung erreichen.

In über 5 Stunden wurden verschiedene Redebeiträge gehalten. Neben Grundinformationen über das Collegium Humanum, die Personen und die Geschichte des Vereins, wurde zusätzlich auch über weitere Inhalte berichtet. So konnte beispielsweise über den heute aufgetretenen Anwalt von Haverbeck-Wetzel Klaus Kunze aufgeklärt und dessen ideologische wie auch strukturelle Verbundenheit mit der Naziszene deutlich gemacht werden. Außerdem wurde der Verein Gedächtnisstätte e.V. thematisiert. Dieser war bei dem heutigen Prozess zwar nicht Bestandteil, ist aber ebenso mit dem Vlothoer Collegium Humanum verbunden. So wurde der Verein 1992 in Vlotho gegründet, bis 2003 war Haverbeck-Wetzel auch in diesem Verein Vorsitzende. Heute betreibt der Verein eine Gedächtnisstätte für die deutschen „Opfer“ des 2. Weltkriegs im sächsischen Borna, unweit von Leipzig. Auch hier kommt es zu einer kruden Mischung der Alt- und Neonaziszene, wie sie typisch für Vereine aus dem Umfeld des Collegium Humanum sind.

Während der Kundgebung provozierten vereinzelnd einige Nazis, welche aber konsequent des Ortes verwiesen wurden. Ebenso zeigte sich die Polizei von Anfang an von ihrer besten Seite. Zu Anfang wurde der Lautsprecherwagen komplett durchsucht, nachdem nichts gefunden werden konnte, sollte eben eine nicht vorhandene TÜV Plakette auf dem Notstromaggregat zur Störung der Kundgebung herhalten. Die Veranstalter waren so gezwungen den Beginn zeitlich zu verschieben. Außerdem provozierte das Leipziger Ordnungsamt mit ständigen Messungen der Lautstärke, gleichwohl in dieser Gegend keinerlei Wohnhäuser zu finden sind, genauer, das Gericht liegt an einer viel befahrenen Bundesstraße.

Zum Höhepunkt des Tages kam es gegen 15:30 Uhr als der Prozess beendet wurde und die Richter sich zur Urteilsberatung zurückzogen. Dutzende Nazis strömten aus dem Gericht, natürlich auch Frau Haverbeck-Wetzel samt Begleitschutz der Aktivisten vom hiesigen Freien Netz, allen voran Kameraden Thomas Gerlach. Die Antifaschisten ließen verbal ihre Ablehnung hören, nach wenigen Minuten waren die Nazis verschwunden.

Am Abend des 5. August folgte dann die Urteilsverkündung des Bundesverwaltungsgerichts. Sie bestätigt in allen Punkten die Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums. Im Ergebnis bleibt also sowohl das Collegium Humanum als auch der Verein Bauernhilfe e.V. verboten, die Besitztümer beschlagnahmt und die Konten eingefroren.

Insbesondere die Entwicklung um die Gedächtnisstätte in Borna sollte in Zukunft für offene Augen und Ohren sorgen. Nach Einschätzung des Sprechers vom Aktionskreis gegen Antisemitismus, Norman Schollebach, ist es immer notwendig der organisierten Nazi-Bewegung antifaschistisches Engagement entgegenzusetzen. Weiterhin bedarf es einer generellen Befassung mit- und Kritik jeglicher Formen des Antisemitismus und Nazismus.

In diesem Zusammenhang sei auch auf ein weiteres Event der Nazis in Leipzig hingewiesen.
Für den 17. Oktober 2009 planen sie eine Demonstration durch weite Teile des Leipziger Ostens sowie einen Rückmarsch über Innenstadtring zum Hauptbahnhof. Inzwischen mobilisieren die Nazis dazu mit einer Internetseite. Es ist mit mehreren hundert Nazis zu rechnen. Informationen zu Gegenmobilisierung und antifaschistischen Protesten wird es bald hier und an anderer Stelle geben.

checkt dazu auch
 http://www.left-action.de/antifa
 http://www.ladenschluss.blogsport.de

Aktionskreis gegen Antisemitismus Leipzig
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Platzverweise für Nazis?

Beobachter 06.08.2009 - 11:33
..."Während der Kundgebung provozierten vereinzelnd einige Nazis, welche aber konsequent des Ortes verwiesen wurden."...
Die beiden Nazis, einer davon mit Rastalocken zum Pferdeschwanz zusammengebunden, spazierten seelenruhig durch die Kundgebung, OHNE dass sich jemand näher als einen Meter rangetraut hat. Das hat mit "konsequenz" eher nichts zu tun.
In der Verhandlungspause 13.30 Uhr, wo tatsächlich lautstarker Protest wirksam gewesen wäre, hielten die gerade mal 45 Protestierenden ihr Mittagsschläfchen.
Außerdem vermisste ich die Sektparty gegen 18.30 Uhr nach der Urteilsverkündung, aber das war wohl eher uninteressant.

zum Prozess gegen "Collegium Humanum"

radio corax 06.08.2009 - 14:04
Am 05. August wurde am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gegen das neonazistische Zentrum „Collegium Humanum“ sowie weitere ihm angeschlossenen Vereine verhandelt. Dazu ein Gespräch mit Volkmar Wölk

indy

ist komich 06.08.2009 - 14:20
also die beiden nasen die durch die kundgebung gelaufen sind wurden mit einem netten schlag gegen den kopf begrüße (augen auf!) und wer ist schon so dumm und verkloppt zwei nasen die zwichen einem laufen wenn die chance abzuhauen gleich null ist?? wie doof soll mensch denn sein???

und die nasen die im saal waren waren großtels aus altenburg.

und es gab viele vorträge ... natürlich ist die kritik mit den andzetteln richtig aber naja
fehler sind menschlich und das würde ich nich unbedngt als so arg ansehen vorallem da es vereinzelt leute gab die die teilnehmer_innen gefragt haben was hir denn los sei und eine ausführliche antwort bekommen haben und so wie ich das beurteilen kann auch verständniss gezeigt haben.

und das es offt sehr ruhig bei der kundgebung war lag wohl daran das fast alle leute sehr schnell voll kaputt waren weil es so gut wie nirgendwo schatten gab und bei 30+ ° in der sonne zu stehen und das auch noch weit mehr als 5 sunden ist ja nich unbedingt das einfachste.
und die fotos der lvz zeigen bei weitem nicht alle teilnehmer_innen weil sich einige in einen nahegelegenen park gesetzt hatten um sich etwas auszuruen und schatten zu tanken ...

also mal nich nur rumlabern sondern informieren statt konsumiren!!

@ is komich (sic!)

muss ausgefüllt werden 06.08.2009 - 15:35
Weil ich mir die Zeit am gestrigen Tag genommen habe, der Verhandlung beizuwohnen, kann ich Deine Aussagen hier so nicht stehen lassen.
Es war -zumindest bis zur Verhandlungspause- fast der komplette "Freie Widerstand Borna" mit Manuel Tripp an der Spitze im Verhandlungssaal aufgelaufen. Dass hierbei die Geithainer nicht fehlen durften, versteht sich von selbst. Hinzu kamen einige Altenburger aus dem Gerlach'schen Dunstkreis. Es war sogar ein Nazifotograf bis zum Verhandlungsbeginn anwesend. Der Großteil waren (Früh-)Rentner, die den beiden Organisationen angehört haben dürften und jede Menge Sicherheitsbeamte in Zivil, sodass die 105 Sitzplätze ganz schnell gefüllt waren. Diejenigen, die auf den ersten beiden Reihen saßen, verhielten sich auch mucksmäuschenstill!!
Und im Übrigen kann ich "Beobachter" im Großen und Ganzen zustimmen. Die beiden Nasen bekamen sogar spontanen Polizeischutz, weil der Typ am Lauti die Beiden auch noch durch's Mikro ankündigen musste! Vielleicht meinte der Autor das mit "Platzverweis"? Wer weiß?

radiointerview mit einem prozeßbeobachter

multivitamin 06.08.2009 - 16:00
unter  http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=29348
findet sich ein radiointerview mit volkmar wölk, der sich den prozeß, die anwesenden geschichtsrevisionisten und die etws eigenwillige verteidigungsstrategie des nazi-anwaltes etwas genauer angeschaut hat...

Nachfolgestrukturen des Collegium Humanum

Vlothoer Anzeiger vom 06.08.2009 06.08.2009 - 22:28
"Neonazis nicht entscheidend getroffen"
Kulturinitiative Detmold hält Verbot für "schwierige Sache" - "Stimme des Reiches" erscheint weiter

Von Oliver Plöger

Vlotho (va). Ungeachtet der Urteile wegen Volksverhetzungen und laufender Verbotsverfahren rechter Vereine verbreitet Ursula Haverbeck-Wetzel ihre stumpfe Ideologie auch in der aktuellen Ausgabe der "Stimme des Reiches".

Dass die Aktivitäten der Rechten weitergehen, wundert die Kulturinitiative Detmold nicht - auch nach dem gestern bekräftigten Verbot durch das Verfassungsgericht. "Denn Verbote neonazistischer Organisationen sind eine schwierige Sache, dienen sie doch oft genug eher dazu, die Bevölkerung zu beruhigen und von der Handlungsfähigkeit staatlicher Organisationen zu überzeugen. Komplett unsinnig werden sie jedoch, wenn die Verbote nicht konsequent um- beziehungsweise durchgesetzt werden", erklärt Diether Kuhlmann von der Kulturinitiative, die das Portal hiergeblieben.de betreibt und Entwicklungen in der rechtsextremen Szene beobachtet.

Zwar würden rechte Vereine unter dem Verlust der Räumlichkeiten in Vlotho leiden, dennoch sei das Spektrum der in den Vlothoer Vereinen organisierten Neonazis nicht entscheidend getroffen, so Kuhlmann. Mit der "Stimme des Reiches" verfügten sie weiter über eine eigene Publikation, mit den Lesertreffen dieser Zeitschrift über eine funktionierende Kontaktbörse und schließlich mit der "Gedächtnisstätte" in Borna über ein eigenes Tagungshaus, mehr als dreimal so groß wie das geschlossene "Collegium Humanum".

"Ein solches Verbot, das weder kontrolliert noch beim Verstoß geahndet wird, ist kontraproduktiv und führt eher dazu, dass die Neonazis sich mächtig fühlen", heißt es aus Detmold.

Eines der von der Kulturinitiative erwähnten Lesertreffen soll nach VA-Informationen tatsächlich am 24. und 25. Januar im thüringischen Mosbach stattgefunden haben. Die Einladung, die dieser Zeitung vorliegt, kündigt die Themen "Politik in einer schweren Zeit" und "Lässt sich der Zusammenbruch noch steuern?" an.

In Mosbach wollte Haverbeck- Wetzel voriges Jahr auch ihren 80. Geburtstag feiern. "Nach einem gemeinsamen 'Winterhilfswerk-Eintopfessen' wird genügend Zeit sein zum Gespräch und Fragen beantworten", kündigte die unterzeichnende "Ursula" an. Der Rechtsextremist Bernhard Schaub sollte einen Vortrag über "Tod und Auferstehung von Ragnarök in der germanischen Mythologie bis in die Gegenwart" halten. Die Veranstaltung sollte ein "Wiedersehen mit alten Freunden sein", so, wie es früher oft auch in Vlotho abgehalten wurde.

Zuletzt nutzte Ursula Haverbeck-Wetzel die "Stimme des Reiches" dazu, ihre Meinung zum Urteil wegen Beleidigung kundzutun. Sie war Charlotte Knobloch, Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, persönlich angegangen, hatte sie vor einem Pogrom gewarnt und ihr das Recht abgesprochen, die eigene Meinung zu gesellschaftspolitischen Themen kundzutun. Dafür musste Haverbeck-Wetzel 2.700 Euro Geldstrafe zahlen (VA berichtete).

Mehrfach war die Vlothoerin zuvor wegen Volksverhetzung verurteilt worden, darunter auch wegen ihrer wiederholten Holocaust-Leugnungen in der Vorgängerpublikation "Stimme des Gewissens".

Hintergrund / Collegium Humanum

Der Verein Collegium Humanum - 1963 von Werner Georg Haverbeck gegründet - ist laut Verfügung am 7. Mai 2008 vom Bundesinnenminister verboten worden, ebenso der Verein "Bauernhilfe e. V.". Das Urteil ist gestern bestätigt worden.

Bereits auf April 2008 datiert die Verbotsverfügung zum "Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreiten des Holocaust Verfolgten". Dieser Verein war am 9. November 2003 im "CH" gegründet worden. Laut Bundesministerium war Horst Mahler maßgeblicher Initiator. Zu den Gründern gehörten laut Verfügung weiter Ernst Zündel, Germar Rudolf, Manfred Roeder und Frank Rennicke. Vorsitzender war Udo Walendy, Stellvertreterin Ursula Haverbeck-Wetzel. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, so heißt es weiter, ist der Holocaust eine offenkundige Tatsache, die keines Beweises mehr bedarf. Die Leugnung ist verboten.

In Vlotho hatte sich ein breites Bündnis gegen das Collegium Humanum für die Schließung stark gemacht. Das Bündnis bleibt auch nach dem Verbot aktiv und setzt sich für ein weltoffenes Vlotho ein.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 7 Kommentare an

Kundgebung? — die wenig kund tut.

Fotos — Beobachter

Peinlich — Teilnahme

@herbert — nochmal ich

Tolle Sache — Jochen