1500 demonstrierten in Berln gegen Homophobie

Amit Romem 05.08.2009 16:54 Themen: Gender Weltweit
Gestern Abend nahmen mehr als 1500 Menschen in Berlin an einer Demonstration gegen Homophobie und in Solidarität mit den LGBTQI Gemeinden in Tel Aviv teil. Unter den Demonstrant_innen waren viele Israelis und Aktivisit_innen aus verschiedenen linksradikalen, LGBT und queeren Gruppen.
Die Demo fing in Breitscheidplatz an, wo ab 17:00 die Samba Band spielte,
aus dem Lauti heraus wurde schwule Musik aus Israel gespielt. Die hohe Zahl der
Demonstrant_innen, Aktivist_innen und "Nicht Aktivist_innnen", war eine sehr
grosse Überraschung. Um 18:00 liefen die Demonstrant_innen in Richtung
Nollendorfplatz, und hörten den Redebeiträgen zu. Leider war die Demo, abgesehen von der
Samba Band, sehr leise, was vielleicht damit zu tun hat, dass
sehr wenige gute Parolen gegen Homophobie bekannt sind.

Während der Demo sprachen Mitglieder von GLADT (Gays und Lesbians aus der
Türkei), ein israelischer Schwulaktivist, der den ermordeten Nir Katz
kannte, zwei israelische queere Aktivist_innen und die DemoanmelderIn Gloria
Viagra. Alle Redebeiträge sind auch in Youtube zu finden.

Auch in Israel wurde über die Demo berichtet und viele LGBTQI
Aktivist_innen bedankten sich für diese Aktion, wie auch für die Demo in Rostock und
in Kölln.

In Israel wird weiter demonstriert. Heute, am jüdischen Valentinstag,
wird ein Kiss-in vor einem sehr grossen Kaufhaus stattfinden und für
Samstag ist eine grosse Kundgebung am Rabinplatz organisiert.


Hier sind noch 2 Redebeiträge von Tamara, eine queere israelische AktivistIn und von GLADT:



Letzten Samstag ist ein Alptraum wahr geworden: wir wurden zur Strecke gebracht.

Ein gesichtsloser Mann drang in einen Raum voller Jugendlicher ein und eröffnete das Feuer.

Nun sind zwei von den Jugendlichen tot und viele verwundet. Einige haben sich auf dem Krankenhausbett geoutet.

Als sich die Nachricht verbreitete, war es mir nur zu einfach, mir die Mordszene vorzustellen – ich habe den Großteil meiner Tage in dieser unscheinbaren Kellerwohnung im Zentrum von Tel Aviv, den Büroräumen der israelischen Schwul-Lesbisch-Bi-Transgender Queer V*ereinigung, Ha’Aguda, verbracht, um mich dort für Gay Pride und ein Bewusstsein über HIV/Aids zu engagieren.

Wir haben uns dort sicher gefühlt. Zuversichtlich. Wir hatten die Stadtverwaltung Tel Aviv hinter uns, die Regenbogenfahne bei Bedarf gehisst. Die Polizei tanzte nach unserer Pfeife, anstatt uns zu verhaften oder zu schikanieren.

Okay, wir mussten einige LGBTQ-phobische Witze von den BeamtInnen, den BürokratInnen, den kommerziellen Sponsoren schlucken. Wir dachten, das sei ein kleiner Preis dafür, dass Zehntausende sicher und stolz auf den Straßen Tel Avivs marschieren konnten, unzahligen Kids im ganzen Land Mut machend.

Der Preis, den wir nun zu zahlen haben, ist kein kleiner. Er ist unermesslich. Das Leben von Zweien. Die Gesundheit von 15 und ein kollektives Trauma.
Jetzt fühl ich mich nicht sicher. In Tel Aviv. Unserer Hochburg. Unserem Ghetto. Ich fühle mich von Trauer ergriffen und wütend und betrogen.

Ich möchte wissen, wer dieser Mann mit der Skimaske war, der den Tod in wessen Namen brachte? War er ein homophober Fanatiker? Ein Faschist? Ein verrücktes “entehrtes” Familienmitglied oder gar ein Liebhaber? Wie kann ich seinergleichen ausmachen und Schutz vor ihm suchen?
Vielleicht sollte ich mich einfach in Acht nehmen vor Männern mit Maschinengewehren.

Aber das ist alles andere als einfach in Israel, wo die meisten jungen Männer mit 18 eingezogen werden. Vielen wird eine Waffe gegeben. Reservesoldaten, die gesamte körperlich tüchtige männliche Bevölkerung, nehmen ihre Waffen auch mit nach Hause. Es gibt Gewehre im Bus, Gewehre in Cafes, Gewehre in Restaurants, Gewehre in den Zügen und am Strand. Sicherheitsleute und Polizisten haben Pistolen. Siedler tragen Waffen wo auch immer sie hingehen.

Es gibt in der Tat nur drei Gruppen in der israelischen Bevölkerung die keinen derart direkten Zugang zu Waffen haben: ArbeitsmigrantInnen, PalästinenserInnen und ultraorthodoxe JüdInnen.

Gestern beschuldigte die Polizei die lesbisch-schwule-bi-transgender-queer communities, die Morde vorzeitig ein Hassverbrechen zu nennen. Den Hass gegen andere Bevölkerungsminderheiten zu schüren.

Ich stimme der Polizei zu – es ist zu einfach, mit dem Finger auf die extrem-religiösen Parteien zu zeigen.

Schauen wir uns lieber die wirklichen GegnerInnen an. Klagen wir lieber die Bullen an, die die UnterstützerInnen der evakuierten Familien in Ostjerusalem am Sonntag dreckige Schwuchteln genannt haben – nachdem viele von ihnen direkt von der Demonstration zum Gedenken an die Morde in Tel Aviv gekommen waren.
Ermitteln wir lieber gegen diejenigen Bullen, die WehrdienstverweigerInnen dumme Lesben nennen, während sie ihre Köpfe aufs Pflaster schlagen.
Hüten wir uns lieber vor den GesetzeshüterInnen die die queer-AktivistInnen in Tel Aviv anmachen und verhaften lassen, noch am Tag der Morde, nachdem sie versuchten, Flüchtlinge und Kinder vor Abschiebungen zu schützen. Zeigen wir lieber mit dem Finger auf die SoldatInnen, die friedliebende junge Männer und Jugendliche auf nicht-gewalttätigen Demos in Palästina töten, und andere mitten in der Nacht verhaften.

Ich klage sie an, eine Gesellschaft des Hasses und der Brutalität zu schaffen, in der keine Minderheit sicher ist. Aber es ist zu einfach, die Polizei anzuklagen. Die Polizei ist nur ein Symptom und ein Werkzeug der Regierung, des Staates. Dieselbe Regierung, die nichts getan hat, als aus ihren Reihen heraus Rufe nach unserem Blut laut wurden. Derselbe Staat, dessen Präsident, Shimon Peres, 2007 die Pride parade in Jerusalem ablehnte, auf der drei Menschen erstochen wurden.

Viele von uns in der jüdischen LGBTQ community in Israel glaubten, wir wären sicher, wenn wir ‘wie alle anderen’ wären – wenn wir Mütter, SoldatInnen, KonsumentInnen wären. Vorzeige-Jungs und Mädchen für die ‘einzige Demokratie im Nahen Osten’. Eine Touristenattraktion.

Man sagte uns, wir wären sicher, wenn wir uns von unserem Anderssein distanzierten. Weil der Andere Feuer schürt.

Wir sind nicht sicher. Wir werden ermordet. Und um uns zu schützen, sollten wir nicht wie alle anderen sein. Wir sollten fordern, dass sie ihre Waffen, mit denen sie uns erschießen, wegstecken. Wir sollten Gewalt und die Unterdrückung anderer Minderheiten verurteilen. Wir sollten die Ermordeten durch unsere Erinnerung ehren –

Homophobie ist Rassismus. Rassismus ist Homophobie.

Möge den Familien und den Geliebten der Ermordeten und Verwundeten kein weiteres Leid zugefügt werden.
Mögen wir alle wahrhaftig sicher und stolz darauf sein, wer wir sind.













Redebeitrag zur Anti-Homophobie-Demonstration
anlässlich der Ermordung zweier Personen in Tel Aviv

Berlin, 4. August 2009





Liebe Freundinnen und Freunde,
als GLADT sind wir bestürzt von den Ereignissen in Tel Aviv. Sie führen uns ein weiteres Mal vor Augen, in welchem Maße der Hass und Gewalt gegen Lesben und Schwule weltweit allgegenwärtig sind.
Zwei Menschen mussten dieses Mal sterben, weil ein Mann ihre – und nicht nur ihre – Lebensweise für inakzeptabel hielt.
Zwei Menschen mussten sterben, weil ein gesellschaftliches Klima herrscht, das solchen – vermeintlichen – Einzeltätern die Sicherheit gibt, dass sie nicht allein sind. Sie wissen, dass staatliche Gesetze, gesellschaftliche Normen oder das Alltagsklima im Lande ihre Taten decken.
Zwei Menschen mussten sterben und hinterlassen in uns den Eindruck, dass trotz aller Fortschritte Gewalt ein Teil unseres Lebens bleibt. In Israel wie hier in Deutschland.
Wer Lesben oder Schwule ermordet – oder wie es viel häufiger passiert: Trans*-Leute – , macht dies auch, weil er weiß, dass seine individuellen Einstellungen und sein individuelles gewalttätiges Verhalten legitim sind in einer Gesellschaft, die weiß, wie so genannte «richtige» Männer und so genannte «richtige» Frauen zu sein haben. Israel unterscheidet sich da wenig von anderen Ländern – ob nun dort in der Region oder hier in unserer. Egal, ob die Geschlechterrollen einher gehen mit religiösen, ethnischen oder nationalstaatlichen Ideologien – immer lassen sie wenig Platz für Lebensweisen von Lesben, von Schwulen und von Trans*-Personen.
Wer sich in Zweigeschlechtlichkeit nicht pressen lassen kann oder will, wer jenseits der heterosexuellen Ideale von Frau-Mann-Beziehungen und Vater-Mutter-Kind-Konstellationen steht, steht immer auch ein bisschen auf dem verlorenen Posten.

Als GLADT arbeiten wir unter anderem mit dem Open House in Jerusalem zusammen. Im Rahmen eines Austauschs hatten wir aber auch Tel Aviv besucht und haben uns ein Bild machen können von der Offenheit der Stadt. Unsere letzte Zusammenkunft mit Aktivist/innen aus Israel, dem Libanon und der Türkei ist noch keinen Monat her. Alle Vertreter/innen haben dort von eklatant schlechten Situationen für Einzelne berichtet. Alle haben aber zugleich auch positive Bilanzen für den gesellschaftlichen Wandel in ihren Ländern gezogen: Gesetze ändern sich, Organisationen werden gegründet, Themen, die früher Tabu waren, können heute offen – oder zumindest offener – debattiert werden.
So traurig der Anlass ist, der uns heute hier zusammenführt…
So sicher sexuelle und geschlechtliche Minderheiten öfter Zielscheiben von Gewalt werden, je sichtbarer sie sind…
So sicher ist es aber auch, dass es kein Zurück mehr geben kann! – Die Unsichtbarkeit von Lesben und Schwulen ist eines der hässlichen Gesichter von Homophobie – und das wird es in Zukunft nirgendwo mehr geben!
Smash Homophobia – Worldwide!
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Ergänzungen

Schwule Musik

Amit Romem 05.08.2009 - 17:28
Musik von LGBTQ Musiker_innen, die mit Theman von LGBTQ Menschen etwas zu tun haben. in Israel sind das z.B Stücke von Ivri Lider, Poliana Frank, The Witches, Dana International und Korin Elal.

homophobie = rassismus

im ernst 07.08.2009 - 13:13

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 9 Kommentare an

icke — & er

zu den waffen und so — rumschweizen

man muss die Waffen — in ihrem

@lol — rumschweizen

Politischer Hintergrung — Amit Romem