MUC: Autonome Gelöbnix Nachbereitung

monaco franzi 04.08.2009 20:22 Themen: Militarismus SiKo München
Als einer der Zusammenhänge, die in den letzten Wochen und Monaten einen nicht unbeträchtlichen Teil seiner politischen Energien auf die Organisation des Protests und Widerstands gegen das Gelöbnis in München verwandt haben, möchten wir hier über die Ereignisse berichten und ein knappes Resümee zu ziehen.
Unser Fazit fällt zweischneidig aus: Eine Reihe von Dingen liefen ziemlich gut, anderes hingegen war deutlich verbesserungswürdig. Doch beginnen wir chronologisch:
Im Vorfeld des Gelöbnisses sind einige Dinge gelaufen, die wir für erwähnenswert halten. Zunächst zu den direkten Aktionen: Einige Tage vor dem Gelöbnis haben Unbekannte zahlreiche Werbeplakate in München zur Anbringung antimilitaristischer Sprechblasen benutzt (  http://www.luzi-m.org/nachrichten/artikel/datum/2009/07/28/221/ ) und so unsere Kritik im öffentlichen Raum sichtbar werden lassen. Auch wurden im Monat vor dem Gelöbnis 2 Mal DHL-Packstationen in München angegriffen, wie aus der aktuellen Interim (Nr. 696) hervorgeht. In der Nacht vor dem Gelöbnis wurde schließlich – als warming-up für die Proteste – ein Bundeswehrauto in München abgefackelt (  http://directactionde.blogspot.com/2009/07/bundeswehrfahrzeug-ausgebrannt.html ).

Aber auch auf der Ebene allgemeiner Öffentlichkeitsarbeit tat sich einiges: Neben der Mobilisierung durch die Plakate und Flugblätter des Bündnisses gegen das Gelöbnis und mehreren Aufrufen linksradikaler Gruppen protestierte u.a. der Verdi-Bezirksvorstand München mit einem offenen Brief gegen das Gelöbnis (  http://www.verdi.de/muenchen/aktive_gruppen/kampagne_rettet_die_grundrechte ). Verdi München setzt damit konsequent jene Linie fort, die sie bereits zur diesjährigen NATO-„Sicherheitskonferenz“ eingeschlagen haben.

Natürlich blieb die Gegenseite auch nicht passiv: Es gab mindestens eine Hausdurchsuchung gegen den angeblichen Macher einer Gelöbnix-website und mindestens eine Gefährderansprache gegen einen Genossen. Bei den oben genannten direkten Aktionen hingegen scheinen die Bullen niemanden erwischt zu haben – was ihnen wohl die Zornesröte ins Gesicht treiben dürfte.

Die verschiedenen Formen der Mobilisierung – von der direkten Aktion bis zur Protestpostkarte – hatten zur Folge, dass sich die Münchner Bullen genötigt sahen 1300 cops aufzubieten, um das militaristische Spektakel zu schützen. Das wiederum schlug hohe Wellen im Münchner Blätterwald: Die tz machte die Absurdität (1300 Bullen zum Schutz von 500 Rekruten) zur Titelschlagzeile, während die AZ mit einem 1-seitigen Interview mit Gelöbnis-Gegner und Liedermacher Konstantin Wecker den Kritikern viel Aufmerksamkeit zuteil werden ließ. Auch die Bundeswehr selbst steigerte sich in polizeiliche Bedrohungsszenarien hinein und riet ihren Soldat_innen, nicht in Uniform sondern in zivil zum Marienplatz zu gehen.

Unser Fazit über diese Entwicklungen im Vorfeld des Gelöbnisses fällt recht positiv aus: Es ist einiges passiert und der Protest wurde im Vorfeld öffentlich recht stark wahrgenommen. Ein Faktor dabei, mit dem wir wohl auch in Zukunft sicher rechnen können (und müssen), ist die Paranoia der Münchner Bullen: Wenn sie denken, es könnte auch nur irgendwas passieren, werden sie ein Großaufgebot mobilisieren, das zwar in keiner Proportion zu unseren realen Kräften steht, aber zugleich den zivilen Anstrich ihrer Veranstaltungen zunichte macht und ihnen somit auch selbst auf die Füße fällt (vgl. z.B. bei der „Sicherheitskonferenz“ und jetzt beim Gelöbnis).
Der Tag selbst zeigt hingegen unserer Meinung nach eher ein paar Mängel: Dass der Marienplatz weiträumig mit Bullen zugeschissen war, hatte man erwarten können. Wirklich krass war hingegen das massive Auftreten von bewaffneten Feldjägern in der Innenstadt schon Stunden, bevor das Spektakel begann. Zudem waren haufenweise zivile Gestalten mit Ansteckkarten des Wehrbereichs IV unterwegs, normale Zivis en masse, Polizeipsychologen auf Totred‘-Mission und allerlei unsympathisches Bürgerpack, das sich an der militaristischen Inszenierung aufgeilen wollte. 4000 allerdings waren es nicht – da hat die Münchner Presse die mutwillige Übertreibung der Bullen dankbar übernommen. 2000 pro-militaristische Gitter-Gaffer dürfte eventuell realitisch sein – und unappetitlich genug.

Aber nun zu uns und unserem Protest:
Zum einen war die Zahl der Protestierenden tatsächlich wohl nicht viel höher als 200, was wir angesichts der Mobilisierung sowohl durch das Bündnis gegen das Gelöbnis als auch innerhalb der linksradikalen Szene nicht für befriedigend halten. Klar, es war Donnerstag 14:00 – aber dennoch hätte hier mehr drin sein müssen. V.a. die Tatsache, dass sehr wenig Schüler_innen am Start waren, finden wir bedauerlich. Sie hätten unter der Woche um 14:00 sicher Zeit gehabt, aber entweder die Mobilisierung wurde vernachlässigt, oder aber antimilitaristische Inhalte lassen sich angesichts zunehmender Gewöhnung an den kriegerischen Normalzustand gerade bei jungen Leuten zunehmend schlechter vermitteln. Aber dieses Tendenz war nicht nur bei den Schüler_innen festzustellen: Um gegen ein Gelöbnis zu protestieren, braucht es deutlich mehr politisches Bewusstsein als um gegen Nazis auf die Straße zu gehen.
Neben den schlichten Zahlen würden wir aber auch die Taktik in Zweifel ziehen, auf die wir uns im Vorfeld geeinigt hatten: Das vereinzelte unauffällige Rumgestehe wäre nur bei einer funktionierenden technisch-unterstützten Störvariante sinnvoll gewesen – die aber, das wurde bald deutlich, funktionierte nicht. Daran lassen sich zwei Schlussfolgerungen anknüpfen: Erstens müssen wir in Zukunft alles, was wir anwenden wollen, genau testen und uns überlegen, wie realistisch die Benutzung eingeklemmt zwischen USK und Zivis ist. Und zweitens wäre die Option des guten alten Störerblocks im Rückblick sicher effizienter gewesen als 20 handlungsunfähige Kleinstgruppen. Die solid-Jugend hat es vorgemacht: Mit Transpi, Schildern und Parolen solange stören, bis man vom Platz gehauen wird – das ist zwar nicht super-elegant, aber praktikabel und ein klares Zeichen.
Klar solche Erkenntnisse sind nicht einfach auf jeden anderen Kontext zu übertragen, aber wir sollten diese „klassische“ Variante in Zukunft wieder ernsthaft in Betracht ziehen und die unpraktikablen technischen Spielereien eher zu Hause lassen.
Trotz dieser Mängel passierte dann doch einiges: Zwei Genossen versuchten zu flitzen – was immerhin einem der beiden auch gelang. Er konnte über den abgesperrten Platz sprintend ein klar zu vernehmendes „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“ den Gelobenden entgegensetzen, bevor er von zwei Feldjägern festgenommen wurde. Viele standen mit Schildern am Rand und riefen immer wieder Parolen, andere machten ein die-in. Der Applaus des Militaristenmobs wurde oft von unseren Buuh-Rufen überschallt und antimilitaristische Bastler ließen ein Transparent an Ballonen aufsteigen.
Die Bullen reagierten mit Brutalität: Es gab viele Platzverweise und vereinzelte Festnahmen. Dass einem Genossen der Linkspartei dabei die Hand gebrochen wurde und Claus Schreer (Sprecher des Bündnisses gegen die Sicherheitskonferenz) beim Abführen blutige Wunden zugefügt wurden, zeigt überdeutlich, dass die Staatsmacht keinen Spaß kennt, wenn es um ihre Kriege geht.
Auch militaristische Aktivbürger beteiligten sich handgreiflich an dem vergeblichen Versuch, den Protest mundtot zu machen.

Unser Fazit lautet: In Zukunft noch besser mobilisieren, gerade an den Schulen, und noch mehr Stress im Vorfeld machen - das hat sich dieses Mal bewährt. Am Tag selbst unauffällig gekleidet in Kleingruppen auf den Platz kommen sich dann aber zu einer handlungs- und störungsfähigen Masse zusammenballen, durch die wir unseren Protest deutlich artikulieren können!


Ein autonomer Zusammenhang aus der Münchner Gelöbnix-Mobilisierung 2009
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Ergänzungen

cool

Name 04.08.2009 - 23:59
ist doch großartig, dass die bw den rekruten rät in zivil anzureisen. ein teil des minimalziels, nämlich das öffentliche auftreten der militärs zu verhindern wurde doch damit z.t. erreicht. die scheinen echt schiss gehabt zu haben.

In Zukunft : Strukturierte Mobilisierung

A 05.08.2009 - 01:05
In Zukunft : Strukturierte Mobilisierung !

Die Mobilisierung war unkoordiniert. In Zukunft organisiert vorgehen, dann siehts anders aus.
Autonomie heisst nicht: Planlosigkeit

...

... 05.08.2009 - 01:33
Respekt, für das Bullen aufgebot hats doch eigentlich prima geklappt und war für viele wahrscheinlich auch das erste mal, machen die Wichser ja noch nicht so lange öffentlich, zumindest nicht in München. Dafür hats doch eigentlich prima funtkioniert, vor allem weil in Bayern ja bekanntlich die Mobilisierung gegen so etwas wie ein Gelöbnis sehr schwer läuft.
solidarischer Gruß

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mein gedanke — theo

gelömnix stramm — werita