Zum BVK an Felicia Langer

Élise Hendrick 26.07.2009 09:37 Themen: Antirassismus Blogwire Medien Weltweit
Es sind in der BRD neulich gleich zwei der wichtigsten jüdischen Verfechter des Gedankens eines gerechten Friedens in Israel und Palästina mit höchsten Ehren ausgezeichnet worden. Die israelische Rechtsanwältin Felicia Langer ist vergangene Woche mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet worden. Auch Dr. Rolf Verleger ist vom Zentralrat der Juden in Deutschland die höchste Auszeichnung verliehen worden, die diese Organisation in ihrer derzeitigen Gestalt überhaupt noch verleihen kann: der Rauswurf.
Es sind in der BRD neulich gleich zwei der wichtigsten jüdischen Verfechter des Gedankens eines gerechten Friedens in Israel und Palästina mit höchsten Ehren ausgezeichnet worden. Die israelische Rechtsanwältin Felicia Langer, die jahrelang Palästinenser vor den israelischen Militärgerichten verteidigt hat, ist vergangene Woche mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, einer der allerhöchsten staatlichen Auszeichnungen der BRD, ausgezeichnet worden. Auch Dr. Rolf Verleger, der die jüdische Gemeinde in Lübeck neugegründet und immer wieder der israelisch-zionistischen Staatsräson die traditionellen jüdischen Werte der Gerechtigkeit (Zedek), der Barmherzigkeit (Gemilut hasadim) und der Nächstenliebe gegenübergestellt hat, ist vom Zentralrat der Juden in Deutschland die höchste Auszeichnung verliehen worden, die diese Organisation in ihrer derzeitigen Gestalt überhaupt noch verleihen kann: der Rauswurf.

Mit dem Rauswurf von Rolf Verleger sind die selbsternannten Vertreter des Judentums durchaus zufrieden, weil sie eben keine Ahnung haben, was sie mit dieser Entscheidung wirklich gesagt haben. Auch ich begrüße diese Entscheidung, und möchte Herrn Dr. Verleger an dieser Stelle herzlichst gratulieren, denn damit hat der Zentralrat besser verdeutlicht, als er es in tausend Artikeln und Vorträgen zu verdeutlichen vermocht hätte, welchen moralischen Tiefstand diese Körperschaft erreicht, mit welcher Endgültigkeit sie unseren kostbarsten Werten den Rücken gekehrt hat.  Wenn die Spiegels, Knoblochs, Graumanns, Broders und Giordanos unseres Volkes diese Entscheidung feiern, stellen sie auf eindrucksvolle Art unter Beweis, wie recht Herr Dr. Verleger hat. Weiter so!

Über die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse an Felicia Langer sind sie aber empört, und zwar gerade weil sie ganz genau wissen, was das zu bedeuten hat. „Israel kritisiert Köhler wegen Orden für Jüdin“, titelt der Berliner Tagesspiegel: „Die israelische Regierung ist empört über die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an die Jüdin Felicia Langer“ heißt es da im Sprachgebrauch der Nazis: In der NS-Zeit hieß man nämlich nicht „Herr Dr. Rolf Verleger“ noch „Frau Rechtsanwältin Langer“, sondern „der Jude Verleger“, „die Jüdin Felicia Langer“. Und auf diesem Niveau bleibt die Meldung auch.

Israel hat also die Auszeichnung einer führenden israelischen Dissidentin kritisiert. Was soll daran berichtenswert sein? War die iranische Regierung etwa entzückt, als einer führenden iranischen Bürgerrechtsanwältin der Friedensnobelpreis verliehen wurde? Zeigte sich das Außenministerium der DDR erfreut über Preisverleihungen an einen Wolf Biermann? War das Suharto-Regime in Indonesien mit der Verleihung des Nobelpreises an einen Aktivisten für die Menschenrechte der Timoresen zufrieden? Wurde Ossietzky für seinen Nobelpreis von entsprechender Stelle in Berlin beglückwunscht? Allein die Vorstellung ist völlig lächerlich.

Die einzigen guten Dissidenten sind immer nur die des offiziellen Feindes. Das ist seit eh und je, immer und überall so. Daß die israelische Regierung über die Auszeichnung von Frau Langer empört ist, ist ungefähr so berichtenswert wie die Tatsache, daß es im Sommer generell wärmer ist als im Winter.

Nach bester Prawda-Tradition dürfen in Weinthals Artikel nur diejenigen zu Wort kommen, die Schlechtes über Frau Langer zu sagen haben. „Langer hat über Jahre immer wieder Kräfte unterstützt, die Gewalt, Tod und Extremismus befürworten“ donnert Yigal Palmor vom israelischen Außenministerium. Ralph Giordano, heißt es weiter, droht damit, das Verdienstkreuz aufzuwerten, in dem er seines zurückgibt.

Darüber, womit Frau Langer diese Auszeichnung verdient hat, ist kein Wort zu lesen. Kein Wort über ihre Vertretung der Opfer israelischer Willkürmaßnahmen in den besetzten Gebieten vor den israelischen Militärgerichten. Kein Wort darüber, daß selbst Alan Dershowitz, der immer gern dabei ist, wenn es darum geht, Israels jüdische Kritiker zu verunglimpfen, ihr Verhalten vor Gericht als seriös und korrekt bezeichnet hat. Kein Wort von den Menschen, denen sie geholfen hat. Und selbstverständlich darf Frau Langer selbst mit keinem Wort ihre Ansichten darlegen oder verteidigen.

Dieser Hetzjournalismus ist aber nichts gegen das Niveau der Kommentare. Immerhin – das sei an dieser Stelle ausdrücklich erwähnt – haben einige versucht, Konkretes über Langers Leben und Wirken zu berichten, aber solche Beiträge (darunter auch meiner) sind zum Teil wegzensiert worden, zum Teil in der Diffamierungsschwemme abgesoffen.

In den Kommentaren hat sich jeder, der keine Chance verpaßt, sich als Pseudophilosemit zu profilieren, zu Wort gemeldet. Und man erkennt am Inhalt dieser Beiträge ganz genau, worum es diesen selbsternannten Freunden des Judentums wirklich geht. Einer macht Langer einen Vorwurf daraus, daß ihr die Flucht vor den Nazis in die SU gelungen ist: „Sie hat den Krieg nicht im KZ, sondern im ZK verbracht“. Man merkt schon, was diesem Zeitgenossen lieber wäre (und wo sollte sie denn sonst hin? Mitten im Krieg nach London über Tilsit und Lübeck etwa?). An den sich immer weiter steigernden Diffamierungen erkennt man, welche Freude es diesen „Philosemiten“ bereitet, endlich mal eine Jüdin vor sich zu haben, die sie auf salonfähige Art hassen dürfen. Wer darauf hinweist, daß es in den besetzten Gebieten mit den Menschenrechten nicht unbedingt im grünen Bereich ist, wird nach alterwührdiger Streicher-Art als „Gutmensch“ abgekanzelt. Dem jüdisch-israelischen Friedensaktivisten Uri Avnery, so ein anderer, gehe es nur ums Geld (wie schön ers wohl findet, endlich mal ehrlich seine Meinung über uns Juden zu sagen! Ja, es geht uns ums Geld, sicher! Deshalb verzichten wir auf allgemeine Anerkennung und fette Tantiemen, um Mißstände anzuprangern. Na klar...warte mal, WAS??) Wenn das unsere Freunde sein sollen, hat es im Dritten Reich von Freunden des Judentums nur so gewimmelt!

Der Nazi-Schreibart bedienen sich auch andere andere Berufsempörte, die Frau Langer als „Bundesverdienstjüdin“ bezeichnen. Im Stürmer war Albert Einstein immer nur der „Relativitätsjude“.

Bei so einer Veranstaltung darf die Schoa natürlich auch nicht fehlen. Wenn es diesen vermeintlichen Philosemiten nicht gerade darum geht, ihre Enttäuschung darüber, daß Frau Langer den Krieg in der SU überlebt hat, statt in Treblinka vergast worden zu sein, zum Ausdruck zu bringen, geht es ihnen darum, uns Juden die moralische Zurechnungsfähigkeit abzuerkennen. Nach deren Meinung sind wir seit der Schoa schuldunfähig (diejenigen „Gutmenschen“ unter uns, die Unrecht Unrecht nennen, einmal ausgenommen). Die Millionen Ermordeten werden schon wieder auf krasse Art mißbraucht. Das sind keine Menschen mehr, nur Werbemaskottchen. Das Leid, das Massensterben, der Schmerz derjenigen, die ihre ganze Verwandtschaft durch das Verbrechen der Großväter dieser selbsternannten Philosemiten verloren haben, ist ihnen völlig egal. Glauben die etwa, daß sich meine ermordete deutsche Verwandtschaft in ihren letzten Momenten dachte: „Wenn dadurch auch nur eine Hauszerstörung gerechtfertigt werden kann, hat sich mein Tod schon gelohnt“?

Diese Frage ist ihnen bestimmt nicht einmal im Traum eingefallen. Es geht ihnen nämlich nicht um Juden, nicht um Israelis und schon gar nicht um Palästinenser, sondern einzig und allein darum, allen zu beweisen, daß sie keine „Gutmenschen“, sondern „gute Deutsche“ sind. Und das sind sie auch!

Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Schöner Artikel

Leser 26.07.2009 - 11:12
Ich komme nur nicht ganz damit zurecht, dass auf der einen Seite scharfäugig analysiert und polemisiert wird, dann aber in einer Art Zuschreibungen gemacht werden, die wieder allzuleicht als Stereotypen gelten könnten.
Ich würde auch vorziehen, wenn es mehr Quellenangaben gäbe (sprich links auf die entsprechenden Zeitungsartikel, blogs, etc) und die kritisierten SchreiberInnen auch persönlich genannt würden.
Ich bilde mir gerne selber meine Meinung dadurch, dass ich Primärquellen lese.

Ansonsten kann ich dem/r Verfasser/in nur Recht geben, dass durch die zunehmende Ethnisierung und monolithischen Verflachung des Diskurses vor allem der sich selbst bezeichnenden Humanisten, Liberalen, Linksliberalen oder sich als linksradikal definierenden Personengruppen, genau dass gemacht wird, was in eine bekannte blutige Sackgasse führt.
Es ist halt schwer als links und emanzipatorisch denkender Mensch standzuhalten.
Wer immer zu den im Artikel Kritisierten dazu mal gezählt haben mag, zur Zeit tut er es nicht.

Und jetzt mal was Historisches:
"Nichts ist schwerer und erfordert mehr Charakter, als sich in offenem Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und zu sagen: Nein!" Kurt Tucholsky

Felicia Langer am 9.6.07 in Berlin

Bernd Kudanek alias bjk 26.07.2009 - 11:50
... Felicia Langer war anläßlich einer Protestkundgenung gegen die 40jährige Besetzung der Westbank durch Israel am 9. Juni 2007 in Berlin

... nachzulesen hier:  http://de.indymedia.org/2007/06/183940.shtml

... der vollständige Fotobericht hierüber ist unter  http://www.carookee.com/forum/freies-politikforum/2/17070481#17070481 eingestellt

Bernd Kudanek alias bjk

Antisemitismus klar definiert

Name 26.07.2009 - 12:51
Antisemitismus ist klar definiert:

Die Leserin hatte gefragt, warum liberale Zeitgenossen Israel unaufhörlich mit den schärfsten Vorwürfen attackierten, aber extremistische Muslime unterstützten, die homophobisch, frauenfeindlich und intolerant gegenüber anderen Religionen seien. Davies hatte Israel zuvor beschuldigt, als „Opfer zu posieren“, während es „rassistische Politik der Apartheid“ praktiziere.

Die existenzielle Bedrohung, der Israel ausgesetzt ist, wird in diesen Kreisen systematisch ignoriert. Zugleich wird die Gefahr, die der totalitäre Islam darstellt, entweder heruntergespielt oder ganz verneint. Und während Israel, die einzige liberale Demokratie des Nahen Ostens, hyperkritisch unter die Lupe genommen wird, springen dieselben Liberalen und Linken mit dubiosen Regimen, die Menschenrechte systematisch verletzten, äußerst sanft um. So beschließen akademische Verbände in Großbritannien immer wieder den Boykott israelischer Wissenschaftler und Universitäten, nicht aber aus China, Sudan oder Russland, obwohl beispielsweise Russland sehr viel mehr Menschen in Tschetschenien getötet hat als Israel in Palästina.

Weithin üblich geworden ist es im linken und linksliberalen Diskurs, vom „Unrechtstaat“ Israel zu sprechen; die Verwendung historisch besonders negativ besetzter Begriffe wirkt absichtsvoll. Wer den Israelis Methoden wie „Nazideutschland“ unterstellt, vom „Apartheidstaat“ spricht oder gar Parallelen zum Holocaust zieht, will offenkundig eines klarmachen: Israel und die Juden, die den Holocaust erlitten, haben inzwischen jeglichen moralischen Anspruch verwirkt. Sie besitzen kein Anrecht mehr auf Unterstützung.

 http://www.zeit.de/online/2007/17/antisemitismus?page=3

Interessant ist nur: das Ex-Muslime hier kein Plattform bekommen.
Während Islamkritik von reaktionären als Rassismus verunglimpft wird.
Hat man aber gleichzeitig keine Probleme Israel viel härter anzugreifen, als andere Staaten. Warum ist wohl klar. Früher hies es Antisemitismus, heute Israelkritik, da arbeitet man auch schon mal zusammen mit Islamisten und Neonazis.

Pressemitteilung zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Felicia Langer
 http://www.jg-berlin.org/

verleger

wolfgang 26.07.2009 - 14:22
Rolf Verleger ist nicht, wie behauptet wird, vom Zentralrat rausgeschmissen worden, Einzelpersonen können da garnicht Mitglied sein, nur Landesverbände von Jüdischen Gemeinden, und der Landesverband von Rolf Verleger, die Jüdische Gemeinschaft Schleswig-Holstein, hat sein Mandat nicht mehr verlängert, aus dem ganz einfachen Grunde, weil Rolf Verleger nicht mehr im Vorstand des landesverbandes angehört. Er hat auch nicht die Jüdische Gemeinde in Lübeck mitbegründet, als die gefründet wurde, war Rolf Verleger wohl noch ein kleines Kind.
Also bitte, gründlicher recherchieren bevor man sowas veröffentlicht.

Verleger wurde in der Tat rausgeschmissen

Élise Hendrick 26.07.2009 - 19:26
Herr Dr. Verleger war jahrelang Mitglied des Direktoriums des Zentralrats der Juden in Deutschland, und dieses Amtes ist er auch enthoben worden. Das ist für mich ein Rauswurf.

Die behauptete "existentielle Bedrohung" für Israel wird nirgends so schnell verlacht wie in Israel selbst. Man sollte sich mal bei Gelegenheit die englischsprachige Version der führenden israelischen Zeitung Haaretz ansehen. Im atomar hochgerüsteten Israel gibt es nur eine existentielle Bedrohung: der eigene Nationalismus.

Die jüdische Gemeinde Lübecks

Élise Hendrick 26.07.2009 - 19:28
Übrigens habe ich auch nicht behauptet, daß Rolf Verleger die Gemeinde mitgegründet hätte. Wer nachliest, wird sehen, daß ich gesagt habe, daß er diese Gemeinde NEUGEGRÜNDET hat, was er auch getan hat. Eine organisierte Gemeinde gab es nämlich nach dem 2. Weltkrieg lange Zeit nicht mehr.

nochmals Verleger

wolfgang 27.07.2009 - 19:54
Wenn man Nachrichten verbreitet, sollte man die vorher genau recherchieren, Rolf Verleger ist im Direktorium des Zentralrates der Juden nicht seines Amtes enthoben worden. Mitglieder des Direktorium werden nicht gewählt, sondern sind laut satzung des Zentralrats die Vorsitzenden der jeweiligen Landesverbände der Jüdischen Gemeinden, oder deren Stellvertreter. Rolf Verleger ist schon seit mehr als zwei Jahren nicht mehr Vorsitzender des Landesverbandes und auch nicht mehr in dessen Vorstand vertreten. Er hat sich zwei Jahre geweigert seinen Sitz im Direktorium abzugeben, obwohl er kein Mandat seines Landesverbandes hatte. Jetzt nimmt der Landesverband sich sein demokratisches Recht und schickt den landesvorsitzenden in das Direktorium. Muss sich Rolf Verleger nicht den demokratischen Gepflogenheiten unterwerfen, oder wird hier nur ein Märtyrer gesucht?
Es waren mit Sicherheit auch eine ganze Menge anderer Gründe, die den Landesverband von Verleger dazu bewogen haben ihn vor zwei jahren nicht wieder in den Vorstand zu wählen. Ich will hier nicht aus dem Nähkästchen plaudern.
Im Übrigen, es gibt sicher eine ganze Menge am Zentralrat zu kritisieren, aber ich habe ein problem damit, wenn hier unwahre angebliche "Interna" verbreitet werden und man damit den Antisemiten in die Hände spielt.
Merke:Unwahrheiten werden auch durch ständiges Wiederholen nicht zur Wahrheit, oder wie Brecht es treffend sagte: Dummeheit macht sich unsichtbar, indem sie große Ausmasse annimmt.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 18 Kommentare an

yeah! — kalle pohl

Antizionismus — Stew Pit

@ Stew Pit — radikaler Linker

Jedem sein Verdienstkreuz — Pinnwandkletterer

Ab nach Teheran! — Nuke Iran!

Stereotypen — Élise Hendrick

Dissidentin — Leila

Über Frechheiten und Lügen — Élise Hendrick