Babylon überschattet Open Air Charlottenburg

Jürgen Martins 23.07.2009 23:52 Themen: Kultur Soziale Kämpfe
Die heutige Eröffnung des „Sony Ericsson Open Air Kinos Charlottenburg“ wurde durch den Arbeitskampf in der „Zweitfirma“ der Betreiber, der Neuen Babylon Berlin GmbH, überschattet. Die FAU Berlin verteilte Flugblätter, die auf die Zusammenhänge zwischen beiden GmbHs hinweisen: Einseits die Kino und Konzerte GmbH, welche das Open Air Charlottenburg organisiert, andererseits die Babylon GmbH -- welche beide vom identischen Beitreiberduo Grossman und Hackel geführt werden. Grossman lies es sich nicht nehmen, die Flugblattverteilenden vom Sicherheitsdienst des Vorplatzes vom Schloss Charlottenburg entfernen zu lassen, als auch einem zahlenden Gast ein Flugblatt zu entreißen.
Seit geraumer Zeit ist das Kino Babylon Mitte in Berlin in den Schlagzeilen. Behinderungen der Arbeit des Betriebsrates, Kündigungen wegen Gewerkschaftsbeitritt, die Weigerung über einen Tarifvertrag überhaupt zu diskutieren und zuletzt das Outsourcing von Arbeitnehmerrechten an die Zweitfirma Kino und Konzerte GmbH: Diese Zweitfirma, die das Freiluftkino Charlottenburg betreibt, untersteht der selben Geschäftsführung Grossman und Hackel. Man lässt bisherige Babylon-Beschäftigte kurzerhand im Auftrag dieser Zweitfirma weiterhin im Babylon Mitte arbeiten. Der Trick: durch diese „Ausgliederung“ hoffen die Betreiber Grossman und Hackel, die Anzahl der Beschäftigten im Babylon Mitte auf dem Papier zu verringern, was den Betriebsrat entscheidende Mitbestimmungsrechte kostet.

Aus diesem Grunde wurden die heutigen Gäste über die Verhältnisse hinter den Kulissen des vom Medienpartner radioeins unterstützten Freiluftkinos Charlottenburg informiert. Timothy Grossman, lies es sich nicht nehmen die Flugblatt verteilenden GewerkschafterInnen unterstützt durch den Sicherheitsdienst von Vorplatz und Park zwischen Schloss Charlottenburg und Spandauer Damm zu entfernen. Als dieser Aufforderung nicht unmittelbar Folge geleistet wurde, kam es zu Rangeleien. Einer Touristin (und gleichzeitig zahlender Gast), die sich solidarisierte und ein Flugblatt demonstrativ vor seinen Augen entgegennahm, riss er es wieder aus der Hand. Ein lauter Aufschrei: „Don't touch me!“ und Timothy Grossman, der Margaret Thatcher vom Rosa-Luxemburg-Platz, musste sich geschlagen geben.

Nachdem der Aufruf zum Boykott des Babylon Mitte seine Wirkung zeigt, ist nun auch die Kino und Konzerte GmbH in den Fokus des Arbeitskampfes für einen Tarifvertrag mit würdigen Löhnen und Bedingungen gerückt.

Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

NOtwendige Ergänzung

FAU'ista aus dem Westen 24.07.2009 - 11:43
Zu den Hintergründen des Arbeitskampfes surft ihr bitte auf den blog der FAU-Betriebsgruppe: prekba.blogsport.de

Wenn ihr den Arbeitskampf unterstützen wollt* dann wendet euch bitte direkt an das Kino-Babylon:

 tgrossman@kinoundkonzerte.de
 hackel@babylonberlin.de
 mikat@babylonberlin.de

Fax: 030-24 727 800
Tel: 030-24 727 804

In der aktuellen Ausgabe der "Direkte Aktion" (Nr.194 Juli/August 2009) findet ihr auf Seite 5 noch mehr Tel.Nr. und Mailadressen.

Heiter Weiter!!



* Wenn die FAU-IAA auch die Transformation der Gesellschaft weg von einem staatlich/privat organiserten Kapitalismus und der politischen/sozialen/kulturellen Organsiertheit als Staat anstrebt, so wissen die militanten** Anarcho-SyndikialistInnen doch, das wir im Moment noch mitten im Kapitalismus leben. Von daher ist der Kampf um eine Verbesserung der eigenen Lebensumstände durhaus gerechtvertigt. UND die Transformation der Gesellschaft ist keine Kleinigkeit. Wir, die ArbeiterInnen der Welt müssen eigene Organisationsformen schaffen und einüben. Die soziale Weltrevolution fällt nunmal nicht vom Himmel. Wenn die Forderung, das es "Ums ganze" gehen müsse dazu führt nichts mehr zu tun ist das nicht gut sondern schlecht!

** Militant heißt AKTIV

hintergründe zum arbeitskampf

pressebeobachterin 27.07.2009 - 00:09

Kultur und Arbeitskampf
Peter Nowak 25.07.2009

Immer mehr Beschäftigte im Kulturbetrieb treten für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen ein und streiken sogar dafür
Opernfans können aufatmen. Einen Tag vor der Premiere der Wagner-Festspiele in Bayreuth hat sich die Dienstleistungsgewerkschaft verdi mit der Festspielleitung auf einen Tarifvertrag für die Bühnentechniker geeinigt. Er ist eine Premiere der besonderen Art.


Erstmals in der Geschichte der Bayreuther Festspiele werden nichtkünstlerische Mitarbeiter nach Tarif bezahlt. Dass dieser gewerkschaftliche Erfolg in einer Branche möglich war, die nicht als besonders kampfstark gilt, lag an der Taktik der Gewerkschaften. Ein Streik der Bühnenarbeiter hätte die Festspiele verhindern können. Der finanzielle Verlust, gekoppelt mit dem Imageschaden, wäre für die Festspielleitung enorm gewesen, so dass sie doch lieber Tarifverträgen zustimmte.

Möglicherweise spielte beim Abschluss auch die Erinnerung an den Sommer 2003 eine Rolle, als wegen eines Streik der "prekären Kulturschaffenden" zahlreiche berühmte Festivals ausfallen mussten. Auch dort zeigte der Arbeitskampf schließlich Wirkung und die Arbeitnehmer konnten Erfolge erringen.

Viele Beobachter des französischen Streiksommers hielten eine solche Bewegung in Deutschland für ausgeschlossen. Tatsächlich gibt es viele französische Besonderheiten, die nicht einfach auf Deutschland übertragen werden können. Doch der in letzter Minute verhinderte Arbeitskampf in Bayreuth mag wegen der internationalen Bekanntheit des Kulturevents besonders spektakulär sein. Ein Einzelfall ist er auch in Deutschland nicht mehr



"Prekäre Avantgarde"

Immer häufiger werden Kulturliebhaber mit den Forderungen der Menschen konfrontiert, die hinter den Kulissen arbeiten. So haben Berliner Künstler in der freien Tanz- und Theaterszene im Frühjahr 2009 ein Positionspapier veröffentlicht, in dem sie ihre soziale Lage zum Thema machten. Gleich zu Beginn kritisierten sie die bisherige Debatte um ihren Berufsstand:


--------------------------------------------------------------------------------

Der freie Künstlerarbeitsmarkt wurde seit den 90er Jahren oft auf seine avantgardistische Struktur hin untersucht, Wissenschaftler[...] und Kulturpolitiker[...] stellten seine seismographischen Züge in Bezug auf einen Arbeitsmarkt der Zukunft heraus: Die Mischung aus eigenunternehmerischen und kreativen Kompetenzen verweise auf die Anforderungen der modernen Informationsgesellschaft.

Auf ihre Arbeits- und Lebensbedingungen bezogen wird in dem Papier formuliert:


--------------------------------------------------------------------------------

Dem großen Engagement und der (inter-)nationalen Relevanz stehen prekäre Arbeitsbedingungen gegenüber und das niedrige und selten konstante Einkommen fordert ein hohes Maß an Flexibilität und selbstorganisierter Arbeit.

Neben der "prekären Avantgarde" halten auch Dienstleister den Kulturbetrieb am Laufen. Ihre Arbeiten werden wie selbstverständlich in Anspruch genommen und ihre soziale Situation nicht wahrgenommen. Es sei denn sie melden sich zu Wort, wie die Besucherbetreuer im Berliner Technikmuseum, die sich für eine Verlängerung ihrer befristeten Arbeitsverträge einsetzen und in der Auseinandersetzung (sehr zum Missfallen des Arbeitgebers) gleich einen Betriebsrat gründeten.



Großes Kino - kleine Löhne

Auch das Kino ist in den letzten Jahren verstärkt zum Kampffeld für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen geworden. Während der Berlinale 2008 gab es dazu unter dem Motto "Mir reichts nicht", von Gruppen der Euro-Mayday-Bewegung, die sich der Organisierung von Prekären widmet, eine Kampagne. Sie war medienwirksam, hat aber nach Angaben ihrer Initiatoren keine längerfristige Organisierung ausgelöst.

Einen anderen Weg geht die anarchosyndikalistische Freie Arbeiter Union. Sie hat Beschäftigte in dem Berliner Programmkino Babylon organisiert und fordert den Abschluss eines Haustarifvertrages. "Im Unterschied zu Flächentarifverträgen wird hier nicht zentralistisch über irgendwelche Köpfe hinweg entschieden. Der Prozess liegt in der Hand der Belegschaft selbst, sie hat die volle Kontrolle über den Charakter ihres Abkommens", erklärt Robert Ortmann von der FAU den Unterschied zu den Abschlüssen vieler DGB-Gewerkschaften.

Auf die Frage, warum die FAU ein relativ kleines Kino mit einem kulturell und politisch ambitioniertem Programm für den Arbeitskampf ausgesucht hat und sogar bis zum Abschluss des Vertrags zu einem Boykott des Kinos aufgerufen hat, meint Ortmann, dass sich im Babylon "ein großer Teil der Belegschaft in der FAU organisiert" habe und die Gewerkschaft "in jedem Betrieb [kämpfe], in dem ihre dort arbeitenden Mitglieder auch kämpfen wollen". Würden sich Beschäftigte eines großen Kinos bei der FAU organisieren, würde es auch dort einen Arbeitskampf geben, so Ortmann. Ein Abschluss im Babylon wäre auch eine bundesweite Premiere. Dann hätte die FAU ihren ersten Tarifvertrag geschlossen.

 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30798/1.html

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 15 Kommentare an

!!!! — ----

..und wie war — Cineast

@Cineast — ----

respekt — jan

gewerkschaften — uwe b

@ jan — ich

@ Cineast — What

Spendenkonto? — Irene

@cineast — egal

@Irene — Lampenputzer

FAU — UnterDenPflastersteinenDerStrand

@ich — jan

Solidarität — Ina