Öffentlicher Biergenuss in Kassel verboten?

SAFERCITY 19.07.2009 09:02 Themen: Repression
Wie in jedem Sommer zieht es unterschiedlichste Personengruppen zum verweilen in die Kasseler Innenstadt. Auch diesmal vertreten: Die Stadttrinker, welche seit vielen Jahren für Diskussionen sorgen.
Sie fügen sich nicht in eine konsumorientierte – städtische Standortwettbewerbe austragende – Welt und sind deshalb für Viele ein Ärgernis.
Das Kasseler Ordnungsamt als Hilfspolizei geht seit der zweiten Hälfte der 90er Jahre rigoros gegen diesen Personenkreis vor. Unterstützt wurden die Hilfspolizisten dabei bereits von der Protex(-Security), einem Sicherheits- und Detektivunternehmen, das in der Vergangenheit durch aggressive Vertreibung (Drohgebärden, Fotografieren) von Randgruppen auffiel. Nach einigen “Ungereimtheiten“ verschwand die uniformierte und bewaffnete Protex-Streife im Sommer 2000 von der Königsstraße; die Zusammenarbeit zwischen Protex und Hilfspolizei war zu intensiv geworden.
Bislang waren die städtischen Ordnungshüter an die Kasseler “Trinkersatzung“ gebunden. Diese sah vor, dass Personen erst des Platzes verwiesen werden können nachdem sie mindestens zu dritt und länger als eine halbe Stunde Alkohol im öffentlichen Raum (Straßen u. Plätze) konsumieren. Dies soll nun nicht mehr gelten:
Laut Aussage der Kasseler Hilfspolizei gilt seit dem 01.07.2009 ein generelles Alkoholverbot im öffentlichen Raum. Brisant: Mehrere Rechtsgutachten (darunter auch Hecker) kommen zum Schluss, dass ein generelles Alkoholverbot für den öffentlichen Raum unrechtmäßig ist, weil dadurch die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger berührt werden.
Neu ist auch, dass sich die Kasseler Hilfspolizei bei ihrem Vorgehen gegen öffentliche Trinker durch “zivile Käfte“ unterstützen lässt. „City-Detektive“ aus dem Hause Protex fahren gemeinsam mit uniformierten städtischen Ordnungshütern im nagelneuen Blaulichtwagen Streife und kontrollieren bzw. vertreiben innerstädtische Trinker. Widerspruch wird dabei nicht geduldet.
In Bezug auf diese police private partnership ergeben sich einige Fragen: Wissen Fachaufsicht und Stadtparlament von dieser Zusammenarbeit bzw. wurden diese um Zustimmung gebeten? Auf welcher Rechtsgrundlage bzw. Vertragsverhältnis basiert diese Zusammenarbeit? Wie wird der Datenschutz – z.B. bei POLAS-Abfragen – gewährleistet?
Vor allem das Thema Datenschutz scheint hier sehr interessant zu sein, weil die „City-Detektive“ einer Wirtschaftsdetektei entstammen die auch auf dem Gebiet der Personenermittlung (Eigenwerbung) tätig ist.
Die Wirtschaftskrise sorgt innerhalb der (innerstädtischen) Geschäftswelt für Nervosität; gleichzeitig spühlt Hartz IV vermehrt soziale Probleme auf die Straße.
Eine Verdrängung dieser Probleme in die Randgebiete bringt bekanntlich keine Lösung und führt auch nicht zu mehr Wirtschaftskraft.
Ein mitgebrachtes Bier auf einer öffentlichen Sitzfläche zu genießen, fernab von teuren Lokalitäten, muss auch in der Kassel möglich sein – und zwar für alle Menschen!

POLAS = Polizeiliches Informationssystem



Mehr Informationen unter:

Dienstanweisung für das Einschreiten städtischer Hilfspolizeibeamter/-beamtinnen zur Überwachung der Sondernutzungs- und Sondernutzungsgebührensatzung vom 09.10.1989

 http://www.safercity.de/1998/1998.08.18-04.html


Sicherheitsunternehmen fotografiert Drogenszene

 http://www.safercity.de/2001/pe_13032001.html
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Normenkontrollklage

Kläger 19.07.2009 - 12:24
Versucht unbedingt dagegen zu klagen!
Reicht eine Normenkontrollklage ein und kämpft für euer Recht!

In Elmshorn gab es diese versuchte Hetze auch schon, dort wollte die Bürgermeisterin den Punnks einen vor den Buck geben. Womit die Bürgermeisterin nicht gerechnet hat, einer der Punks reichte Klage beim Oberverwaltungsgericht Schleswig ein und bekam Recht.
Das schönste daran, Punker klagen und das kleine Städtchen mit seinen Menschen unterstützt(e).

PM Stadt Kassel v. 23.06.09

Leser 19.07.2009 - 15:51
Bürgermeister Junge äußert sich zum Thema „Sicherheit auf öffentlichen Plätzen“

23. Juni 2009. Deutlich hat Bürgermeister und Ordnungsdezernent Thomas-Erik Junge den von der SPD gegen ihn vorgebrachten Vorwurf der Arbeitsverweigerung zurückgewiesen. Das Thema „Sicherheit auf öffentlichen Plätzen“ sei bereits kurz nach Beginn seiner Amtszeit als Bürgermeister ein ordnungspolitischer Schwerpunkt geworden, den er gemeinsam mit der Amtsleitung bearbeitet habe, teilte Bürgermeister Junge mit. Neben dem Thema „Alkohol“ sei auch der Bereich Sicherheit auf Park- und Spielplätzen schwerpunktmäßig untersucht worden. Dabei weise das Problem weit über ordnungsrechtliche Maßnahmen hinaus und reiche zum Beispiel in das Jugenddezernat hinein.

Dezernatsübergreifende Projektgruppen, so Junge, würden nach Dienstrecht immer durch eine Verfügung des Oberbürgermeisters eingesetzt – das gelte für die gesamte Stadtverwaltung.

In den regelmäßig stattfindenden Dienstbesprechungen im Bereich des Bürgermeisters mit den Amtsleitern und in der Dezernatsbesprechung mit dem Ordnungsamt sei das Thema Sicherheit auf öffentlichen Plätzen in Verbindung mit einem zu erlassenen Alkoholverbot bereits im Vorfeld der Projektgruppe immer wieder konstruktiv diskutiert worden.

Bereits Mitte letzten Jahres habe er das Ordnungsamt beauftragt, Plätze in der Stadt, die für ein Alkoholverbot in Frage kommen könnten, vorzuschlagen. Gemeinsam mit den Ordnungsamtsmitarbeitern hat Bürgermeister Junge die betreffenden Plätze aufgesucht, um sich von der Situation vor Ort und im Gespräch mit Betroffenen einen persönlichen Eindruck zu verschaffen. Im Herbst 2008 lagen dann bereits erste Ergebnisse und damit Vorschläge für Alkoholverbotszonen vor. Diese wurden sodann auch in der Projektgruppe erörtert.

Die entsprechende Vorlage ist im Geschäftsgang und steht zur Beschlussfassung auf der Tagesordnung der nächsten Magistratssitzung, kündigte Bürgermeister Junge an.

...

Knecht 19.07.2009 - 16:39
Das versuchen sie mittlerweile in jeder Stadt. In Schwerin _gab_ es auch weniger Tage lang ein lokales Alkoholverbot am zentralen Platz. Dieses hielt aber nicht mal eine Woche, da sowas gesetzlich nicht gedeckt ist.

kein bier unterm fernsehturm

alex 20.07.2009 - 22:56
am alex in berlin ist auch schon alkoholverbot. die punks scheints nicht zu stören.

Alk-ausschank?

muss ausgefühlt werden 22.07.2009 - 21:59
Würde mich interessieren ob an den Tischen mitten auf der Treppenstraße Alk ausgeschenkt wird.
Dass und ähnliche Lokale würden ja davon auch betroffen sein.

Alk Ausschank 2

muss ausgef�hlt werden 23.07.2009 - 19:15
Das Eiskaffee unten auf der Treppenstra�e, das mit seinen Tischen die halbe Stra�e versperrt, hat Alkeholika auf der Karte. Ich glaube nicht das sie die drausen sitzenden verweigern.
Somit ist ein solches Verbot �berhaupt nicht haltbar!

HNA v. 22.07.09

Hering 24.07.2009 - 15:22
Alkohol nun auf Plätzen verboten


Kassel. Das Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen in Kassel ist seit Dienstag in Kraft. Der Konsum von Alkohol ist auf dem Landgraf-Philipps-/ Martinsplatz, dem August-Bebel-Platz und dem Wesertorplatz rund um die Uhr verboten, auf dem Königsplatz gilt es von 18 bis 6 Uhr.

Bei dem Verbot gehe es nicht darum, bestimmte Personen von den Plätzen zu vertreiben, sondern das Sicherheitsgefühl der Bürger zu erhöhen, sagt Lothar Pflüger vom Ordnungsamt.

Dazu beitragen sollen vier neue Ordnungspolizisten. Deren Zahl erhöht sich damit auf zwölf. Außerdem wurden die Kontrollzeiten ausgeweitet: Montags bis samstags sind Ordnungspolizisten nun von acht bis 24 Uhr statt bis 20 Uhr unterwegs. (gör)

Hessisch Niedersaesische Allgemeine, 22.07.09

PM Stadt Kassel v. 29.07.09

AA 05.08.2009 - 17:05
Alkoholverbot: Stadt Kassel äußert sich zu der aktuellen Gerichtsentscheidung clear
2 Flaschen, die in einem grauen Verbotsschild stehen; © Wikimedia Commons, Foto: Nicetry

Die Stadt Kassel hat von der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg, das Alkoholverbot in Freiburg aufzuheben, aus der Presse erfahren. „Bevor das Gericht die Entscheidung nicht abgesetzt hat und sie im vollen Wortlaut vorliegt, kann noch keine Stellungnahme dazu erfolgen“, sagte Pressesprecherin Petra Bohnenkamp.

Dennoch sehe die Stadt das Alkoholverbot in Kassel durch diese Entscheidung als nicht gefährdet an. Die Situationen in Freiburg und in Kassel seien nicht vergleichbar. Während Freiburg das Verbot durch eine Polizeiverordnung erlassen habe, wurde das Alkoholverbot in Kassel durch eine Allgemeinverfügung angeordnet, mit der Einzelfallentscheidungen hinsichtlich der Plätze getroffen wurden.

Das Alkoholverbot in Kassel sei mit einer begrenzten Laufzeit bis 31. Dezember 2009 versehen. Es sei nur eine von mehreren Maßnahmen, zum Beispiel auch präventiven, mit denen Problemen begegnet werden soll, die vom Alkoholkonsum auf öffentlichen Plätzen ausgehen können.

KS: Konsequent inkonsequente

AA 05.08.2009 - 17:59
Konsequent inkonsequente Umsetzung des Alkoholverbots
24.07.09

Kassel (tk) - Die städtischen Mitarbeiter machen sich gar nicht erst die Mühe auszusteigen. Zügig fährt ein Wagen des Ordnungsamts vor eine Parkbank an der Martinskirche, über das Autofenster wird ein Bier trinkendes Pärchen zum Gehen aufgefordert. Unterdessen feiern junge Männer in einem Biergarten auf dem Königsplatz laut gröhlend einen Jungesellenabschied, mitten auf dem Platz stehen zwei Bierverkaufswagen für den CSD am nächsten Tag bereit.

Bislang ist noch nicht viel über das allgemeine Alkoholverbot auf vier Plätzen in der Kasseler Innenstadt bekannt geworden, seit Dienstag sind jedoch die auffälligen Verbotsschilder zu sehen, deren Gestaltung gewöhnlichen Verkehrszeichen nachempfunden wurde. Dass der genaue Wortlaut der Verordnung jedoch noch die Gerichte beschäftigen könnte, zeigt das Beispiel aus Freiburg. Hier hat ein Jurastudent gegen das dortige Alkoholverbot geklagt, weil es zu allgemein jeden Alkoholkonsum in einem Stadtquarier verbietet. Am Dienstag wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs erwartet, berichtet die Badische Zeitung.

Nordhessische.de, 24.07.09

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 2 Kommentare an

Ist doch — super,