Rostock: Einfach nur Randale?

Red_Angel 15.07.2009 17:41 Themen: Antifa
Nachdem es am Montag im Zusammenhang mit einer spontanen Demonstration zu Ausschreitungen kam, thematisieren auch die lokalen Gazetten die Ereignisse. Mit ernsthaftem Journalismus hat das was sich auf den Seiten abspielt jedoch nichts zu tun. Im Gegenteil: Der Polizei wird bei der Mythenbildung sekundiert, Zusammenhänge systematisch ausgeblendet.
Hilflosigkeit nach Brandnacht (Ostseezeitung, OZ), Spontane Randale Linksautonomer (Nordeutsche Neueste Nachrichten, NNN). Beide Zeitungen fragen sich ob das Leben in der KTV noch sicher ist. Im Lokalteil der NNN wird eine Chronologie veröffentlicht:

29. Dezember 2009: Bei einer Messerstecherei in einer Kneipe wird einem Mann in den Rücken gestochen. Er muss schwer verletzt in ein Krankenhaus.
1. Januar 2009: An Neujahr attackieren 50 Jugendliche am Doberaner Platz Polizisten in Zivil (Hintergund)
13. Juni 2009: Ein Unbekannter versetzt einer 38 Jahre alten Frau mit einem mit einem Fußtritt eine Platzwunde, während sie in ein Taxi steigt. Er entkommt unerkannt.
16. Juli: Mehrere Jugendliche schmeißen bengalische Feuer auf den "Naziladen" in der KTV. Zuvor reißen sie Wahlplakate ab und urinieren darauf.

Fälle von Alltagskriminalität werden also munter mit politisch motivierten Straftaten vermischt. Vorkommnisse die ursächlich in politischen Missständen begründet sind, werden somit entkontextualsisiert. Dies mag verständlich sein, will man militanten Aktionen die 'politische Rechtfertigung' absprechen, ob die Leserschaft dabei gut informiert wird bleibt dabei offensichtlich zweitrangig. "[...] Die Gruppe hätte sich spontan versammelt, um Sympathie mit einem Linksautonomen zu bekunden, der am vergangenen Wochenende in Berlin von Rechtsextremisten geschlagen worden sei.[...]" (OZ) - Anscheinend ist keiner der 'Journalisten' bereit sich die Frage zu stellen, warum es in Rostock zu solch einer "Eskalation in der KTV" (NNN), wenn doch nur ein Gesinnungsgenosse in Berlin 'geschlagen' worden ist. Mit keinem Wort wird erwähnt, dass das 'Schlagen' sich derart gestaltete, dass auf den Hinterkopf des bereits Bewusstlosen eingetreten worden ist, so dass er dabei schwer verletzt wurde. Die nicht ganz unwichtige Information, dass die vier Täter wegen versuchten Totschlags in U-Haft sitzen sucht man ebenso vergebens, wie den Hinweis, dass dem Opfer Kontakte zur antifaschistischen Szene in MV nachgesagt werden, wie bereits im Internet nachzulesen ist. Ob Randale dadurch gerechtfertig sind, sei dahingestellt. Aber diese Fakten könnten die Vorgänge zumindest erklären. Man begibt sich damit auf eine Stufe wie der Blog 'NS-Rostock', der zunächst titelte: "Linksfaschisten randalieren erneut in Rostock" und dabei ebenfalls 'vergaß' auf die Hintergründe aufmerksam zu machen.
Von Nazis kann man nichts anderes erwarten, aber wohl doch von Journalisten!? Zumindest schaffte es jemand an den Ort des Geschehens zu eilen und Fotos zu machen, die dann auch prompt Szenen aus dem 'Problemviertel' eingefangen haben, welche dann abgedruckt worden sind. Dem Berufsethos wurde jedoch anscheinend genüge getan, indem man noch schnell den Innenminister zu Wort kommen lässt, der die üblichen Phrasen drescht und bei der Ortsbeirätin nachfragt, die dann auch das Übliche verkündet. Artikel fertig, Fall erledigt, weiter im Programm.
Kommando zurück, denn die Polizei muss noch befragt werden. Die ist ja für Objektivität und Wahrheitstreue bekannt, so dass jedwede Nachfragen sich erübrigen. Kein Wunder wenn es dann heißt: "[...] 'Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt haben wir die Veranstaltung geschützt', sagt Polizeisprecherin Dörte Lembke." - sicher ein paar Beamte in Zivil schützen eine Demonstration, na klar. "[...] Doch sobald sich jemand unkenntlich macht, verstößt er gegen das Versammlungsgesetz." - Dumm nur, dass die Demonstranten von Anfang an größtenteils vermummt auftraten, also zu dem Zeitpunkt als die Demo ja noch so herrlich von den zahlreichen anwesenden Beamten beschützt worden ist. In Wahrheit war es wohl dann doch eher so, dass die Polizei zwar mitbekommen hat, dass etwas in Busch sei, als die Demonstration loszog jedoch wie so oft teilnahmsloser Zuschauer war, weil man noch nicht genügend Einsatzkräfte vor Ort hatte. Dafür kann die Polizei nichts, genau die langsame Reaktionszeit der Beamten wird ja gerade bei Spontandemonstrationen einkalkuliert. Die immer wiederkehrende Beschwörung des Mythos, die Polizei habe alles im Griff gehabt und durch besonnendes und taktisch kluges Verhalten Schlimmeres verhindert, funktioniert nur noch bei der ahnungslosen OZ und NNN Leserschaft die solche Geschichten glaubt. Als vor einiger Zeit sich mehrere Dutzend Linke und Rechte mit Eisenstangen und Baseballschlägern gegenüberstanden, vermeldete die Polizei sie haben durch konsequentes Einschreiten ein Aufeinandertreffen der beiden Gruppen verhindert. Tatsächlich stand ein Streifenwagen zwei Kreuzungen weiter und beobachtete aus der Entfernung das Spektakel.
Es ist schon traurig, wenn 'Journalisten' nicht willens oder in der Lage sind die üblichen Seiten aufzurufen, um sich mit den Hintergründen zu beschäftigen.
Traurig auch, wenn der Polizei ohne Umschweife geglaubt wird. Es geht nicht darum zu beklagen, dass die Unfähigkeit der Rostocker Polizei keine entsprechende Würdigung in den Lokalzeitungen findet. Das Problem besteht darin, dass ihnen einfach geglaubt wird. Und wenn dies bei herbei phantasierten Erfolgsmeldungen geschieht, wer will denn dann annehmen, dass bei erdachten Vorwürfen die der Kriminalisierung dienen, plötzlich journalistischer Arbeitseifer ausbricht...
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Ergänzungen

Blick in die Zukunftß

kein Prophet 16.07.2009 - 09:07
"29. Dezember 2009: Bei einer Messerstecherei in einer Kneipe wird einem Mann in den Rücken gestochen. Er muss schwer verletzt in ein Krankenhaus."

Haben wir einen Blick in die Zukunft riskiert?

Gegen die Lokal-Schmierer

Besserscheitern 16.07.2009 - 14:09
Noch mal deutlicher hier geht es nicht darum, dass nicht positiv (genug) berichtet wird, sondern das grob fahrlässig bis offen hetzerisch berichtet wird. Die angebliche Chronik berichtet über "Verbrechen" die nicht mehr oder noch nicht begangen worden sein können. Das hat nichts damit zzu tun das ein bürgerlich demokratisches Medium immer Gewalt verurteilen wird.

Es geht in dem Artikel darum dass bei der Rostocker Lokaljournaille allenthalben nur noch die Polizeimeldung in die standardisierten Beiträge reingefuscht wird und niemand sich mehr bemüßigt fühlt zu recherchieren. Dieser Zustand liegt im Falle Rostock nicht daran, dass es keine Äußerungen der Linken geben würde sondern am Willen, bzw. Unwillen der "Redakteure" den Computer mal zu mehr zu benutzen als die PMs der Polizei rüberzukopieren.

Dabei machen auch die Alleinvertretungsanspruchträger von Endstation Rechts keine Ausnahme. So paraphrasiert “Robert Scholz” äußerst nachlässig bei Endstation Rechts den auch bei der TAZ bereits reißerisch aufgemachten Bericht über eine militante Aktion gegen die Nazi-Disco Jeton. Dazu gibts als Sahnehäubchen, weil man ja aus Urheberrechtsgründen keine Bilder klauen will, dann einen Schlagring als zusätzlichen Klickanreiz. Was ist der Journalistische Anspruch von Endstation Rechts(gibt es sowas überhaupt bei denen)? Was soll die Hetze gegen Linke auf einem angeblich antifaschistischen Portal?

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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WTF? Welche Plakate? — Aale Dieter

Nicht rumheulen — t.z.

@ t.z. — egal

titel — rostocker