Schanzenfest: Anwohnerproteste gegen Polizei

info 15.07.2009 17:09 Themen: Freiräume Kultur Repression Soziale Kämpfe
Auf einer öffentlichen Pressekonferenz im Olympischen Feuer im Schulterblatt, fanden heute mehrere Erklärungen zum Schanzenfest am 12. September statt. Anwälte und Stadtteilinitiativen erklärten Hintergründe zum Fest und lieferten eine eigene Sicht der Dinge vom 4. Juli. Die Verantwortlichkeiten für die anschließenden Auseinandersetzungen wurden der Innenbehörde Hamburg zugeschoben. Widerstand und Protest seien legitime Formen des zivilen Ungehorsams. Das ein Straßenfest ohne weitere Folgen durch Polizeihundertschaften gewaltsam zerschlagen wird könne niemand ernsthaft erwarten.
Schwere Übergriffe von Beamten

Ein Anwalt beschrieb Vorfälle von Verletzten die aus dem Krankenwagen gezerrt wurden, von Verletzten, die erste Hilfe suchend zu eingesetzten Beamten gingen und verhaftet wurden, von einem Verletzten der durch Wasserwerferbeschuß aus dem Auge blutete, von einer Passantin die einem gestürzten Beamten aufhelfen wollte und als Reaktion ins Gesicht geschlagen und mit Pfefferspray attackiert wurde. Zudem wurden Anwohner_innen aufgefordert die Fenster zu schließen, da sonst Wasser gegen sie eingesetzt würde. Die Ereignisse um das Jolly Roger und der Angriff auf einen Journalisten vor Ort haben in diesem Zusammenhang ebenfalls unrühmliche Bekanntheit erlangt.

Der Einsatz der Polizei wurde im Gegensatz zu Ahlhaus im gestrigen Innenausschuß als untragbar und innenpolitischer Flop bezeichnet. Das neue Schanzenfest sei ein notwendiger Ausdruck des Protestes, dass solche Polizeigewalt nicht Normalität werden dürfe.

Initiativen warnen vor Angriffen auf das Fest

Ein Mensch aus der Roten Flora betonte das Schanzenfest am 12.9. sei nicht von der Flora ausgerufen worden, sondern von Initiativen und Anwohner_innen aus dem Stadtteil die dieses seit Jahren gestalten. Man unterstütze als Stadtteilzentrum dieses Vorhaben und rufe ebenfalls zu Teilnahme auf. In der Presse wurde bisweilen der Eindruck erweckt das Fest stehe lediglich für einige Gruppen rund um die Rote Flora. Gegen diesen offensichtlichen Versuch der politischen Isolierung wendeten sich alle anwesenden Gruppen. Es gibt im Stadtteil quer durch alle Bevölkerungsschichten heftige Kritik am Verhalten der Polizei. Das Fest habe nicht in Ruhe beendet werden können, daher sei die Ausrichtung eines neuen Festes ein naheliegender und folgerichtiger Gedanke.

Das Fest sei kein Mittel zum Zweck eines Krawalls, sondern das Ziel sei politische Kritik in anderer Form als eine Demonstration auf die Straße zu tragen. Man wolle zum Ausdruck bringen, dass man sich nicht von der Polizei die Öffentlichkeit im Stadtteil nehmen lassen will. Dass seit mehreren Jahren auf dieses Ereignis Auseinandersetzungen mit der Polizei folgen liege ebenso in deren Verantwortung, wie die Frage wie sich die Ereignisse zum 12. September entwickeln.

Es wurde davor gewarnt auf eine Eskalation zu setzen und im Vorfeld das Fest zu verbal anzugreifen. Dies würde nur eine Situation schaffen in der nur noch stärkere Auseinandersetzungen folgen. Stattdessen fordern die Initiativen die Aufklärung der Ereignisse um den 4.7. und Konsequenzen für die Verantwortlichen von Polizeiübergriffen. Eine Entspannung der Situation sei möglich wenn es den politischen Willen dazu gibt.

Lügengebäude der Polizei

Die derzeitigen Signale aus der Innenbehörde deuten derzeit allerdings in eine völlig andere Richtung. So wurde gestern im Innenausschuß der Einsatz der Polizei ein weiteres mal verteidigt. In Sachen Jolly Roger wurde auf wundersame Weise berichtet, es seien auf einmal Stühle, Gläser und Aschenbecher geflogen. Nur ein weiteres Lügengebäude aus der Innenbehörde um die Übergriffe der Polizei zu verschleiern. Lügen wurden dabei schon viele aufgetischt. So war Ahlhaus gezwungen einzuräumen es habe auf dem Fest keine Festnahmen wegen Molotowcocktails und auch keine Würfe von denselben gegeben. Zudem sei die Polizei ohne konkreten Anlass auf das Fest eingedrungen. Die Wahrheit wird von der Innenbehörde eben hingebogen wie es ihr gerade passt!

Duldung bis in die Nacht

Die am Straßenfest beteiligten Initiativen gehen davon aus, dass der Bezirk bei seiner bisherigen Linie bleibe und die Veranstaltung dulden werde. Alles andere wäre gefährlicher Unsinn. Die Situation habe sich nicht geändert. Das Fest sei Ausdruck der Unzufriedenheit zahlreicher Anwohner_innen und soll ein Ort des Protestes werden. Es liege weder beim Bezirk noch der Innenbehörde zu definieren wann, wie und ob die Menschen im Stadtteil feiern. Es gäbe nur ein Schanzenfest und das finde in diesem Jahr eben am 4.7. und am 12.9. statt. Eine Aufgabe der Praxis der Duldung, sehe man als Durchsetzung der gewaltsamen Linie von Innensenator Ahlhaus. Man hoffe, dass das Angebot es diesmal besser zu machen von den politisch Verantwortlichen angenommen werde. Eine Duldung kann nicht nur bis zur Ahlhaussperrstunde um 18 Uhr gehen, sondern muss in den Abend reichen.

Planungen zum Schanzenfest und Aufruf zur Mitarbeit!

Initiativen gaben bekannt das Fest werde am 12. September auf jeden Fall stattfinden und es liege am Verhalten der Innenbehörde wie es Verlaufe. Von Seiten der Feierenden werden Umzüge, Installationen, Lesungen, und weitere politische und kulturelle Inszenierungen geplant. Das Motto "Käptn Ahlhab auf der Suche nach dem weißen Wal" stehe symbolisch für den irrationalen Hass mit dem "Law and Order"-Politiker wie Ahlhaus die gesellschaftlichen Verhältnisse zuspitzen. Der weiße Wal stehe für den imaginären Feind den Polizei und Behörden in den Tiefen des Schanzenviertels vermuten. Kulturschaffende und Künstler_innen und politische Gruppen wurden aufgefordert sich mit eigenen visuellen Beiträgen, Aktionen und Interventionsformen aktiv am Fest zu beteiligen.

Erklärung von Gewerbetreibenden

Die Vorbereitung des Festes wird bereits von mehr Menschen getragen als das Fest am 4. Juli. Es sei eine regelrechte "Jetzt erst Recht Stimmung" entstanden und immer mehr Anwohner_innen und politische Gruppen reagieren mit eigenen Aufrufen zum Fest. Auf der Pressekonferenz wurde z.B. auch eine Erklärung von Gewerbetreibenden mit 20 Erstunterzeichner_innen von der Gaststätte, über das Kaffee Stenzel über den Süßigkeiten- zum obligatorischen Buchladen vorgestellt. In der Erklärung kritisieren die Gewerbetreibenden den Einsatz der Polizei vom 4.7., unterstützen das Fest am 12. September und drängen darauf eine polizeiliche Eskalation im Vorfeld und am Tag selber zu vermeiden.
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Ergänzungen

Polizeiüberfall auf Jolly Roger

fc 15.07.2009 - 17:50
Sondersitzung des Innenausschusses

Mit Fassungslosigkeit ist unsere Gemütslage noch unzureichend beschrieben, die uns am heutigen Morgen überkam, nachdem wir Berichte über die gestrige Sitzung des Innenausschusses zur Kenntnis nehmen mussten.

Dort sagte Einsatzleiter Born unter anderem: "Die Beamten wurden aus der Kneipe heraus mit Flaschen, Gläsern, Barhockern und Glasaschenbechern beworfen." Die Polizisten hätten sich mit Pfefferspray gewehrt.

Alleine die mittlerweile öffentlich zu betrachtenden Videos beweisen deutlich, dass sich da niemand gewehrt hat, sondern dass die Polizei massiv Gas in das Lokal gesprüht hat, ohne eine Vorgeschichte wie oben erwähnt. Auch kein Wort davon, dass oder warum man einem vor dem Lokal stehenden Gast mit einem Tonfa vier Zähne ausgeschlagen hat.

Ebenfalls lesen wir nicht den Hauch von Selbstkritik, ob bei dem Einsatz alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Ein Gedankengang, den wir selbst der Hamburger Polizei nach einer Demonstration mit 4.000 Teilnehmern am vergangenen Freitag zugetraut hätten.

Stattdessen fortwährendes Beharren auf der Rechtmäßigkeit eines Vorgehens, welches viele Menschen in dieser Stadt und darüber hinaus empört.

Fast schon komödiantisch (obwohl uns beileibe nicht zum Lachen ist) mutet Borns Aussage an, wenn man sich vergegenwärtigt, dass es physikalisch fast unmöglich ist, die genannten Gegenstände durch den schmalen Eingang des Jolly Roger zu werfen. Stammgast Rollo F.: "Ich wette acht Cola und acht Bier, dass Herr Born es nicht schafft, nachts um 2 nach 5 Stunden Party aus 3 Metern Entfernung einen Barhocker durch die Tür zu werfen."

Ist die Aussage vor dem Innenausschuss das Ergebnis des stümperhaften Ausspähversuchs vom letzten Mittwoch? Wie bereits berichtet, haben in der vergangenen Woche zwei Zivilbeamte des PK 16 das Jolly Roger unter dem mehr als peinlichen Vorwand ausgekundschaftet, angeblichen Beschwerden von Gästen über verschmutzte Toiletten nachzugehen.

Nachdem die Suche nach vermeintlichen Fluchtwegen für Straftäter nicht erfolgreich war, hat man sich jetzt offenbar intern auf die Erfolg versprechendste Ausrede festgelegt, nachdem zuvor bereits zwei andere Versionen des Hergangs verbreitet wurden. Zunächst war es ein von einem Journalisten geworfener Böller, dann Flaschen und nun Barhocker. Was kommt als Nächstes? Blendgranaten? Atombomben?

Wie auch immer, Hand in Hand mit den Opfern nehmen wir zur Kenntnis, dass die Polizei offensichtlich nicht willens ist, den skandalösen Vorgang selbstkritisch aufzuklären, um Rechtsbrecher in den eigenen Reihen zu belangen und die Lage zu befrieden.

Wir ziehen unsere Schlüsse daraus und werden entsprechend reagieren. An eine parlamentarische Sommerpause fühlen wir uns zumindest nicht gebunden und fordern weiterhin:

Rücktritt von Innensenator Ahlhaus!
Konsequentes Verfolgen von Straftätern in Uniform!
Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte!
Versetzung des Einsatzleiters Born zum Bezirklichen Ordnungsdienst, Abteilung Hundekot!

Hamburg, d. 15.07.09

BallKult e.V./Jolly Roger

10 Verfahren gegen Polizeibeamte

leser 16.07.2009 - 19:32
Die Krawalle nach dem Schanzenfest Anfang Juli haben für Dutzende Festnahmen von Demonstranten und 88 verletzte Polizisten gesorgt. Aber auch die Polizeistrategie selbst ist in die Diskussion geraten. Zehn Strafermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte führt die Dienststelle Interne Ermittlungen (DIE) inzwischen.
 http://www.welt.de/hamburg/article4134218/Zehn-Verfahren-gegen-Polizisten.html

Daher an dieser Stelle nochmal der Aufruf: Leute meldet euch beim Ermittlungsausschuß und schreibt Gedächtnisprotokolle zu den Ereignissen am 4.7.2009. Tipps zum Gedächtnis-Protokolle schreiben unter:  http://ea-hh.org/protokolle.htm

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Kriegserklärung.. — Cophop

O-Feuer — klischee

Nicht nachgeben — Peter

.. — ...

Stenzel? — HH

Stenzel ein Yuppieladen? — wenn man keine Ahnung hat...

usgefü — gerde

"Gewerbetreibende" — Entdinglichung

kaffe stenzel — paulianer

Na und — tachauch

Hurrah! — -