Blind in Beugehaft

Rote Hilfe OG 02.07.2009 22:54
Vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf begann am 15.1.2009 der Prozess gegen Faruk Ereren.
Auf 256 Seiten wirft man dem 54-jährigen Faruk E. in der Anklageschrift Mitgliedschaft in führender Position in der verbotenen Revolutionären Volksbefreiungsfront (DHKP-C) vor.
Verantwortlich will der Ankläger ihn für Anschläge in der Türkei in der Zeit von 1993 bis 2005 machen.
Bei einer heute im Rahmen dieses Prozesses erfolgten Zeugenbefragung wurde dieser, Nuri E., zu einer 3-monatigen Beugehaft sowie einer Geldstrafe in Höhe von 500€ verurteilt, da er von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machte.

Die Ortsgruppen der Roten Hilfe aus Mönchengladbach/Düsseldorf sowie Bochum/Dortmund rufen aufgrund dieser Geschehnisse zu einer Kundgebung am Samstag in Düsseldorf auf.
Blind in Beugehaft

Vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf begann am 15.1.2009 der Prozess gegen Faruk Ereren.
Auf 256 Seiten wirft man dem 54-jährigen Faruk E. in der Anklageschrift Mitgliedschaft in führender Position in der verbotenen Revolutionären Volksbefreiungsfront (DHKP-C) vor.
Verantwortlich will der Ankläger ihn für Anschläge in der Türkei in der Zeit von 1993 bis 2005 machen.

Am 2 Juli wurde im Rahmen dieses Prozesses den Prozessbeobachter_innen wieder einmal die deutsche „Rechtstaatlichkeit“ vor Augen geführt:
Nuri Eryüksel verbüsste insgesamt 17 Jahre in Deutschland und der Türkei in Haft wegen angeblicher Mitgliedschaft in der DHKP-C. Während der Gefangenschaft in der Türkei wurde Nuri regelmässig gefoltert, infolge dessen er erblindete. An diesen Tag musste er bereits zum fünften mal als Zeuge aussagen. Doch anhand der Gesprächsverläufe und Fragestellungen festigt sich der Eindruck, dass man hier nicht um Wahrheitsfindung bemüht ist, sondern um die Verdächtigung und Ermittlungen gegen sowohl den Zeugen als auch andere Personen.
Bei einer für den Prozess völlig unrelevanten Frage nach einer Person namens Fikret A. und Nuri´s Beziehung zu ihm, machte er von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, um sich nicht selbst der Strafverfolgung auszusetzen. Desweiteren wies er drauf hin, dass in den fünf Prozesstagen nur selten Fragen zum eigentlichen Verfahren gestellt wurden. Doch der Richtersenat drohte nach vorhergegangenem Antrag der Bundesanwaltschaft (BAW), mit einem Ordnungsgeld von 1000€ und einem Monat Beugehaft, weil man die Rechtmäßigkeit der Aussageverweigerung nicht anerkannte. Doch dies stieß beim Zeugen verständlicherweise auf Unmut. Er wiederholte seine Bedenken und berief sich erneut auf sein Recht auf Ausssageverweigerung. Nach zwei viertelstündigen Beratungen des Richtersenats verkündete dieser, dass die Verweigerung widerrechtlich sei und verhängte 500€ Bußgeld und bis zu drei Monate Beugehaft. Nuri wurde noch im Gerichtssaal abgeführt und bleibt vorerst bis zum nächsten Prozesstermin, der aufgrund einer sog. „Sommerpause“ des OLG erst für den 3. August angesetzt ist, in Haft.
Derzeit befindet er sich in der JVA Düsseldorf wo er auf seine weitere Verlegung in eine andere Haftanstalt wartet.

Für diesen Samstag, den 4. Juli ist bereits eine Kundgebung vor der JVA Düsseldorf geplant. Leider fehlt uns momentan noch die Anmeldebestätigung von Seite der Polizei. Nähere Infos bezüglich der Anmeldung werdet ihr hier morgen finden.
Beginn der Kundgebung: 13 Uhr; JVA Düsseldorf, Ulmenstr. 95
Für alle, die den Weg zur Haftanstalt nicht kennen: Treffpunkt ist um 12 Uhr auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofes. Von dort aus dann gemeinsame Anreise zum Kundgebungsort

Da die ganze Kundgebung sehr spontan geplant ist, sind wir umso mehr auf eure Hilfe angewiesen: bitte leitet diesen Aufruf an all eure Freund_innen und Genoss_innen weiter, kommt zur Kundgebung und bringt zahlreiche Transparante mit.

SOLIDARITÄT IST EINE WAFFE!!

Rote Hilfe OG Mönchengladbach/Düsseldorf
OG Bochum/Dortmund
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Ergänzungen

Nuri war hier auch in HAFT

Gefangenen Info 03.07.2009 - 10:44
Nuri war während des Militärputsches 1980 in der Türkei, der mit Billigung der Nato durchgeführt wurde, verhaftet worden. Während der 11 Jahren Gefangenschaft hat er aufgrund eines Angriffs von im Gefängnis stationierten Soldaten einen großen Teil seines Augenlichts verloren. Vor seiner Inhaftierung war er bereits auf einem Auge blind.
1993 beantragte er Asyl in der BRD und wurde auf Betreiben der Bundesregierung 1999 in der Schweiz verhaftet.
Nuri wurde 2001 von dem Staatschutzsenat in Hamburg als Rädelsführer in einer "terroristischen Vereinigung" zu sechseinhalb Jahren verurteilt.

Wegbeschreibung zur JVA

X 03.07.2009 - 10:48
Anfahrt mit öffentliche Verkehrsmittel

Ab Düsseldorfer Hauptbahnhof mit der Straßenbahnlinie 707 bis Haltestelle "Tannenstraße"

Haftbericht zu Nuri von 1999 (Azadi)

X 03.07.2009 - 11:05


Am 15.10.99 wurde Nuri E. auf Bitten Deutschlands hin von schweizerischen Anti-Terror-Einheiten in der Wohnung einer Familie in Chur/Schweiz verhaftet. Während der Operation wurden von den Polizeibeamten Wohnungstüren eingetreten, Scheiben zerschlagen und alle anwesenden Personen brutal festgenommen. Aufgrund des Haftbefehls wurde Nuri E., der sehbehindert und auf eine Begleitperson angewiesen ist, in Isolationshaft genommen. Deutschland hat, wie sich herausstellte, am 14. Mai 1999 gegen Nuri E., den die BRD-Behörden als Deutschland-Verantwortlichen der DHKP-C betrachten, einen internationalen Haftbefehl erlassen. Seither wurde er von Interpol gesucht. Die Festnahme und das Verfahren gegen ihn gehen auf Aussagen eines Kronzeugen zurück, der vom bayerischen Verfassungsschutz angeworben wurde. Nuri E. wurde 1980 nach dem Militärputsch in der Türkei im Hauptprozess gegen die Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) zu 15 Jahren Haft verurteilt, verbrachte 11 Jahre als politischer Gefangener in verschiedenen Militärgefängnissen und wurde 1991 entlassen. Während der Gefangenschaft hat er aufgrund eines Angriffs von im Gefängnis stationierten Soldaten einen großen Teil seines Augenlichts verloren. Vor seiner Inhaftierung war er bereits auf einem Auge blind. Nach der Entlassung aus türkischer Haft setzte er seine politischen Aktivitäten im Bereich Kultur, Kunst und Musik fort. Wegen seines gesundheitlichen Zustandes und der anhaltenden starken Repression, beantragte er 1993 Asyl in der BRD. Vor allem sein unter psychischem und physischem Druck verlaufendes Leben in den letzten Monaten und die fehlende medizinische Behandlung beeinträchtigte seine Sehfähigkeit massiv und ist inzwischen auf 6 % gesunken. (aus: Angehörigen-Info v. 29.11.99)
Die DHKP-C wurde am 13. 8.1998 vom Bundesminister des Innern verboten. Seither gibt es eine verstärkte Kriminalisierung der Organisation, ihrer AktivistInnen oder Anhänger-Innen. Es befinden sich 13 Angehörige der DHKP-C in bundesdeutschen Knästen. Sie sind mit dem Vorwurf des § 129 a StGB konfrontiert und unterliegen einem entsprechenden Haftregime, dem auch Nuri E. in der Schweiz ausgesetzt ist. Wegen der schlechten Haftbedingungen sind die Gefangenen in der BRD in einen Hungerstreik getreten, dem sich auch kurdische Häftlinge angeschlossen haben. Ilhan Yelkuvan und vier weitere Gefangene werden den Streik bis zum Erfolg fortsetzen.