Liebig14 – keine Räumung unter dieser Nummer!

Liebig14 FreundInnen 30.06.2009 12:06 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe
Berlin 2009 – ein weiteres Hausprojekt steht vor dem Abgrund

Den Vermietern der Liebig14 ist es gelungen, die Mietverträge zu kündigen, was gerichtlich bei allen neun Wohnungen in der ersten Instanz, bei vieren davon nun auch schon in der zweiten Instanz bestätigt wurde. Damit sieht es so aus, als ob die Vermieter am Ziel ihrer Wünsche angekommen sind, und die Räumung nur noch eine Frage der Zeit ist.
Für das seit 19 Jahren bestehende Hausprojekt sieht es düster aus.
Wer sind wir?

27 Menschen zwischen 9 Monaten und 40 Jahren, von echten Ickes bis Menschen aus Peru oder dem Sudan, die sich alle dafür entschieden haben kollektiv, mit offenen Türen zusammen zu wohnen. Die Entscheidungsfindung wird möglichst im Konsens geschlossen, so dass jede_r ein Mitspracherecht hat, unabhängig vom Status. Über das reine Zusammen- wohnen hinaus organisieren wir auch kulturelle Veranstaltungen und versuchen in die (Stadt)politik einzugreifen – z.B. über unsere Beteiligung an der „Wir Bleiben Alle“ – Kampagne gegen die Verdrängung bezahlbaren Wohnraumes und linker Freiräume aus der Innenstadt.

Die Liebig 14 und ihre Geschichte

Die Liebig14 wurde 1990 besetzt und 1992 durch Einzelmietverträge mit der WBF legalisiert. Der heutige Konflikt war damals schon vorprogrammiert, weil die WBF unsere gemeinschaftliche Wohnform, die mit der Besetzung entstanden war, nicht anerkannte. So gab es zwar Einzelmietverträge für jede Wohnung, aber keine Rahmenmietverträge, die der Realität entsprochen hätten und von Seiten der Besetzer_innen immer wieder gefordert wurden. Versuche der Bewohner_innen, das Haus mittels einer Genossenschaft zu kaufen und damit dem profitorientierten Wohnungsmarkt zu entziehen, scheiterten. Stattdessen wurde die Liebigstr. 14 im Jahr1999 an die LiLa GbR mit den Gesellschaftern Suitbert Beulker und Edwin Thöne verkauft. Versuchten die neuen Eigentümer anfangs noch, sich mit den Bewohner_innen, die zum Zeitpunkt des Kaufes ja schon da waren, zu arrangieren, kam es recht schnell zu ersten Konflikten, da die LiLa GbR schon bald versuchte, lediglich ihre Interessen durchzusetzen. Das wäre u.a. Modernisierung gewesen und in der Folge höhere Mieten, die wir nicht hätten bezahlen können. Doch ein Hausprojekt, in welchem die Mieter_innen eine gemeinsame Linie verfolgen, ist in dieser Hinsicht schwerer zu knacken, als einzelne, auf sich gestellte Mieter_innen. So griffen die Eigentümer bald auch die gemeinschaftliche Wohnform an, ließen Gemeinschaftsräume im Erdgeschoß räumen und bauten 2007 eine Zwischentür im Treppenhaus ab und zerstörten alle Türschlösser. Der Wiedereinbau dieser Tür und der Schlösser, welche für unsere Wohnform nicht ohne Bedeutung sind, lieferte schließlich die Begründung für die fristlose Kündigung aller Wohnungen.

Die Vermieter

Als Suitbert Beulker (bei uns in Gestalt der Lila GbR) die Rigaer Str. 94, 95, 96 und die Liebigstr. 14 kaufte, versuchte er sich zunächst als umgänglicher Vermieter, als ein „guter König“ zu präsentieren. Aber wie das so ist mit „guten Königen“ – sie werden schnell zu Tyrannen, wenn die Untertanen ihre Gnade nicht zu schätzen wissen und sich gegen einige der Wohltaten wie eine Sanierung, die die Miete stark erhöht hätte, zu wehren beginnen.
Dies passierte recht schnell in der Rigaer 94, deren Bewohner_innen sogleich mit vielfältigen Schikanen und fristlosen Kündigungen überzogen wurden, welche in den meisten Fällen vor Gericht keinen Bestand hatten. Allerdings verlor die dortige Hausgemeinschaft auch einige Prozesse, was in einer groß angelegten Räumung mit hunderten Polizisten mündete.
Beulker arbeitete allerdings nicht nur mit legalen Mitteln. Er war sich auch nicht zu schade, Schlägertrupps zu entsenden und – laut den Aussagen seiner damaligen Sekretärin – anzuordnen, den Hausstrom an den Starkstrom anzuschließen. Beulker installierte nach der Räumung einen Wachschutz, der nur die Mietvertragsinhaber_innen ins Haus ließ. Dummerweise zahlte Beulker dem Wachschutz kein Gehalt, genau wie den Bauarbeitern und der Sekretärin, welche sich anschließend mit einem Stapel Akten in der Hand gegen ihren ehemaligen Chef stellte. Nachdem die Sekretärin sich mit Details der Firmenvorgehensweise an die Presse wandte, versuchte Herr Beulker sie per Unterlassungsklage mundtot zu machen. Dies scheiterte vor Gericht und ist unter  http://tinyurl.com/n7b2wv nachzulesen. Im Laufe des Konfliktes wurde es für Beulker regelrecht zur Obsession, die Projekte, die ja schon lange bevor er die Häuser kaufte, bestanden, herauszuschmeißen, weshalb jegliche Verhandlungsversuche scheitern mussten. Es gab sowohl zur Rigaer 94 wie auch zur Liebig 14 diverse runde Tische unter Vermittlung der Asum, der Bezirkspolitik und anderer. All dies scheiterte an Beulkers Verhandlungsresistenz.. Auch unser Versuch, über eine Stiftung das Haus zu kaufen, kam wegen der nicht ernst zu nehmenden Kaufangebote von Beulker über das Planungsstadium nicht hinaus. Vom letzten Prozess gegen uns stammt das schöne Zitat: „Mit so Leuten, die nach Heiligendamm fahren, will ich nix zu tun haben“.

Weniger schillernd als sein Compagnon kommt der andere Gesellschafter der LILA GbR, Edwin Thöne, daher. Er ist Teilhaber und im wirklichen Leben Vorsitzender des Kinderschutzbundes im Nordrhein-Westfälischen Unna. Wie er sein soziales Engagement mit der geplanten Räumung von u.a. zwei Kleinkindern zusammenbringt, bleibt sein Geheimnis. Und auch seine unglaubwürdige Behauptung, von nichts zu wissen, entbindet ihn nicht aus der Verantwortung.

Blick übern Tellerrand

Was uns passiert ist – von der speziellen persönlichen Note Beulkers abgesehen – kein Einzelfall. Die Verdrängung von Mieter_innen oder Hausgemeinschaften aus bezahlbarem Wohnraum passierte und passiert weiterhin in tausenden Mietshäusern, nicht nur in (Ost)berlin. Verbunden damit steigt der Anteil am Einkommen, der für die Miete aufgebracht werden muss, ständig an – eine Sache, die vor allem kleine Einkommen am härtesten trifft. Grade in den innerstädtischen Bezirken wie Prenzlauer Berg, Mitte, Kreuzberg, Nordneukölln und Friedrichshain wird es immer schwerer, bezahlbare Wohnungen zu finden.
Der Grund für all die Probleme, mit denen sich Mieter_innen tagtäglich auseinandersetzen müssen, liegt letztlich nicht darin, dass ein einzelner Vermieter besonders böse ist. Das kann verschlimmernd hinzukommen. Das Hauptproblem ist jedoch die kapitalistische Organisation des Wohnungsmarktes, welche nicht auf die Bedürfnisse der Bewohner_innen, sondern auf den Profit der Eigentümer ausgerichtet ist. Kombiniert mit einer Politik und einer Gesetzgebung sowie Rechtssprechung, die sich immer stärker am Vermieterinteresse orientieren, wirkt sich das besonders fatal aus.
Doch es gibt auch Gegenwind. Seit Anfang 90er gab es viele Bewegungen, vor allem auch in Ostberlin, die sich gegen das Recht der Vermieter_innen zum uneingeschränkten Profit gestellt haben. Z.B. die damalige „Wir Bleiben Alle“ – Bewegung Anfang der 90er in Ost-Berlin, aber auch die Besetzer_innenbewegung. Die meiste Kontinuität hat allerdings die Berliner Mieter_innen Gemeinschaft, die seit vielen Jahren kontinuierlich für Mieter_innenrechte eintritt.

Auf die Barrikaden!

Wir wissen, dass unsere drohende Räumung nur ein kleiner Teil eines Ganzen ist. Wir wissen, dass das, was uns droht nur ein Stückchen kapitalistische Normalität ist. Aber wir wissen auch, dass es wichtig ist, uns grade da wo wir leben gegen diese kapitalistische Normalität zu stellen. Wir hoffen, damit nicht allein zu sein, sondern Teil einer entstehenden breiteren Bewegung gegen die Zumutungen, die der kapitalistische Wohnungsmarkt für uns und andere bereithält. Und wir hoffen darauf, dass gegenseitige Hilfe und Solidarität letztlich stärker sein werden als Profitinteressen.

In diesem Sinne:

Liebig 14 forever!
Solidarität mit allen Mieter_innen, die sich wehren und den anderen bedrohten Hausprojekten!
WIR BLEIBEN ALLE!

Freund_innen der Liebig 14
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Ergänzungen

Verwirrender Artikel vom Tagesspiegel

Erwin 01.07.2009 - 12:32

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 9 Kommentare

was regt ihr euch auf

Luzifer 30.06.2009 - 16:22
"Wir Bleiben Alle" denken alle, auch die die erst seit ein paar Jahren in Friedrichshain sind unhd fleißig Babies auf den Hof setzen. Selbst Frau "mein Hof" ist mit ihrem Besetzerdasein glücklich und zufrieden und Herr Baader badet im Swimingpool auf der Dachterrasse. Ein bisschen mehr Polizei und Bambule vor der Schule würde das triste Leben ein bisschen auflockern aber die meisten sind froh dass ihre Luxuskarossen jetzt auch in der Rigeierstrasse sicher zu parken sind. Die Fusion der DDBDR ist so erfolgreich abgeschlossen und die Geschäfte sind gelaufen. €uros lügen nicht.

nur 2 Kinder?

Kinderfreund 30.06.2009 - 23:24
Was? Das Haus gehört jemanden vom Kinderschutzbund? Der hat ein riesiges Mehrfamilienhaus und duldet, dass dort nur zwei Kinder Platz zum Wohnen finden? Peinlich!
Der unzureichend genutzte Wohnraum sollte schnellstens familiengerecht saniert werden, dann Ordnung schaffen und für ein kinderfreundliches Umfeld sorgen (Müll, Glasscherben, Hundekacke weg) und schnellstens Familien mit Kindern einziehen lassen. Kinder sind Zukunft.
Ich fass es nicht, dass so jemand tatenlos zusieht, wie dringend benötigter Wohnraum von einigen wenigen politisch aktiven Singlehaushalten ohne Zeit für Kinder und von Freunden nicht gerade kindgerechter Partys und Alkoholgenuss versperrt wird.
In was für einer Gesellschaft leben wir denn? Denkt denn keiner mehr an die Kinder?

Werter Kinderfreund,

skeptisch 01.07.2009 - 13:53
dann hoffe ich mal für Dich, dass Dein Wohnhaus nicht von jemanden vom Kaninchenzuchtverein gekauft wird. Der hat dann bestimmt auch seine ganz eigene Prioritätensetzung! Der könnte Deine jetztige und jahrelange (und vielleicht mitleidserregene?) Behausung aufgrund von Eigenbedarf in eine moderne, artgerechte Kanichenherberge umfunktionieren.
...oder aufgrund des demografischen Problems in ein zunehmend benötigstes Altenheim (wie die brunnenstr. 183)

Transparent

oldschool 01.07.2009 - 20:09


Die Häuser denen die sie BRAUCHEN !

Gar nicht "Verwirrender Artikel vom Spitzel

paula 01.07.2009 - 22:44
Der Tagesspiegel Bericht Bezieht sich mit hetzerischer und spalterischer Intention auf einen Artikel vom 1.2.2009 auf Indymedia.

 http://de.indymedia.org/2009/01/240875.shtml

Sehr wohl ist eine Kritik am vorgehen diverser "Alternativer" Baugruppen berechtigt schon gar wenn sie nur Eigentumswohnungen schaffen und eine interessante Fluktuation verhindern.
Jungen mit wenig oder gar keine finanziellen Mitteln ausschließen.

Denn wer sich entschließt (das nötige Kleingeld auf Tasche hat, sechs stellig) eine Eigentumswohnung zu kaufen hat das Interesse das der Wert der Wohnung steigt und nicht mindert, also ein einfaches biederes Kapitalistisches Interesse, da muss das Umfeld natürlich stimmen. Mit einer "ChaotenKultour" in der Nähe geht das nicht.

Und es ist mehr als fraglich das in einem solchen biederen "Alternativ" Umfeld
neues Interessantes ergibt. Also ich glaube nicht daran. Diese Biederkeit können wir in anderen Städten sehen die auch mal mehr Ausstrahlung hatten. (z.b Freiburg)

Das was für mich diese Stadt schon immer ausgemacht hat, die Anziehungskraft für neues,
sehe ich in diesem links bürgerlichen Konzept nicht. Das ist doch nur schöner Wohnen
aber nicht für alle. Denn die die das Kleingeld nicht haben müssen gehen wegen der "Aufwertung" des Kiezes.








@skeptisch

Kinderfreund 01.07.2009 - 23:37
Ich kenne kein Gerichtsurteil, das jemals Eigenbedarf anerkannt hat, wenn es dabei um die Unterbringung von Kaninchen ginge. Aber vielleicht hast du da mehr Information als ich.
Ungeachtet dessen finde ich den Vergleich der Notwendigkeit von Wohnraum für Kinder mit der Unterbringung von Kaninchen absolut menschenverachtend.

liebe paula,

samy 02.07.2009 - 01:06
du meinst also, wer mit gleichgesinnten und familie seinen freiraum selbst baut, auf ökologische standards achtet, die anderen scheißegal sind, das mit sechssteligen krediten finanziert, statt in profitabsicht zu vermieten, lieber langfristig selbst dort wohnen möchte und sich möglicherweise 30 jahre den buckel krumm schuftet, damit er vielleicht später mal den kindern einen schuldenfreien freiraum vererben kann, ist ein biederer kapitalist. einfach nur dauerhaft selbstbestimmt wohnen wollen und hoffen, dass keiner mit brandsätzen und steinen den freiraum zerstört, das kann für dich nicht sein - wer sich seinen freiraum baut/kauft, der will natürlich möglichst schnell mit wertsteigerung wieder verkaufen, der ist ein übler kapitalistischer immobilienspekulant.

das schließt auf ein ziemlich kleinkariertes weltbild, in dem scheinbar nur eine lebens/wohnform als die einzig wahre und akzeptable gilt und in dem es ein meinungsmonopol darüber gibt, was interessant ist.

Kinderfreund

zoro 02.07.2009 - 04:02
@kinderfreund:
Deine Aussagen beruhen auf Vorurteilen und Klischees und drifften absolut von der Realität ab, zeigen zudem das du keinerlei Ahnung von der Praxis hast.
Selbstverständlich muss es für Kinder unerträglich und die absolute Hölle sein in wohnprojekten zu Leben und überhaupt, der viele Alkohol!!!!! Ooohh!!

Bevor du Vergleiche anderer mit einem Wort wie ,,menschenverachtend,, abstempelst solltest du mal überfliegen was für einen vollquark du von dir gibst.

@Zoro

Kinderfreund 02.07.2009 - 13:40
Nicht auf einem Urteil oder Vorurteil sondern auf von den Bewohnern dargestellten Fakten beruht die Äußerung. Danach gibt es dort lediglich zwei Kleinkinder. Falls du andere Informationen hast, lass es uns bitte wissen.
Zwei Kleinkinder in einem großen Mehrfamilienhaus spricht nicht gerade für ein kinderreiches und kinderfreundliches Umfeld. Ob der Alkohol eine Ursache dafür ist, wie du implizierst, mag ich nicht beurteilen. Dass vor dem Haus regelmäßig selbst für Berliner Verhältnisse überdurchschnittlich viele Scherben und andere unapetitliche Dinge liegen, die Kinder nicht unbedingt in die Finger kriegen sollten, ist auch keine Meinung sondern eine beobachtbare Tatsache. Warum gerade dort mehr davon zu finden ist als vor anderen Gebäuden mag ich ebenfalls nicht beurteilen.

Den Vergleich von Kindern mit Kaninchen nenne ich auch weiterhin menschenverachtend, auch wenn du das anders siehst.