Bericht: Bildungsstreik in Walsrode [SFA/NDS]

Der Landkreis Soltau-Fallingbostel ist eigentlich eher verschlafen. Es ist eben tiefste Provinz mitten in der Lüneburger Heide. Überregional bekannt sind wohl nur der Vogelpark und der Heide-Park und – man muss es leider sagen – eine der aktivsten Nazi-Kameradschaften im norddeutschen Raum aus dem Heideörtchen Schneverdingen. Etwas wie Protestkultur gibt es hier auf dem platten Land nicht. Umso ambitionierter war das Projekt einer Gruppe von jungen Leuten, die sich vorgenommen hatten in diesem Umfeld eine Demo im Rahmen des bundesweiten Bildungssstreiks 2009 zu organisieren.

Unterstützt von einigen Gewerkschafts- und Parteifunktionären versorgte man die rund 20.000 Schülerinnen und Schüler im riesigen Landkreis mit Info-Briefen, Flyern und Plakaten, auf denen man das Anliegen schilderte und zur zentralen Demonstration für den Landkreis Soltau-Fallingbostel (SFA) nach Walsrode aufrief. Es war viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Auch Eltern und Lehrkräfte wollten umfassend informiert werden. Eine solche Aktion hatte es in SFA (zumindest nach unserem Wissensstand) noch nie gegeben. Dementsprechend groß war das Fragezeichen, das hinter allem stand. Würde es uns tatsächlich gelingen die Schülerinnen und Schüler aus dem ganzen Landkreis nach Walsrode zu mobilisieren? Bis auf eine Bahnstrecke gibt es in SFA praktisch keinen öffentlichen Nahverkehr. Das hatte Anreisezeiten aus den entlegenen Winkeln des Kreises von über einer Stunde zur Folge. Würden die TeilnehmerInnen das auf sich nehmen?

Der 17. Juni begann mit idealem Demo-Wetter. Schon früh morgens schien die Sonne und sorgte für angenehme Temperaturen. Ab 9 Uhr begann sich der Platz, von dem die Demo um 10 Uhr starten sollte langsam zu füllen. In den nahen Schulen wurden letzte Mobilisierungsmaßnahmen getroffen, Musik wurde gespielt, die Spannung stieg. Gerechnet hatten wir (recht optimistisch wie wir dachten) mit 1000 Teilnehmern. Doch unsere Erwartungen wurden mehr als übertroffen. Zeitweise bis zu 2000 Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrerinnnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher und andere Interessierte kamen. Viele hatten Transparente und Plakate mitgebracht, die zusammen mit den zahlreichen von uns angefertigten Transpis der Demo ein buntes Antlitz verpassten.

Noch vor Beginn der Demo kam es leider zu einigen Personalienkontrollen bei Antifas durch die Polizei, die trotz sofortigen Protests durch die Demoleitung und durch Umstehende nicht verhindert werden konnten. Diese grundlose Kontrolle verurteilen wir – sie war ungerechtfertigt und diente ausschließlich dem Zwecke der Datensammlung über politisch-missliebige Personen.

Nach zwei Redebeiträgen setzte sich der Demozug dann in Bewegung. Lautstark und bunt liefen wir in einem Kreis einmal durch die Walsroder Innenstadt. Auf der Hauptverkehrskreuzung direkt vor der CDU-Parteizentrale kam es zu einem kurzen Sitzstreik bevor man weiter zur Zwischenkundgebung vor dem Rathaus zog. In den Redebeiträgen, die auf der Demo zu hören waren, ging es neben den Forderungen des Bildungsstreiks auch um Themen wie „Eine Schule für Alle“- IGS-Initiative SFA, Soli-Erklärungen mit den Streikenden der Kigas und Kitas, die sich in SFA teils massiven Repressionen ausgesetzt sehen sowie die Gefährdung der allgemeinen Grund- und Freiheitsrechte durch die aktuelle Politik. Die Forderungen des Bildungsstreiks dürften hinlänglich bekannt sein, daher sehen wir an dieser Stelle davon ab, sie nochmal alle aufzulisten ;-)

Im Anschluss an die Zwischenkundgebung am Rathaus, zogen wir zum Ort der Abschlusskundgebung – einer Wiese am örtlichen Fluss. Dort gab es dann noch Live-Musik und entspannen in der Sonne war angesagt. Viele TeilnehmerInnen machten sich doch recht schnell auf den Heimweg, während die verbliebenen Leute den Klängen der Band lauschten und die nun eintreffenden Demo-Zahlen aus anderen Städten feierten. Ein Grill wurde aufgebaut und die Stimmung war relaxed, was die Polizei wohl veranlasste sich auch nochmal zu Wort zu melden. Da es sich nicht mehr um eine politsche Veranstaltung handele, wollte sie, dass der Veranstalter die Demo für beendet erklärt und für Live-Musik und Drumherum gegebenenfalls eine neue Veranstaltung anmeldet. Dies wurde aufgrund der nicht vorherzusehenden Folgen von der Demoleitung abgelehnt. Letztendlich ließ sich die Polizei nach längerer Diskussion überzeugen, dass es nun wirklich lächerlich sei, uns von der Wiese zu vertreiben und so konnten wir unsere Veranstaltung letztenendes wie geplant zu Ende bringen.

Nicht unerwähnt soll an dieser Stelle bleiben, dass nur einen Tag später, am 18. Juni, erneut 1500 Schülerinnen und Schüler in SFA auf die Straße gingen - diesesmal in Schneverdingen. Vielleicht entwickelt sich ja doch noch eine Protestkultur in SFA...

Wir waren mehr als positiv überrascht, von der großen Teilnehmerzahl. Auch das sich besonders viele junge Schülerinnen und Schüler beteiligt haben, macht Hoffnung, dass sich junge Menschen wieder verstärkt engagieren, wenn ihr Interessen betroffen und Rechte bedroht sind. Wir haben mit dieser Demo bewiesen, dass auch in der Provinz der Unmut riesig und der Protest massiv ist. Wir werden weitermachen und nicht länger stillhalten, während man über unsere Köpfe hinweg über uns entscheidet. Freie Bildung für Alle! Umsonst und sofort!

Ein kleines aber feines Video von der Demo gibt es auf Youtube unter  http://www.youtube.com/watch?v=IByjmGljdCc zu sehen.

AG Bildungsstreik SFA
www.bildungsstreikSFA.blogsport.de