Politischer Aufklärungsfilm DU HAST DIE WAHL

Medienprojekt Wuppertal, Andreas von Hören 25.06.2009 13:44 Themen: Antifa Antirassismus Bildung Indymedia Kultur Medien
Jugendliche produzieren Aufklärungsfilm „Du hast die Wahl“

Das Medienprojekt Wuppertal hat mit Jugendlichen die Filmreihe „Du hast die Wahl“ mit Interviews der SpitzenkandidatInnen zur Wuppertaler Kommunalwahl produziert und breit seit dem 16. Juni 2009 auf DVDs und im Internet veröffentlicht. Hierbei wurden auch die Wuppertaler Spitzenkandidaten der rechten Parteien NPD und „Die Republikaner“ interviewt. Da diese Filme und ihre Veröffentlichung nun kontrovers diskutiert werden, nimmt das Medienprojekt Wuppertal noch einmal ausführlich zu dem Vorgang Stellung.
Jugendliche produzieren Aufklärungsfilm „Du hast die Wahl“

Das Medienprojekt Wuppertal hat mit Jugendlichen die Filmreihe „Du hast die Wahl“ mit Interviews der SpitzenkandidatInnen zur Wuppertaler Kommunalwahl produziert und breit seit dem 16. Juni 2009 auf DVDs und im Internet veröffentlicht. Hierbei wurden auch die Wuppertaler Spitzenkandidaten der rechten Parteien NPD und „Die Republikaner“ interviewt. Da diese Filme und ihre Veröffentlichung nun kontrovers diskutiert werden, nimmt das Medienprojekt Wuppertal noch einmal ausführlich zu dem Vorgang Stellung:

Das medienpädagogische Konzept des Medienprojekt Wuppertal ist es, Jugendliche und junge Erwachsene bei ihren Videoproduktionen zu unterstützen und diese zu publizieren. Wichtiger Bestandteil ist hierbei die freie inhaltliche und künstlerische Gestaltung der Filme durch die jungen Filmemacher/innen. MedienpädagogInnen beraten und unterstützen die Jugendlichen (technisch, künstlerisch, inhaltlich) bei ihren medialen Artikulationen, Entscheidungen fällen die jungen AutorInnen der Filme. Diese machen erkennbar subjektive Filme ohne den Anspruch von (scheinbarer) Objektivität.

Grenzen der Filmarbeit sind die bestehenden Gesetze des Jugendschutzes und des Strafgesetzes, nicht aber die moralische Beurteilung anderer (und auch nicht des Medienprojekt Wuppertal als Herausgebers). Die Filme werden also grundsätzlich nicht kommentiert, sondern dem/r Zuschauer/in wird eine direkte Auseinandersetzung mit Film zugetraut und zugemutet. Filme haben den großen Vorteil gegenüber anderen Bildungsansätzen, dass sie die kognitive mit der emotionalen Rezeptionsebene verbinden und massenwirksam sind, d.h. wenige können – abhängig von der Publikationsebene – intensive Bildungsprozesse bei vielen bewirken.

In dem pädagogischen Ansatz von Peereducation und Peerinvolvement werden die Filme der Jugendlichen auf breiter Ebene (lokale Livepräsentation im Kino, deutschlandweiter Vertrieb auf DVDs, Internetpräsentation) publiziert. Jugendliche produzieren Filme, um ihre Geschichten anderen zu erzählen, sodass die Zuschauer/innen sich damit auseinandersetzen können. In dieser horizontalen Kommunikation klären Jugendliche so andere Jugendliche (und Erwachsene) auf.

Das Medienprojekt Wuppertal wurde in den letzten Jahren genau für diesen modellhaften und erfolgreichen medienpädagogischen Ansatz von politischer Bildungsarbeit mehrfach ausgezeichnet, u.a. als Botschafter für Demokratie und Toleranz, mit dem Friedenspreis des Osnabrücker Filmfestes, dem Dieter-Baacke-Preis, dem Jugendkulturpreis, dem Europaratspreis „Young active Citizens“, dem Deutschen Menschenrechtspreis, dem Initiativenpreis „Gegen die Wand“.

Filmprojekte zur politischen Bildung sind ein Schwerpunkt der Arbeit des Medienprojekt Wuppertal. So wurden in den vergangenen Jahren Dokumentationen z.B. zum Atommülltransport („Trainstopping“, „Slowmotion“), zum G8-Gipfel („Die Welt zu Gast bei Freunden“), zum Irakkrieg („Hallo Krieg“), gegen Rechtsextremismus („Am rechten Rand“), gegen Islamphobie („Jung und Moslem in Deutschland“) und gegen Homophobie („Queer-gefilmt“) produziert und sehr erfolgreich mit positiver Resonanz vertrieben.

Initiiert durch den Jugendhilfeausschuss führt der Jugendring Wuppertal z.Zt. die Erstwählerkampagne „Du hast die Wahl“ zur Kommunalwahl 2009 durch. Eine der wesentlichen Maßnahmen der Kampagne ist eine Filmproduktion des Wuppertaler Medienprojektes mit einer von Jugendlichen durchgeführten Interviewreihe aller Wuppertaler Spitzenkandidat/innen der Parteien. Das Projekt wurde mit 10 SchülerInnen aus verschiedenen Wuppertaler Schulen durchgeführt, die vorher an einem speziellen dreitägigen politischen Bildungsseminar im Rahmen der Kampagne teilgenommen hatten. Die Jugendlichen haben in dem Projekt 80% gleiche Fragen für alle PolitikerInnen überlegt und 20% parteispezifische Fragen auf Grund intensiver Recherche der Wahlprogramme und des Auftretens der Parteien erarbeitet. Sie haben dann die Interviews journalistisch und filmisch durchgeführt und bei dem Schnitt der Filme mitgeholfen. Die Parteikandidat/innen wurden von zwei Schüler/innen ca. eine Stunde ohne Diskussion interviewt. In den Interviews ging es um folgende Themen: Grundgedanken und Ziele, Finanzen, Arbeit und Ausbildung, Jugend, Bildung und Kultur, Migration und Rassismus, Perspektiven, Fragen zur Person. Die Politikerinterviews sollen Jugendlichen (und anderen Bürger/innen) unkommentiert einen Einblick in die unterschiedlichen Positionen der Parteien und der Persönlichkeiten deren Spitzenvertreter/innen ermöglichen und sie motivieren, kompetent wählen zu gehen.

Die Entscheidung, die SpitzenkandidatInnen aller Parteien zu interviewen – also auch die beiden rechten Parteien NPD und Die Republikaner – wurde von den Jugendlichen ausführlich zu Beginn und auch noch im Laufe des Projektes diskutiert. Die Gruppe entschied sich dafür, um durch die Interviews mit den Spitzenkandidaten der rechten Parteien über die rassistischen und menschenverachtenden Werte und Vorgehensweisen dieser Parteien aufzuklären. Auf Grund der deutlichen undemokratischen Einstellungen, die sich dann in diesen Interviews kundtaten, hielt und hält die Gruppe andere Jugendliche und andere Bürger kompetent genug, diese rechten, menschenverachtenden Einstellungen als genau solche zu erkennen und daraus den Schluss zu ziehen, nicht rechts zu wählen und dabei auch zu wissen, warum sie dieses nicht tun. Das heißt, die Undemokraten entlarven sich überdeutlich selbst und mobilisieren den/die Zuschauer/in, sich – wissend – gegen Rechts zu engagieren.

Die Filme wurden seit ihrer Erstveröffentlichung vielen Jugendlichen gezeigt und stoßen überall auf sehr positives Interesse, d.h. die reale Erfahrung bei der Rezeption ist, dass Zuschauer/innen die Filme (inkl. der rechten Passagen) verstehen.

Die produzierenden Jugendlichen (und das Medienprojekt Wuppertal) haben also keinen dummen Fehler gemacht, in dem sie (auch) rechte Politiker interviewten und dieses publizierten, sondern haben Mut und politisches Engagement gezeigt. Jugendliche zu gängeln, Publikationen zu verbieten, Zuschauer/innen für unmündig zu halten ist zwar nicht sehr originell (Jugendliche kennen dies von Erwachsenen), aber kontraproduktiv für die Entwicklung von demokratischen Persönlichkeiten. Die jungen Filmemacher/innen (und auch das Medienprojekt Wuppertal) haben ein positives aufklärerisches Menschenbild, das nicht vom unmündigen Bürger oder verführbaren Jugendlichen ausgeht, sondern von der Möglichkeit der Entscheidung aller – also auch der jungen – Bürger/innen, sich positiv oder negativ zu verhalten. Dieses auszuhalten ist Demokratie. Um die Entscheidungsmöglichkeiten zu verbessern, betreiben die Jugendlichen mit ihren Filmen Aufklärung. Und dies wirkt, so unsere Erfahrung.

Das Internet ist ein sehr freies und ungeleitetes, demokratisches Medium, welches sehr vielen zur Information und Interaktion dient. Die ins Netz gestellten Filme können hier von allen – das heißt auch von Rechten – gesehen und kommentiert werden. Es kann natürlich immer sein, dass Rechte in den rechten Aussagen der Filme Bestätigung finden, was somit auch nicht viel an ihrem schon vorhandenen Wertesystem verändert. Die übergroße Mehrheit von NutzerInnen wird die Filme und die rechten Aussagen als rassistisch, menschenverachtend und undemokratisch also abstoßend empfinden und daraus ihre „gesunden“ Schlüsse für das eigene Handeln und Wählen ziehen.

Im Artikel 5 des gerade 60jährigen Grundgesetzes steht der breite demokratische Rahmen der Pressefreiheit in Deutschland, deren Einschränkung gerade zur Zeit im Iran moniert wird: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“

Jugendmedienarbeit ist immer experimentell, wer sich bewegt, muss Mut haben und Wirkungsvermutungen bleiben eben Vermutungen. So können manche Kampagnen erst im Nachhinein mit Abstand bewertet und daraus die Schlüsse für das eigene zukünftige Handeln gezogen werden.

In den Vorgehensweisen gegen Rechts kann man bei ähnlichem Ziel auch unterschiedlicher Meinung sein, das ist Demokratie. Wir finden es einen wichtigen Ansatz, über die inakzeptablen Einstellungen und die Gedankenwelt von Rechten zu informieren und dabei auch neue Wege zu beschreiten. Dass die menschenverachtenden Äußerungen der Rechten verstanden werden und auf deutliche Ablehnung stoßen, hat sich bisher bei allen Aufführungen der Filme bestätigt.

Wir fordern deswegen alle auf: Bleibt fair in der demokratischen Kommunikation über diese Veröffentlichung. Verurteilt nicht die Überbringer /innen schlechter Nachrichten sondern diskutiert deren Inhalte. Schaut die Filme an und zieht Eure Schlüsse daraus. Kommentiert die Filme auf den Internetforen youtube und überlasst den Rechten dort nicht die quantitative Überlegenheit, die sie zum Glück in der realen Welt nicht haben.
Die DVDs kann jede/r weiterhin kostenlos beim Medienprojekt Wuppertal bekommen oder im Internet unter www.deine-wahl-wuppertal.de und www.youtube.com anschauen.


05.06.2009
Medienprojekt Wuppertal, Andreas von Hören
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Ergänzungen

Reaktion der VVN auf den Film

Eman 25.06.2009 - 21:58
Betreff: projekt "du hast die wahl"
liebe leute,

das projekt hat mit seiner bekanntgabe schon einige diskussionen ausgelöst - insbesondere wegen der mitwirkung des npd-vertreters. Dazu ist -auch unter berücksichtigung eurer diskussionen dazu- sehr kritisch anzumerken, daß die mitwirkung des npd-vertreters ohne formale veranlassung stattfand, da bis zum 16.7.09 noch unklar ist, ob die npd überhaupt antritt.
Somit hat dieser npd-vertreter durch das projekt ein öffentliches forum erhalten, was sicher auch unter dem aspekt gewertet werden kann, daß die npd das auch für ihre öffentlichkeitsarbeit nutzen kann.

Unsere organisation hat sich vor 2 Jahren mit einer unterschriftenkampagne, die über 175 000 unterschriften erreichte, für ein verbot der npd eingesetzt. Dies wird inzwischen auch im petitionsausschuß des bundestages behandelt. Zudem hat unsere organisation diese kampagne inzwischen erweitert mit der absicht bis zum 8.mai 2010 5000 argumente für ein npd-verbot zu sammeln. Näheres dazu unter: www.npd-verbot-jetzt.de.

Ich denke, daß diese formale gleichbehandlung durch euer projekt ein problem darstellt, das nicht alleine darauf bauen kann, daß sich die argumente der reps und der npd selbst entlarven.

Wir regen an, dieses projekt noch um eine produktion zu erweitern, die sich mit antifaschistischen argumenten befaßt, um diesem aspekt noch eine besondere betonung zu geben.
Schließlich ist es gerade das verdienst des jugendrings, das gedenken an das kemna-kz wachzuhalten.


Mit freundlichem Gruß

jochen vogler

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 14 Kommentare an

schlecht — karl

@karl — mardochai

geschichte — bekannt

hallo — karl

alternative — peter

@peter — ...

d'oh — peter

Medienrandale — gab es schon mal

klasse Projekt — unbedeutend

434 — 33