Großdemo Berlin: "KRAWALL UND REMMIDEMMI"

Peter Fuchs 17.06.2009 22:57 Themen: Bildung Soziale Kämpfe
250.000-300.000 Menschen demonstrierten heute bundesweit in über 50 Städten gegen die Zumutungen der Bildungspolitik. Allein in Berlin gingen 15.000-20.000 auf die Straße. "Krawall und Remmidemmi" gab es allerdings nur als Transpi-Spruch und Musikbeitrag.
Am Auftaktort vor dem Roten Rathaus sammelte sich gegen 11.00 Uhr eine unüberschaubare Menschenmenge. Erfreulich viele hatten Transparente, Schilder und Verkleidungen mit, sowie allerhand Gerätschaften zum Lärm machen. Wie im letzten Jahr hatte es auch wieder etlich Vorabdemonstrationen gegeben, bei denen Schüler_innen von ihren Schulen und aus den jeweiligen Bezirken zum Alexanderplatz gezogen waren.
Um kurz nach 12.00 Uhr startete schließlich der Demonstrationszug über die Spandauer Straße und den Hackeschen Markt zum Rosenthaler Platz. Dort gab es eine Dachaktion, die für ordentlich Stimmung in der Demonstration sorgte. An der Ecke Brunnenstraße/Weinbergsweg wurde ein rießiges Transparent mit der Aufschrift "KRAWALL UND REMMIDEMMI - ZUSAMMEN STREIKEN, SCHWÄNZEN, KÄMPFEN! WWW.STRASSENAUSZUCKER.TK" entrollt. Außerdem gab es rote Fahnen und jede Menge Pyrotechnik. Doch nicht nur die Abstimmung bei der Performance auf dem Dach war perfekt - zustätzlich spielten etliche der über 10 Lautsprecherwägen auf der Demonstration den entsprechenden Song der Band Deichkind, als sie die Kreuzung passierten.
Weiter ging es dann mit der Demonstration über Torstraße, Friedrichstraße und Unter den Linden zur Abschlusskundgebung direkt vorm Hauptgebäude der HU. An der HU angelangt strömten weider viele Demonstrant_innen ins Hauptgebäude und die Polizei war sichtlich nervös in der Nähe zum Einsatz bereit positioniert. Außer rumfliegendem Klopapier, Flyern und jeder Menge Lärm, u.a. durch den Feueralarm, gab es in der HU allerdings nichts Außergewöhnliches. Hier und da wurden ein Transparent aus dem Fenster gehangen und die Polizei kam nicht zum Einsatz. Die Menschen machten es sich auf der Wiese vor der HU, auf dem Bebelplatz oder eben auf der Straße gemütlich, lauschten den Redebeiträgen und genossen das gute Wetter. Viele nutzen die Zeit auch zum Sichten der vielen Flyer und Zeitungen, die während der Demonstration verteilt wurden. U.a. gab es die "Strassen aus Zucker" ( http://strassenauszucker.blogsport.de/zeitung/), die Schüler_innenzeitung von NFJ-Berlin ( http://www.naturfreundejugend-berlin.de/) und Flyer für die Kiezparade am Freitag ( http://pankow-in-aktion.de/) und die Besetzung des Flughafens Tempelhof am Sonnabend ( http://tempelhof.blogsport.de/).
Nach der Abschlußkundgebung fand dann im Innenhof der HU eine weitere Streik-VV mit mehreren hundert Teinehmer_innen statt. Am Ernst-Reuter-Platz gab es außerdem ab 15.00 Uhr eine Open Air-Party für "freie Bildung". In den nächsten Tagen wird es weitere Aktionen an den Universitäten geben und mit der Kiezparade am Freitag gibt es auch eine thematische Erweiterung: "Keine Streichungen der Kinder-, Jugend- und Sozialeinrichtungen in Pankow!"



Bilder von der Demonstration in Berlin:

 http://www.umbruch-bildarchiv.de/bildarchiv/ereignis/170609bildungsstreik_2009.html

 http://www.flickr.com/photos/justusjonas/3635529507/

 http://www.flickr.com/photos/streetart-berlin/sets/72157619876356174/

 http://www.flickr.com/photos/ti_mo/sets/72157619939975080


Nie wieder (Schul-)Klassen!
 http://strassenauszucker.blogsport.de/2009/04/20/nie-wieder-schul-klassen/

Wir streiken! Aber für wen oder was?
 http://ajwbn.blogsport.de/2009/05/31/bildungsstreik-2009/

Wie aus einem Schülerstreik ein Einsatz für veredelte Konkurrenz in der Schule wird
 http://www.fhuisken.de/bildungsstreik09.rtf

Freerk Huisken zum Bildungsstreik
 http://www.fhuisken.de/DummheitSchule09.doc



Aktuelle Besetzungen in Berlin:

Villa BEL auf TU-Gelände besetzt -  http://de.indymedia.org/2009/06/253649.shtml
"Die Villa BEL war bis September 2007 Sitz des AStA an der TU. Mit Hilfe der konservativen Studentenvereinigung RCDS hat die Leitung der Technischen Universität die Villa der studentischen Selbstverwaltung abgenommen. Heute wurde sie durch die Besetzung wieder dem selbstbestimmten Lernen zugeführt."

Räume der HU in Berlin seit Montag besetzt -  http://de.indymedia.org/2009/06/253701.shtml
"Im Zuge des bundesweiten Bildungsstreiks in der Woche vom 15.06.-19.06.2009 wurde an der Humboldt-Universität die 4.Etage des Gebäudes am Hegelplatz DOR24 am Montag gegen 14 Uhr besetzt. Seitdem finden im gesamten Stockwerk keine regulären Veranstaltungen mehr statt. Stattdessen ist hier Raum für Diskussionen, offene und alternative Bildungsveranstaltungen, Workshops, Theater, Kunst, Kickern Transpi malen oder einfach zum Entspannen geschaffen worden."

Beendete Besetzung an der FU Berlin -  http://www.flickr.com/photos/kietzmann/sets/72157619840877160/ &  http://www.flickr.com/photos/kietzmann/sets/72157619840747428/
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Einsatz für veredelte Konkurrenz?

Freerk 17.06.2009 - 23:12
Wie aus einem Schülerstreik ein Einsatz für veredelte Konkurrenz in der Schule wird

Der Bildungsstreik 2009 steht an; mit einem Katalog von sieben Forderungen, der von ziemlich großer Wertschätzung für das Bildungswesen der Bundesrepublik zeugt. Wie denn das? Wo sich die Organisatoren des bundesweiten Streiks doch ausgesprochen kämpferisch geben: Sie wollen „nicht lieb protestieren“, sie planen vielmehr Blockaden und Besetzungen, wie sie in ihrer Pres­seerklärung ankündigen. Gleichwohl bestätigt ein Blick auf den Inhalt ihrer Forderungen, dass sie sauber trennen möchten zwischen Um­ständen des schulisch organisierten Lernens, die sie stören, und der schulischen Bildung, die sie verteidigen. Sie meinen, dass hässliche Verhältnisse an den Schulen, die ihnen aufstoßen, eigentlich unpassend seien für das deutsche Bildungswesen und die politischen Zwecke, für die es vom Staat betrieben wird.

Woran ist denn bei dem – ersten - Wunsch nach „kostenloser Bildung für alle“ gedacht? Da weiß man zwar, dass sich Schüler aus armen Familien keine Nachhilfe leisten können und manchmal sogar die Klassenfahrt sausen lassen müssen. Da weiß man also um die Sortie­rung dieser Gesell­schaft nach Reich und Arm. Aber die Streikmann­schaft stört sich al­lein an den Auswirkungen des Einkommensgefälles auf das Bildungsge­schehen. In der Schule we­nigstens soll das Geld der El­tern keine Rolle spielen, wenn sich an ihm auch sonst alles entschei­det. Über den Schulerfolg soll nicht das Portemonnaie der Eltern entscheiden! Sondern was? Al­lein die Leistungskonkurrenz? Offensichtlich sollen sich in der Schule alle unter gleichen Lern­bedingungen am Start um die aussichtsreicheren Schulkarrieren aufstellen. Das sehen Bildungs­politiker anders: Sie halten es keineswegs für ungehörig, dass die Einkommensunterschiede auch in der Schule – und mit Stu­diengebühren an der Universität - wirksam werden, wo das Bildungs­wesen die nachfolgende Ge­neration doch in genau diese Gesellschaft von Reich und Arm ein­führt.

Auch die – zweite - Parole: „Eine Schule für alle – weg mit dem mehrgliedrigen Schulsys­tem“ ist von diesem schulischen Gleichheitsideal beseelt. An der Mehrgliederigkeit des Schulsystems stößt den Streikkomitees irgendwie sauer auf, dass die Schule die Lernenden sortiert, die Schule also Ungleichheit produziert. Doch was wäre eigentlich, wenn alle Schüler in einundderselben Schule nach denselben Grundsätzen traktiert würden? Wäre das nicht gleiche Verdummung für alle bei Selektion durch Punkte und Noten? Und wenn Schluss wäre mit der Se­lektion nach vier Schuljahren, wenn gar allen der Weg zum Abitur offen stünde? Dann gin­ge das Hauen und Ste­chen um Zugang zu den besseren Fressnäpfen erst in der Uni und auf dem Arbeits­markt, da aber so richtig los! Dass die besser bezahlten Führungspositionen, um die vom ersten Schultag an ein Kampf organisiert ist, immer nur einer Minderheit zustehen und nicht der Mehrheit der Geführ­ten, scheint ja nicht der Stein des Ansto­ßes zu sein. Hauptsache es gehören zusätzlich ein paar Angehörige der Unterschicht zu dieser Minderheit. Dann ist schon wieder viel für soziale Gerech­tigkeit getan!

Und fällt denn niemanden auf, dass – drittens - eine Schule mit „mehr LehrerInnen und kleineren Klassen“ nur den Lehrern das Leben leichter macht. Klar, die Schüler würden vielleicht mehr ler­nen – was auch immer! Leh­rer könnten ihnen mehr Zeit widmen – weshalb auch immer! Was käme dabei heraus? Allein das Lernniveau würde sich ändern, auf dem die Schulklassen in der Lernkonkurrenz nach Schulsiegern und Schulverlierern zerlegt werden.

Wer schließlich - vier­tens - „gegen Schulzeitverkürzung – wie dem G8-Abitur“ antritt, dem passt zwar die staatliche Verschärfung des Leistungsdrucks nicht, dem fällt dagegen aber nichts als der Wunsch nach Rückkehr zu jener früheren Normalität ein – über die er in der Vergangenheit aller­dings wenig Gutes zu berichten wusste. Nicht zuletzt auch über mangelhafte Mitbestimmung.

Deswegen darf auch die – fünfte - Forde­rung nach „Demokratisierung des Bildungssystems“ er­neut nicht fehlen. Dass die Anstalt von den Schülern, ohne dass sie ihren Senf dazu geben dürfen, nur halb so gut zu genießen ist, leuchtet Schülern so­fort ein, die die Schule als ihre (Vormittags-)Heimat leben. Außerdem kann man in der Demokratie gar nicht früh genug lernen, sich darum zu kümmern, dass in der Schule wirklich jede ungerechte Beurteilung, jede Lehrerbe­leidigung, jede dem Lernen abträgliche, antiquierte Arbeitsmethode und was sonst noch das ge­deihliche Miteinander von Lehrer und Schüler stört, sofort und gnadenlos bei den Zuständigen zur Anzeige kommen muss, die sich dann kümmern. Die Zuständigen, das sind die Staatsbeamten in der Leitung der Bildungsanstalten. Die gehören nämlich zu den Guten.

Das ist – sechstens - dem radikal gemeinten Ruf: „Beendet den Einfluss der Wirtschaft auf die Schulen!“ zu entnehmen. Denn „die Wirtschaft“, das sind die Bösen, die in der Schule nichts zu suchen haben. Aber ist es nicht so, dass die Schule den Nachwuchs auf nichts anderes als auf den Dienst an und in dieser Wirtschaft vorbereitet? Geht es der staatlichen Sorge um das Funktionie­ren des Bildungswesens um etwas anderes, als dass die Schule als Lieferant von praktisch vorsor­tiertem Menschenmaterial für „die Wirtschaft“ funktioniert. So etwas heißt heute 'Praxisnähe' und gilt als Teil von Reform. Eine andere Praxis als die im Dienst in und für Staats- und Geld­macht kennen die staatlichen Bildungsreformer nun einmal nicht. Wer also dem Einfluss der Wirtschaft auf die Schule dort entgegentreten will, wo sie auch noch penetrant als Lobby und Sponsor auftritt und durchrechnet, ob nicht aus dem Schulwesen selbst noch ein Geschäftchen zu machen ist, kommt etwas zu spät.

Es passt also manches nicht zusammen im Streikaufruf: Da stellen die Streikkomitees der Schüler eine Reihe von Forderungen auf, in denen ihre Kritik an staatlicher Schulpolitik zusammen­gefasst ist, um dann am Ende wieder mit einem Plädoyer für die gerade eben kriti­sierte staatliche Bil­dungspolitik aufzuwarten. Im Schoß des Staates fühlen sie sich letzt­lich doch besser aufgehoben als in dem der Wirtschaft, verkünden sie mit ihrer Absage an jeglichen Einfluss öko­nomischer Macht. Als ob man hierzulande zwischen Staats- und Geldmacht wählen könnte! Und wenn sie – siebtens - schlussendlich „Schluss mit Repressionen gegen Schüler und Schülerinnen“ rufen, wird es noch eine Spur absurder. Wer übt denn hier, bitte schön, Repression aus? Es sind immerhin staatliche Bildungsbehörden, die jene Schüler dis­ziplinieren und bestrafen, welche sich durch Vorschriften nicht von ihrem Schulkampf abhalten lassen wollen. Und eben diese staatli­chen Ein­richtungen sollen der adäquate Ansprechpartner für solche Forderungen sein, deren demonstrati­ver Vortrag mit Sicher­heit wieder einigen Schülern staatliche „Repression“ einträgt?!

Aber letztlich passt wieder alles zusammen: Wo die sieben Forderungen des Bil­dungsstreiks we­der die Sicherung der praktischen Benutzbarkeit noch die der geistigen Parteilichkeit durch die Schule angreifen, sie weder am letzten Bildungsziel der Schule, sich „aktiv für die demokratische Ordnung“ einzusetzen, etwas aussetzen noch die Ver­teilung des Nachwuchses auf die vorgegebe­ne kapitalistische Berufshierarchie zum Thema machen, sondern allein die Verbesserung von Lern- und Konkurrenzbedingungen in der Schule anmahnen, da sind sie bei der staatlichen Bil­dungsbehörde an der richtigen Adresse. Einerseits wenigstens. Andererseits fragt sich natürlich, warum Bildungspolitik all das - und noch viel mehr – in der Schulpolitik eingefallen ist, was dem kriti­schen Nachwuchs so gar nicht schmeckt. Zufall wird das wohl nicht sein und gewürfelt haben ihre Vertreter auch nicht. Welche politischen und ökonomischen Gründe sie für das Schulwesen haben, so wie sie es jetzt – nach PISA – umkrempeln, das müsste man wirklich einmal er­mitteln. Es steht zu erwarten, dass dabei herauskommt: Schu­le im Kapitalismus funktioniert anders­, als es sich diejenigen Schüler vorstellen wollen, die immer nur ihre Enttäuschung dar­über kund tun, dass Schule ihren Konkurrenzidealen nicht so zu Diensten ist, wie sie es gerne hät­ten und wie sie es von ihrem Staat erwarten.

Nie wieder (Schul-)Klassen!

saz 17.06.2009 - 23:13
Nie wieder (Schul-)Klassen!


Warum müssen wir uns eigentlich fünf Tage die Woche mit Dingen beschäftigen, die uns weder großartig interessieren, noch außerhalb von Schule und späterem Beruf jemals gebraucht werden? Sinnlose, für mich und dich sowohl uninteressante als auch unwichtige Fakten auswendig lernen, nur um diese dann in der Klausur hinzuschreiben und anschließend wieder vergessen zu können. Selbst Themen, die einen sonst interessieren, werden, wenn sie in der Schule behandelt werden, aufgrund des Zwanges sich mit ihnen zu beschäftigen zur Hölle. Erst recht unter ständigem Notendruck und zu absurden Uhrzeiten wie 8 Uhr in der Früh. Wenn du Montagmorgen in der Klasse hockst und bereits über die Freitagabendgestaltung nachdenkst, denkst du dir da nicht auch gelegentlich: Irgendwas stimmt mit diesem Leben doch nicht?!

Wer? Wie? Was?
Aber warum existiert eine Institution wie Schule überhaupt in unserer Gesellschaft? Man könnte meinen, um den Menschen ein Allgemein- und Fachwissen zu vermitteln, damit man im Alltag möglichst gut zurechtkommt. Für grundlegende Dinge (Grundrechenarten, Lesen/Schreiben, zentrale historische Zusammenhänge usw.) erscheint dies auch logisch. Jedoch stellt sich die Frage, inwiefern z.B. die Fähigkeit, Algorithmen auszurechnen und Kenntnis über die verschiedenen Monosacharidketten zu besitzen, mir bei meiner Alltagsbewältigung helfen soll. Außerdem: Angenommen, das oft gepredigte, zynische Motto „Fürs Leben lernen wir“ wäre tatsächlich Grundlage des staatlichen Schulbetriebs, wäre es dann nicht sinnvoller, viel mehr alltagstaugliches Wissen wie Kochen oder Sozialverhalten zu vermitteln? Die Annahme, dass Schule existiert, damit jede_r Einzelne in der persönlichen Entwicklung und im Alltag unterstützt wird, scheint somit vollkommen naiv und absurd.
Andere, die sich vielleicht politisch in der linken Ecke verorten würden, meinen, Schule sei deshalb so langweilig und „ineffektiv“, weil „die Politiker und die Reichen“ „das Volk“ dumm halten wollen, damit diese nicht auf revolutionäre Gedanken kommen. Ergo werden dann Forderungen wie etwa nach einem höheren Bildungsetat und besserem deutschen Abschneiden bei den PISA-Tests laut, oder, wie zuletzt bei den bundesweiten Schulstreiks, es wird sich darüber beschwert, dass so viele Schulstunden ausfallen. Komisch, dass wäre tatsächlich das Letzte, was ich an der Schule zu kritisieren hätte, im Gegenteil: Ich freue mich über jede Schulstunde, die ausfällt und in der ich mich statt mit den Funktionen der verschiedenen Organe des Luchses mit anderen, sinnvolleren Sachen beschäftigen oder einfach ausschlafen kann. Mal ganz abgesehen davon, dass es absurd ist, davon auszugehen, dass ein höherer Bildungsgrad einen Menschen zwangsläufig dazu bringt, über die Gesellschaft nachzudenken, bewusster zu leben und so vielleicht auch irgendwann auf wie auch immer geartete „revolutionäre Gedanken“ zu kommen, ist diese Annahme schlicht selbstüberschätzend; hier wird der Einfluss der politischen Linken auf die Gesellschaft und die Bevölkerung der BRD leider maßlos übertrieben.

Wieso? Weshalb? Warum?
Vielleicht ist es für die Suche nach Sinn und Zweck von Schule in unserer Gesellschaft sinnvoller, wenn man nicht von „Schule im luftleeren Raum“ ausgeht, sondern sich die Funktionsweise unserer Gesellschaft anschaut und anschließend überlegt, welche Rolle die Schule bzw. Bildung generell in dieser einnimmt. Dann kommt man nämlich schnell zu der Erkenntnis, dass ohne Menschen, die (fast) jeden Tag arbeiten gehen und um die verfügbaren Arbeitsplätze konkurrieren, hier so gut wie nichts funktioniert. Das Prinzip Lohnarbeit scheint zentral wichtig und damit auch die Eignung der Menschen für die verschiedenen Arbeiten. Um bei Siemens irgendwelche Staubsauger zu entwickeln, braucht man eine Ausbildung in Elektronik und als Architekt_in sollte man über Grundwissen in mathematischer Statik verfügen. Langsam wird es offensichtlich: Eine Hauptaufgabe des staatlichen Bildungsbetriebs im Kapitalismus ist die Ausbildung von „Menschenrohmaterial“ zu fähigen Arbeitskräften, damit diese anschließend möglichst fachkundig für die verschiedenen Unternehmen oder auch für den Staat selber schuften können. Für uns alle konkret heißt das, dass nach den vielen Jahren Schule (plus eventuell Uni oder Ausbildung) noch viele Jahrzehnte Lohnarbeit anstehen, bevor wir dann Ende 60 endlich in Rente gehen und mit dem Leben anfangen können. Irgendwas stimmt hier nicht.

Zurück zur Schule…
Neben einer derartigen ökonomischen Funktion kommt Schule in der bürgerlichen Gesellschaft auch eine ideologische zu. Warum wird in Geschichte zum Beispiel immer nur die deutsche bzw. die als „deutsch“ konstruierte, sprich die Geschichte der Gebiete der heutigen BRD behandelt? Wenn’s hoch kommt, ist auch mal die französische oder die englische Revolution Thema; durch diese hauptsächlich auf Deutschland und Europa gerichtete Fokussierung des staatlichen Geschichtsunterricht wird uns Schüler_innen vermittelt, dass die vor 2000 Jahren lebenden Germanen in irgendeiner Hinsicht mehr „zu uns gehören“ als zum Beispiel die Mongolen oder die alten Chinesen. Somit soll auch in Hinblick auf aktuelle politische Debatten die konstruierte deutsche Nation gerechtfertigt und pseudowissenschaftlich erklärt werden.
Ein anderes Beispiel für die ideologische Funktion der Schule im Kapitalismus ist neben dem Deutsch- oder dem Religions- bzw. Ethikunterricht die „Politische Wissenschaft“. Alle vier Semester der Oberstufe bauen nämlich auf dem staatsbürgerlichen Irrglauben auf, der Staat wäre als Ausdruck des „Allgemeinwillens“ der Bevölkerung in der Lage, die Gesellschaft wesentlich alleine zu gestalten. Aber kein_e PW-Lehrer_in kann leugnen, dass es in der bürgerlichen Gesellschaft sich widersprechende Interessen, etwa zwischen Arbeitnehmer_in und Chefetage, gibt und die Idee des „Allgemeinwillens“ somit komplett irrsinnig ist. Außerdem werden die unserer Gesellschaft zugrunde liegenden ökonomischen Prinzipien, die den Alltag hauptsächlich bestimmen, so gut wie gar nicht behandelt.

…und zur Gesellschaft
Jetzt da wir sowohl die ökonomische als auch die ideologische Aufgabe von Schule im Kapitalismus grob erfasst haben, wird auch klarer, was ein „erfolgreiches“ Schulsystem ist. Nämlich keineswegs, wie das weiterhin von einigen naiven Gutgläubigen behauptet wird, die Vermittlung von möglichst viel Wissen für Alle – denn dann wäre der Großteil der Arbeitskräfte nämlich überqualifiziert und wer soll dann noch bei Kaisers an der Kasse sitzen?! Aber auch kein „Dummhalten“ der Bevölkerung: Deutsche Unternehmensvertreter beschweren sich regelmäßig über die schlecht ausgebildeten Arbeiter_innen, die das deutsche Schulsystem produziert, woraufhin Politiker_innen schnell verlauten lassen, dass alles Mögliche für eine Besserung der Lage getan würde. Ein erfolgreiches Schulsystem im Kapitalismus sorgt neben der ideologischen Formung der Schüler_innen vielmehr für eine möglichst optimale Befriedigung der unternehmerischen Anforderungen an „deren“ Lohnarbeiter_innen. In Nationalökonomien, in denen wenig Facharbeiter_innen, dafür viel körperliche Arbeitskraft gebraucht wird, ist es also durchaus gewollt und auch innerhalb kapitalistischer Logik notwendig, dass ein Großteil der Bevölkerung keinen guten Bildungsgrad besitzt, weshalb das Abschneiden bei den internationalen PISA-Studien kein Indikator für ein „gutes“ oder „schlechtes“ Bildungssystem ist.
Forderungen nach „besserer Bildung für alle“, Lernmittelfreiheit oder kleineren Klassen machen die Schulzeit für die_den Einzelne_n vielleicht teilweise erträglicher, greifen aber zu kurz, da sie den dummen Zweck von Schule im Kapitalismus überhaupt nicht in Frage stellen bzw. sich diesem oft gar nicht bewusst sind. Somit wird auch beim Thema Schule/Bildung ein weiteres Mal deutlich, dass die Lösung von gesellschaftlichen Problemen und damit auch eine wesentliche Besserung unserer individuellen Situation nur erreicht werden können, wenn das große Ganze, die derzeitige nationalstaatlich-kapitalistische Organisierung der Gesellschaft überdacht und letztlich durch Alternativen ersetzt wird.

auch in Göttingen

(m) 17.06.2009 - 23:19
Auch in Göttingen wurden 3000 Exemplare der Zeitung 'Straßen aus Zucker' verteilt. Einen Bericht von der Demo dort gibt es hier:  http://de.indymedia.org/2009/06/253698.shtml

Einen Bericht von der Besetzung in Göttingen gibt es hier:  http://de.indymedia.org/2009/06/253631.shtml

Straßen aus Zucker statt Deutschland

Sonja 17.06.2009 - 23:32
Straßen aus Zucker statt Deutschland

Erinnerst du dich noch an die „Du bist Deutschland!“-Kampagne oder die Zeitungsüberschriften „Weltmeister der Herzen“ und „Wir sind Papst!“?
Im Jahr 2009 wird sowas wieder verstärkt auf dich zukommen – in der Schule oder Universität, im Fernsehen und Radio, auf der Straße und im Internet. Dieses Jahr wird ein deutsches „Superjubiläumsjahr“, denn am 23. Mai wird der 60. Geburtstag des Grundgesetzes gefeiert und rund um den 9. November an den 20. Jahrestag des ‘Mauerfalls’ erinnert. Außerdem wird im Sommer der Varusschlacht vor 2000(!) Jahren als „Geburtsstunde der Deutschen“ gedacht und im September steht schließlich die Wahl des neuen Bundestages an. Das Ganze wird ein wahrer Marathon in dem Freiheit und Demokratie und vor allem das große „wir“ beschworen wird – zumindest für die, die zu diesem „wir“ gehören, also die, die „deutsch“ sind.

Rasse? Kultur? Demokratie?

Nach aktuellen Umfragen sind über 80% der „deutschen Jugendlichen“ stolz darauf „deutsch“ zu sein. Doch was ist das eigentlich – „deutsch“? Im Grunde nur eine Staatsangehörigkeit, die mit verschiedenen Rechten verbunden ist, die Menschen ohne deutschen Pass verwehrt bleiben. Doch wie kann man auf sowas stolz sein? Stolz kann man auf etwas sein, was man geleistet hat, aber doch nicht darauf zufällig an diesem Ort der Erde geboren worden zu sein und „deutsche“ Eltern zu haben. Oder haben „wir“ etwas geleistet? „Wir“ alle zusammen? Bist du stolz, wenn die deutsche Fußballnationalmannschaft ein Spiel gewinnt? Warum? Warst du auf dem Platz? Hast du was dazu beigetragen? Was verbindet dich damit? Diese Frage ist die Frage der Fragen, wenn es um Nationen geht. Wer gehört warum dazu und welchen Zweck hat das ganze eigentlich? Ein schlüssiges Argument für die Zugehörigkeit zu einer Nation gibt es nicht, dafür aber allerhand Mythen und „Begründungen“. Doch egal ob nun „Rasse“, Kultur, Sprache, Religion oder „gemeinsame Geschichte“ – die Nation begründet sich im Grunde immer mit sich selber. Das was da das Verbindende sein soll, wird immer erst dazu gemacht bzw. entsprechend zurecht gebogen.

Ich kann mich nicht erinnern, mich auf eure Regeln geeinigt zu haben!

Zumindest bei der Frage nach dem Zweck eines Nationalstaates gibt es in dieser kapitalistisch organisierten Welt aber ein ganz klare Antwort, die gerade schon angedeutet wurde: Wenn du z.B. die deutsche Staatsangehörigkeit hast kommst du in den „Genuss“ alles machen zu können und zu müssen, was das Grundgesetz (und die darauf aufbauende Gesetzgebung) vorgibt. Darauf z.B. sind die Deutschen auch total stolz – auf das Grundgesetz und die darin verankerte Freiheit. Doch was ist das für eine Freiheit? Keine_r außer „deinem“ Staat darf dich zu was zwingen, doch einem Zwang unterliegst du trotzdem. Wenn du nicht gerade ausreichend Kohle hast mußt du, nachdem du in der Schule dafür „fit“ gemacht wurdest, auf dem Arbeitsmarkt deine Arbeitskraft verkaufen. Denn in dieser Gesellschaft gehts nicht um unsere Bedürfnisse, sondern nur darum was du bezahlen kannst und was sich gut verkaufen läßt. Es geht darum aus Geld mehr Geld zu machen und sich gegen die anderen durchzusetzen. Der Unternehmer muß sich gegen sein Konkurrenten durchsetzen, wie du dich auch gegen die anderen durchsetzen mußt, wenns z.B. um einen der knapper werdenden Arbeitsplätze geht. Damit das nicht alles drunter und drüber geht und wieder die nackte Gewalt und das Recht des Stärkeren herrscht, fungiert der Staat als regelnde Instanz. Mit Gesetzen und Sozialleistungen, Konjunkturpaketen und Durchhalteparolen wird dafür gesorgt, das alles weitestgehend reibungslos verläuft. Der Staat regelt also auf nationaler Ebene die Konkurenz, steht aber auch selber mit den anderen Staaten in Konkurenz etwa um Absatzmärkte und Rohstoffe. Als Steuerstaat ist er außerdem auf den Erfolg der nationalen Unternehmen und auch seiner Bürger_innen angewiesen, genauso wie diese auf ihn angewiesen sind. So macht es natürlich einen entscheidenden Unterschied ob man in der reichen BRD oder etwa in einem der Länder aufwächst, in denen der gesellschaftliche Reichtum nichtmal dafür reicht Menschen vor dem Hungertod zu bewahren. Der einzige Grund sich mit „seinem“ Staat, „seiner“ Nation verbunden zu fühlen beruht also auf ohnehin absurden und menschenverachtenden Regeln – Lohnarbeit, Konkurrenz, Gewinnstreben,…

Etwas besseres als die Nation

Doch in diesem Jahr werden euch nicht nur eure Lehrer_innen und die hyperaktiven Moderator_innen bei Viva mit diesem ganzen Freiheit-Einheit-Deutschland-Quatsch nerven. Es gibt zahlreiche Jugendliche, die ihr Möglichstes geben werden, dagegen zu halten und der peinlichen Abfeierei eine Absage zu erteilen. So wird zum Beispiel im April die kostenlose Jugendzeitung „Straßen aus Zucker“ erscheinen und ausführlich kritisieren, was an Staat, Nation und Kapitalismus grundlegend falsch ist und was das eigentlich mit euch zu tun hat. Auf der dazugehörigen Internetseite könnt ihr nicht nur die Texte nachlesen, sondern auch weitere Infos zu den Themen erhalten und euch über aktuelle Termine informieren.

Ein Projekt der Antifaschistischen Jugendaktion Kreuzberg, der Antifaschistischen Schüler_innen Vernetzung und T.O.P-Berlin.

antikapitalistischer Block

antifa 17.06.2009 - 23:37
Cool war auch der antikapitalistische Block in der Mitte der Demo mit dem schönen Fronttransparent: "Kapitalismus war als Kind schon scheisse!" Genau!

Studenten stürmen Mainzer Abgeordnetenhaus

Mainzer 17.06.2009 - 23:40
"Bildung für alle und zwar umsonst": Mit solchen Parolen haben Schüler und Studenten bundesweit für bessere Bildung demonstriert. Ein Hauch von Anarchie lag in Mainz in der Luft: Das Abgeordnetenhaus wurde gestürmt - mit jeder Menge Klopapier.

Alles okay? Für die Demonstranten ist es das nicht - und für die Mainzer Landtagsabgeordneten bald auch nicht mehr. Am Mittag stürmt eine Gruppe das Abgeordnetenhaus, die Schüler und Studenten wollen den Parlamentariern "persönlich die Meinung sagen". Dutzende junge Leute besetzen die Gänge, die Polizei spricht von 70 Eindringlingen. "Das sieht aus wie nach einer kleinen Schlacht", beklagt Landtagssprecher Dieter Lang später. Die Demonstranten hätten Wände mit Parolen beschmiert, Aufkleber hinterlassen und Teile einer Ausstellung zum 20. Jahrestag des Mauerfalls entwendet. Zudem hätten sie große Mengen Toilettenpapier im Gebäude verteilt, sagte Lang: "Ich gehe davon aus, dass Landtagspräsident Joachim Mertes Strafanzeige stellen wird."


Doch die Anarchie ist schnell vorbei: Nach einer Verwarnung durch die Polizei verlassen die Demonstranten das Abgeordnetenhaus nach einer knappen halben Stunde wieder friedlich. Doch der Bildungsstreik geht weiter: Für Donnerstag ist in vielen Städten ein Tag des zivilen Ungehorsams angekündigt: Studenten wollen symbolisch Banken überfallen.

Taschenkontrollen und Sondierung durch PMS

Streiker 18.06.2009 - 12:46
Uniformierte Polizisten kontrollierten die Taschen von Personen auf dem Weg zum Rathausplatz. Dabei wurde nach einschlägigen Mustern vorgegangen: Kleinere Gruppen, überwiegend schwarz gekleidet.

Wenigstens zwei von der Einheit "Politisch Motivierte Strassengewalt" in zivil sondierten die Stimmung auf dem Platz vor Demobeginn.

Wie heisst es doch so schön: "Bei Hundert oder Tausend kriegen sie langsam Ohrensausen!"

Krawall und Remmidemmi in Berlin

--- 19.06.2009 - 23:53
Bildungsstreik mit Dachaktion und Uni-Stürmung, berennende Luxusautos, Flughafenbesetzung,... Spiegel TV macht sich Sorgen um die Hauptstadt und fragt nach - wie gewohnt ideologisch gekonnt zurecht geschnitten.

Video:  http://www.youtube.com/watch?v=KNlCfvmaSGs

 http://strassenauszucker.blogsport.de/ &  http://tempelhof.blogsport.de/

weitere Bilder

Dein Name 20.06.2009 - 13:05
www.flickr.de/photos/rot-blog

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 4 Kommentare an

Dachaction — egal