Zagreb LGBTIQ Pride

a3yo 14.06.2009 00:57 Themen: Freiräume Gender Kultur Soziale Kämpfe Weltweit
Heute fand zum achten mal eine LGBTIQ (lesbischschwulbitransintersexuellqueer) Pride Parade in Zagreb, der Hauptstadt von Kroatien mit etwa fuenfhundert Teilnehmer_innen statt. Im Vorfeld haben die Organisator_innen bereits in ihrem Aufruf deutlich gemacht, dass die oeffentliche Praesenz besonders wichtig ist, um selbstbestimmte Lebensweisen jenseits der Heteronormalitaet durchsetzen zu koennen:
"Pride-Events dienen zum öffentlichen Versammeln von Menschen, die sich als lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, transsexuell und intersexuell (LGBTIQ) begreifen. Und so ein Treffen von äußerst politischer und sozialer Wichtigkeit darstellt. Eure Präsenz würde die LGBTIQ Community in Südosteuropa bestärken, für unsere Rechte zu kämpfen und einen starken Einfluss auf kroatische Institutionen, politische Organisationen und die Öffentlichkeit haben, Rechte von LGBTIQ Menschen zu untestützen und zu befürworten."
( Uebersetzung, Original: www.zagreb-pride.net )

Die Pride in diesem Jahr war aus zwei Gruenden eine Besondere. Zum einen jaehrt sich der Aufstand von Stonewall im Jahr 2009 zum 40.mal. Zum anderen gab es dieses Jahr das erste mal eine angemeldete legale "Anti-Pride" Demonstration, die von diversen kleinen kroatischen faschistischen und nationalistischen Gruppen und Parteien ins Leben gerufen wurde.

Nachdem es die letzten Jahre immer wieder zu brutalen Uebergriffen auf Teilnehmer_innen der Pride kam und letztes Jahr nur knapp ein Angriff mit einem Molotov-Cocktail auf die Pride durch die Polizei verhindert werden konnte, war die Stimmung vor der Pride hier lokal ziemlich angespannt. Die Route der Pride sollte heute an dem Gegenprotest vorbeifuehren und es wurden beim Auftakt der Pride bereits Flugblaetter verteilt, auf denen stand, dass wir uns nicht provozieren lassen sollen und die Stimmung besser nicht anheizen, wenn wir den Platz (Trg bana Jelačića) passieren. Der Auftakt Platz (Trg Marshala Titova) in Zagreb war von Polizeieinheiten und einer Privaten Sicherheitsfirma rundum gesichert, so dass Angriffe durch groessere Gruppen schnell bemerkt und zurueckgeschlagen werden koennten. Eine traurige Realitaet, die mir gegenueber auch einer der Organisator_innen vor einiger Zeit bereits mitteilte, ist, dass die Pride ohne diesen massiven Bullen-Schutz nicht stattfinden koennte. Ein merkwuerdiges Gefuehl, sich auf Cops verlassen zu sollen, die als staatliche Gewalt nunmal strukturell gegen anarchistische Bewegung agiert.

Wir bewegten uns darauf im gepanzerten Polizeikessel mit Luftballons und bunten Schildern durch die kleinen Strassen der Innenstadt und erreichten den Ort der Gegenkundgebung (Trg bana Jelačića), wo mir etwas mulmig wurde. Vorneweg gab es einen Cop, der einen Feuerloescher mit Pfefferspray fuer den Fall der Faelle umgeschnallt hatte. Neben mir taenzelte ein maennlicher Aktivist in weiblicher Militaeruniform, langen Stiefeln und Unterhose selbstbewusst mit der Regenbogenfahne. Wenige Menschen waren wirklich "dressed up". Vor allem Maenner wirkten meist eher vorsichtig und es gab auch eine antifaschistische Gruppe mit einem Banner und Flaggen, auf denen "Tod dem Faschismus" stand sowie Politiker_innen der gruenen Partei, die allesamt nicht aussahen, wie ich es von westlichen CSD / Pride Demonstrationen kenne, eher zurueckhaltender.

Der Pride in Zagreb ist ein eher politisches Event. Das wurde auch deutlich, als zu Beginn der Demonstration die angereisten Unterstuetzer_innen-Gruppen per Megafon begruesst wurden. LGBTIQ Aktivist_innen aus Belgrad mit einem Banner "Wir sehen uns in Belgrad" spielten darauf an, dass sie sich nicht laenger durch die Gewalt der Strasse abhalten lassen wollen, auch wieder einen Pride in Belgrad abhalten zu koennen. (siehe zum Thema Belgrad Pride z.B. auch:  http://www.amnesty.at/lgbt/archiv/standing%20up.htm ) Ausserdem waren Menschen aus Bosnien vertreten, die ebenfalls einen weitaus schwereren Stand vor Ort haben. Wie mir eine Aktivistin erzaehlte, wurde das Queer Sarajevo Fest letztes Jahr vorzeitig abgebrochen, weil unter anderem religioese Fundamentalist_innen ein solches Bedrohungsszenario aufbauten, dass es den Organisator_innen dieses ersten Events zu sexueller Orientierung und Queer-Sein im weitesten Sinne in der bosnischen Geschichte zu riskant erschien, fortzufahren (siehe auch:  http://eng.queerbeograd.org/index.php?option=com_content&task=view&id=57&Itemid=1 ) Die Zagreb Pride wird somit zu einem Ort, an dem Menschen aus den verschiedenen Kriegsregionen Ex-Jugoslawiens (und darueber hinaus) zusammenkommen und sich als Community nicht nur gegen Homophobie und Transphobie stellen, sondern auch andere Themen wie Antirassismus und Feminismus ansprechen und problematisieren. Was mich heute etwas gestoert hat war der sicherlich auch als Provokation gedachte Bezug zur Nation. Einerseits gab es eine albanische Fahne, die mitgetragen wurde, andererseits wurde davon gesprochen, dass "auch wir Kroatien sind". Das mag sicher richtig sein, auch dass es LGBTIQ People in Albanien gibt und diese keinen Raum haben in der Oeffentlichkeit und dies durch das Tragen der Flagge thematisiert wird, aber dennoch wirkt das auf mich eher nationalistisch und damit wieder auf anderen Ebenen ausgrenzend.

Als wir also den Platz in der Innenstadt erreichten, erwartete uns bereits eine Menge von aufgebrachten homophoben Faschistinnen und Faschisten, die neben Nationalfahnen auch Schilder mit "Zagreb Pride - die Schande meiner Stadt", "Kroatien hat immer weniger Kinder" oder "Heute Homosexuelle, morgen Kinderschaender" wedelten und durch Cops in voller Montur von uns ferngehalten wurden. Einige liessen es sich dennoch nicht nehmen, sich mit den Cops anzulegen, etwa 30 Personen, wie die Zeitung hier schreibt. Die Masse war aber groesser, brachte dumme Sprueche und poebelte uns durch die Bullenkette hindurch an. Aber zu erwarteten Zwischenfaellen kam es nicht.Heute abend fand ebenfalls ein Konzert der bekannte serbischen Saengerin Lepa Brena statt, so dass die Nationalist_innen und Faschist_innen doppelt "Grund" zum protestieren hatten. Auch gegen diesen Auftrtt fand demnach ein Protest mit beinahe den gleichen Spruechen statt (z.B. "Lepa Brena - die Schande meiner Stadt")

Der gefaehrlichere Teil der Zagreb Pride sollte noch folgen, so wie die letzten Jahre. Denn als wir uns am Abschlussplatz sammelten und neben ein paar Reden auch Musik gespielt wurde und wir ausgelassen tanzen konnten, sickerten schon die Infos durch, dass kleine Gruppen von Faschist_innen in den Strassen lauern, um Leute abzugreifen und zu verdreschen. Das ist letztes Jahr auch passiert, einige Leute wurden ziemlich zusammengeschlagen. Heute kam es ebenfalls zu mindestens einem Schwerverletzten, der auf dem Weg nach Hause aufgelauert wurde. Ihm wurde unter anderem die Nase zerschlagen. Von weiteren Uebergriffen ist mir zu diesem Zeitpunkt nichts bekannt.
Die "Space invaders against homophobia" Aufkleber von der Rosa Antifa Wien, die ich mit dabei hatte, sind uebrigends sehr gut weggekommen auf der Demo ;-)
Erstaunlich fand ich die geringe internationale Beteiligung, dafuer das die Mobilisierung komplett auch auf englisch lief und Zagreb nah an Wien und anderen Metropolen liegt.


Es gibt einige Bilder der Zagreb Pride und der Faschist_innen sowie einen kroatischen Artikel hier:
 http://www.index.hr/vijesti/clanak/trojica-antigay-nasilnika-pretukla-27godisnjaka-privedeno-petero-izgrednika/437746.aspx

Ein Videoclip zum heutigen Tag findet sich hier:
 http://www.youtube.com/watch?v=Y6hVu_1UgZ8

Ein aelterer Artikel von mir zum Thema "Sexuelle Orientierung und Öffentlichkeit in Südosteuropa":
 http://a3yo.noblogs.org/post/2009/05/27/sexuelle-orientierung-und-ffentlichkeit-in-s-dosteuropa
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Ergänzungen

english version

a3y0 14.06.2009 - 20:16
see here:  http://a3yo.noblogs.org/post/2009/06/14/zagreb-lgbtiq-pride-en

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Yesterday the 8th LGBTIQ (lesbiangaytransintersexualqueer) pride took place with around 500 people in zagreb, the capital of croatia. Beforhand the pride organisers made clear with their call that public visibility is very important from their point of view to make the choice of non-heteronormal ways of life possible:
"Pride events serve as a public gathering of lesbian, gay, bisexual, transgender, transexual and intersex (LGBTIQ) persons, and as such represent a gathering of utmost political and social importance. Your presence would encourage South-Eastern European LGBTIQ community to fight for our rights and as well give a strong impact to Croatian institutions, political organizations and public to advocate and/or support LGBTIQ rights."
( from: www.zagreb-pride.net )

The pride this year was for two reasons something special. On the one hand the stonewall riots have their 40th anniversary in 2009. On the other hand it was first time this year that a legal "anti-pride" demonstration was announced by variouse small croatian fascist and nationalist groups and parties.

Violent attacks against participants of the pride were common the last years and last year there was even an attempt to attack with a molotov-cocktail, which was made impossible just because of police presence. So tension was high in the context of this years pride beforhand. The route should lead beneath the counter-protest and at the beginning of the pride sheets were delivered with instructions not to let yourself been provoked by them and not to make things worse when passing by the square (Trg bana Jelačića). The start of parade was Trg Marshala Titova and police-squads were all around, supported by a private security company, to avoid attacks of bigger groups on participants. A sad reality, which one of the organisors mentioned me some time befor allready, showing that it is not possible to make pride to happen without such a cop-support. A strange feeling to be told to trust the cops, who are as state violence force from their structure against anarchist movements.

We moved surrounded by riotcops with colorfull balloons in our hands and with posters through the small streets of the inner city, reached the place of the counter-demonstration and i was feeling a bit unshure. In front was a cop who had a fire-extinguisher with pepperspray for the case of cases. (maybe it was also just a normal fire-extinguisher i am not shure, but felt like it has to be with pepperspray in that situation). Next to me a male activist was dancing in a female militair-uniform, long boots and without trousers, selfconfident with his rainbow-flag. Few people were dressed up. Especially men seemed to be more discreet and there had been also one antifascist group with banners and flags saying "dead to the fascism" and some politicians from the green party, who all in all did not look like people you would meet at western CSD (cristopher street days) or pride demonstration, these were more reservated.

The pride in zagreb is a more political event. This was becoming clear as when demonstration started the arrived supporter-groups were per megafon welcomed. LGBTIQ activists from belgrade with a banner saying "we see each other in belgrade" was naming the conflict about the violence in the streets and that people from belgrade exist, who do not want to take this violence any more and who want to make a pride in belgrade again as well. (see for this topic f.e.  http://news.bbc.co.uk/2/hi/europe/1415789.stm ) There have been also people from bosnia, who have also a more problematic local situation. As one activist was telling me after pride the queer fest in sarajevo last year was cacelled because religiouse fundamentalists were pushing threat scenarios in public that organisors decided to not continue this first event ever about sexual orientation and queer in broadest sence in bosnian history (see:  http://www.queer.ba/qsf-en.htm and  http://eng.queerbeograd.org/index.php?option=com_content&task=view&id=57&Itemid=1 )
The zagreb pride is therefor also a place where people from different war zones from ex-yugoslavia (and abroad) gather to be not only as a community against homophobia and transphobia but who also rise topics like antiracism and feminism. What was disturbing me today was the probably also provoking connection to nations. On the one hand some people carried an albanian flag, on the other hand it was spoken "we are also croatia". This is the truth in a way and it is also for shure that there are LGBTIQ people in albania who are not visible in public and this can be problematically rised by a flag, but for me it looks too much nationalistic and therefor excluding on other levels.
So we reached the square in the inner city which was filled allready with a mass of emotional homophob fascists, who had not only their national banners but also posters saying "zagreb pride - shame of my city", "croatia has not enough children" or "today homosexuals, tomorrow paedophiles". They were seperated by a lot of riot cops between them and us. Some eventhough did not want to take this and were struggeling with the police (around 30 of them as newspapers said, 4 were even arrested because of that situation). The mass was much bigger, was shouting stupid things through the cops line to us. But it was not as we expected coming to physical violence against us. The same day in the evening was a concert of the famouse serbian singer Lepa Brena in the city, so nationalists and fascists had double "reason" to protest. And against her gig there was as well a protest with nearly the same slogans (f.e. "Lepa Brena - shame of my city")

The more dangerouse part of the zagreb pride should follow later, like the last years. When we gathered at the final square and beneath some speeches also music was played, we could dance wild, the information was spread that small groups of fascists were gathering in the streets around to observe and beat up people later on. This was happening last year as well, some people were heavilly injured. This time it was also at least one heavilly injured person, who was catched in front of his living place and destroyed nose beneath other violence as i heard. Till now no other attacks were announced to me.
The "space invaders against homophobia" stickers from the rosa antifa vienna i had with me were quickly delivered on the demonstration ;-)
But surprising to me was the very rare international participation, because the mobilisation was completely also in english and zagreb is close to vienna and other metropoles.

Here are some pictures of the pride and of the fascists inside an croatian written article:
 http://www.index.hr/vijesti/clanak/trojica-antigay-nasilnika-pretukla-27godisnjaka-privedeno-petero-izgrednika/437746.aspx

A short videoclip about the day you can find here:
 http://www.youtube.com/watch?v=Y6hVu_1UgZ8

I wrote an older article in german, named "Sexuelle Orientierung und Öffentlichkeit in Südosteuropa":
 http://a3yo.noblogs.org/post/2009/05/27/sexuelle-orientierung-und-ffentlichkeit-in-s-dosteuropa

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