Sommer, Sonne, Sozialismus?

Marcel Kunzmann 13.06.2009 19:47 Themen: Globalisierung Weltweit
»Wir befinden uns im Jahre 18 nach der Selbstauflösung des sozialistischen Lagers. Die ganze Welt ist vom Imperialismus besetzt. Die ganze Welt? Nein! Eine von unbeugsamen Revolutionären bevölkerte Karibikinsel hört nicht auf, dem Kapitalismus Widerstand zu leisten.« - So oder so ähnlich müsste die Einleitung zu diesem Bericht wohl lauten, wenn wir uns in Asterix-Manier an das Thema Cuba heranwagen würden. Undman darf wohl sagen, das Thema Cuba, schließlich handelt essich bei diesem Land nicht nur um irgendeine unbedeutende Karibikinselunter vielen, sondern um den (wenn man von solch ideologischen Unfällenwie Nordkorea einmal absieht) letzten Hort des real existierendenSozialismus.

Ein Reisebericht über die Republik Cuba.

Dies, und natürlich das subtropische Klima, die karibischen Strände und die paradiesischen Naturlandschaften waren die Gründe, weshalb ich mich schon länger mit dieser Insel beschäftigte und mir dieses Land auch einmal mit eigenen Augen besehen wollte. Denn über unsere bürgerlichen Medien etwas über Cuba zu erfahren, dass auch nur annähernd den tatsächlichen Verhältnissen dort entspricht, ist sehr schwierig. So findet man vielleicht noch auf Arte die ein oder andere Dokumentation, welche um wirkliche Objektivität bemüht ist. Die meisten Berichte jedoch bedienen sich der selben antikommunistischen Klischees, wie die Propagandaschlachten des kalten Krieges. Fernab von illusionären Träumereien vom »sozialistischen Paradies« und auch fernab der flachen Sprüche vom »Castro-Regime«, hat mich die Wahrheit über dieses Land interessiert. Warum gilt Cuba heute bei uns als Vorzeigebeispiel einer Diktatur? Warum investieren die USA jedes Jahr Millionen Dollar in Geheimdienstarbeit gegen diesen kleinen Karibikstaat? Warum wird über Cuba so viel, wie über kein anderes karibisches Land berichtet? Und warum wird - trotz dem offiziellen Ende des kalten Krieges - das Embargo gegen das wirtschaftlich unbedeutende Cuba weiterhin aufrechterhalten? Irgendetwas konnte da nicht stimmen. Es war höchste Zeit für mich, dieses Land zu besuchen.

Als ich dann schließlich meine Eltern, die ohnehin schon immer mal in die Karibik wollten, nach längeren Diskussionen überzeugen konnte, war die Reise bald für 2009 fest gebucht. Vom 21. Mai bis zum 3. Juni durchquerten wir mit einem Mietwagen die Insel. Von Havanna über Matanzas, Santa Clara, Trinidad, Cienfuegos wieder zurück nach Havanna (um nur einige Städte zu nennen), sahen wir in diesen zwei Wochen jede Menge von Land und Leuten. Viele der vorher gefassten Urteile musste ich korrigieren, einiges hat sich allerdings auch bestätigt. Klar war für mich nur: Wenn es irgendwo noch eine gelebte Alternative zum Kapitalismus gibt, dann auf Cuba.

Meine ersten Impressionen von diesem Land stammen noch aus dem Flugzeug. Schlaftrunken sah ich aus dem Fenster die ersten Umrisse der Insel, kurz darauf den Flughafen »José Martí«, benannt nach dem cubanischen Freiheitskämpfer und Nationalhelden, welcher bereits im 19. Jahrhundert für die Unabhängigkeit seines Landes kämpfte. Am Flughafen selbst mussten zuerst einige Formalitäten geklärt werden, bevor wir nach Kontrolle unseres Passes durch eine freundliche Zollbeamtin an unser Gepäck kamen. Was mir zuerst schon im Flughafengebäude auffiel: Irgend etwas fehlte. Achja, die Werbung! Es gab keine Werbung. Nirgends waren die ansonsten so allgegenwärtigen Dauerberieselungen, die zugeklebten Wände, die Coca-Cola Plakate zu sehen. Sehr angenehm. Noch am Flughafen trafen wir auf eine freundliche Dame namens Clothilde, von der cubanischen Reiseagentur. Da sie in der DDR studiert hatte, sprach sie fließend Deutsch und half uns, an einen Mietwagen zu kommen. Mit Blick auf mein Lenin T-Shirt lautete ihr erster Kommentar: »Mit diesem T-Shirt wirst du hier sehr viele Freunde finden.« Ironie? Nein, tatsächlich: Schon 10 Minuten später bekundete der Beamte beim Umtauschschalter von Euro in die cubanische konvertible Währung (CUC), auf Englisch seine Sympathie für den Herrn Lenin. Da sich das mit dem Mietwagen doch noch etwas länger hinzog, blieb mir genug Zeit um mit Clothilde ins Gespräch zu kommen. Sie war eine stämmige Dame von etwa sechzig Jahren, und kennt die Revolution von Beginn an. Meine ersten Fragen gingen gleich ins politisch brisante, Thema Wahlpflicht in Cuba. »Wenn die Leute bei euch sagen, wenn man in Cuba nicht zur Wahl geht verliert man seinen Arbeitsplatz oder bekommt Repressionen, ist das eine Lüge. Wer bis 12 Uhr nicht zur Wahl geht, bei dem klingeln die Pioniere und sagen ›Hey, willst du nicht wählen gehen?‹ - das ist aber alles.«

Auch beim Thema Opposition fand Clothilde klare Worte: »Die meisten Cubaner mögen diese Oppositionellen nicht. Die ›Frauen in weiß‹, und wie sie alle heißen. Die wollen nur Geld von den Amerikanern für sich kassieren. Wenn sie wirklich für das Volk kämpfen, dann sollen sie doch in die Berge, wie Che, und die Leute überzeugen, anstatt sich bei den USA anzubiedern.«

Clothildes Gesicht legte sich in nachdenkliche Falten, man sah ihr deutlich an, dass es ihr ernst war. Auf dem Weg zum Hotel unterhielten wir uns noch etwas über die aktuelle Situation in Cuba, die »Periodo especial«, die Sonderperiode, welche nach der Auflösung der Sowjetunion und dem Verlust fast aller Handelspartner eintrat. Die schwierige ökonomische Situation, das Transportproblem, das Wohnungsproblem und all die andren Probleme sind häufige Gesprächsthemen der Cubaner, die bei der Kritik kein Blatt vor den Mund nehmen. Unterwegs konnte ich am Straßenrand die zahlreichen politischen Schilder bestaunen: »Defendiendo el socialismo«, die Verteidigung des Sozialismus, oder »Hasta la victoria siempre«, ein Zitat von Che, »Vorwärts bis zum Sieg«, war auf ihnen zu lesen. Abends im Hotel ging ich recht früh zu Bett. Schön, gut, also. Die Worte einer Revolutionärin. Mal sehen, was der cubanische Alltag mir davon bestätigen kann.

Am nächsten Tag gingen wir durch die Straßen Havannas. Und auch hier fehlte überraschenderweise die Werbung. Kein Burger King, kein McDonalds, keine BILD-Zeitung. Nirgends. Die Stadt kam so in ihrer vollen Pracht zur Geltung, statt aufdringlicher Leuchtreklame sah man an den Häuserfassaden lediglich handgemalte Bilder über die Revolution, oder hin und wieder ein Zitat Fidel Castros. Allgegenwärtig war neben den alten Häusern aus der Kolonialzeit und den politischen Schildern allerdings auch die schwierige ökonomische Situation der Menschen. Viele nutzten diese jedoch aus, um sich an naiven Touristen zu bereichern. Mit seltsamen Tricks und Betteleien wollen diese den einfältigen Touristen suggerieren, es würde ihnen an Grundnahrungsmitteln mangeln. Doch das passt nicht ganz in ein Land, in dem es an jeder Ecke billige Speisen und Getränke zu kaufen gibt, und wo jeder Einwohner durch die sogenannte Libretta, eine Rationierungskarte, alle notwendigen Güter und Lebensmittel zugeteilt bekommt. Es mangelt zwar an vielem, aber Hunger leiden muss in Cuba keiner, das konnte mir bisher jeder meiner Freunde dort versichern. Viele dieser Leute nutzen daher die zusätzliche Einkommensquelle um sich teure Luxusartikel wie Adidas-Turnschuhe und dergleichen zu kaufen. Aber das sind nun wirklich keine überlebenswichtigen Güter. Überhaupt hatte ich in meiner ganzen Zeit in Cuba durchgehend den Eindruck von einer trotz aller Dispropriationen grundsätzlich intakten Gesellschaft, ohne extreme Armut und ohne ein wie auch immer geartetes Bonzentum. Es herrschte ein reges Stadtleben, mit Autos, Einkaufstüten, mit Kindern die Eis essen, Erwachsenen die Karten spielen und Rum trinken, alten Leuten die auf Parkbänken Zeitung lesen und Zigarre rauchen, manchmal mit dem Enkel auf dem Schoß, manchmal mit Hund. Wenn man sich die Kolonialen Villas besieht, die trotz ihres teilweise schlechten Zustandes nichts von ihrer jahrhunderte alten Würde eingebüßt haben, wie diese heute von Arbeiterfamilien bewohnt werden, wenn man die amerikanischen Luxuskarossen sieht, wie diese heute von Arbeitern gefahren werden, dann merkt man auch, dass man sich tatsächlich in einem sozialistischen Land befindet. Am stärksten kam dieser Eindruck zu Tage, als wir in Havanna eine Führung in einer Zigarrenfabrik machten. Dort herrschten gänzlich andere Verhältnisse, als man es bei uns gewohnt ist. Die Arbeiter wirkten allesamt locker, gelöst, als ob sie diese Arbeit am liebsten täten. In dem riesigen Saal, in dem an die 400 Arbeiter auf Werkbänken Zigarren in verschiedenen Qualitäten drehen, läuft im Hintergrund Techno-Musik. Ganz am Ende hängt ein Plakat: »Zum 50. Jahrestag der Revolution: Lasst uns mehr und effizienter produzieren!«, davor der Tisch des Vorlesers. Jeden morgen wird dort zuerst eine halbe Stunde aus der Granma, der größten cubanischen Tageszeitung, vorgelesen. Danach geht man zu einem Buch über, das die Arbeiter sich ausgesucht haben. Aktuell liest man »Sakrileg« von Dan Brown. Der Vorleser wechselt dabei gelegentlich und bekommt die Zeit als Vorleser voll bezahlt. Nachmittags läuft dann meist Musik. Nach Dienstschluss kann sich jeder Arbeiter täglich 3 Zigarren seiner Wahl mit nach Hause nehmen. Während der Arbeit, darf ebenfalls geraucht werden. Auf Betriebskosten, versteht sich.

Neben der kostenlosen Mittagskantine dürfte aber ein herausragenderes Merkmal die demokratische Mitbestimmung im Betrieb sein: Jede Woche hält die Belegschaft dort eine Sitzung und diskutiert über die Probleme im Betrieb, aber auch über die Probleme des Landes. Ich selbst wurde Zeuge, wie solche Sitzungen abliefen und man nach heftiger Diskussion zu einer Entscheidung kam. Dabei folgt die Betriebsversammlung nicht weltfremden, starren Regeln, sondern wird von den Arbeitern selbst ausgestaltet. Es wird über alles gesprochen: Von den Arbeitszeiten, Arbeitsbedingungen und Löhnen, bis zum Buch für nächste Woche hat die Belegschaft überall die volle Einflussnahme auf ihren Betrieb. Jeder Vorsitzende wird demokratisch gewählt und ist der Belegschaft rechenschaftspflichtig. Im Falle von Amtsmissbrauch kann er sofort abberufen werden, was auch hin und wieder vorkommen soll. Die junge Arbeiterin führte uns durch den gesamten Betrieb und erklärte jeden Produktionsschritt, vom frischen Tabakblatt bis zur fertigen Cigarre. Auch die Emanzipation hat sich scheinbar in der Ökonomie gut durchgesetzt: Die Führungsebene des Betriebs besteht fast durchweg aus Frauen. Darunter sind viele Schwarze und Mulattinnen. Von Rassismus keine Spur. Soviel also zur innerbetrieblichen Demokratie, die in Cuba doch sehr stark entwickelt ist. Mit der, verfassungsmäßig festgeschriebenen, Maximalarbeitszeit von 8 Stunden pro Tag und den hervorragenden Arbeits- und Mitbestimmungsbedingungen, hat sich die cubanische Arbeiterklasse doch einiges erkämpft, wovon man hierzulande höchstens träumen kann. Trotzdem: Die Löhne sind immer noch viel zu niedrig, auch wenn das Ende der Sonderperiode bereits absehbar ist.

Am nächsten Morgen trafen wir auf unseren Freund Lazaro, ein schmächtiger Mann in den Vierzigern, mit kräftigen Gesichtszügen und sonnengebräunter Haut, der eher an einen Spanier denn an einen Cubaner erinnert und den ich durch Zufall vor einigen Jahren kennen lernte, da er Informatiker ist. Er hat uns einen Tag durch Havanna geführt und wir haben erstmals den normalen cubanischen Alltag kennen gelernt. Statt Auto fuhren wir Bus, statt im Restaurant aßen wir im Imbiss für Cubaner, statt des Tourismusbüros besuchten wir Lazaros Freunde zu Hause. Die Straßen von Havanna sind voll von Leuten unterschiedlicher Hautfarbe und unterschiedlichen Alters. Überall wimmelt es von Pionieren, welche Nachmittags die Schule verlassen und die man dann häufig noch bei gemeinsamen Aktivitäten oder Ausflügen antrifft. Havanna hat eine wundervolle Altstadt, die noch aus dem 18. Jahrhundert stammt und leider am verfallen ist. Wenn man aber denkt, dies sei beispielhaft für Cuba, begeht man einen Fehler: Interessanterweise sind in allen anderen cubanischen Städten die Häuser wesentlich besser in Schuss. Für Havanna kam erst in letzter Zeit genügend Geld zusammen, so dass ein Sanierungsprogramm beschlossen werden konnte. Überall sahen wir bereits, wie gestrichen wurde, wie hier und dort neu gefließt oder komplett renoviert wurde. Es tat sich schon einiges. Auch das Transportproblem geht einer Lösung entgegen: Seit einigen Jahren verkehren in Havanna Busse aus Nordkorea und China, die zwar stets überfüllt, dafür aber auch pünktlich, billig und zuverlässig alle Cubaner von A nach B bringen.

Generell sind die Cubaner jedoch ein sehr gemütliches Volk, was sich gerade auch beim Straßenalltag wiederspiegelt: Man stellt sich hinten an und wartet eben, wenn der Bus sehr voll ist. Von der bei uns so üblichen Hektik, ist in Cuba nichts zu spüren. An jenem Tag besuchten wir auch das Revolutionsmuseum. Dort wird die Geschichte Cubas, von den ersten Unabhängigkeitskämpfen aus indianischen Zeiten bis zur Gegenwart beleuchtet. Die größte Zäsur in der neueren cubanischen Geschichte war zweifellos die Revolution von 1959, an dem sich das cubanische Volk vom verhaßten Batista-Regime, einer Handlangerregierung der USA, befreite. Fortan wurde unter der Präsidentschaft Fidel Castros der Sozialismus aufgebaut. Trotz Handelsembargo durch die USA und Wirtschaftssabotage durch den CIA, hat sich Cuba so einen, gemessen mit der restlichen Karibik und den meisten Ländern Lateinamerikas, extrem hohen Lebensstandard mit wegweisendem Gesundheits- und Bildungssystem aufgebaut. Nach 1990 jedoch kam die oben erwähnte Sonderperiode, die zu schwerwiegenden ökonomischen Problemen führte und immer noch führt. Erst seit etwa 10 Jahren wird es merklich besser in Cuba, das schlimmste scheint überstanden. Dazu ist allerdings im Revolutionsmuseum noch keine Ausstellung vorhanden. Man findet aber viele Fahrzeuge aus der Revolution, und, in einem Glasgebäude auch die Granma, jene Yacht, mit der Fidel Castro, Che Guevara und 80 weitere Revolutionäre 1956 in Cuba ankamen und damit den Auftakt zur Revolution gaben.

Auch konnte ich in Havanna die Funktionsweise eines CDR beobachten. Die CDRs heißen auf spanisch »Comités de Defensa de la Revolución« (Komitees zur Verteidigung der Revolution) und sind in jedem Wohnblock vorhanden. Etwa 90% der Cubaner über 14 Jahren sind Mitglied in den Komitees, deren Aufgabe es wörtlich ist, eben die Revolution zu verteidigen. Praktisch heißt das, für Sicherheit und Ordnung im Block zu sorgen, sowie an demokratischen Entscheidungen teilzunehmen, sich aktiv an der Politik zu beteiligen. Im cubanischen Rätesystem sind die CDR damit die unterste Ebene der Basisdemokratie und dort wird meist am heftigsten Diskutiert. Oft werden anschließend Anträge weitergegeben, auf die man sich erst nach heftiger Diskussion einigen konnte. Moment, war da gerade das Wort »Demokratie« zu hören? In der Tat! Auch wenn so manch bornierter Kleinbürger, der sich jeden Abend die FAZ mit ins Bett nimmt, den Begriff Demokratie in Zusammenhang mit Cuba als »Absurd« bezeichnen würde - ein Cubaner kann darüber nur lachen, denn es gibt sie tatsächlich dort, die sozialistische Demokratie. Vollkommen offen redet man über die Probleme des Landes, wählt Abgeordnete und Räte die jederzeit abberufen werden können und veröffentlicht Resolutionen. Dabei sind die Cubaner wesentlich partizipierter als das hier in Deutschland der Fall ist: Mit Wahlbeteiligungen von weit über 90% (wählen darf man in Cuba übrigens schon ab 16) und einer Mitgliederbasis in den CDRs von über 7 Millionen lässt sich auch Demokratie leben. Nur im Unterschied zu uns werden die Arbeiter nicht an der Ausübung ihrer Rechte mangels finanziellen Mitteln gehindert, sondern aktiv gefördert, indem jeder Massenorganisation ein umfangreiches Budget zur Verfügung steht. Zwar gibt es in den oberen Ebenen auch eine Menge Parteifilz, doch hört man den Cubanern zu, so merkt man, dass sie zwar stets über ihre Situation klagen, dafür aber nie »den bösen Sozialismus« verantwortlich machen, sondern etwas dagegen unternehmen: Sie gehen zu den Sitzungen, gehen zur Wahl, lassen sich wählen, schlagen Lösungen vor - und nicht selten entsteht dabei eine kontroverse Diskussion. Überhaupt sind die Cubaner sehr »diskussionswütig«, was man nicht nur in den CDRs, sondern auch anhand der heftigen Debatten auf der Straße und zu Hause mitbekommt.

Dabei wird keinem einfach das Wort genommen, der etwas »unliebsames« sagt, im Gegenteil, ich erlebte die Cubaner als ein sehr aufgeschlossenes und tolerantes Volk, das fast geschlossen hinter seiner Regierung steht, aber auch andere Ansichten gelten lässt. Beim Kapitalismus allerdings werden die Gesichter ernster, denn den will dort niemand mehr.

Später trafen wir noch unseren Freund Arristides, ein etwas älterer schwarzer Herr, der früher bei der Presseagentur gearbeitet hat. Seine Frau war in der östereichischen Botschaft tätig, daher kann er gut Deutsch. Auch er weiß sehr wohl um die Probleme seines Landes, traut seinen Landsleuten allerdings auch zu, eine Lösung zu finden. Das Gespräch war leider nur sehr kurz, da er noch einen Termin hatte.

Abends gingen wir in eine kleine Kneipe im Zentrum von Havanna. Lazaro erzählte uns das neueste aus der cubanischen Medizin. Anscheinend gibt es jetzt auch eine Impfung gegen Lungekrebs. »Und die funktioniert?«, frage ich misstrauisch. »Ja, natürlich. Jeder Raucher hier hat die.« Hm, wenn er meint. Erstmals bemerkte ich dort auch, dass es tatsächlich nur zwei große Biermarken in Cuba gibt: Buckanero und Crystal. Während Crystal eher einem leichten Bier entspricht, erinnert Buckanero mit seinem würzigen Geschmack stark an das in Deutschland populäre »Rothaus«, und erreicht dieses sogar fast in der Qualität.

Entsprechend teilt sich die cubanische Bevölkerung in eine Buckanero- und eine Crystal-Fraktion. Sehr oft wird man von Cubanern gefragt, welches der beiden Biere man denn nun bevorzugt, und hört oft, wie sich zwei ältere Cubaner über die Stärken und Schwächen von Crystal und Buckanero unterhalten, während sie auf einer Parkbank sitzen und Rum trinken. Ein herrliches Schauspiel. Beim Gespräch mit Lazaro erfuhr ich auch ein amüsantes Detail: Seit einigen Jahren werden die Fünfjahrpläne des Landes mit der deutschen Software SAP verwirklicht, die sonst eher von Großunternehmen wie VW oder dergleichen verwendet wird. Nun denn, warum sollte man in Cuba nicht auch up-to-date sein?

Am nächsten Tag besuchten wir Pinar del Rio, das Tabaktal, wo angeblich der beste Tabak der Welt wachsen soll. Kurz vor Anbruch der Reise gingen wir noch bei Lazaros Schwester einen Kaffee trinken, der selbstgemacht einfach am besten schmeckt. Dabei fiel mir zum wiederholten Male auf: Auch wenn das Haus von außen noch so heruntergekommen und unscheinbar wirkt, drinnen herrscht das Leben und alles sieht ordentlich und gut gepflegt aus. Auch wenn man sich manchmal fragt, wie die Cubaner es schaffen, aber irgendwie findet man dann doch eine Stereoanlage von Sony, einen Fernseher und eine Waschmaschine von Miele im Haus herumstehen. Nach der kurzen Pause allerdings machten wir uns sogleich auf den Weg. Umgeben von malerischen Landschaften zierten vor allem Königspalmen und kleine Dörfer das Bild am Straßenrand, dazwischen anstatt Verkehrsschildern immer wieder der Schriftzug »¡Viva la Revolution!«. Dass die Revolution auf schlecht beschilderten und löchrigen Straßen selbst in das hinterwäldlerischste Bergdorf vorgedrungen ist, merkt man allerdings nicht zuletzt daran, dass man auch bei einer Ansammlung von 20 kleinen Hütten, überall Stromversorgung, eine Schule sowie eine kleine Ärztestation sieht. Manchmal ist sogar dort noch eine Bibliothek anzutreffen. Die Schulen haben ebenso alle Internetanschluss, da seit einigen Jahren das Thema »PC und Internet« ab der ersten Klasse auf dem Lehrplan steht. Dass das ebenso für eine kleine Dorfschule gilt, davon konnte ich mich selbst überzeugen, als ich mich freundlicherweise in einer solchen einmal umsehen durfte. Neben Bänken, Stühlen, Tafel und jeder Menge Bücher, standen zwei PC’s in dem Klassenzimmer. Lazaro konnte mir bestätigen, dass das in Cuba eher die Regel als die Ausnahme ist.

Nachdem wir unsere Reise nach Pinar del Rio mit dem Besuch eines Tabakbauern abgeschlossen hatten, machten wir uns Tags darauf auf ins nahe gelegene Matanzas. Dort traf ich auf meinen Freund Yosvany, den ich letztes Jahr in Deutschland kennen lernte, als er über die Situation in Cuba referierte. Er ist Mitglied des Parlaments von Matanzas und dort für die Auslandskontakte seiner Provinz zuständig. Eigentlich ist er jedoch Arzt und hat einen Doktor in Epidemiologie. Bei den letzten Wahlen wurde er mit 98% der Stimmen ins Parlament gewählt. Weil er so jung ist, und trotz seiner dunklen Hautfarbe, denn in Rassismus sei in Cuba kein Thema, meint er. Nachmittags kommt er mich mit seinem Dienstwagen, einem 20 Jahre alten »Lada Nova«, einer 60-PS »Luxuskarosse« wie sie auch viele Arbeiter besitzen, besuchen. Soviel also zum Parteibonzentum. Wir erzählten ihm lange von unseren bisherigen Erlebnissen, wie man uns schon ein paar mal hinters Licht geführt hat um ein paar CUC abzustauben und wie uns die Naturlandschaften an der Küste gefallen haben. Da Yosvany sehr gut Englisch kann, fiel mir das Gespräch nicht schwer. Natürlich erfragte ich auch einige politische Informationen. Als die drei größten Probleme in seiner Provinz, aber auch im ganzen Land, sah Yosvany die schlechte wirtschaftliche Lage, die Korrpution und die interne Administration. »Wir haben kein sehr großes Problem mit der Korruption, aber es ist ein Problem und es ist notwendig, etwas dagegen zu unternehmen.« sagt Yosvany und sieht dabei auch bisher erreichtes: »In der Sonderperiode kamen eine Reihe von Schwierigkeiten auf uns zu, viele davon dauern bis heute an. Jedoch können wir das Transportproblem für viele Provinzen als gelöst betrachten. Auch beim Wohnungsbau machen wir Fortschritte. Aber was wir in der Zukunft brauchen ist vor allem eines: Mehr Entwicklung.«

So nannte er auch die nächsten Ziele der Regierung: »In den nächsten Jahren haben wir einige große Dinge zu meistern: Wir müssen die Wirtschaft stärken, uns dabei aber gleichzeitig vor dem Kapitalismus verteidigen, den Sozialismus wahren und erhalten. Außerdem werden wir weiterhin alles versuchen, die 5 cubanischen Agenten zu befreien, die zu Unrecht in den USA nun seit über 10 Jahren festgehalten werden.« Ich sagte ihm: »Das hört sich ja schön an, den Sozialismus verteidigen, aber wie wollt ihr das anstellen?«. Er entgegnete mir sovuerän: »Zuerst ist es wichtig, die Bildung und das Gesundheitssystem zu verteidigen, indem wir diesen beiden Einrichtungen weiterhin einen hohen Stellenwert beimessen. Desweiteren werden wir in Zukunft höhere Investitionen in Kultur, Sport und die Wirtschaftsentwicklung der volkseigenen Betriebe zur Überwindung der Sonderperiode tätigen. Wir werden dabei keine Privatisierungen zulassen. Wir sind nicht China und wir sind nicht Vietnam. Hier wird die Revolution verteidigt, hier bleiben wir beim Sozialismus, denn das ist unser Land, und 90 Prozent der Cubaner stehen fest zum Sozialismus und zu ihrer nationalen Souveränität die nur durch diesen gewährleistet werden kann.« Nun denn, möge es ihnen gelingen. Wir machten uns Tags darauf auf den langen Weg nach Santa Clara. Zwischendurch waren wir einige Zeit in der Kleinstadt Placeta unterwegs. Hier, etwas auf dem Land, waren die Menschen noch nicht so sehr vom Tourismus »beansprucht« (fast könnte man sagen verdorben) wie in Havanna. Man bekam schon mit ein paar Brocken Spanisch eine freundliche Antwort und die Händler auf den Märkten gaben lieber zu viel als zu wenig fürs Geld. Überhaupt sind die Leute auf dem Land wesentlich offenherziger und ehrlicher als in den Metropolen. Charakteristisch für cubanische Städte ist dabei der im kolonialen Stil gehaltene Stadtpark, ein Quadrat in der Mitte der Stadt, auf dem oftmals eine Statue von José Martí steht. An den Häusern dahinter findet sich dann meist noch ein riesiges Plakat mit einem Zitat von Che Guevara. Dort kann man dann Nachmittags alte Männer auf den Bänken beobachten, die Zeitung oder ein Buch lesen oder einfach nur den Pioniergruppen zusehen, die dann oft in der Stadt unterwegs sind.

In Santa Clara schließlich besichtigten wir das Mausoleum von Che Guevara. Eine gespenstische Stille umgab den riesigen Platz vor dem Denkmal, die nur durch das von großen Stadiumslautsprechern wiedergegebene Lied »Commandante Che Guevara« durchbrochen wurde. Das Denkmal selbst war phänomenal, einem großen Mann wie Ernesto absolut würdig. Im inneren befand sich das (kostenlose) Museum und gegenüber die Grabkammer des Che, wo auch die Urnen seiner Kampfgefährten aus Bolivien zu finden waren. Man achtete streng darauf, dass nirgends photographiert wurde. Als wir uns wieder zurück zum Auto begaben, durchbrach plötzlich ein heftiges Tropengewitter die Ruhe. Es schüttete wie aus Eimern und der Wind warf einige Palmen auf die Straße, wie wir später bemerkten. Uns blieb nichts übrig, als im Auto zu warten.

Tags darauf gingen wir für einige Tage nach Cienfuegos. Die meiste Zeit verbrachten wir dort am Strand, den wir uns mit den Cubanern teilten. Denn in Cuba sind seit der Revolution alle Strände, ebenso wie die Fabriken, Grundstücke, etc. volkseigen. Es gibt keinen Strand, der explizit für Touristen wäre, so dass man oft einen geparkten Lada und eine cubanische Familie am Strand beim baden beobachten kann. Wir trafen dort auf drei Arbeiter aus Cienfuegos. Ich nutzte natürlich die Gelegenheit um wieder etwas mehr über die Situation in Cuba zu erfahren, denn alle drei sprachen einigermaßen Englisch. Eric beispielsweise, war Busfahrer. Sein Lohn beträgt etwa 400 Peso National und einige CUC pro Monat. Zwar kann man sich dank Preisen wie 7 Peso pro Zigarettenschachtel, 1 Peso für Kino bzw. Theatereintritt und 5 Peso für ein Eis doch einiges kaufen, alle Luxusgüter sind jedoch nur in CUC zu bezahlen, an denen es stets mangelt. (1€ = 24 CUC). Er beschwert sich über die Doppelwährung: »Seit wir die Doppelwährung haben, also seit der Sonderperiode, können wir uns nichts mehr kaufen. Das Geld ist äußerst knapp und es reicht gerade für das nötigste.«

Auch sein Freund José, ein Fabrikarbeiter, sieht das ähnlich: »Es ist schon schwer, wenn man eine Familie hat in Cuba. Man muss hart arbeiten, aber letzten Endes kommt doch nichts dabei heraus. Und die Rationen auf der Libretta sind viel zu wenig, es reicht hinten und vorne nicht.«
Er fährt fort: »Meine kleine Tochter kriegt für die Schule viel vom Staat gezahlt, aber es ist halt doch nicht genug. Manchmal reicht es nicht einmal mehr für neue Klamotten oder Seife. Aber so ist es nunmal bei uns. Früher war das anders, aber heute ist es nicht mehr so wie damals.«
»Und woran liegts?«, frage ich. Eric antwortet mir: »Das ist die Sonderperiode. Und auch ganz oben in der Partei gibt es viel Korruption. Da gibt es einige Funktionäre die das Material nur für sich verwenden und verkaufen, was für die Renovation der Städte geplant ist.«
José unterbricht ihn: »Wobei hier in Cienfuegos nach dem Hurrican gleich Eingaben geschrieben wurden, und dann wurde auch alles repariert.« Eric fährt fort: »Ja, hier schon, aber nicht überall ging das gut. Jedenfalls läuft einiges schief und es ist nicht leicht hier zu leben.« - »Naja«, frage ich, »und was ist mit Fidel? Was haltet ihr von dem?« José meint: »Fidel ist gut, wir Cubaner lieben Fidel. Aber Fidel ist nicht überall. Er hat viele Minister, und die sind nicht alle so gut.« Eric pflichtet ihm bei: »Fidel ist ein guter Mann, aber da oben gibt es viele die das ausnutzen. Und auch Raúl ist nicht der beste, er kommt dafür zu sehr aus dem Militärischen.« - »Und was wollt ihr, was ist die Alternative? Zurück zum Kapitalismus?« - »Nein!« meint José »Ich bin Kommunist, und ich stehe zu unserem System hier. Auch wenn einiges schief läuft, letzten Endes bleibt uns nichts anderes übrig.« Eric pflichtet ihm bei: »Absolut, niemand will hier wieder zurück zum Kapitalismus. Der Sozialismus ist für uns hier das beste. Im Kapitalismus würden wir verhungern, wie in Haiti.« - »Ihr seid also Kommunisten?« frage ich. Alle drei nicken mit einem stolzen Lächeln im Gesicht. »Und die Demokratie in Cuba, wie seht ihr das, bei uns heißt es, Cuba sei eine Diktatur. Wie erlebt ihr das?« Eric antwortet: »Die Wahlen hier sind echt. Und auch sonst können wir durch die CDR großen Einfluss nehmen. Ich habe das sichere Gefühl, dass man hier als Arbeiter was zu sagen hat und ernst genommen wird. Man kann hier viel mitbestimmen, auch als einfacher Mann.«
José pflichtet ihm bei: »Demokratie? Auf jeden Fall. Man muss sich gut überlegen wen man wählt, sonst hat man, bis man ihn abberufen hat, einige Zeit den falschen am Hals.« José lacht. Sein Gesicht drückt etwas zuversichtliches aus: »Hier in Cuba hat das Volk das sagen, auch wenn das Leben schwer ist.« Abschließend zitiere ich noch ein Schild, dass ich am Straßenrand las: »Con Fidel y Raúl - ¡Venceremos!« - »Mit Fidel und Raul werden wir siegen!« Die drei Arbeiter zeigen sich sichtlich erfreut. Selbst der dritte im Bunde, der kein Englisch kann und bisher nur freundlich nickte, sagt jetzt laut: »Si! Venceremos! Con Fidel!«

Mit diesen Worten verabschiede ich mich dann auch von den Dreien, denn schon bald geht es für uns weiter nach Trinidad. Dort angekommen treffe ich zum ersten mal einige Pioniere die etwas Englisch können. Der Junge war gerade einmal 10 Jahre alt, sein Englisch war dafür aber bemerkenswert gut. Er lernt es seit 3 Jahren. Bei den Pionieren gefällt es ihm sehr gut, vor allem dass er alles bei den Ausflügen vom Staat bezahlt bekommt. »Meine Eltern haben nicht so viel Geld.« sagt er, doch die Schule macht ihm Spaß: »Nachmittags machen wir oft noch andere Sachen, z.B. Brot backen oder etwas basteln.« Wir verabschieden uns, wie es bei den Pionieren in Cuba so üblich ist: »¡Seremos como el Che!« - Wir wollen so sein wie Che! Der Junge schien überrascht, aber strahlte übers ganze Gesicht. Auch zum Thema Religionsfreiheit machte ich eine überraschende Entdeckung: Eine alte Zeugin Jehovas, Bibliotheksangestellte, saß dort in aller Öffentlichkeit auf dem Stuhl und liest »Erwachet«. Während der deutsche Philister schon das heranstürmen der Polizei erwartet, sitzt sie dort in aller Ruhe in der Bibliothek, liest, hält sich keineswegs versteckt und niemand schenkt ihr deswegen größere Beachtung.
Auf dem Weg von Trinidad nach Santa Maria, einem kleinen Ort an der Küste, nördlich von Havanna, fallen mir, als wir auf der sowjetischen Autobahn unterwegs sind, die Schilder der Energierevolution auf. Ich erfuhr erst im Nachhinein was es genau damit auf sich hat: Die grundlegende Umstellung auf Energiesparlampen, weniger Stromverbrauch und eine ökologischere Energieerzeugung in ganz Cuba durch neue Wind- und Solarkraftwerke. Eine sehr feine Sache, die auf dem Land schon erste Früchte trägt, dort konnte ich nämlich auf vielen Dächern die Montage von Solarzellen beobachten.

Angekommen in Santa Maria, nehmen wir noch den bestellten Rum und die Cigarren entgegen und besuchen Lazaro in seinem Büro. Dort benutzt man übrigens vornehmlich Linux auf den Computern. Doch das war auch gleichzeitig der letzte Tag, kurz darauf fuhren wir wieder zum Flughafen »José Martí«. Einen letzten Blick noch, und schon bald verschwand die kleine Insel aus den Fenstern des Flugzeugs. Eine kleine Insel, die mich mit gemischten Gefühlen zurücklässt. Denn einerseits sehen wir stabile Versorgungssituation, eine partizipierte, gebildete Bevölkerung, ein hervorragendes Gesundheits- und Bildungssystem, eine entwickelte sozialistische Gesellschaft und eine hochentwickelte Demokratie die der unsrigen Haushoch überlegen ist. Und dennoch: Die wirtschaftlichen Probleme sind gravierend. Die Cubaner führen ein hartes Leben, auch wenn es wohl leichter als das vieler anderer Menschen in den Entwicklungsländern sein dürfte, ist es doch sehr entbehrungsreich. Es mangelt an vielem und das Embargo verschärft diese Probleme noch weiter. Es ist leicht, unter diesen Umständen gegen Cuba zu sein, zu sagen »Guck doch mal, wie die Leben und schau mal was wir hier alles haben.« Das ist der leichteste Weg, der ganz vergisst, dass Cuba nicht Deutschland, die Karibik nicht Mitteleuropa und das Embargo nicht die EU ist. Und es ist auch sehr leicht, Fidel Castro und den Sozialismus zu verurteilen, wenn man seine Informationen ausschließlich aus unseren tendenziösen Medien bezieht, die ein ganz klares Interesse an der Dämonisierung des Sozialismus im allgemeinen und Cubas im besonderen haben. Viel schwieriger ist es, selbst dort hinzufahren, die Leute kennen zu lernen, sich eine eigene Meinung zu bilden. Ich habe dies getan und ich habe größten Respekt gewonnen vor dem cubanischen Volk und seiner Geschichte. Ich habe gesehen, dass Sozialismus und Demokratie zusammengehören, trotz aller Probleme. Und ich kann den Cubanern für ihre Zukunft nur wünschen, dass sie weiterhin das kleine gallische Dorf bleiben, sie sich treu bleiben, ihren Werten und Idealen verbunden, die wirtschaftlichen Probleme lösen können und die Revolution noch weitere 50 Jahre den Frieden und den Sozialismus sichern wird. Trotz Embargo, trotz CIA, trotz USA, und trotz unserer Medien, die nicht Müde werden, das Schreckgespenst vom »bösen Sozialismus« an die Wand zu malen, sobald der Name Cuba fällt.


Juni 2009.

Bilder: http://www.flickr.com/photos/macmensch/sets/72157619167954889/
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Zu den Bildern, weiteres

Marcel Kunzmann 13.06.2009 - 21:56
Zu den Bildern: Ich habe momentan mein Upload-Limit bei flickr erreicht. Ab Juli kommen noch mehr Bilder, viel mehr. Und es werden auch wieder einige qualitativ anspruchsvolle dabei sein. Auch unter freier CC-Lizenz.

Zum inhaltlichen: Ich habe versucht meine subjektiven Eindrücke ein wenig darzulegen und mit einigen empirischen Informationen zu ergänzen. Generell war ich darum bemüht ein realitätsnahes Bild der cubanischen Gesellschaft zu zeichnen. Ein "Utopia" ist Cuba bei weitem nicht, das sollte aus dem Artikel eigentlich klar hervorgehen, in dem alle Hauptprobleme des Landes schonungslos genannt wurden. Aber am meisten ließ ich bewusst die Cubaner selbst zu Wort kommen. Du kannst ja gerne hinfahren und ihnen erklären, dass sie nicht so denken wie du denkst, das sie denken sollen.

Zu den "Freiheitskämpfern" in den Kommentaren

Marcel Kunzmann 13.06.2009 - 23:42
Liebe Leute, Man könnte sich doch solch Kommentare wie "Es gibt keinen Sozialismus auf Kuba, Castro ist ein Diktator, der die Opposition unterdrückt. Mehr nicht." oder "Stalin ein faschistischer Putschist war [...]" wirklich sparen.

Gut, über Stalin will ich hier nicht diskutieren, das ist nicht das Thema. Aber es genügt doch schon sich einmal über die ökonomischen Vorraussetzungen und Bedingungen, das Wesen des Faschismus sich klar zu machen, um zu sehen, dass so eine Aussage über Stalin absurd ist.

Auch so Aussagen, als ob es keinen Sozialismus auf Cuba gäbe, Castro ein Diktator sei, der die Opposition unterdrücke - mit der Ergänzung - "mehr nicht" - sind doch einfach nur lächerlich.
Wenn eine Analphabetenrate die sich mit jedem Industrieland messen kann, ein Gesundheits- und Bildungssystem das als vorbildlich und wegweisend von UNO und WHO gelobt wurde, wenn Schulen die den Kindern Computerunterricht ab der ersten Klasse bieten, wenn eine funktionierende Grundversorgung und eine billige Partizipation an der Kultur, wenn Wohnungsbau, wenn demokratische Mitbestimmung in den Betrieben, wenn all das "mehr nicht" ist, wenn all das "kein Sozialismus" ist - wie soll selbiger denn dann, wohlgemerkt auf einer Karibikinsel aussehen? Etwa das Paradies auf Erden, das einfach mal so vom Himmel fällt und jedem einen S-Klasse Mercedes in die Neubaugarage parkt?

Nun, natürlich gibt es in Cuba auch demokratische Defizite, auch diese konnte ich erleben. Und natürlich wird in Cuba die (übrigens sehr unbeliebte) Opposition unterdrückt. Zurecht. Selbige, die großteils aus Agenten der USA besteht, versucht seit 1959 penetrant die cubanische Gesellschaft zu sabotieren. Kritik hingegen wird dort nicht unterdrückt, lediglich Leute die sich ganz klar zum US-Imperialismus bekennen, die sich ganz klar gegen die selbstbestimmte Entwicklung der Völker wenden und dann von CIA Mitteln profitieren (Ich kenne keinen einzigen Oppositionellen, der nicht von den USA finanziert wird. Die USA wären auch dumm, wenn sie das nicht tun würden) - dann sollte man da auch nicht allzu nachsichtig sein. Cuba befindet sich in einer stetigen Bedrohungssituation und kann sich derartige Sperenzchen einfach nicht leisten. Es sind nicht die Cubaner, die Atomwaffen besitzen und Krieg in alle Welt tragen. Das sind die USA.

Abschließend möchte ich zu all den Leuten da draußen, die um das bürgerliche Parlament weinen, das es in Cuba nicht mehr gibt, sagen: "Mehr Hammern und Sicheln, statt jammern und Picheln"
Demokratie funktioniert nicht so wie es uns die bürgerlichen Medien glauben machen wollen, denn der Staat ist immer nur "eine Maschine die von einer Klasse, zur Niederhaltung einer anderen Klasse gebraucht wird" (Lenin).
Entsprechend verhält es sich mit Cuba, wenn die bürgerlichen (bourgeoisen

Lenin- T-Shirts

lassen 14.06.2009 - 01:04
ja auch auch so ihre Rückschlüsse zu..

und weil die Überschrift so lustig ist noch diesen link dazu:  http://www.handelsblatt.com/journal/nachrichten/300-000-kubaner-fliehen-vor-ernesto;1127346

@ Marcel Kunzmann

RedZack 14.06.2009 - 05:03
Also, das ist ja mal wirklich eine sehr einseitige Sicht der Dinge. Alle Oppositionelle sind natürlich CIA-Agenten, oder vom US-Imperialismus finanziert. Na klar... ohne von den USA gekauft worden zu sein, käme natürlich kein Mensch jemals von sich aus auf die Idee, Opposition gegen ein Regime zu betreiben, in dem bürgerliche Freiheiten unterdrückt werden, und das eine ganze Bevölkerung auf einer Insel gefangen hält.

Apropos: dieser Aspekt des sog. kubanischen "Sozialismus" wird natürlich nicht einmal am Rande erwähnt. Dass Kuba mit den USA ein Abschiebe-Abkommen vereinbart hat, in dem Kuba den "US-Imperialismus" verpflichtet, aufgegriffene ausreisefreudige Kubaner wieder nach Kuba abzuschieben (ABSCHIEBUNG! Im "Sozialismus"? Hallo?!), wird hier ebenso verschwiegen wie, dass "unerlaubtes Entfernen" aus Kuba als Straftat (!) verfolgt wird.

Ungeheuerlich auch Aussagen wie diese: "Und natürlich wird in Cuba die (übrigens sehr unbeliebte) Opposition unterdrückt. Zurecht."

=> Die staatliche Unterdrückung von Opposition erfolgt NIEMALS "zu Recht", und ist auch durch nichts zu rechtfertigen. Weder im Kapitalismus, noch im sog. kubanischen "Sozialismus". Und da Opposition in Kuba verboten ist, kann man eine Aussage wie die, dass die Opposition "sehr unbeliebt" sei, auch nicht ernst nehmen. Denn ob "beliebt" oder "unbeliebt", das könnte objektiv nur unter Bedingungen eines fairen, gleichberechtigten Wettbewerbs verschiedener politischer Meinungsrichtungen, die allesamt gleiche Voraussetzungen zur politischen Willensbildung haben, ermittelt werden.

Es sei ja unbestritten, dass es in der Umsetzung gewisser sozialer Menschenrechte in Kuba relativ fortschrittlich zugeht. Aber das ist noch lange kein Grund, die hässlichen Seiten dieses Regimes schönzureden.

Reisebericht

F. Ernandez 14.06.2009 - 16:05
Bei meinem Besuch auf Kuba, konnte ich feststellen, das die Überwachung der Bevölkerug durch die poltische Polizei fast lückenlos war. Kein öffentlicher Platz, keine Bar, ohne polititische Polizei in Zivil.
Hinzu kommen die "revolutionären Stadtteilkommitees" - bei uns nennt man soetwas Denunzianten! Alles in allem hat mich vieles an Meiningen erinnert, so war es dort bis 1989 auch!

Die Geschichte Kubas ist aber durchaus eine heroische und auch eine "internationalistische" (wenn man den Begriff mag) - Allerdings lernen die Menschen auf Kuba nichts (!) von dem, was die Geschichte Kubas so außergewöhnlich macht.

Leider gibt es auf deutsch so gut wie keine Literatur zu dem Thema. Trotzdem hier ein paar Sachdienliche Hinweise:

Dolgoff, Sam: Leuchtfeuer in der Karibik
Souchy, Augustin: Vorsicht Anarchist
F.F., Geschichte des Anarchismus auf Kuba

Zugegebener maßen sind alle drei Autoren Anarchisten. Sam Dolgoff ist US-Amerikaner. Mit "Leuchtfeuer in der Karibik" hat er versucht den Kubanischen AnarchistInnen eine Stimme zu verleihen. Er war einer der wenigen Anarchisten und AnarchistInnen, welche sich von der kubanischen Propaganda nicht von ihren GenossInnen entfremden ließen.

Augustin Souchy wurde von Fidel Castro höchst persönlich (!!) nach Kuba eingeladen. Der Revolutionsexperte (er hatte die Revolutionen in Russland [1917-1921], Deutschland [1920], Mexiko, Spanien [1936-39] sowie die Kibuzzim in Palestina besucht und an ihnen Teilgenommen) sollte sich die Kubanische Revolution aus der Nähe anschauen und einen Bericht für die proletarische Weltöffentlichkeit verfassen.
Das tat er auch - dabei entginng er den häschern Castros nur knapp, und so verdanken wir ihm einen autentischen Bericht!

F.F. war selbst aktivist der anarchistischen Bewegung Kubas. Diese war tief und fest verwurzelt in der kubanischen Arbeiterbewegung. Sowohl in den Städten, den Industrien und der Landwirtschaft. Sie hatte mehrere Diktaturen überlebt und immer Möglichkeiten der Agitation und Aktion gefunden. Erst seit der Diktatur Fidel Castros und Che's wurden sie vollständig unterdrückt!

Das Hauptargument der "Cuba'si"s ist ja immer das es auf Kuba so gut wie keine Analphabeten gibt, das alle den gleichen Zugang zum Gesundheitssystem haben usw usf.
Das mag richtig sein (ist es natürlich nicht, denn wem wird schon eine so intensive medizinische Versorgung zuteil wie Fidel Castro? oder anderen Mitgliedern der Elite?), aber das hat mit Sozialismus noch nichts zu tun, sondern mehr mit Sozialpolitik!
In diesem Sinne mag Castro (er ist ja jetzt abgetreten und hat Platz für die Jugend gemacht, d.h. sein zwei oder drei Jahre jüngerer Bruder hat nun offiziell die Macht) ein "guter Zar" sein, mehr aber eben auch nicht!!

Sozialismus, aber bedeutet auf die Frage "Wer bestimmt, was, wann, wo, wie, für, wen, auf welche Art und Weise produziert wird (ggf, auch konumiert, transportiert und bei bedarf kurz, mittel oder gar langfristig gelagert wird)" eine bestimmte Antwort zu geben: Die Arbeiterschaft! In Kuba entscheidet die Arbeiterschaft in diesem Sinne aber gar nichts! Und Kommunismus wäre darüber hinaus, wenn alle nach ihren Bedürfnissen bekommen würden, und sich mit ihren vielfältigen Fähigkeiten einbringen könnten!
Auch das ist auf Kuba nicht mal in Ansätzen zu sehen!!

Also, halten wir uns an die Worte des anarchistischen Dichters Eugène Pottiers, welche in Gedenken an die Pariser Kommune die Internationale Gedichtet hatte: Ni Dieu, ni César, ni tribun, Producteurs, sauvons-nous nous-mêmes!

Lenin-T-Shirt...

pk 14.06.2009 - 19:36
Wenn man mit einem Lenin-T-Shirt herumläuft, sollte man sich auch nicht wundern, wenn man zu hören bekommt, wie toll da alles ist. Wer da nicht lernt, gegenüber Kommunisten vorsichtig zu sein, hat verloren. Schliesslich sind da überall Spitzel der Staatssicherheit unterwegs. Wer Ausländern gegenüber das Maul zuweit aufreißt, kann ziemlich gewaltige Schwierigkeiten bekommen.
Cuba ist eine Mischung aus ein wenig Licht und viel Schatten. Mich hat das sehr stark an die DDR erinnert. Genau der selbe Bevormundungsstaat und das verlogene Gequatsche über das angeblich befreite Proletariat. Klar war es gut, die ausbeuterischen Gringos aus dem Land zu werfen, und sicher gibt es wesentlich finstere Systeme - vor allem die ganzen von der CIA beratenen neoliberalen Faschistensysteme.
Mich kotzt da die allgegenwärtige Staatssicherheit ziemlich an, wenn ich dort bin. die Leute haben Angst vor der Polizei bei allem was sie tun, während sie ihre mickrigen Hungerlöhne im staatskapitalistischen Ausbeutersystem aufbessern wollen. Ersatzteile, fehlende Medikamente, Fleisch, Milch und viele andere wichtige Dinge gibt es nur gegen CUC (Convertible Pesos. Die Monatslöhne werden in nicht-konvertibler Moneda Nacional ausgezahlt). Aufgrund der haarsträubenden Mangelwirtschaft wird die Bevölkerung zum frei marktkapitalistischen Unternehmertum erzogen. Den letzten beissen die Hunde. Mit der Utopie einer klassenlosen, auf Solidarität und Menschenwürde basierenden Gesellschaft hat das alles gar nichts zu tun. Jegliche Kritik an den Zuständen wird sofort vom System als von den USA bezahlte prokapitalistische Hetze denunziert - na, du hast ja schon einige Beispiele dafür genannt.

Die Basisdemokratie mit den lokalen consejos ist natürlich nur Fassade, damit die, die keine Ahnung haben, wie Basisdemokratie funktioniert, glauben, sie würden in einer leben. Das ist so wie mit den Sowjets, die noch 70 Jahre nach ihrer Entmachtung durch den konterrevolutionären Putsch der Bolschewiki als Namen für deren System mißbraucht wurden.

Aber das musst du mir natürlich alles nicht glauben. Gegen persönliche Erfahrung kommt kaum etwas an.
Fahr mal so für zwei oder drei Monate rüber, mit neutraler Kleidung, ohne Reisebüro, mit privaten Unterkünften. Dann erfährst du vielleicht wirklich, wie es da so zugeht. Als Ausländer wird man dir natürlich nicht sofort alles erzählen, vor allem nicht, wenn noch ein Dritter zuhören könnte.
Besorg dir auch mal eine Statistik mit den industriellen und landwirtschaftlichen Produktionszahlen von vor der Revolution. Dann wirst du erfahren, was für eine "fortschrittliche" Auswirkung die autoritäre Kommandostruktur des Kontrollfreaks Fidel auf das Land hatte.

Sommer, Sonne, Sozialismus?

Wladek Flakin 14.06.2009 - 21:16
50 Jahre nach der Revolution - wohin geht Kuba?

Vor 50 Jahren, in der Nacht zum 1. Januar 1959, ist der kubanische Diktator Fulgencio Batista aus dem Land geflohen. Am nächsten Morgen sind RebellInnenentruppen unter dem jungen Anwalt Fidel Castro in die Stadt Santiago de Cuba einmarschiert. Die kubanische Revolution war aber nicht allein das Werk von ein paar tausend Guerilleros. Die Studierenden, deren Proteste gegen Batista die Universitäten des Landes geschlossen hatten und vor allem die ArbeiterInnenbewegung, deren Generalstreik die Hauptstadt lahm gelegt hatte, spielte ebenfalls eine wichtige Rolle dabei, den Diktator zur Flucht zu zwingen.

Die Einnahme Santiagos markierte den Sieg einer Revolution, die zu diesem Zeitpunkt noch überhaupt nicht sozialistisch war. Castro erklärte: „Die kubanische Revolution ist nicht rot sondern olivgrün“. Doch die US-Regierung konnte auch kein unabhängiges, nicht-sozialistisches Regime in ihrer Halb-Kolonie Kuba dulden: sie überzog die Castro-Regierung mit Sanktionen, so dass diese sich an die UdSSR für Hilfe wenden musste.

Castro erklärte am 16. April 1961, zwei Jahre nach dem Einmarsch in Santiago, die Revolution nachträglich zu einer sozialistischen. Zu dieser Zeit wurden kubanische und ausländische KapitalistInnen enteignet und eine Planwirtschaft etabliert. Diese Wirtschaft unterstand allerdings nicht der Kontrolle durch die Massen in Räten, sondern nur ihrer selbsternannten „Avantgarde“, einer Partei- und Staatsbürokratie.



Da Kuba nicht direkt dem kapitalistischen Markt und seinen Zwängen unterworfen ist, geniessen die KubanerInnen Rechte, die für andere Länder Lateinamerikas ein Traum wären: kostenlose Gesundheitsversorgung gibt es für alle Menschen, so dass die Lebenserwartung ganze 77 Jahre beträgt und die Alphabetisierungsrate ist höher, die Kindersterblichkeit niedriger als in den USA. Es gibt keine kubanischen SoldatInnen in fremden Ländern aber dafür HelferInnen, die Gesundheitsprogramme in Venezuela oder Alphabetisierungskampagnen in Bolviien unterstützen.

Trotzdem ist die kubanische Wirtschaft von Ineffizienz und Korruption geprägt. Die BürokratInnen die die Wirtschaft lenken sind nicht in der Lage, die Bedürfnisse der Menschen einzuschätzen bzw. ihre Fähigkeiten effizient einzusetzen. Nur eine demokratische Planwirtschaft wäre dazu in der Lage.

Sozialismus?

Vor allem nach dem Rücktritt Fidel Castros letztes Jahr und dem Amtsantritt seines jüngeren Bruders Raul stellt sich die Frage: Wohin geht Kuba? Im Wesentlichen gibt es drei Perspektiven:

1) die kubanische Elite, die 1959 enteignet wurde und seitdem in Miami bummelt und die US-Regierung wünschen sich Folgendes: das kubanische Regime soll gestürzt und durch ein US-höriges ersetzt werden. Damit könnte Kuba zu einem Billiglohnland, ohne jeglichen sozialen Schutz für seine EinwohnerInnen, wie seine Nachbarn in der Karibik werden.

2) Teile der Bürokratie, die Kuba seit der Revolution beherrschen, wünschen sich Folgendes: die kubanische Planwirtschaft soll schrittmäßig, unter Führung der Kommunistischen Partei, in eine Marktwirtschaft verwandelt werden. Dieser „chinesische Weg“ wird vor allem vom kubanischen Militär gepusht, das viele „Joint Ventures“ mit ausländischen Konzernen betreibt.

3) Teile der ArbieterInnenklasse, die unter politischer Repression leidet, wünschen sich Folgendes: die kubanische Wirtschaft wird demokratisiert, die Bürokratie gestürzt und durch ein System von demokratischen Räten ersetzt. So könnte der Korruption und der schleichenden Einführung des Kapitalismus ein Ende gesetzt werden.

Noch eine Revolution?

Die kubanische Regierung bleibt heute sehr populär, weil sie im Gegensatz zu den meisten Regierungen Lateinamerikas nicht einfach den Befehlen aus Washington nachplappert. Aber ihr System ist seinem Wesen nach sehr instabil und wird früher oder später einem „normalen“ Kapitalismus oder einem demokratischen Sozialismus weichen müssen. Damit die Rechte der kubanischen Bevölkerung erhalten bleiben, muss sich die letzte Option durchsetzen.

Sozialismus muss international sein. Eine Insel mit 11 Millionen EinwohnerInnen, die kaum über Industrie verfügt und vom US-Imperialismus bedroht wird, kann nicht allein ein sozialistisches System aufbauen. Deswegen wird eine politische Revolution gegen die Bürokratie Teil einer Revolution auf dem gesamten lateinamerikanischen Kontinent sein müssen. Die Erhebungen der letzten Jahre in Argentinien, Bolivien, Venezuela und vielen anderen Ländern machen deutlich, dass nicht nur Kuba von einem Bruch mit der Marktwirtschaft profitieren würde.

Eine solche Revolution gegen die Bürokratie würde nicht bedeuten, dass alle Mitglieder der Kommunistischen Partei aus ihren Ämtern entfernt werden müssten – zweifelsohne gibt es viele unter ihnen, die dem Sozialismus mehr verpflichtet sind als dem Regime. Aber es bedeutet, dass die bürokratische Kaste, die durch die Tourismusbranche enorme Privilegien im Vergleich zur Normalbevölkerung bekommt (Handys, DVD-Spieler und besseres Essen) gestürzt, und durch ArbeiterInnenräte ersetzt werden.

In diesem Sinne verteidigen wir die Errungenschaften der kubanischen Revolution gegen Angriffe von außen, sei es von den USA, der EU, Mexikos... Aber wir verteidigen auch die Planwirtschaft gegen jene Teile der Bürokratie (wie etwa die höhere Offizierskaste), die sie am liebsten ganz abschaffen würden, um ihre Privilegien in ein kapitalistisches System zu übertragen. Solidarität mit der kubanischen Revolution bedeutet auch Unterstützung für eine unabhängige ArbeiterInnenbewegung, die das System grundlegend ändert.

Quelle:  http://www.revolution.de.com/zeitung/zeitung33/kuba.html

Ahnung?

Karl 15.06.2009 - 15:44
Kuba ist genauso emanzipatorisch wie die DDR es war. Gar nicht.
Um das herrauszufinden sollte man lieber mal mit Kubernern in seinem Umfeld sprechen, anstatt schlaue Bücher zu lesen. Vor einiger Zeit hielt ich Kuba auch noch für ein Paradies. Bis ich Anfing, mit Kubanern zu reden.
Folgende Probleme fallen mir auf Anhieb wieder ein: Pressefreihet; Verfolgung von Schwarzarbeit, ohne die man aber auf Kuba schlecht überleben kann (meist in Form von schwarzer Produktion von Zigarren und deren Verkauf an Touris);Rassismus der Polizei (Schwarze werden in Kuba häufig kontrolliert und zur Wache geschleppt); Repression für Weiße, die mit Schwarzen Umgang haben (diese werden dann ebenfalls kontrolliert und mitgeschleppt, wenn sie allein unterwegs sind kommt dies selten bis gar nicht vor) Erpressung durch die Polizei (du bezahlst jetzt soundsoviel, oder du verlässt die Wache für längere Zeit nicht mehr); usw.
Fragt einfach mal Menschen, die dort lebten und hier jetzt offen sagen können, was sie sich dort niemals trauen würden. (Soll nicht heißen, dass ich es hier toll finde...)

Sozialismus sieht anders aus, Kommunismus kann nur libertär sein, ansonsten unterdrückt er die Massen, welche er zu befreien vorgibt.

@ Peter H.

RedZack 16.06.2009 - 00:39
"Weiterhin kann und muß festgestellt werden, dass die wirtschaftlichen Zuwachsraten bei ungefähr 6-7% liegen, also durchaus beacchtlich."

Nun, beim Wirtschaftswachstum kommt es aber immer auch darauf an, von welchem Niveau aus die Wirtschaft wächst. Selbst 20 Prozent Wirtschaftswachstum werden für die Bevölkerung kaum etwas bringen, wenn die Wirtschaftsleistung insgesamt sehr bescheiden ist. Man kann also nicht einfach sagen: "6 bis 7 Prozent Wirtschaftswachstum" in Kuba - und nicht dazu sagen, auf welches Wirtschaftsniveau sich diese Wachstumszahlen beziehen. Das ist unsachlich.

Die offizielle Prognose für dieses Jahr liegt außerdem nicht bei 6-7, sondern bei 2 Prozent. Und das ist nur die staatliche Prognose...


"Was hingegen hat euer Deutschland zu bieten? Ein Nullwachstum!"

Ein interessanter propagandistischer Trick: Beim Wirtschaftswachstum von Kuba verwendest Du die Zuwachsraten der vergangenen Jahre (in denen aber auch Deutschland ein "beachtliches Wachstum" vorzuweisen hatte) - bei Deutschland dagegen die von diesem Jahr (wo auch Kuba dick in der weltweiten Krise steckt). Das geht so natürlich nicht...


"Welche Sozialleistungen bietet eigentlich euer Deutschland? Hartz IV etwa?"

Diese Frage ist jetzt nicht ernst gemeint - oder? Du willst jetzt nicht wirklich behaupten, dass Dir an Sozialleistungen in Deutschland nur "HartzIV" einfällt? Und Du willst jetzt nicht ernsthaft behaupten, dass die Kubaner Sozialleistungen über Hartz-IV-Niveau bekommen? Oder auch nur annähernd so viel wie ein Hartz-IV-Empfänger?


"Eintrittsgelder beim Arzt oder Krankenhaus u.v.a.m.? Ist es das,was reizt? Reizt etwa die hohe Arbeitslosigkeit hierzulande, die etwa bei 6-8 Mill. liegt. (Dunkelziffer inbegriffen)"

Nun, die Arbeitslosigkeit in Kuba mag prozentual niedriger sein - aber es kommt ja auch nicht primär darauf an, dass man ARBEIT hat (gemäß FDP-Motto: "Sozial ist, was Arbeit schafft"), sondern dass das Geld, das einem pro Monat zur Verfügung steht, zum LEBEN reicht. Und bei einem durchschnittlichen Monatslohn von knapp 20 US-Dollar in Kuba hat auch ein arbeitender Kubaner nur einen winzigen Bruchteil des Einkommens eines jeden Arbeitslosen in Deutschland. Ob das an Deutschland "reizt", weiß ich nicht - an KUBA "reizt" das jedenfalls erstmal eher NICHT.


"Reizt etwa die Tatsache, dass 480 Mrd. Euros den maroden Banken, trotz deren Versagen, denen in den Rachen geworfen werden, von der Gegenfinanzierung spricht fast niemand der bürgerlichen Demagogen. All das existiert in Kuba nicht."

Wieder ein propagandistischer Trick: Du erwähnst Mißstände, die es in Kuba gar nicht geben KANN (bei einem jährlichen BIP unter 50 Milliarden US-Dollar ist das auch schlecht möglich)... lässt aber gleichzeitig alle Mißstände unerwähnt, die es in Kuba tatsächlich GIBT. Und das ist ja doch eine ganze Menge...


"Und dennoch gibt es immer wieder irgendwelche Stinker, die an Kuba was auszusetzen haben."

Unerhört! Da gibts doch tatsächlich immer noch Menschen, die ihren Kopf zum Denken einsetzen - und nicht nur, um Pro-Kuba-Propaganda wiederzukäuen.


"Da stellt sich schon mal die Frage, wessen Geschäft sie eigentlich betreiben oder wie beschränkt sie eigentlich sind.

Klar - "beschränkt" sind immer DIE ANDEREN. Und natürlich betreiben sie ein "Geschäft"... fehlt nur noch die Behauptung, dass sie vom US-Imperialismus oder von den Juden finanziert sind.


"Es ist bedauerlich, dass bei indy derlei Dummköppen und/oder Spießern so viel Raum freigemacht wird."

Du scheinst einen starken Hang zu autoritärer Bevormundung zu haben, und wünschst Dir offenbar allenthalben, dass irgendeine allmächtige höhere Instanz (sei es eine staatliche Obrigkeit oder die Indymedia-Moderatoren) all jene, die Du als "Dummköppe" ansiehst, unterdrückt, in ihre Schranken verweist, oder am besten zum Schweigen bringt. Du scheinst das Prinzip "Indymedia" wohl noch nicht so ganz verstanden zu haben...

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 32 Kommentare an

Boah — Sonne!

@Paule — tutnixzursache

kein Sozialismus — Kommunist

Was ne Überraschung — IM Gerd Lummer

Herzliche Grüße — Christian

Käsekuchen — Auweh

Pressefreiheit — m0n0

kleine anmerkung.. — no chr.!

Cuba und der Anarchismus — Marcel Kunzmann

Frage an den Autor — Aufmerksame Leserin

Opposition und Korrektur — Marcel Kunzmann

@ marcel kurzmann — arbeiterInnenanarchist

ey , ganz schick — bürgerlicher rechter anarchist

@ Peter H. — RedZack

Vexierspiegel — Peter H.

@ Peter H. — RedZack

Spiegelfechterei — Peter H.

Gesundbeterei usw. — Peter H.

weitere Ergänzungen — Tagwächter

@ Peter H. — RedZack

ja,ja, die Meinungen — Zacharias

@ Zacharias — RedZack