V, wie Vernichtung - Nazis und Technik

* nie wieder * 13.06.2009 10:10 Themen: Antifa Militarismus
Gestern jährte sich zum 65. Mal der Abschuß der sogenannten "Vergeltungswaffe" gegen London. Der erste Marschflugkörper Fieseler Fi 103, gemeinhin als V1 bekannt, eskalierte den Luftkrieg ein weiteres Mal. Die unbemannte Flügelbombe gilt in der Technikgeschichte als Meilenstein in der Luffahrt. Das einzige Ziel ihrer Entwicklung war aber der Massenmord an tausenden Zivilist_innen und die totale Zerstörung von Städten. Der Bau der Bombe in den Tunneln des Konzentrationslagers Dora-Mittelbau in Nordhausen verknüpft auf einer anderen Ebene die technische Entwicklung mit der nationalsozialistischen Vernichtungsideologie. Die V1 steht so als Symbol für eine eingebettete Wissenschaft, die entmenschlichte Methoden und Techniken zur möglichst effizienten Ermordung von Menschen bereit stellen soll. Das V steht so für die Vernichtung von Menschen in der Entwicklung, dem Bau und dem Einsatz der Bombe!
Schon im April 1937 ging die deutsche Luftwaffe mit einem der blutigsten Massaker an der Zivilbevölkerung in die Geschichte ein. Am 26. April zerstörten Bomber der Legion Condor während des spanischen Bürgerkrieges die baskische Stadt Gernika. Die deutschen Junker 52 Bomber warfen mindestens 2.500 Brandbomben auf die Stadt. Circa 50 t fielen in kürzesten Zeit und machten Gernika dem Erdboden gleich. Die Zerstörung der Stadt Coventry am 14. November 1940 und am 8. April 1941 setzte erneut einen Wendepunkt im Krieg gegen die Zivilbevölkerung. Nazideutschland versuchte Großbritannien durch massive Luftschläge zu demoralisieren und für eine Landung einzuschießen. Diese Version des deutschen "Blitzkrieg" in der Luft setzte ebenfalls auf Terror gegen die Zivilbevölkerung.

Die Entwicklung der V1, der durch die nationalsozialistische Propaganda zur Wunderwaffe verklärten Flügelbombe, sollte den Luftkrieg erneut eskalieren. Bei den Angriffen auf London starben mindestens 6.000 Menschen und Tausende wurden verletzt. In Antwerpen und Lüttich, den anderen primären Zielen der V1, gab es ähnlich hohe Opferzahlen. Die Produktion der "Vergeltungswaffe" fand im Konzentrationslager Dora-Mittelbau in der Nähe von Nordhausen statt. Dort wurden 20 km Stollen von Zwangsarbeiter_innen in den Harz getrieben. Neben den Flügelbomben wurden in den Bunker des Lagers Flugzeuge und Flugzeugmotoren der Firmen Heinkel und Junkers produziert, die sich so an der Vernichtung durch Arbeit und mit ihren Produkten an der Zerstörung europäischer Städte bereicherten.

Technik und ihre Entwicklung war ein wichtiger Teil der nationalsozialistischen Ideologie. Die "arisierte" Wissenschaft und die deutsche Industrie forschte mit Eifer an Methoden um entmenschlichtes "unwertes Leben" sozial, kollektiv und industriell auszulöschen. Die Shoa war ohne technische Neuentwicklungen genauso wenig möglich, wie die militärischen Erfolge. Ingenieure experimentierten und bauten Maschinen für den möglichst effizienten Massenmord und die "Entsorgung" von Millionen Menschen. Bereicherung, Raub und Vernichtung machte die willfährige deutsche Bevölkerung, seine Industrie und die nationalsozialistischen Strukturen zu Komplizen.

Das Deutsche Technikmuseum Berlin (DTMB) ist in der (groß-) deutschen Hauptstadt der Statthalter für die deutsche Technikgeschichte und -entwicklung. Der Stolz des Museums ist die Luffahrtdauerausstellung. Die dazugehörigen Exponate sorgen auch für eine gewisse Bekanntheit des Museums über Deutschland hinaus. Das Aushängeschild der Luftfahrt Ausstellung ist die Junkers 52, die unter dem Name "Tante Ju" zum zivilen Transportflugzeug verklärt wurde. Gänzlich vergessen wird, daß es eben dieses Flugzeug war, das während Francos Putsch gegen die spanische Republik faschistische Truppen von Marokko nach Spanien brachte und im April 1937 die Brandbomben über Gernika abwarf. Genauso wenig wird in der Ausstellung erwähnt, daß die Ju 52 erst ein Jahr nach der Zerstörung der baskischen Stadt zum Verkehrflugzeug umgerüstet wurde. Schließlich darf auch heute, Jahrzehnte nach der unheilvollen Allianz der deutschen Luffahrtindustrie und dem nationalsozialistischen Regime, nicht der Eindruck entstehen die produzierte Technik wäre mit Blut besudelt.

Die Verharmlosung der deutschen Luffahrt im DTMB beginnt allerdings sehr viel früher. Schon am Eingang der Dauerausstellung empfängt die Besucher_innen eine Nachbildung des Nazidenkmals zum Versailler Vertrag. Die dazugehörige Information ist ein paar Meter entfernt und kritisiert offen die „repressiven“ Festlegungen für die deutsche Luftfahrt. Die genaue Replik, des in Hamburg nach dem Krieg bewußt zerstörten Denkmals, kann komplett und ohne störende Tafeln oder Scheiben fotografiert werden. Deshalb ist es auch kein Wunder, daß nationalsozialistische Nostalgiker und andere rechtsextreme Besucher_innen zunehmend den Weg ins DTMB finden. Schließlich läßt sich ganz ungeniert, am Rand der Ausstellung, vor Hakenkreuzen und anderen Nazidevotionalien zackig der rechte Arm strecken oder, etwas zurückhaltender, in einer Naziflakstellung phantasierte, allierte Flugzeuge abschießen.

Der Stiftung Deutsches Technikmuseum (siehe hier) und den verantwortlichen Museumsoffiziellen ist das Problem mit rechten Besucher_innen spätestens seit Anfang diesen Jahres durchaus bewußt (siehe Interview mit der Besucherbetreung am DTMB). Handlungsbedarf sehen der Museumsdirektor Dirk Böndel und Joseph Hoppe, der Koordinator für die Ausstellungen im DTMB, allerdings nicht. Trotz Hinweisen von den Beschäftigten gibt es bis heute keine offiziellen Regelungen im Umgang mit als Neonazis erkennbaren Besucher_innen. Damit setzt das DTMB unsensibel und verharmlosend die Geschichte der deutschen Luftfahrt fort. Die mangelhafte Problematisierung der untrennbaren Verbindung zwischen den wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen in der deutschen Luftfahrt und dem nationalsozialistischen Vernichtungswillen begünstigt die Verklärung der deutschen Luftfahrtindustrie zum Vorreiter einer zivilen Nutzung von Flugzeugen. Die nationalsozialistische Episode wird dabei als dunkles Zeitalter verkürzt. So kann der maßgebliche Anteil der Nazis bei der Entwicklung der deutschen Luftfahrt marginalisiert werden.

Deshalb ist es umso wichtiger an diese Verschmelzung von Wissenschaft, Technik und Vernichtung in jedem Jahr neu zu erinnern. Die Flügelbombe Fieseler Fi 103 als sogenannte "Vergeltungswaffe" der Nazis symbolisiert hierbei diese untrennbare Verbindung in der deutschen Luftfahrt. Der Angriff auf eine längst zerstörte Stadt und ihre Zivilbevölkerung am 12./13. Juni 1944 veröffentlicht den Vernichtungswillen der deutschen Luffahrtindustrie und die Suche nach neuen Technologien des Massenmordes. 65 Jahre später heißt es immer noch gegen das Vergessen zu kämpfen! Im Falle des DTMB heißt es aber auch immer die Präsentation der ausgestellten Exponate und den Umgang des Museums mit rechtsextremen Gästen (antifaschistisch) zu begleiten.

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Ergänzungen

Darmstädter Burschenschaften rühmen sich

geschwüramafter 13.06.2009 - 11:24
Das Professoren und sonstige Mitarbeiter der Uni-Darmstadt maßgeblich an der Entwicklung der so genannten Vergeltungswaffe beteiligt waren, ist hinlänglich bekannt. Noch heute rühmen sich die Burschenschaftlichen Kreise mit ihren alten Herren, die an der Waffe arbeiten. So heisst es auf den Seiten der Burschenschaft Rheno-Markomania Darmstadt über ihren alten Herren Kurt H. Debus:

"Während des 2. Weltkrieges arbeitete er als Ingenieur am Prüfstand A-4 (V-2) bei Peenemuende und stieg zum Betriebsleiter des Prüfstands auf. 1945 kam er mit einer Gruppe von Ingenieuren und Wissenschaftlern neben Wernher von Braun in die Vereinigten Staaten von Amerika."


und natürlich hat er alles nur aus wissenschaftlichen Gründen getan ...

zum nachlesen:  http://wwX.rheno-markomannia.infX/Galerie.70.0.html

drüber nachdenken

..,- 14.06.2009 - 21:40
„Die Wissenschaft hat keine moralische Dimension. Sie ist wie ein Messer. Wenn man sie einem Chirurgen und einem Mörder gibt, gebraucht es jeder auf seine Weise.“ (Wernher von Braun)

Das Konzentrationslager Dora-Mittelbau

Radio Corax 15.06.2009 - 08:52
Franz Rosenbach wurde während der Zeit des Nationalsozialismus in verschiedene Konzentrationslager verschleppt. So auch in das Konzentrationslager Mittelbau Dora am Rande der Stadt Nordhausen. In einem unterirdischen gigantischem Stollensystem wurden hier die die so genannten Wunderwaffen, die V1 und die V2 gebaut. Der Sinto Franz Rosenbach überlebte die Arbeit im Konzentrationslager und auch den mörderischen Todesmarsch durch den Harz zum Ende des Krieges. Er erhielt für die Zwangsarbeit in Dora keine Entschädigung. Nach dem Krieg weigerte sich die BRD bis zum jahr 1991, ihm die deutsche Staatsbürgerschaft anzuerkennen.

 http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=28035

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oh mann

lorelei 13.06.2009 - 13:30
...und sonst gibts keine probleme???

A - wie Atombombe

- nie wieder Krieg - weltweit! 13.06.2009 - 18:12
Am 6. und 9. August 1945 brachten die Alliierten den Japanern 126000 Menschen sofort den Tod, 90000 Menschen verreckten anschließend. A - wie Atomarer Massenmord, A - wie Arschlöcher.

auch an der rub

jztfhc 13.06.2009 - 23:38
Am 10.06. zeigt der AStA im Kulturcafé den Film "Hölle im Berg" über das Leben Wernher von Brauns. Beginn ist um 15.00 Uhr.

Auf dem Unifest findet der Raketenwettbewerb W.E.R.N.H.E.R. statt. Die Fachschaft Physik wirbt dafür mit einem Bild, das Wernher von Braun mit dem Modell seiner V2 Rakete zeigt. Der SS Sturmbannführer hatte diese Waffe für Hitler entwickelt. Für den Bau der V2 wurde ein Konzentrationslager errichtet. Tausende von Gefangenen starben schon bei der Produktion der Rakete, die auf Städte wie London und Antwerpen abgeschossen wurde.

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Die Mitglieder des Fachschaftsrats Physik an der Ruhr-Universität finden es weiterhin vollkommen in Ordnung, mit einem SS-Mitglied für ihren Wettbewerb zu werben. In der aktuellen bsz kann man nun auch die gesamte Stellungnahme des FRs lesen: ganze drei Sätze. Für eher kritische Geister wird in einem längeren Artikel das Pamphlet der Arbeitsgemeinschaft "Kritische Kulturhauptstadt" diskutiert.

Die neue Sozialerhebung des DSW ist ein weiteres Thema, wodurch das Dilemma der BA/MA-Studierenden deutlich wird. Außerdem überlegt die Uni-Verwaltung die Befreiungsmöglichkeiten von Studiengebühren bei den Fachschaftsräten zu beschneiden.

Weitere Artikel: Das neuste Stück des Musischen Zentrums "Damians letzte Stunde", der vermeintliche Erfolg der Ruhrfestspiele, die Zahlenspiele der neusten RUB-Statistik, das Mammutprojekt Gesundheitscampus NRW und exildeutsche Befindlichkeit.


rücksichtslose vernichtung

ballina 14.06.2009 - 00:48
nur als hinweis auf die völlige schwachsinnigkeit jeglichen kriegerischen Akt / Aufwand:

meine mutter ist 45 jahrgang, ihre muttter ging im winter desselben jahres mit nem sack aufn acker und holte kartoffeln für sie (mutter) und ihre 6 gescwister, opa (WM soldat) sas in Polen ein für zwei jahre, noch was : mein opa ist nichtmal ihr leiblicher Vater sondern ein Soldat an der front im saarland zeugte mein mutter in abwesenheit meines (un-)leiblichen opas! scheiss kriege!

noch was über kartoffeln:
in den wintern 43-44 wurden 80% der deutschen KARTOFFELERNTE zu ALKOHOL gebrannt welcher als treibstoff für V-WAFFEN diente! ( info aus PEENEMÜNDE MUSEUM wo die ersten RAKETEN in den 20er ajhren entwickelt wurden.