München: Prozess gegen Tierrechtsaktivistin

- 09.06.2009 11:35 Themen: Repression
Verhandlung gegen eine Tierrechtsaktivistin, die im Rahmen der Escada-Kampagne eine Verkäuferin beleidigt haben soll.
Seit Beginn der globalen Kampagne gegen den Echtpelzverkauf der Escada AG im Herbst 2007, (www.antifur-campaign.org) finden in München regelmäßig Flyeraktionen vor den Filialen dieses Konzerns statt.
Nachdem schon oft Probleme mit den VerkäuferInnen sowie PolizistInnen aufgetreten sind, kam es vor ungefähr einem Jahr zu einer Anzeige gegen 2 AktivistInnen. Der Vorwurf lautete „Beleidigung“. Sie sollen eine Verkäuferin des Geschäfts als „Mörder“ und „Tierquäler“ bezeichnet haben. Jetzt kam es zu den ersten Konsequenzen. Eine der beiden wurde zu einem „Ermahnungstermin“ zur Richterin geladen. Dort wurde ihr angeboten, das Verfahren gegen eine Auflage von 16 Arbeitsstunden einzustellen. Die Aktivistin lehnte das Angebot ab, da sie diese Äußerungen nicht gemacht hatte.
Deshalb kam es am 29.04.09 zur Verhandlung.
Geladen waren 2 ZeugInnen von Escada, die den Vorfall angeblich mitbekommen haben.
Bevor die Verhandlung anfing, wurde auf Wunsch der Verteidigung eine Identifikation durchgeführt. Die Angeklagte, die zweite Person, die an besagtem Tag anwesend war und eine unbeteiligte Aktivistin wurden den ZeugInnen gegenübergestellt. Beide zeigten auf die Unbeteiligte und behaupteten, sich an sie erinnern zu können.
Doch die Richterin erkannte diesen Identifikationsversuch nicht an. Sie war der Meinung, dass es menschlich und verständlich wäre, sich nicht daran zu erinnern, wen man vor einem Jahr angezeigt hat, da alle drei öfter vor dem Geschäft flyern.
Die zwei ZeugInnen wurden nach einander gehört und konnten sich nicht mehr wirklich an den Tag damals erinnern. Einer der Zeugen betonte jedoch, dass die Angeklagte eine der Ruhigeren sei, beklagte aber, dass ständig Aktionen vor seinem Geschäft stattfinden und die AktivistInnen die KundInnen und VerkäuferInnen belästigen würden. Beide ZeugInnen unterschieden wenig zwischen der Angeklagten an dem genauen Tag und den Flyeraktionen generell.
Die Verkäuferin die angeblich beleidigt wurde, war zudem nicht einmal anwesend. Das zeigt, dass die Richterin eigentlich schon mit einem Geständnis und der Schuld der Angeklagten gerechnet hat. Da die Aktivistin jedoch weiterhin bestritt, jemanden beleidigt zu haben, wurde ein
2. Verhandlungstag, am 20.05.09, anberaumt, zu dem auch die Betroffene geladen wurde.
Diese machte ihre Aussage, wie sie es auch zuvor schon bei der Polizei getan hatte. Sie behauptete fest, dass sie als „Mörder“ beleidigt wurde und sie das tief getroffen hätte.
Sie betonte ebenfalls mehrfach, dass sie gewaltig unter Druck stünde und angewiesen sei, Ruhe in die Filiale zu bringen. Das wertete die Staatsanwaltschaft jedoch nicht als Motiv zu einer Falschaussage, sondern als Beweis dafür, dass die Verkäuferin nur ihre Ruhe haben möchte und keine unnötigen Ärgernisse, wie Gerichtsverhandlungen.
Interessant zu erwähnen ist auch, dass die Staatsanwältin mehrmals Fragen stellte, die mit dem angeklagten Sachverhalt nichts zu tun hatten und nur darauf abzielten, Informationen über die Struktur der Kampagne und der Ortsgruppe in Erfahrung zu bringen.
Sie fragte beispielsweise, wer verantwortlich für das Drucken oder Bestellen der Flyer sei, von wem die Initiative ausginge und ob die Angeklagte Mitglied einer Organisation sei, etc.
Außerdem wurden in den Polizeiprotokollen nie die Adressen der MitarbeiterInnen angegeben, sondern nur die Geschäftsadresse. Die Begründung hierfür war, dass die MitarbeiterInnen Angst hätten, dass plötzlich jemand vor ihrer Tür steht. Das Nichtangeben von Adressen in einem Prozess wegen Beleidigung ist äußerst unüblich und beweist erneut, dass eine Vorverurteilung bereits stattgefunden hat. Ebenso der Deal der im Vorfeld vorgeschlagen wurde.
Schlussendlich schenkte die Richterin der Verkäuferin des Geschäfts mehr glauben, als der Angeklagten und verurteilte die 16-Jährige, die noch keinerlei Vorstrafen oder Eintragungen im Erziehungsregister hatte zu 60 Arbeitsstunden. Der, eigentlich im Gesetz verankerte, Spruch „im Zweifel für den Angeklagten“ wurde somit offensichtlich übergangen.

Diese Verhandlung ist nicht der einzige Fall von Repression für den die Escada AG verantwortlich ist, doch die Ortsgruppe hat geeignete Mittel gefunden, um sich derartigen Verleumdungen zu entziehen. Sie gehen beispielsweise nur noch zu zweit flyern. Eine Person verteilt Flugzettel und die andere nimmt die ganze Aktion auf Video auf.
Seit dieser Vorsichtsmaßnahme kam es zu keinen falschen Anschuldigungen mehr, vielmehr konnten Aufnahmen gemacht werden, auf denen VerkäuferInnen zu sehen sind, die hinter den Schaufenstern Grimassen schneiden oder uns erboste Blicke zuwerfen.
Es gibt also Möglichkeiten, sich gegen Repressionen zu wehren und weiter für die Freiheit zu kämpfen.
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Ergänzungen

Aussichten

Resist & Revolt 09.06.2009 - 15:11
1. In die nächste Instanz gehen.

2. Die schöne Nachricht: Escada ist am Ende.

"Escada, das Ende einer Luxusmarke?
Der Luxusmode-Konzern Escada schreibt weiter rote Zahlen. Der Verlust für das Geschäftsjahr, das im Oktober endete, werde größer ausfallen als die 27,3 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum, teilte Escada in München mit. Genaue Zahlen würden noch berechnet. Der Umsatz sei im Geschäftsjahr um 15,1 Prozent auf 582,5 Millionen Euro gesunken. Grund sei die zunehmende Kaufzurückhaltung der Deutschen, die sich vor allem im vierten Quartal zwischen August und Oktober deutlich bemerkbar gemacht habe."

 http://www.hannover-zeitung.net/aktuell/wirtschaft/115544-escada-das-ende-einer-luxusmarke

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Dummbrot... — Megaatze

dummbrot 2.0 — o+

@ megaatze — Dummbrot 2.0