Hildburghausen: Endlich offensiver Widerstand

Südthüringerin 08.06.2009 14:59 Themen: Antifa
Endlich tut sich was gegen die Faschos in und um Hildburghausen, Südthüringen. Im Endspurt zur Kommunalwahl setzte es eine Vielzahl von Aktivitäten, eine Demo in Hildburghausen am 6.6. zog bei strömendem Regen 200 Leute an, darunter haufenweise Jugend.
Hildburghausen in Südthüringen gilt seit einigen Jahren als antifaschistische Problemzone. Regelmäßiger faschistischer Terror gegen unliebsame Personen und Veranstaltungen, Vandalismus gegen Wahlkreisbüros der LINKEN, gegen Autos und Häuser bekannter Antifaschisten. Jetzt endlich tut sich was dagegen.
Im Kommunalwahlkampf setzte es einen kraftvollen antifaschistischen Schlussspurt. Die Bürgerbündnisse setzten eine große antifaschistische Anzeige ins Freie Wort, führten eine ganze Reihe von Veranstaltungen durch und versorgten sämtliche Haushalte im Landkreis mit einem Aufkleber gegen Nazi-Werbung. Ein neugegründetes Jugendbündnis erstellte eigene Flyer, wovon 5.000 Stück unter die Leute kamen - und organisierten für den 6.6. eine Antifa-Demo im beschaulichen Hildburghausen.
Bei strömendem Regen kamen zu dieser Demo 200 Leute. Neben den üblichen Verdächtigen aus dem Bündnisumfeld, Kirche, Linke, SPD usw. war diesmal der niedrige Altersschnitt auffällig. Es war eine kraftvolle, schnelle und eben sehr junge Demo. Die Hildburghäuser Nazis verschanzten sich im Thor-Steinar-Laden und fotografierten aus einem PKW und einer Wohnung, alles in allem gehörte aber an diesem Tag die Straße uns!
Alles das war auch nötig. Obernazi Tommy "Adolfina" Frenck hatte nach seinem Austritt / Rausschmiss aus der NPD ein "Bündnis Zukunft Hildburghausen" gegründet, und kandidierte, mit tat- und finanzkräftiger Unterstützung von Kai-Uwe Trinkaus (Erfurt), für den Kreistag. Dort ergatterte Frenck dank des Wegfalls der 5%-Hürde einen Sitz. 2,1% für die Nazi-Liste sind aber wohl angesichts der notorischen Nazi-Problematik in und um Hildburghausen kaum als Erfolg zu werten. Dass der auch in Nazi-Kreisen als nicht gerade helle bekannte Frenck im Kreis antrat, dafür aber auf eine Kandidatur für den Hildburghäuser Stadtrat verzichtete, erwies sich in der Rückschau als schwerer taktischer Fehler. In der Stadt erhielt das BZH nämlich 4,6%.
Es gibt also keinerlei Grund zur Entwarnung. Die Nazi-Szene in Südthüringen bleibt aktiv und muss weiterhin massiv bekämpft und zurückgedrängt werden. Die entscheidende Veränderung ist aber, dass sich endlich, endlich offensiver Widerstand formiert. Und das auf vielen Ebenen. Die Wahlplakate der Nazis verschwanden nahezu ausnahms - und gänzlich spurlos. Man hört auch von wiederholtem Glasbruch am Auto des Obernazis Frenck. Ein Angriff von 20 Faschos auf das traditionelle Kuhschwanzfest in Eisfeld, am Wochenende vor der Wahl, wurde von 60 Leuten entschlossen abgewehrt.
Wie man sieht, es ist ein munteres Hin und Her im Süden von Südthüringen. Aber immerhin macht Unsereins jetzt mal erkennbare Schritte in die Offensive. Und weiter gehts ...
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Ergänzungen

Kritik

Antifa IK 09.06.2009 - 22:12
Von der Antifa Südthüringen setzt es gehörig Kritik an der Demo vom Samstag: http://agst.antifa.net/archiv/text263.htm Hildburghausen: Das Gegenteil von "gut" ist "gut gemeint"

Am vergangenen Samstag (6. Juni 2009) fand in Hildburghausen eine Demonstration gegen die neofaschistische Wählergemeinschaft "Bündnis Zukunft Hildburghausen" (BZH) und deren Antritt zur Kreistagswahl statt. Dabei tat sich ein "Jugendbündnis gegen Extremismus" hervor, welches zur der Demonstration aufrief. Trotz aller Sympathie für engagierte Nazi-Gegner_innen darf eine solche Namensgebung, die auch den Aufruf durchzog, nicht unkommentiert bleiben.

Neonaziliste "Bündnis Zukunft Hildburghausen"

Anfang des Jahres 2009 kam es zum Bruch zwischen NPD und Tommy Frenck. Die Partei untersagte Frenck und dem NPD-Kreisverband Hildburghausen, dessen er vorstand, den Antritt zu den Kommunalwahlen. (AGST berichtete: http://agst.antifa.net/archiv/text237.htm) Frenck entschied sich, mit Hilfe prominenter NPD-Dissidenten, der NPD den Rücken zu kehren und mit Hilfe einer fix gegründeten Wählergemeinschaft zu den Kommunalwahlen anzutreten. Es war die Geburtsstunde des "Bündnis Zukunft Hildburghausen" (BZH). Bei der Namensgebung dachte man wohl an das in Österreich erfolgreiche rechtspopulistische "Bündnis Zukunft Österreich" (BZÖ). Nachdem genug Unterschriften gesammelt waren, war der Weg des BZH zu den Kreistagswahl frei. Frenck und co. bemühten sich im Wahlkampf um ein bürgerliches Image. Mit Hilfe von "Schwarz-Rot-Gold"-Plakaten versuchten die Neonazis das nationalistische Potenzial im Landkreis zu mobilisieren. Vergebens. Das BZH erreichte am 7. Juni "nur" 2,1 Prozent der Stimmen. Was zwar immerhin einem Sitz in Kreistag entspricht, aber weit unter den Erwartungen der Neonazis blieb.

Extremismus = Unsinn!

Gegen den Wahlantritt der Neonazis organisierte sich Widerstand vor allem unter jungen Menschen, die, mit Schützenhilfe des Bündnis gegen Rechts, mehrere tausend Flyer verteilten, über das BZH aufklärten und eine Demonstration am 6. Juni, also einen Tag vor den Kommunalwahlen organisierten. Die Namensgebung der Jugendbündnis darf dabei gelinde gesagt, als unglücklich bezeichnet werden: "Jugendbündnis gegen Extremismus". Dabei hat sich die Initiative einen höchst strittigen Begriff zu eigen gemacht. Der Extremismus-Begriff ist nicht nur ein Instrument konservativer Ideologen, er ist ihre Schöpfung und hat es in der Bundesrepublik zu einer erstaunlichen Verbreitung gebracht. Fast unhinterfragt durchzieht er die Medienlandschaft und deutsche Politik. In der Wissenschaft ist der umso mehr umstritten. Die Ideologie hinter dem Extremismus-Begriff konstruiert eine scheinbar gute und demokratische Mitte, die von extremistischen Rändern, nämlich rechten und linken gleichermaßen bedroht wird. Damit findet eine Gleichsetzung von Rechtsextremismus (=Faschismus, Nationalsozialismus) und Linksextremismus (=Kommunismus, Anarchismus, konsequenter Antifaschismus) statt, die nicht nur der Komplexität der politischen Realität nicht gerecht wird, sie relativiert den Faschismus, samt seiner bisherigen Erscheinungsformen. Die Gleichsetzung von "links" und "rechts" relativiert die Shoa und verhöhnt die Millionen Opfer und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.
Der Exremismus-Begriff verstellt den Blick. Vor lauter recht=links-Unsinn wird schnell übersehen, dass die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 kein Gemeinschaftsprojekt von Kommunisten und Faschisten war, sondern durch ein historischen Bündnis zwischen Faschisten und Konservativen hervorging, die die nationalsozialistische Herrschaft und den Holocaust erst möglich machten.
Dabei stammen die Begriffe "rechts" und "links" eigentlich aus der parlamentarischen Politik. Im Paulskirchenparlament, der deutschen Nationalversammlung von 1848, saßen nämlich links die Sozialdemokraten und Sozialisten und rechts die Konservativen und Monarchisten. Folglich waren die Begriffe links und rechts Sammelbegriffe politischer Strömungen. Das Jugendbündnis in Hildburghausen hätte gut daran getan, sich vor der Namensgebung über die Herkunft dieses Begriffes besser zu informieren. Es kann nicht in unserem Interesse liegen die Opfer und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus zu schmähen.

Zur weiterführenden Lektüre empfehlen wir die hervorragenden Publikationen der Initiative gegen den Extremismus-Begriff, insbesondere den Offen Brief (http://inex.blogsport.de/), einen Redebeitrag von uns, der am 21. Juni 2008 in Langewiesen gehalten wurde (http://agst.antifa.net/archiv/text158.htm#redi2), einen Flyer von uns der am 9. August 2008 in Zella-Mehlis verteilt wurde (http://agst.antifa.net/archiv/text178.htm) oder das Buch von Wolfgang Wippermann "Dämonisierung durch Vergleich: DDR und Drittes Reich".

An der Demonstration in Hildburghausen beteiligten sich trotz schlechten Wetters unerwartet viele Menschen. Zudem gab es im Vorfeld der Wahl weitere Aktionen gegen zunehmende faschistische Tendenzen. ...

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