Flüchtlingslager in Bayern

Deutschland Lagerland 07.06.2009 12:31 Themen: Antirassismus
Die jahrelange Kampagne des Deutschland Lagerland Netzwerkes zeigt Wirkung: Erste Flüchtlingslager wurden aufgrund des öffentlichen Drucks schon geschlossen, weitere werden wohl noch folgen. Nächste Station ist ein das Gesetzgebungsverfahren im Bayerischen Landtag. Um den politischen Druck weiter zu erhöhen, finden am Wochenende vom 11. bis zum 14. Juni 2009 Aktionstage statt.
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Knapp 8.000 Flüchtlinge müssen in Bayern in 118 Lagern leben (siehe Lagerkarte). Jahrelange Enge in Mehrbettzimmern (12m² für 4 Personen), Essenspakete, Duschräume für bis zu 80 Personen und Isolationslager im Wald sollen „die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland“ (Asyldurchführungsverordnung Bayern) fördern. So wachsen Kinder auf, so leben Familien und Alleinstehende. In einigen anderen Bundesländern wird längst auf die Lager verzichtet, dort gibt es Wohnungen statt Flüchtlingslager. Noch diesen Sommer entscheidet auch der bayerische Landtag über die Abschaffung des Lagerzwangs. Damit dabei kein fauler Kompromiss herauskommt, sagen Flüchtlinge aus ganz Bayern beim viertägigen Lagerschlussverkauf, den Aktionstagen in der Münchner Innenstadt: Spart euch euren Lagerzwang, alle müssen raus!

„Lieber sterben, als noch einen Tag länger im Flüchtlingslager“, erzählt Bilkis Ali Mohammed (35). Acht Jahre lebte die irakische Frau mit ihrem Mann und den fünf Kindern im Flüchtlingslager in der Waldmeisterstraße. Sieben Personen, acht Jahre im Container, zwei kleine Zimmer, im Winter kalt, im Sommer heiß. So ein Leben macht krank. Das bestätigen Mediziner immer wieder, zuletzt beim Landtagshearing zur Flüchtlingsunterbringung. Die Misere ist immer dieselbe: Mehrbettzimmer, Essenspakete, kein Platz für die Kinder zum Hausaufgaben machen, Anstehen für die Toiletten, Anstehen zum Duschen. „Das ist kein Leben hier, sogar Tiere haben mehr Platz. Sollen so meine Kinder groß werden?“, fragt die fünffache Mutter.

Verantwortlich für diese Situation ist das Bayerische Aufnahmegesetz, das eine strikte Lagerpflicht für Flüchtlinge in Bayern vorsieht. Das Lagerleben soll zudem „die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern“, so die Asyldurchführungsverordnung. Im Klartext, heißt das: Den Flüchtlingen soll das Leben so schwer wie möglich gemacht werden, damit sie „freiwillig“ gehen. Auf dieser rechtlichen Grundlage werden 7636 Personen dazu gezwungen, in den 118 bayerischen Flüchtlingslagern in alten Gasthöfen, ausgedienten Kasernen und verrotteten Containerunterkünften zu leben. Dass es auch anders geht, zeigt ein Blick nach Leverkusen: Die Lager wurden abgeschafft, Flüchtlinge leben in Wohnungen.

Für das Recht auf menschenwürdiges Wohnen

Auch in Bayern tut sich etwas. Seit die CSU im September 2008 ihre absolute Mehrheit verloren hat und gezwungen war, eine Koalition mit der FDP einzugehen, werden die Forderungen des Deutschland Lagerland Netzwerkes auch im Landtag verhandelt. FDP, SPD sowie Grüne fordern die Abschaffung aller Flüchtlingslager, die CSU ist gespalten zwischen SozialpolitikerInnen und Law-and-Order-Fanatikern.

Schon im Dezember sah sich der Landtag gezwungen, ohne Gegenstimmen die sofortige Schließung zweier Containerlager in München zu verfügen, weitere sollen folgen. Dann wurde jedoch die allgemeine Forderung nach der Abschaffung des gesamten Flüchtlingslagerkomplexes gestellt und dementsprechender Gesetzesentwurf eingebracht. Im April 2009 fand eine ExpertInnenanhörung im Bayerischen Landtag statt, an der auch zwei Delegierte des Lagerland Netzwerkes als ExpertInnen teilnahmen. Dies war wohl das erste Mal in der Geschichte eines Parlaments, dass zwei geduldete Flüchtlinge ihre Sicht der menschenunwürdigen Unterbringung darlegen konnten. Die große Mehrheit der ExpertInnen sagte: Die Lager müssen weg, denn sie machen krank und kaputt.

Alles muss weg!

Um diese Forderung nocheinmal zu unterstreichen, veranstaltet das Deutschland Lagerland Netzwerk gemeinsam mit Antifa-Zusammenhängen, SDAJ, Schickeria München und Einzelpersonen Aktionstage in der Münchner Innenstadt vom 11. bis zu 14. Juni 2009.

Aus dem Aufruf: Die langjährigen Kämpfe von antirassistischen Zusammenhängen in Bayern waren nicht umsonst. Nach viel Druck durch Kampagnen und Aktionen kann der bayerische Landtag seit der Wahl 08 die Bedingungen in den Lagern nicht mehr ignorieren. Dass es zu einer Änderung des Gesetzes, das den Lagerzwang regelt, kommen wird, steht fest. Zu befürchten ist, dass es allerdings nur zu Detailverbesserungen kommen wird und der Lagerzwang nur für einzelne Gruppen, aber nicht generell, aufgehoben wird.Es liegt an uns, wir wollen keine faulen Kompromisse! Wir wollen den ganzen Lagerzwang ein für alle Mal abschaffen!

Aufrufe: deutsch, englisch, arabisch, farsi, sorani.

  • Sofortige Abschaffung aller Flüchtlingslager!
  • Privatwohnungen statt Lager für alle Flüchtlinge!
  • Freie Wahl des Wohnortes und Bewegungsfreiheit!
  • Recht auf würdevolles, selbstbestimmtes Leben!

Über das Lagerland Netzwerk

Das Deutschland Lagerland-Netzwerk kämpft seit 2002 mit seiner Kampagne gegen Flüchtlingslager, Abschiebungen und für ein Bleiberecht für Flüchtlinge. Die Kampagne wurde und wird getragen von über 70 Flüchtlingen aus mehreren Lagern in ganz Bayern, der < href="http://www.carava.net/">Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen München und Karawane Nürnberg, dem Bayerischen Flüchtlingsrat, der Bürgerinitiative Asyl Regensburg, JOG Bayern und dem Regensburger Flüchtlingsforum. Erster Höhepunkte der Kampagne war 2006 die „International Refugee Human Rights Tour“, die sich an die nolager-Touren in Norddeutschland anlehnte. Eine Chronologie des Lagerlandnetzwerkes findet sich auch in der 10-Jahres-Broschüre der Karawane München.

Derzeit treffen sich Delegierte aus mehr als zehn Lagern und den unterstützenden Organisationen regelmäßig auf Landesebene. Ziel aller aktuellen Anstrengungen ist es, öffentlichen Druck auf die politische Ebene auszuüben, um in den kommenden Landtagsanhörungen und beschließenden Sitzungen alle Hebel für ein Ende des Zwangs zum Leben in Lagern in Bewegung zu setzen. Weitergehende Forderungen des Netzwerkes sind ein allgemeines Bleiberecht und das Ende aller Abschiebungen.

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Ergänzungen

5.September Demo in Würzburg

nicht die Mama 07.06.2009 - 15:12
Samstag, 5.September 2009

12.00 Uhr Würzburg - Hauptbahnhof

Fight Fortress Europe

Abschiebungen verhindern! Gemeinschaftsunterkünfte schließen!

Demonstration in Würzburg

Infos und Aufruf www.noborders.blogsport.de

Anti-Lager-Aktionstage in München

Karawane München 08.06.2009 - 01:26

Berlin: Protest gegen Massenabschiebung

Observer 09.06.2009 - 11:58
Rund 200 Menschen protestieren am Flughafen Schönefeld gegen eine Massenabschiebung nach Vietnam, können den Abflug aber nicht verhindern.

Die Sambagruppe hat es als Erste geschafft. Direkt vor dem Eingang des Terminal A vom Flughafen Schönefeld protestiert sie lautstark gegen eine geplante Massenabschiebung von rund 100 Vietnamesen nach Hanoi. Genehmigt war nur eine Kundgebung mehrere hundert Meter von dem Terminal entfernt.

Doch nicht alle wollten sich damit zufrieden geben. "Da hinten hört uns doch keiner", sagt einer der Aktivisten, die sich schnell zu der Sambagruppe gesellen. 40 Demonstranten stehen und sitzen schließlich direkt vor dem Terminal. "No border, no nation, stop deportation", rufen die Demonstranten zwischen den Sambaklängen. Auf Transparenten fordern sie "Keine Massenabschiebungen, keine Grenzen".(...)

Weiterlesen:  http://www.taz.de/regional/berlin/aktuell/artikel/1/samba-verhallt-im-fluglaerm/

Meinungsfreiheit nicht für Flüchtlinge?

azadi 09.06.2009 - 21:41
Ausländerbehörden verbieten Flüchtlingen, an den Aktionstagen teilzunehmen

“Wir sind 50 Leute und wollen zur Demonstration am 13.6. nach München kommen, aber die Ausländerbehörde gibt uns keine Erlaubnis”, berichtete ein Bewohner des Würzburger Flüchtlingslagers vergangene Woche am Telefon. Auch die BewohnerInnen des Flüchtlingslagers in Amberg berichten, dass sie nicht nach München fahren dürfen.

Weitere Recherchen bestätigen es: Die Zentrale Rückführungsstelle (ZRS) Nordbayern hat die Ausländerbehörden angewiesen, keine Befreiung von der Residenzpflicht zu erteilen, wenn Flüchtlinge diese für einen Besuch der Aktionstage beantragen. Peter Meißner, der Leiter der ZRS Nord, begründet dies damit, dass ein solcher Antrag nicht von den Erlaubnisgründen des Aufenthaltsgesetzes abgedeckt sei: Der Besuch einer Demonstration liege weder im öffentlichen Interesse, noch sei es eine unbillige Härte für die Betroffenen, wenn sie nicht fahren dürften. Er sehe “deshalb keine Veranlassung eine Reiseerlaubnis zu erteilen”. Diese Position wird auch vom Bayerischen Innenministerium gedeckt.

“Wir sind entsetzt, mit welch fadenscheinigen Begründungen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und das Menschenrecht auf Meinungsfreiheit für Flüchtlinge außer Kraft gesetzt wird”, protestiert Martina Mauer vom Netzwerk Deutschland Lagerland gegen diese Behördenpraxis. “Nächste Woche beginnt die parlamentarische Debatte im Bayerischen Landtag zur Zukunft der Lagerunterbringung von Flüchtlingen und die Behörden verbieten es den Betroffenen, am Wochenende davor für eine Abschaffung der Flüchtlingslager und das Recht auf eine Wohnung zu demonstrieren. Scheinbar sollen die Kritiker der rigiden bayerischen Lagerpolitik mundtot gemacht werden.”

In diesem Zusammenhang interessant ist folgendes Urteil des Bundesgerichtshofes:

Der Bundesgerichtshof hat am 17. Februar 2009 entschieden, dass für Geduldete der wiederholte Verstoss gegen eine von der Ausländerbehörde verhängte räumliche Beschränkung auf den Landkreis keine Straftat ist. Strafbar ist nur das wiederholte Verlassen des Bundeslandes. Der Verstoß gegen eine Beschränkung auf den Landkreis ist für Geduldete nur eine Ordnungswidrigkeit. Er kann also zu einer Geldbuße führen, nicht aber zu einer Strafe und damit einem späteren Ausschluss von einem humanitären Aufenthaltstitel

 http://www.deutschland-lagerland.de/

ePetition

...und wer kontrolliert Ihr Leben? 12.06.2009 - 18:42
ePetition: Bargeld, dezentrale Unterbringung, Bleiberecht und Arbeitserlaubnis für Asylsuchende, gegen Residenzpflicht

drei weitere postings

Verlinker 13.06.2009 - 05:50

Meinungsfreiheit nicht für Flüchtlinge?
Deutschland Lagerland 09.06.2009 02:38 Themen: Antirassismus Repression
 http://de.indymedia.org/2009/06/252844.shtml

Anti-Lager-Aktionstage München: Auftakt
Lagerland09 12.06.2009 00:47 Themen: Antirassismus
 http://de.indymedia.org/2009/06/253102.shtml

München: Lagerschlussverkauf - Zweiter Tag
Deutschland Lagerland 13.06.2009 00:50 Themen: Antirassismus
 http://de.indymedia.org/2009/06/253148.shtml

Weitere Informationen

noborder 13.06.2009 - 13:57
Der noborder Sommer hat begonnen - Feature auf at.indymedia.org mit Informationen zu den Lagerschlusstagen in München und dem noborder Camp in Calais, Frankreich, das von 23. bis 29. Juni 2009 stattfindet; siehe dazu auch den Aufruf (de) sowie weitere Infos (en/fr/...) auf calaisnoborder.eu.org und london.noborders.org.uk.

Weitere noborder Proteste in den nächsten Monaten:
24. - 30. August: Aktionswoche gegen Abschiebung in Deutschland
25. - 31. August: no border camp auf Lesvos, Griechenland
Anfang September: noborder camp an der türkischen Ägäis-Küste
5. - 9. Oktober: Amed Camp beim MSF in Amed, Nordkurdistan
Nov / Dez: Proteste gegen das "Stockholm Programm", den neuen restriktiven 5-Jahres-Plan für die EU-Migrationspolitik (Politikbereich Justiz und Inneres).

Eine Übersicht mit weiterführenden Links findet sich auf no-racism.net

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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