Berlin: Rassismus von Medien bis Polizei

metaoperaist 01.06.2009 00:44 Themen: Antifa Blogwire Medien Repression Soziale Kämpfe
Vergangenen Freitag ereignete sich ein rassistischer Vorfall am Kottbusser Tor. Ich wurde Zeuge, wie die Opfer von der Polizei wie Täter behandelt wurden. Bei den Betroffenen handelt es sich um Roma aus Rumänien.
Im Artikel "Kriminalität - Was eine Polizistin täglich in Kreuzberg erlebt" in der Online-Ausgabe der Berliner Morgenpost habe ich heute folgendes gelesen:

Quelle:  http://www.morgenpost.de/berlin/article1103573/Was_eine_Polizistin_taeglich_in_Kreuzberg_erlebt.html

"Doch die Polizistin und ihr Kollege erhalten sofort einen neuen Auftrag: Scheibenwischer-Mafia am Kottbusser Tor vertreiben. "In diesem Tempo wird es bis Schichtende 17 Uhr weitergehen", sagt Janina L. "Willkommen auf Streife im Kiez SO 36." "

"Scheibenwischer-Mafia"? So etwas gibt es nicht. Und was soll ich mir darunter überhaupt vorstellen? Hat schon jemals ein Mensch von Bandenkriegen, um die besten Ampeln gehört. Erpressung mit vorgehaltener Waffe: "Entweder ich darf dir für 50 Cent die Scheibe wischen oder...!" So etwas passiert nie. Letztlich wird von diesem Blatt der Anschein erweckt, dass Scheiben wischen kriminell, verboten und verrucht sei. Unaufmerksame Leser_innen reagieren dementsprechend mit Ressentiments.

Was am Freitag den 29.05.2009 am Kottbusser Tor geschah:

Einige Roma haben die Fenster von haltenden Autos geputzt, trotz aller widriger Umstände: der Trinkwasserbrunnen ist in diesem Jahr nicht wieder in Betrieb genommen worden - dort konnten Menschen nicht nur umsonst ihren Durst löschen, sondern auch bspw. Wasser zum Fenster putzen abzapfen - und deutlich dramatischer: die Phasenschaltung der Verkehrsampeln wurde verändert, die Rotphasen wurden verkürzt. Obwohl es an kaum einer anderen Kreuzung in Berlin häufiger zu Unfällen, auch mit Personenschäden, kommt. D.h. nur damit nicht genug Zeit zum Scheiben putzen, oder auch für Kleinkunst- und Jonglage-Darbietungen bleibt, werden Verletzte billigend in Kauf genommen, Hauptsache das Bild des Kotti wird "cleaner" zum Wohle der Geschäftsleute, Immobilieninhaber_innen, Security-Firmen und anderer Geldvermehrer_innen. Statt bunter Menschen, Junkies und Graffiti, chice Läden, chice Straßen, überwachte Plätze und Multikulti - bitte - nur in Form von Konsument_innen die sich "etwas" leisten können.

Doch zurück zu einem Vorfall mit der angeblichen "Scheibenwischer-Mafia": Eine Frau, die zugegeben Autoscheiben säuberte, wartete auf die nächste Rotphase, als sie ein Fußgänger - ein Mann - mit "Komm mit ich ficke dich für einen Fünfer!" ansprach. Da der Mann nicht locker lassen wollte, rief sie ihren minderjährigen Bruder zu Hilfe, doch noch bevor dieser einschreiten konnte wurde er von dem "selbsternannten Freier" ins Gesicht geschlagen. Zeugen haben diesen Vorfall beobachtet und sofort Verstärkung angefordert. Die Zeugen saßen in einem Streifenwagen, sahen was sich zutrug und machten NICHTS: ließen den Täter einfach fortlaufen. Doch innerhalb der nächsten drei Minuten trafen weitere 5 Streifenwagen am Kotti ein. Die ebenfalls nichts Sinnvolles machten, außer einseitig den Verkehr in der Skalitzer Straße fast lahm zu legen und vor allem die Roma staatliche Repression spüren zu lassen. Ausweiskontrolle! Sie entwendeten die Wasserflaschen der Putzer_innen und zertraten diese vor deren Augen. Die Scheiben-Abzieher wurden ihnen abgenommen. Und der Täter... für den interessierte sich natürlich niemand der Herbeigeilten." Einzige geleistete "Ermittlungsarbeit" war die Aussage "Wenn Sie wollen, können Sie Anzeige erstatten."

Ein Unterstützer der Roma übersetzte ins Spanische, um Kommunikation zwischen Roma und Polizisten herzustellen.

Ich selber war vor Ort. Mit der Bürgerinitiative für ein menschenfreundliches Kottbusser Tor, hatten wir, beim ehemaligen Brunnen, eine Kundgebung angemeldet. Und einen Wasserkanister mit 25 Liter Trinkwasser auf dem Burnnen platziert: für alle und umsonst! Und dieses Angebot wurde auch von den Roma genutzt, bis zu diesem Zwischenfall.

M.E. haben "nette" Polizist_innen, wie sie mit dem Artikel der Berliner Morgenpost beschrieben werden, gegen das Legalitätsprinzip verstoßen: "Sie haben zugesehen anstatt einzugreifen - wohlgemerkt gegen einen einzigen Täter! Stattdessen wurden 5 weitereStreifenwagen angefordert und im Nachgang die Roma mit Kontrollen und Enteignung malträtiert. Jedenfalls passt der beschriebene Einsatzbefehl "Scheibenwischer-Mafia vertreiben am Kotti" hervorragend ins menschenverachtende Bild des Axel-Springer-Verlags.

Mich bedrückt dieser Vorfall ganz besonders, denn bereits Anfang der Woche wurde ich Zeuge der Verletzung des Legalitätsprinzips: Ein Mensch mit einem "Landser"-T-Shirt durfte unbehelligt, trotz lautstarken Interventionsversuchen, an rund 20 Polizeibeamten vorbei und seines Weges gehen. Eine Anzeige wurde nicht aufgenommen. Statt dessen folgte seitens der Beamten ein Kriminalisierungsversuch bei einem protestierenden Afrikaner. Das trug sich in Merseburg zu, einem anderer Schauplatz, desselben kleingeistigen Axel-Springer-Verlag-Kindes.

Wer in Deutschland die "falsche" Hautfarbe hat, hat weniger Rechte, weniger Recht und weniger Freiheit. Apartheid und Rassistische Kontrollen sind an der Tagesordnung. Und an der Stelle können sich viele Menschen an die eigene Nase fassen: Alltags-Rassismus fängt bei den unbesetzten Sitzplätzen neben Schwarzen in überfüllten U-Bahnen und Bussen an und das ist Alltag in der Wannabe-Multi-Kulti-Metropole Berlins, die an diesem Wochenende den Karneval der Kulturen feiert. Das ist obszön.

Ich will, dass der Trinkwasserbrunnen Kottbusser Ecke Reichenberger Strasse wieder benutzbar wird, dass keine weiteren Polizei-Einsätze gegen die "Scheiben-Wischer-Mafia" oder die Drogenkonsument_innen angeordnet werden und dass das Kottbusser Tor menschenfreundlicher wird und erhalten bleibt. Ein kultureller Schutzraum für Menschen die ihr Leben gestalten wollen, statt neoliberaler "Kreativ-Wirtschaft" zur Gewinnmaximierung durch Vertreibung von Menschen. Von mir aus sollen sogar Polizist_innen eine Gehaltserhöhung bekommen, denn auch unter ihnen gibt es entsprechenden Verdruss. Die kapitalistische Gesellschaft kommt nicht ohne Kontrolle aus. Ihre Basis sind entmündigte Bürger_innen und die mediale Bewußtseinskontrolle der Menschen. Aber es gibt Alternativen, es gibt selbstbestimmtes Leben und das muss es auch für "noch" Polizist_innen geben.

Ich bin für eine Welt der anderen Möglichkeiten und du?

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Ergänzungen

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Zeige die folgenden 7 Kommentare an

@ lollo — uffa

krasse nummer — anderer stern?

Rassismus bei Indymedia — was tun ?

Polizeistaat? — Pablito

mafia gibt es nicht? — Einfacher Text oder HTML?

Selbst Schuld — Roman