[berlin] BRUNNEN 183 - wofür kämpfen?

das bewohner_innen kollektiv 31.05.2009 17:48
Nachdem sich das angebliche Entgegenkommen des Senats als heisse Luft entpuppt hat, rechnet das selbstverwaltete Hausprojekt "brunnen183" jetzt fest mit der Rechnung am 18.6. um 7uhr.
Mitlerweile wurden einige Stimmen laut, welche die Frage aufwerfen, warum man das in der Berliner Szene häufig kritisierte Haus überhaupt verteidigen sollte.
Mit Blick auf die in letzter Zeit zunehmenden Repressionen, ist die anstehende
Räumung der Brunnen183 jedoch auch als Möglichkeit zu sehen, den Repressionsorganen zu zeigen, welche Konsequenzen sie tragen werden müssen wenn sie an ihrem Disrespekt gegenüber unseren Freiräumen, gegenüber unserer Weise zu leben, festhalten.
Seit 16 Jahren existiert das Hausprojekt "brunnen183" in Berlin-Mitte.
Dort befindet sich der Umsonstladen, es sind zwei Vereine in dem Haus ansässig.Es gibt eine Ausstellungsfläche für die zahlreichen KünstlerInnen des Hauses. Viele BewohnerInnen haben ihr Leben der Musik oder der gestaltenden Kunst verschrieben.

In der Berliner Szene wurde das Haus in den letzten Jahren -teilweise zurecht- oft stark kritisiert.
Da mit der Räumung des Hauses am 18.06. gerechnet wird, stellt sich vielen die Frage, warum sie ein Haus, das sie nur bedingt als Freiraum gelten lassen, überhaupt verteidigen sollen.

Wir möchten hier einmal die Vorwürfe der "Szene",der gelebten Realität in der Brunnen183 gegenüberstellen und auch auf verschiedene generelle Gründe zur Verteidigung des Projektes aufmerksam machen.

Die uns bekannten Vorwürfe lauten:

1. das Projekt sei insgesamt zu unpolitisch
2. Sexistisches Verhalten würde hier toleriert
3. BewohnerInnen des Hauses wären zu einem Grossteil Drogen/Alkoholabhängig
und würden das Haus -als Gebäude- nur "runterrocken"


sicher gibt es noch eine weitausgrössere diffuse Masse von Vorwürfen, die insgesamt alle in eine Richtung zielen: das Haus sein bewohnt von einem Haufen unpolitischer "Assis" sowie in letzter Zeit einigen unpolitischen Künstlern.

Unsere Stellungnahme dazu generell (Situationsbeschreibung betreffend den Zeitraum 2006 bis Mitte 2008):


zu 1 und 3:
Es ist wohl wahr, dass nachdem vor einigen Jahren ein Grossteil der damaligen BewohnerInnen auszogen um andernorts ein neues Projekt zu gründen, überwiegend KünstlerInnen übrigblieben, die sich (oft schon aufgrund ihrer Stellung als ausgegrenzte Immigranten in dieser Gesellschaft) als politisch verstanden. Aufgrund der vielfältigen kulturellen Hintergründe, die die Herkunft aus anderen Teilen der Erden nun einmal real mit sich bringt, äusserte sich deren "Rebellion" überwiegend im kleinsten gemeinsamen Nenner der Gruppe,gegen die in diesem Staat vorhandenen rassistischen Tendenzen und gegen die dem Kapitalismus innewohnende Verwertungsideologie. Andere Themen, mit denen die hiesige "Szene" sich auseinandersetzt blieben oft unberührt.

Dennoch wurde das Hqaus weiterhin zu 100% selbstverwaltet und instandgehalten.
Die strukturelle Offenheit und die ein wenig unklare politische Definition führten dazu, dass viele neu hinzukommende BewohnerInnen/Projektteilnehmerinnen nicht ausreichend auf ihre Ideale hin abgeklopft wurden. Oft wurde Räume eben auch einfach an Personen vergeben, die ihrer dringend bedurften, weil sie -oft aufgrund ihrer Herkunft und der damit einhergehenden Marginalisierung- nicht in der Lage waren , die hohen Mieten in einer regulären Wohnung bzw. einem sanierten Hausprojekt zu zahlen (die Räume in der Brunnen 183 waren damals ab ca 50 Euro pro Kopf monatlich zu haben).
Auch waren/sind darunter Menschen aus dem "Strassenpunk"-umfeld, welche hier teilweise zum ersten Mal in einem selbstverwalteten Projekt lebten und denen sie Möglichkeiten die eine solche "Freiheit" mit sich bringen kann erst nach langer Zeit des Zusammenlebens klar wurden.

All dies führte zu der vielkritisierten nicht ausreichend politischen Realität in der B183.

zu 2:Vor ca. zwei Jahren gab es in der Kneipe der Brunnen183, dem BAllast der REpublik, einen Vergewaltigungsvorwurf. Schlimm war dabei auch, dass derjenige, von dem die sexuelle Gewalt ausging Teil des Haus- und Kneipenkollektivs war. Die Person wurde jedoch nach Bekanntwerden des Vorfalls innerhalb von drei Tagen aus dem Kollektiv und dem Haus verwiesen.
Auch wenn der weitere Umgang mit dem Fall zu kritisieren ist,( es dauerte ca 2 wochen, bis das Hausverbot gegenüber derr Person 100%ig in Kraft trat)kann nicht behauptet werden, solche Vorfälle blieben hier komplett unbeachtet, so wie viele das behaupten.
Innerhalb der letzten zwei Jahre gab es zwei weitere Fälle von sexueller Belästigung innerhalb des BewohnerInnen-Kollektivs, beide Fälle wurden auf dem Plenum diskutiert, in beiden Fällen wurden die Belästiger aufgefordert, das Haus zu verlassen. Was diese jeweils unter verschiedenen Vorwänden mehrere Wochen hinauszögerten, letztenendes aber zum Auszug gewungen wurden.
Es gibt also auch hier einiges zu kritisieren,besonders, dass das Thema Sexismus im Haus oft nur aus konkreten Anlässen diskutiert wurde, nicht jedoch vorfallunabhängig in der Zwichenzeit. Es fand jedoch immer aktiv eine Auseinandersetzung statt und es wurde sich klar von den "Tätern" distanziert, diese wurden in allen Fällen aus dem Kollektiv ausgeschlossen.

Ausserdem mus hier gesagt werden, dass vor ca einem Jahr aufgrund der damals bestehende Unorganisiertheit des Hauskollektivs( und der damit verbundenen Unfähigkeit, mit der Bedrohungssituatuíon durch den neuen Eigentümer und die ins Haus flatternden Räumungsklagen, umzugehen)von Teilen des Kollektivs das zwingende Bedürfniss gesehen wurde, sich zunehmend zu politisieren und neue Kollektivmitglieder zu suchen, das Hauskollektiv komplett zu restrukturieren.

Dies gelang zu einem grossen Teil, das Leben im Haus wurde neu organisiert, Menschen die finanziell schlecht gestellt waren, fingen an ihren Mietanteil durch die Mitarbeit in der Hauskneipe zu begleichen, so dass die finanzielle Situation des Hauses erheblich verbessert wurde, und auch immer mehr Menschen die Möglichkeit hatten, das Haus bei verschiedenen vielfältigen Festivitäten kennenzulernen.Die neu zugezogenen Künstelerinnen begannen, sich eine Ausstellungsfläche zu schaffen, das Haus zeigte insgesamt mehr Offenheit nach aussen. Die Verbindungen zur "Freiraum-Szene" wurden wieder aufgenommen
Auch innerhalb dces Hauses wurde die Struktur erheblich verbesserrt, viele Definitionsfragen wurden neu diskutiert, die gesamte BewohnerInnenschaft begann sich zu verstärkt politisch zu definieren(expliziter Antisexismus,Freiraumidentität,....). Es gab viel zu tun, es wurde viel getan. Leider war es (wie es in vielen Kollektiven trotz aller Ideale und Versuche der Veränderung der Fall ist) so, dass ein Teil der BewohnerInenn wesentlich mehr Beitrug zur Verbesserung der Allgemeinsitiuation als manch anderer.
Dies führte zu internen Konflikten, welche in "Friedenszeiten" vielleicht hätten durch Geduld und Diskurs gelöst werden können. Aufgrund des Bedrohungsszenarios durch die schlecht verlaufenden Prozesse und die damit immer grösser werdenden Gefahr einer Räumung, war die Anspannung jedoch so gross, dass ein Teil der aktiven BewohnerInnen auszog.
Die verbliebene Gruppe von AktivistInnen versuchte die gewonnene Struktur und Politisiertheit so gut wie möglich aufrecht zu erhalten, und suchte nach neuen MitbewohnerInnen, dann flaterten vor weingen Tagen die Räumungsbescheide ins Haus.....

Soviel zur Vergangenheit....

Nun zu der Frage , warum soll ich so ein Haus verteidigen, bei dem ich mir nicht sicher bin, was davon zu halten ist?
Unsre Antwort:
Weil dieses Haus, ob ihr es wahrhaben wollt oder nicht einer Szene zugerechnet wird, bzw. sich Selbst einer Szene zurechnet.

Einer Freiraumbewegungdie auch in Berlin immer mehr unter Druck gerät, immer öfter aus Gentrifizirungsgründen weichen soll.

Wenn wir es in vielen dieser sog. Freiräume nicht immer schaffen unseren eigenen Idealen(d.h.antisexistische, antikapitalisische,antinationale und antirassistische Gegenentwürfe zum ausgrenzlerischen kapitalistischen Alltag zu leben )gerecht zu werden, so gilt es diese innerhalb der Szene zu kritisieren.
Nichts desto trotz sollten wir nach aussen zusammen stehen und diese Räume verteidigen, schon deshalb weil wir ohne sie kein "Übungsfeld" für den Versuch anders als "draussen" zu Leben hätten.
In diesem konkreten Fall sollte auch nicht übersehen werden, dass die Brunnen183 am Anfang einer Reihe drohender Räumungen steht. Das heisst auch das dies ein Testfall für den Polizeiapparat und die dahinterstehenden Politischen Instanzen sein wird. Dies wiederum bedeuted wir müssen am Beispiel Brunnen183 sichtbar machen, dass wir uns nicht spalten lassen, dass wir wenns ernst wir alle zusammenstehen und uns mit konkreten Aktionen wehren. Auch um andere -vielleicht weniger umstrittene- Freiräume zu schützen und unserer Bewegung die Glaubwürdigkeit nicht zu nehmen.
Je stärker wir jetzt sind, desto ernster werden wir in Zukunft genommen.Je ernster wir in Zukunft genommen werden desto mehr Raum wird sich für uns bieten, einen gelebten Gegenentwurf zum Kapitalismus zu erproben.
Wir müssen unsrere bestehenden Freiräume erhalten und uns neue nehmen.
Und eins muss der Politik und de Bullen ein für alle mal klar sein:
Wir kämpfen für unser Recht auf ein selbstbestimmtes Leben


JEDE RÄUMUNG HAT IHREN PREIS UND DEN BESTIMMEN WIR!



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Ergänzungen

und wo ist antwort nr. 3??

XVEGANARCHOEDGEX 01.06.2009 - 08:51
ja, und wo genau ist jetzt die antwort auf den 3. vorwurf? ob in dem projekt NUR drogenabhängige wohnen bezweifle ich auch. fakt ist aber, dass viele ein problem mit drogen jeglicher art (ja, auch alkohol!!) haben und, was noch viel schlimmer ist: dass in diesem politischen projekt drogendealer geduldet werden und von dort aus ihren verkauf organisieren!! allein das reicht doch schon aus, sich mit euch zu entsolidarisieren.
ihr könnt hier noch so viele lügen verbreiten, aber ich hab den drogenvorrat mit eigenen augen gesehen und ihr könnt mich hier auch noch so oft löschen, ich finde es wichtig die leute darüber aufzuklären!

Warum " Wir bleiben Alle"

Fred-U-Dieter 01.06.2009 - 09:47
Die Brunnen 183 ist eines der letzten gefährdeten Hausprojekte aus der Besetzer-Bewegung Anfang der 90`ger Ost-Berlins. In den Häusern prallten damals Welten, besser gesagt subjektive Realitäten, aufeinander und es entstand eine Energie mit der bunt-kontrovers gefeiert und gekämpft wurde.

Es ist traurig zu sehen wie aus der Kampagne "Wir bleiben Alle", die `92 den Kampf aller Miet-Betroffenen gegen Privatisierung und Umstrukturierung des ehemals kommunalen Wohnraums aufnahm, eine exclusiv/ausgrenzende Bewegung wird. "Wir" meint hier nur noch unsere(!?) Freiräume.

Die Brunnen 138 war schon damals liebstes Sorgenkind im Mitte-Kiez. Hier kamen Leute unter die in "gut-organisierten" Hausprojekten nicht reinpassten. U.a. kamen ´91 die ehemaligen Besetzer des Obdachlosenheims Wildenowstr/Berlin Wedding nach der Räumung hier unter (Stichwort Berber-Bewegung). Sicherlich ein Ort vieler Spannungen, aber auch spontaner Kreativität. Hier gab es lange Jahre die legendärste Vokü der Stadt mit Benefiz für Bangladesh (Danke Jamal!  http://www.sos-arsenic.net/).

Es bleibt zu hoffen nicht noch einen weiteren Aussortierungsprozeß der "Szene" mit erleben zu müssen. In diesem Sinne,
Viva la Brunnen und Ab durch die Mitte!

Fred-U-Dieter

Mehr zu WBA `92:  http://www.youtube.com/watch?v=dDf8TPfLCtM&feature=channel_page



sXe Volksgesundheit?

AlkopopperIn 01.06.2009 - 19:24
@XVEGANWIEAUCHIMMERX:
Interessiert es Dich, daß wir uns über eine Entsolidarisierung von jemandem mit solch lächerlichen Ressentiments hier wie die (Tofu-)Schnitzel freuen? Trotzdem frage ich mich, wie Du auf die Idee kommst, uns mit Fakten versorgen zu können, während Du doch seit geraumer Zeit in Mitte keinen Fuß mehr in die Tür bekommst. Bist Du Dir im Klaren darüber, daß Deine Polemik nichts anderes ist als bürgerliche Anpassungs- und Abstinenzmoral? Daß Deine Konsequenz, Dich von Menschen mit vermeintlichen Rauschmittel-"Problemen" zu "entsolidarisieren", sie also ausgrenzen zu wollen, faschistisch ist?

Die Behauptung, im Haus würden "Dealer" wohnen, ist falsch. Da sie von Dir kommt, muß aber auch nicht weiter darauf eingegangen werden. Wahrscheinlich geht hier niemand davon aus daß Du mehr als zwei Packungen Kaffee gesehen hast. Trotzdem schreist Du aufgrund Deiner Ahnungslosigkeit und Deiner Unfähigkeit zu differenzieren bei jeder Gelegenheit "Drogen" und gehst wahrscheinlich davon aus, hier würden sich alle die ganze Zeit "Haschisch spritzen". Was Dich nichts angehen würde.

Ich habe überhaupt nichts gegen Veganismus oder Straight Edge. Wenn aus der erstmal nur Dich betreffenden Entscheidung für diese Art zu leben allerdings eine Ideologie wird, welche eine kollektive Rauschfreiheit erzwingen will und noch hinter bürgerliche "Konzepte" zu Suchtbewältigung zurückfällt, solltest Du Dir überlegen, was Du überhaupt in alternativen Zusammenhängen suchst.

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