NATO = Krieg [NATO-Gipfel in Strassbourg]

H. Eckel 27.05.2009 12:08 Themen: Globalisierung Militarismus Repression Weltweit
Nachträglicher (Foto-) Bericht zu den Aktionen beim NATO-Gipfel in Strasbourg
Dass es bei den Aktionen anlässlich des 60jährigen Bestehens der NATO zu massiven Polizeiübergriffen und sonstigen gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen ist, ist ja inzwischen bekannt. Weniger bekannt wurde, dass in Strasbourg trotzdem auch eine beeindruckende internationale Demonstration stattfand, über die die Medien kaum berichteten.

Bereits auf dem Weg zu dieser Demonstration durch die südlichen Vororte von Strasbourg zeigten uns die überwiegend migrantischen Bewohner dort viel Sympathie und Unterstützung. Wir wurden mit Lebensmitteln und Trinkbarem versorgt, Autofahrer hupten uns aufmunternd zu, und einige Anwohner schlossen sich spontan der sich bildenden Demonstration an.

Schien es zunächst, als ob die schwerbewaffnete Polizei selbst die ins fast menschenleere Hafenviertel verlegte Demonstration verhindern wollte, so formierte sich doch zusehends ein Demonstrationszug Richtung deutsch-französische Grenze (Europabrücke), der zunächst einmal Zwischenhalt auf einem Kundgebungsplatz am Rande des Hafenviertels machte. Noch während dort Reden verschiedener politischer Gruppen vorgetragen wurden, kam es plötzlich zu einem solch massiven Tränengaseinsatz der Polizei von der Demostrecke her, dass er sogar die Mehrzahl der Kundgebungsteilnehmer(innen) auf dem etwas abseits gelegenen Kundgebungsplatz zur Flucht veranlasste. Ungefähr zeitgleich wurden allem Anschein nach von mindestens einem Hubschrauber Tränengas- oder Blendschockgranaten direkt in das darunterliegende Stadtviertel (in dem das Ibis-Hotel bereits brannte) bzw. in die dort befindliche Menge geschossen (s. Foto). Die Richtung Süden fliehenden KungebungsteilnehmerInnen schlossen sich dann jedoch der sich neu formierenden Demonstration an, die sich zu einem entschlossenen und starken internationalen Aufmarsch entwickelte. Da die Polizei die Innenstadt hermetisch und martialisch abgeriegelt hatte, konnte jedoch auch dieser Demozug das Zentrum nicht erreichen.

DemonstrationsteilnehmerInnen berichteten, von Gummi- oder Kombinationsgeschosssen der Polizei am Kopf und an den Beinen verwundet worden zu sein. Auf der Straße konnte man Reste geschmolzenen Metalls (Aluminium?) sehen, die offenbar von solchen Geschossen stammten. Ein französischer Aktivist berichtete, dass während des NATO-Gipfels 55 der insgesamt 61 Divisionen der CRS nach Strasbourg verlegt worden seien, also rund 90 Prozent (!) dieser paramilitärisch organisierten „Polizei“- bzw. Aufstandsbekämpfungs-Spezialeinheiten aus ganz Frankreich. Daneben war auch noch Militär im Einsatz, welches u.a. ein größeres Areal am Rande der Innenstadt speziell für Flugabwehrgeschosse belegt hatte (s. Fotos). Ein Angehöriger solcher Spezialtruppen erklärte gegenüber einem Aktionsteilnehmer, sie seien die weite Strecke nach Strasbourg angereist, „um euch die Schädel zu zertrümmern“. Ganz generell agierte die Polizei äußerst willkürlich: Begründungen wurden anscheinend grundsätzlich nicht gegeben, und auf die Frage eines Teilnehmers, wo denn bei diesen Aktionen die Demokratie bleibe, wurde ihm gesagt: „Heute und morgen gibt es keine Demokratie“. Noch am Sonntagabend (also lange nach Abschluss der Aktionen) wurden KundgebungsteilnehmerInnen daran gehindert, wieder ins Camp zurückzukehren, und selbst Abreisende wurden nochmals nervenden Durchsuchungen (auch ihres Gepäcks) unterzogen. Dabei soll die Polizei auch gezielt Speicherkarten von Film- und Fotokameras konfisziert haben; Bescheinigungen über konfiszierte Gegenstände wurden nach einem anderen Bericht ebenfalls nicht ausgestellt.

EinwohnerInnen aus Strasbourg kommentierten diese Situation mit Empörung und Sarkasmus. Ein Straßburger meinte, Strasbourg sei eine tote Stadt („une ville morte“), alles sei verbarrikardiert, das Ganze sei äußerst undemokratisch. Er ärgerte sich besonders auch darüber, dass diese ganzen Maßnahmen mit Steuergeldern bezahlt wurden. Eine Straßburgerin meinte, auf ihre Einschätzung der Situation angesprochen, nur lakonisch. „DAS WAR MAL WIEDER EINE GUTE GELEGENHEIT FÜR DIE POLIZEI ZUM ÜBEN“.

Die gesamte Fotoserie seht ihr hier:  http://www.flickr.com/photos/36881840@N06/sets/72157618712444697

Sie zeigt auch, dass Strasbourg in sozusagen homöopathischer Dosierung einen Eindruck des Kriegszustands vermittelte, der in Afghanistan, Irak usw. in ungleich schlimmerer Form den Alltag der dortigen Zivilbevölkerung darstellt.
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Ergänzungen

Wider

Sprecher 27.05.2009 - 22:00
Die Behauptung, dass die Demonstration von der Luft aus angegriffen wurde ist so nicht haltbar. Es wurde soetwas bisher nicht berichtet, ich habe das auch nicht beobachten können. Das Bild ist überhaupt nicht für den Beleg eines solchen Sachverhalts geeignet: die Tränengasspur der Monition ist der einer vom Boden abgeschossenen Tränengasgranate völlig identisch. Beachtet man darüber hinaus die proportionen von Tränengasschwade in der Luft un dem Helikopter, so wird auch recht schnell klar, das es sich nicht um eine aus dem Hubschrauber abgeschossene Granate handeln kann. Das Tränengas wäre bei dieser Entfernung des Hubschraubers garnicht (oder kaum) sichtbar. Es geht nicht darum, dass ich das den Französischen Bullen nicht zutrauen würde, doch es sind ernsthafte Zweifel an der Darstellung dieses Teils des Berichts angebracht.

@sprecher

Augenzeugin 27.05.2009 - 22:38
Die Demonstration bzw. die Kundgebung wurde sehr wohl vom Hubschrauber aus mit Tränengas beschossen.

@ sprecher

augenzeuge 27.05.2009 - 23:29
du hast wohl nicht alles miterlebt. ich kann sehr wohl bestätigen, dass die demo aus einem hubschrauber angegriffen wurde!!!

ungefähr zu dem zeitpunkt als leute probierten die straßenlaterne zu "fällen" (das hotel müsste bereits 10min in flammen sein), flog ein hubschrauber ziemlich niedrig über das areal. dann schien es als wollte er auf einer grünfläche landen, diese war vllt. 30 meter von der besagten laterne entfernt. dort saß ich mit drei freunden, wir ruhten uns aus. der hubschrauber kam niedriger, wir dachten der würde landen wollen, bleiben sitzen und zeigten mittelfinger nach oben. dann flog er wieder hoch, drehte ne runde und kam an gleicher stelle niedriger, diesmal so niedrig, dass unsere sachen fast wegflogen. wieder wurden mittelfinger gezeigt. doch dann schoss der hubschrauber auf uns. die kartusche verfehlte uns keine 5 meter. es war tränengas, das zusätzlich leichten roten rauch entwickelte. als wenn da nen römisches licht mit drinnen gewesen wäre. wir verschwanden von der fläche und der hubschrauber hebte bald wieder ab. das geschoss haben wir uns im nachhinein angeschaut. es war fast restlos verbrannt. nur zu erkennen, dass es aus einem festen stoff gemacht sein müsste.

akut vermutet wurde magnesium, welches einen schmelzpunkt bei 1100°C hat. aluminium würde bei 2400°C schmelzen. sollte es sich also um einen der stoffe handeln, wurde hier mit verdammt heißem material auf menschen geschossen! zur erinnerung: selbst napalm ist kälter.

S-Drahtsperren

Ex-Soldat 29.05.2009 - 09:07
Die Polizeiabsperrungen waren zum Teil mit vorgelagertem S-Draht (besser bekannt als Nato-Draht) Rollen gesichert. Siehe hier:  http://www.flickr.com/photos/36881840@N06/3566002469/in/set-72157618712444697/
S-Draht ist ein Draht, der wesentliche härter und gefährlicher ist als Stacheldraht.
Der Draht ist so hart, dass er selbst Panzerketten zerstört, sollte er sich darin verfangen.
Der Draht ist mit messerscharfe Widerhaken gespickt so, dass jede/r der/die sich darin verfängt sich nicht aus eigener Kraft befreien kann. ohne sich sehr schwer zu verletzen. Die Widerhaken können erst Operativ entfernt werden.

Was ist so interessant daran?

S-Draht ist lebensgefährlich!
Die Polizei hätte an diesen Stellen genau so gut Landminen verlegen können oder Selbstschussanlagen installieren können.
Wäre es zu einer Massenpanik an einer solchen Absperrung gekommen hätte es Tote geben können.
Dies wurde offensichtlich billigend in Kauf genommen.

Hubschrauberkrieg

nachträglich 30.05.2009 - 13:10
Auch die deutsche Polizei war offenbar auf (scharfes) Schießen aus dem Hubschrauber eingestellt, siehe das nebenstehende Foto (Hubschrauber über dem Rhein bei Kehl während des NATO-Gipfels).

Zu finden bei Indymedia oder direkt hier:  http://www.spiegel.de/fotostrecke/fotostrecke-41262-10.html

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Fotos — ano