HH: Sich selbst genügen-Alhaus und die DPolG

quartiersnachrichten 26.05.2009 15:58 Themen: Freiräume Kultur Repression Soziale Kämpfe
Die Luft um Innensenator Alhaus scheint dünn geworden zu sein. Anders ist nicht zu erklären, dass heute eine Pressemitteilung des stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, Joachim Lenders erschienen ist, in der dieser dem Hamburger Innensenator demütig zur Seite springt. Die Erklärung richtet sich gegen den Bezirk Altona und gegen die angekündigte Duldung des Schanzenfestes am 4. Juli 2009. Wo der Rechtsstaat schwächelt kann nach Lenders nur noch nur einer helfen: Alhaus übernehmen Sie! Man hat den Eindruck, dass der Herr Polizeigewerkschafter dabei weder das Schanzenviertel jemals von innen gesehen noch die jüngsten Ereignisse wirklich verfolgt hat. Vielmehr ist Lenders und seine frohe Botschaft wohl auf das frustrierte Schweigen der Innenbehörde aktiv geworden. Die Erklärung der Polizeigewerkschaft zeigt dabei vor allem eines: Alhaus plant an seinem Kurs der Eskalation festzuhalten.
Manövriermasse für die Senatsinteressen

Mangels echtem Bürgerinteresse wird von Lenders ein solcher Sprechort ersatzweise eingenommen: "Wenn ein Bürger im Bezirk Altona auf die Idee kommen würde, ohne Anmeldung und Genehmigung vor seiner Tür in der Wohnstraße einen Flohmarktstand aufzubauen, würde ihn die „volle Härte“ des Gesetzes treffen und die Polizei den Stand in wenigen Minuten abräumen".
 http://de.indymedia.org/2009/05/251667.shtml

Wäre Lenders auch nur einmal beim Schanzenfest gewesen, hätte er vermutlich festgestellt, dass es gerade ebendiese Bürger sind die am Schanzenfest ihre Stände aufbauen. Solche Ordnungswidrigkeit mag für einen Polizeifunktionär schwer vorstellbar sein, Polizeikräften vor Ort, ist dies allerdings schon lange bekannt, weshalb sie sich im Vorfeld ebenfalls für eine Duldung des Festes ausgesprochen haben. Die Vorstellung, Flohmarktstände von Famillien mit Kindern abzuräumen, mißfällt einer lokalen Polizei, die sich seit Jahren um "Bürgernähe" bemüht, um Akzeptanz für ihre repressive Linie gegen politische Proteste, Obdachlose oder Drogenkonsument_innen herzustellen.

Die Presseerklärung wirkt wie eine bemühte Rettungsaktion für Alhaus. Dieser kündigte Anfang des Jahres an das Fest abzuräumen und lies, um diesen Bemühungen scheinbare Legitimität zu verleihen, einen runden Tisch installieren. Die dahinterliegende Hoffnung war, dass die "Bürger" -die nun auch in der Presseerklärung der Polizeigewerkschaft bemüht werden- die Manövriermasse für die Senatsinteressen hergeben würden. Aufgrund der völlig verfehlten Politik des Bezirkes in den letzten Jahren ging dieser Schuß jedoch völlig nach hinten los. Keine einzige Initiative konnte präsentiert werden, die sich für eine Anmeldung ausgesprochen hätte. Angesichts dieses Legitimitätsproblems, machte sich der Bezirk daran seine Haltung zu überdenken. Dies lag keinesfalls daran, dass der Bezirk seine grundsätzliche Haltung geändert hätte, sondern war darin begründet das Proteste längst nicht mehr nur von autonomer Seite kommen, sondern auch von ganz normalen Anwohner_innen, oder sogar lokalen Gremien wie dem Sanierungsbeirat. Der Rückzieher des Bezirkes ist keine freiwillige, sondern war eine notwendige Entscheidung, wenn er sich nicht völlig ins Abseits und außerhalb der sozialpolitischen Entwicklungen im Schanzenviertel stellen will.
 http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=ha&dig=2009%2F05%2F20%2Fa0196&cHash=adf9707ced


Was nicht passt wird passend gemacht

Es braucht keine besonderen Fähigkeiten um zu erkennen, dass eine Duldung des Schanzenfestes, der einzige praktikable Umgang jenseits einer Eskalation der Situation ist. Solcherlei Einsicht war durchaus nicht selbstverständlich von einer Behörde, die bisher in Nibelungentreue neben Alhaus marschiert ist. Hierin liegt wohl auch der Grund das nach der Entscheidung des Bezirkes aus der Innenbehörde lediglich Schweigen im Walde zu vernehmen war. Mit dem Bezirk ist Alhaus die einzige lokale Struktur weggebrochen, die seine Linie unterstützt. Nichts anderes beklagt nun die Gewerkschaft der Polizei, wenn sie beleidigt feststellt: "Ein initiierter „runder Tisch“, an dem alle Beteiligten nach einer legalen Lösung suchen wollten, wurde von dem linksradikalen/linksextremistischen Spektrum torpediert." So kann man es natürlich auch darstellen. Ein von der Innenbehörde einberufener runder Tisch, an dem Anwohner_innen nicht teilnehmen, der Bezirkspolitiker_innen und lokale Polizeivertreter zu einer Duldung und dem Erhalt des "Status Quo" bringt, dessen Ergebnis darf es aus dem Blickwinkel der Innenbehörde natürlich nicht geben.
 http://de.indymedia.org/2009/05/251016.shtml

Die abgenudelte Frage der Legalität soll nun herhalten um den Konflikt wieder in Fahrt zu bringen. Dass es in der Schanze seit Jahr und Tag mit der Legalität nicht so genau genommen wird, wenn neue Läden eröffnen, Kneipen ihre Außengastronomie erweitern oder Miet- zu Eigentumswohnungen umgewandelt werden, fällt nicht weiter ins Gewicht. Wenn aber jene, die von dieser Form der behördlich tolerrierten "Legalität" betroffen sind einen Flohmarktstand vor die Tür stellen, dann fordert die Polizeigewerkschaft "die rechtsstaatliche Durchsetzung von Gesetzen und Verordnungen". So stellt man die Realitäten natürlich auf den Kopf. "Deeskalation durch Stärke" fordert Lenders. War das nicht vor wenigen Wochen O-Ton von Alhaus zum ersten Mai? Man scheint sich gut zu verstehen von Arbeitgeber zu Funktionär. Den "Kopf hinhalten" wie Lenders beklagt müssen freilich andere, in erster Linie die Bewohner_innen im Schanzenviertel. Immerhin wurde am letzten ersten Mai einem Jugendlichem aus dem Nichts heraus von Polizeibeamten der Schädel eingeschlagen. Der EA und Rechtshilfegruppen suchen nach wie vor Zeuginnen für diesen Vorfall. So sieht sie aus, die "Deeskalation" die Alhaus meint und Lenders zitiert: Erhebliche Rechtsverstöße im Amt und schwer verletzte Jugendliche.
 http://de.indymedia.org/2009/05/250942.shtml


Trojanische Pferde im Sicherheitsdiskurs

Es entbehrt nicht eines gewissen Witzes wenn die Gewerkschaft der Polizei nun das politische Vakuum um Alhaus ausfüllen soll. Ein Innensenator fordert gegen den Willen der Bevölkerung, eine Räumung des Festes und präsentiert als vermeintlichen Beleg der Notwendigkeit einer solchen Eskalation, eine Erklärung seiner Angestellten. Mehr Selbstreferentialität geht nicht. So sieht sie dann wohl aus, die postmoderne Realität in der Angestellte von Scheffler und Karstadt für die Interessen ihrer Konzerne demonstrieren und den Anschein von Allgemeinwohl erwecken wo es um privatwirtschaftliche Interessen geht. Nicht anders in der Hamburger Innenbehörde. Wo gesellschaftliche Akzeptanz fehlt, wird sie über ein simuliertes öffentliches Interesse hergestellt.

Wo Alhaus sich als altgriechischer Superheld Achilles gegen „rechtsfreien Zonen“ inszeniert, wird die Schanze zur Festung Troja die geschliffen werden muß. Die Polizeigewerkschaft soll nun wohl das hölzerne Pferd darstellen, welches in dieser Erzählung noch fehlt. Keine Frage, die Medien, allen voran Bild und Welt werden heroisch darauf aufspringen. Soweit alles perfekt, nur über eines hat niemand die Beteiligten aufgeklärt: Geschichte wiederholt sich nicht! Dass der Gaul von den Bewohner_innen ins Dorf gelassen wird ist nicht zu erwarten. Die Luft bleibt dort oben dünn um griechische Helden und Innensenatoren.
 http://www.myspace.com/schanzenfest


„Berliner Verhältnisse“

Nur in einem dürfte Lenders recht behalten, dass es auch in diesem Jahr "zu erheblichen Krawallen und Gewalt durch einen „randalierenden Mob“ kommt". Dieser Verlauf ist eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Weder eine Anmeldung oder Duldung oder Räumung werden etwas an diesem Szenario ändern. Die derzeitigen Provokationen von polizeilicher Seite allerdings schon. Von Seiten der Innenbehörde wird seit Monaten alles getan um den Konflikt um ein paar brennende Pappkartons zum Flächenbrand zu machen. Es geht schließlich ums Prinzip und da heiligt bekanntermaßen der Zweck die Mittel. Die untertänige Bitte: "Senator Ahlhaus hat die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass es keine „rechtsfreien Zonen“ in Hamburg gibt" - Wasser marsch auf die Zivilgesellschaft!

Wo Polizei und Innenbehörde anfangen das Allgemeinwohl zu definieren, fangen totalitäre Zustände im Kern an. "Berliner Verhältnisse" haben besondere, autoritäre Traditionen in Deutschland, und allemal schlimmere, als Steine, die auf eine Polizei fliegen, welche den Ausnahmezustand zur gesellschaftlichen Norm des Zusammenlebens erklärt.
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Ergänzungen

Einladung

Hansestadt Hamburg 26.05.2009 - 16:33
Hiermit lädt die Hansestadt Hamburg alle Bürger und BürgerInnen, alle Autonomen, alle Punks und Skins, alle Freizeit-Yuppies und sonstigen Subkulturen zum Schanzenfest ein!

Wir wollen mit Ihnen gemeinsam Alhaus aus dem Amt kicken und das Schanzenfest als Autonomestraßenfest festigen!

Also kommt alle am 04.07.2009 im laufe des Tages in die Schanze, feiert schön und zeigt den Bullen was ihr von Ihnen haltet - wenn es nötig sein wird!



Danke.

Quelle:

auszug 26.05.2009 - 18:29
„Es ist unerträglich und verantwortungslos, wenn in Hamburg rechtsfreie Räume hingenommen oder toleriert werden sollten. Wenn ein Bürger im Bezirk Altona auf die Idee kommen würde, ohne Anmeldung und Genehmigung vor seiner Tür in der Wohnstraße einen Flohmarktstand aufzubauen, würde ihn die „volle Härte” des Gesetzes treffen und die Polizei den Stand in wenigen Minuten abräumen. Und das, obwohl die Polizei nicht davon ausgehen würde, dass dieser Flohmarktstand ursächlich für weitere Krawalle ist. In der Schanze scheinen die Uhren anders zu ticken: runde Tische mit Linksautonomen werden veranstaltet, die dazu führen, dass die ausgestreckte Hand ausgeschlagen wird. Und dann tun die Bezirkspolitiker so, als würden sie das „Fest” ignorieren - es gar nicht wahrnehmen. Und das nennt man dann „Tolerierung”. Man kann es auch Kapitulation vor Krawallmachern nennen - frei nach dem Motto: die Polizei wird es schon richten, wenn es schiefgeht.
Nach unseren Informationen muss sich die Polizei Hamburg darauf einstellen, dass „personalintensive polizeiliche Maßnahmen” aufgrund des „Schanzenviertelfestes” am 4. Juli bevorstehen. Dies findet statt, obwohl es keinen Verantwortlichen oder Anmelder für ein derartiges „Fest” gibt. Es ist davon auszugehen, dass es wiederum zu erheblichen Krawallen und Gewalt durch einen „randalierenden Mob” kommt. Polizisten sind nicht die Prügelknaben der Nation und wir erwarten die rechtsstaatliche Durchsetzung von Gesetzen und Verordnungen. Dazu gehört, dass der Bezirksamtsleiter in Altona und die schwarz/grüne Bezirkskoalition keine rechtsfreien Räume zulassen oder tolerieren. Senator Ahlhaus hat die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass es keine „rechtsfreien Zonen” in Hamburg gibt. Das muss auch für Altona gelten, wenn es hier keine anderen Gesetze als im Rest der Stadt geben soll. Deeskalation durch Stärke kann nur die klare und unmissverständliche Antwort sein. Rechtsverstöße und Krawalle sind konsequent zu unterbinden, denn die Hamburger wollen keine „Berliner Verhältnisse” im Schanzenviertel.”
 http://www.cop2cop.de/2009/05/26/keine-berliner-verhaltnisse-im-schanzenviertel/

DPolG feiert übrigens am 27.05. aufm Kiez

: ) 26.05.2009 - 18:50
"Das Herzblut St. Pauli lädt zur Sonderschicht ein
Eintritt 3,00 € für Jedermann und ab 22 Uhr geht's"
 http://www.copzone.de/modules.php?name=Forums&file=viewtopic&t=48322

Is ja nur n Katzensprung vom ungeliebten Schanzenviertel entfernt

die stadt gehört allen

namenamename 26.05.2009 - 22:20
hier ein wunderschöner text zur gentrifizierung und weiteren stadtentwicklung in hamburg. lange nicht so einen guten text gelesen!!

 http://www.file-upload.net/download-1663981/Die-_Stadt_geh-rt_allen.doc.html

den demotermin da drinne, sollt ihr euch schon selbst erlesen ;)