HU-Berlin: Mobilisierung für den Bildungsstreik

sowifachschaft 25.05.2009 23:26 Themen: Bildung Kultur Soziale Kämpfe
Wie an über 40 Städten wird auch an der HU Berlin die Aktionswoche „Bundesweiter Bildungsstreik“ vom 15. bis 19. Juni vorbereitet. Der Artikel gibt einen kleinen Überblick über die Vorbereitungen und die Mobilisierung an der HU im Allgemeinen und der Fachschaft Sozialwissenschaften am Institut für Sozialwissenschaften im Besonderen.
Was war?
Zwar hatten unter anderem die Fachschaft Sozialwissenschaften und der Refrat der HU zur Beteiligung am bundesweiten Schulstreik aufgerufen, zu einer „systematischen“ Mobilisierung und einer nennenswerten Teilnahme Studierender kam es jedoch, abgesehen von Ausnahmen, nicht. Mit dem bundesweiten Bildungsstreik soll das nun anders werden.

Schon am 04. Februar, am Ende des Wintersemesters, hatte es eine Info-Vollversammlung aller Studierenden der HU gegeben. Ca. 400 Teilnehmer_innen und nochmals ca. 50, per Videokonferenz zugeschaltete Teilnehmer_innen vom naturwissenschaftlichen Campus in Berlin-Adlershof, wurden in verschiedenen inhaltlichen Inputs zur hochschulpolitischen Situation im Allgemeinen und den Problemen an der Humboldt-Universität im Besonderen informiert. Vorgestellt wurde das Konzept des Bildungsstreiks und die bundesweite Koordinierung. Anschließend wurden mittels der Einrichtung von zwei Mailinglisten [1] und der Gründung von offenen Arbeitsgruppen, erste Schritte einer Vernetzung und Organisierung begonnen. Gleichzeitig wurde die Berliner Bildungsstreik Zeitung veröffentlicht – diese liegt an verschiedenen Orten der HU aus, bzw. wird kontinuierlich verteilt [2].

Als Ergebnis der Vollversammlung bildete sich das partei-, gruppen- und spektrenübergreifende HU-Bildungsstreikbündnis. In verschiedenen offenen Treffen während der Semesterferien wurde der Bildungsstreik weiter vorbereitet und es wurden AGs zu verschiedenen Themen wie Inhalt/ Theorie und Mobilisierung/Campusaktionen gegründet.

Mobilisierungsaktionen...

Die Studienpunktejagd...
Schon im letzten Semester hatten Aktivisten mittels eines „go-in“ in Form einer Studienpunktejagd in Vorlesungen für die Info-Vollversammlung mobilisiert. Mehrere, in weiße Anzüge gekleidete, Studierende hechelten einem Studienpunkt in Form eines großen Balons hinterher [3].

Das Bildungsglücksrad...
Mit Beginn des Sommersemesters hat die frisch gegründete AG-Campusaktionen begonnen Mobilisierungsaktionen auf dem HU-Campus Mitte zu machen. An mehreren Tagen hintereinander wurde ein Infostand im HU-Innenhof aufgebaut, wo Flyer und die Bildungsstreik Zeitung verteilt wurden und Studierende bei einem gratis-Kaffee mit den Bildungsstreik Aktivist_innen ins Gespräch kommen konnten. Auf ein großes weißes Laken konnte jede_r Studierende seine persönlichen Forderungen, Probleme usw. aufschreiben. Ein besonderes Highlight war das „Bildungsglücksrad“ an dem jeder mal drehen konnte. Wer Glück hatte bei dem blieb der Zeiger auf Feldern wie „Dank Papis prallem Portemonnaie bekommst du Nachhilfe und Mental-Doping. Damit ist die nächste Prüfung kein Problem mehr für dich“ oder „Du gewinnst 18.000 € beim Glücksrad! Das reiht genau für einen neuen Opel Zafira – oder den neuen Master „Public Policy“ an der HU“ stehen. Wer Pech hatte, bei dem bliebt der Zeiger auf Feldern wie „Die 4 Prüfungen in 2 Wochen und dein Nebenjob waren zuviel für dich! Einen Schein kriegst du jetzt leider nur vom Arzt – für dein Burn-Out Syndrom“ oder „Das Konkunkturpaket rettet die Uni-Klos, aber leider nicht deinen Studiengang, der leider weggekürzt wird“ stehen.

Das Exmatrikulationsteam...
Des weiteren gab es wieder „go-in“s in Vorlesungen. Eine in weiße Anzuege gekleidete Aktivistengruppe betrat mehrere Vorlesungen und verkündete als „Exmatrikulationsteam der Unileitung“ Student XY mit Matrikel Nr. XXXX sei exmatrikuliert und möge bitte sofort das Unigelände verlassen. Anschließend zerrte das Exmatrikulationsteam die Betroffenen von ihrem Sitzplatz und geleitete sie aus dem Vorlesungssaal. Nach der Aktion wurde ein kurzer Hinweis auf den Bildungsstreik verlesen. Unter z.T. wohlwollendem Schmunzeln auch bei Professoren und teilweise Beifall nach dem Aufruf zum Bildungsstreik verließen die Aktivisten die Vorlesung wieder.

Der Bildungswettlauf....
Eine weitere Mobilisierungsaktion der AG- Campus Aktionen war der „Bildungswettlauf“ im HU-Innenhof. Auf der weitläufigen Rasenfläche, auf der vor allem in der Mittagszeit viele Studierende die Sonne genießen, wurde ein Parcours aufgebaut. Anschließend ging eine Gruppe verschiedener Studierende an den Start und absolvierte nach Anleitung einer Megafon-Moderation den Parcours. Die ersten Studierenden, die Arbeiterkinder schieden leider gleich zu Anfang aus weil „sie leider den flächendeckenden NC nicht erreicht haben“ wie das Megafon nüchtern feststellte. Einige Meter weiter blieben wieder einzelne Studierende auf der Strecke „weil sie leider nebenher arbeiten mussten und deswegen der Anwesenheitspflicht im eng modularisierten Bachelor nicht nachkommen konnten“, wie es die Moderation zu berichten wußte. Eine Station später schied eine Studentin aus, weil, so schallte es aus dem Megafon, „sie leider ein Kind bekommen hat und deswegen die Regelstudienzeit nicht einhalten kann“.

Mobilisierung am Institut für Sozialwissenschaften...
Auch die Fachschaft Sozialwissenschaften beteiligt sich an der Mobilisierung zum Bildungsstreik. Zu Beginn des Semesters wurde ein „Bildungsstreik-Frühstück“ im Foyer des Instituts für Sozialwissenschaften veranstaltet. Bei Brötchen, Kaffee und Saft konnten Studierende mit der Fachschaft in Gespräch kommen und sich am Infotisch mit Info- und Mobilisierungsmaterial eindecken.

Zusätzlich hängt seit einigen Tagen ein Transparent am Institut für Sozialwissenschaften, das auch von der S-Bahn aus gesehen werden kann, welches zur Aktionswoche vom 15. bis 19. Juni aufruft. Des Weiteren hat die Fachschaft Sozialwissenschaften einen eigenen Aufruf zum Bildungsstreik verfasst. Andere Fachschaften, Unigruppen und Einzelpersonen sind herzlich eingeladen diesen Aufruf zu unterstützen [4].

Zusätzlich organisiert die Fachschaft Sozialwissenschaften in Zusammenarbeit mit der Fachschaft Romanistik zum Abschluss der Bildungsstreik Aktionswoche ein Konzert unter dem Titel „Zusammen kämpfen, Zusammen feiern“. (siehe Plakat)


die „hähh...wie bitte was?“ Flyerreihe
Um die Mobilisierung weiter voranzutreiben und dem Bildungsstreik eine kontinuierliche Präsenz zu verschaffen, bzw. ihn zum Thema zu machen, hat die Fachschaft Sozialwissenschaften die Kurzflyerreihe „hähh...wie bitte was?“ konzipiert [5], um vor allem die noch nicht engagierte, große Masse der Studierenden anzusprechen. In den verbliebenen Wochen zum Bildungsstreik sollen in jeder Woche massenhaft Kurzflyer zu einem bestimmten Thema verteilt werden, um Studierende zu erreichen, die keine langen Aufrufe lesen. In einem Flyer wird unter dem Titel „Weltrevolution?“ gefragt, welche Perspektiven der Bildungsstreik bietet, was er erreichen kann und wieso Mensch sich also an diesem beteiligen sollte. In einem anderen Flyer unter dem Titel „Money, Money, Money“ wird auf die Hochschulhaushaltsverhandlungen in Berlin aufmerksam gemacht und verdeutlicht, dass es abseits von hehren Idealen auch banale, potenziell alle Studierenden und Dozierenden gleichermaßen betreffende materialistische Gründe gibt sich beim Bildungsstreik zu beteiligen. Im Flyer „Was tun? Was tun!“ werden in Form einer kleinen To-Do Liste Vorschläge gemacht, wie Mensch sich einbringen kann.
Die Fachschaft Sozialwissenschaften stellt die Flyerreihe allen Studierende zur Verfügung und ruft dazu auf die Flyer massenhaft an allen Instituten, in Vorlesungen und Seminaren oder Mensen zu verteilen um so eine systematische Mobilisierung zu beginnen.


weitere Mobilisierung zum Bildungsstreik: Probleme und Chancen...
Die Mobilisierung zum Bildungsstreik wird weitergehen an der HU. Bis zum Bildungsstreik wird es weitere Mobilisierungsaktionen der AG Campusaktionen und von anderen Gruppen geben. Auch der „Arbeitskreis Hochschulpolitik der HU“ hatt für den 10. Juni eine Veranstaltung zu Perspektiven des Bildungsstreiks organisiert [6].
Als Zwischenresumee der bisherigen Mobilisierung müssen wir aber auch feststellen, dass erstens die Anbindung, bzw. Verbindung des Refrats an das HU-Vorbereitungsbündnis und deren einzelne AGs nicht immer optimal ist. Entscheidender ist aber zweitens, das die bisherige Mobilisierung in den meisten Instituten und von den meisten Fachschaften, die als Vertretungen der Studierenden Träger einer solchen Mobilisierung sein müssen, meist nicht über die Weitergabe von Informationen hinausgeht, bzw. gerade erst beginnt. Ferner ist die Vernetzung und gemeinsame Mobilisierung der einzelnen Fachschaften trotz Bemühungen des Referats für Fachschaftskoordination bisher kaum vorhanden.
Davon, und von der Frage, ob eine Massenmobilisierung der Studierenden zur Aktionswoche gelingt, hängt die Frage ab, ob der Bildungsstreik zu einem Erfolg wird. Dazu muss noch eine konkrete Protestchoreographie erarbeitet werden. Auch wurde es bisher im Gegensatz zu anderen Unis versäumt einen halbwegs konkreten Forderungkatalog zu entwickeln [7].

Reaktion der Hochschule?...
Eine weitere interessante Frage, ist die Frage, wie sich die Angehörigen der Hochschule und die Unileitung zum Bildungsstreik verhalten werden. Aus gewöhnlich gut informierten Kreisen sind bereits Aussagen einzelner Professoren durchgedrungen wie „Wenn die Studierenden nicht streiken würden, müsste man sie eigentlich beknien dies zu tun“. Eine gewisse Sympatie für den Bildungsstreik ist also bei den Lehrenden durchaus vorhanden. Schließlich ist der Bildungsstreik mindestens partiell auch in ihrem Interesse, zumal bezüglich der Hochschulhaushaltsverhandlungen, die die Universitäten vor kurzem abgebrochen haben [8], die Zeichen auch von Seiten der Unileitungen gegenüber dem Berliner Senat eher auf Konfrontation stehen. Eine unruhige, revoltierende Studierendenmasse, die wie beim Studierendenstreik 2003 in Berlin bestenfalls partiell die Stadt lahmlegt, vergrößert schließlich auch die Verhandlungsmasse der Unileitungen im Kampf um eine bessere Finanzierung der Universitäten. Dies ist sicherlich auch der Grund, warum der Direktor der Leipziger Uni beispielsweise die Besetzung von Seminargebäuden begrüßt, bzw. nicht gegen diese vorgeht. Gleichzeitig ist der Protest aber potenziell unberechenbar und für die Unileitungen weitgehend unkontrollierbar, zumal er sich auch gegen die Unileitungen richtet [9]. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Berliner Hochschulpräsidenten zum und im Bildungsstreik gegenüber den Protesten verhalten werden.

mit kämpferischen Grüßen

Fachschaft Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität Berlin, Mai 2009

[1]  https://www.sowifachschaft.de/index.php?menuid=52&reporeid=191
[2]  http://bildungsstreik-berlin.de/page/files/zeitung.pdf
[3]  http://www.youtube.com/watch?v=7a0g4hoS1y8
[4]  https://www.sowifachschaft.de/index.php?menuid=52&reporeid=200
[6]  https://www.sowifachschaft.de/index.php?menuid=52&reporeid=183
[7]  https://www.sowifachschaft.de/index.php?menuid=52&reporeid=194
[8] vgl. etwa  http://bildungsstreikpotsdam.blogsport.de/offener-forderungskatalog/
[9] siehe  http://fachschaftsinitiativen.wordpress.com/2009/03/28/%E2%80%9Cdringlichkeitssitzung%E2%80%9D-in-der-fu-hochschulvertragsverhandlungen-in-der-sackgasse/
[10] vgl. siehe etwa  http://www.sueddeutsche.de/752389/339/2865632/Die-Vorgaben-sind-zu-strikt.html

 http://hu.bildungsstreik-berlin.de
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Veranstaltung an diesem Freitag

Studi 25.05.2009 - 23:57
Amokläufe sind weder besonders modisch, noch erregen sie sonst irgendwelche positive Resonanz unter Mitmenschen und doch lassen sich Jugendliche immer wieder zum SchoolSchooting hinreißen. Prof.Dr.Freerk Huisken arbeitet seit mehreren Jahren zu Erscheinungen und Problemen im Bildungswesen und wird an diesem Abend zur Thematik der Amokläufe an Schulen referieren, die mit dem noch recht jungen Fall von Winnenden wieder einmal an Aktualität gewonnen hat. Im Anschluss ist Zeit für Fragen und Diskussion.

Die Veranstaltung findet im Institut für Sozialwissenschaften der Humbold-Universität(Universitätsstraße 3b/Nähe S+U-Bhf. Friedrichstraße) in Raum 002 statt. Bitte seid pünktlich, wir fangen um 18 Uhr an.

29.Mai 2009 | 17.45 Uhr | Humbold-Universität | Universitätsstraße 3b

Merkel kommt

Q 26.05.2009 - 10:30
Mittwoch ist übrigens die Kanzlerin an der HU "zu Gast". Sie will 13 Uhr sprechen. Sorgen wir dafür, dass sie dies zumindest nicht unwidersprochen tut. Der ReferentInnenrat (heißt an anderen Unis AStA) hat Anwälte vor Ort. Diese können bei Repressionen unter
030/2093 -2603/-2614 gerufen werden.

Ach ja, der Aufruf....

Q 26.05.2009 - 10:32
Hier gehts zu einem kurzen Aufruf und im Laufe des Tages zu weiteren Infos. www.refrat.de

Das Desinteresse der Fachschaften...

Kontroverso 26.05.2009 - 10:43
Tja, das Desinteresse der Fachschaften ist wohl vor allem damit zu erklären, dass die in Mitte ansässigen Fachschaftsinitiativen größtenteils dem sog. "Bündnis unabhängiger Fachschaften", kurz BuF, angehören. Das BuF versteht sich als unpolitisch und versucht die ganze Zeit, die Verfasste Studierendenschaft in eine Serviceeinrichtung umzuwandeln, die von jedweder politischen Aussage befreit ist.

Dazu werden selbst die alten Argumente des RCDS (CDU-Studiorganisation) herausgeholt, dass die "Linken" im Refrat (sie wollen ihn in Zukunft "AStA" nennen) nichts für die Studierenden tun würden und das ganze Geld für nicht Studierendenbezogene Projekte rausgehauen wird. So ist es auch nur konsequent, wenn sie die meiste Zeit im StuPa mit LHG, RCDS und Co. stimmen.

Insofern ist es vielleicht verständlich, dass keine der Fachschaftsinitiativen in Mitte großen Elan entwickeln wird. Vielmehr werden sie sich sehr schnell als Sprachrohr jener verstehen, die durch Streikaktionen behindert werden. Ich freue mich schon darauf.... Insofern Leute, wenn ihr studiert oder studieren wollt, macht bei den Fachschaften mit und beendet diesen unpolitischen Quatsch, auch wenn es manchmal schwer ist. Vielleicht schließt ihr euch mit ein paar FreundInnen zusammen, dann lässt sich das besser ertragen. ;)

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an

@kontroverso — die bachelor