Körting-Watch im Berliner Abgeordnetenhaus

metaoperaist_in 25.05.2009 18:03 Themen: Repression Soziale Kämpfe
Im Innenausschuss wurden heute folgende Themen diskutiert:

Brennende Autos in Berlin und mehrere Festnahmen
Carlofts und Bekenner_innenschreiben
Die Massenabschiebung nach Vietnam
Der Fall Kurras
Guantanamo Häftlinge
Die Antinationale Parade
SED Millionen
Änderung des Waffengesetzes
Der Polizeieinsatz am Kotti vom 15.05
Heute, Mo. den 25.Mai, traf sich der Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung im Abgeordnetenhaus, in der Niederkirchener Strasse gegenüber des Gropius Bau. Und wie auf Indymedia angekündigt wurde die "Aktion Körting-Watch" (link:  http://menschenfreundlich.blogsport.de/2009/05/23/aktion-koerting-watch/ ) durchgeführt. Schluss mit lustig - little sister is watching back...

Zuerst der Spass, dann das Vergnügen, ein Körting Zitat:
"Politisches Handeln kriminalisieren zu wollen, das kenne ich sonst nur aus totalitären Staaten."
Seine Aussage erzeugte spontanes Gelächter in den hinteren Reihen, welches sich nicht unterdrücken lies. Jedoch meinte er was anderes als die gemeine Autonome vermuten mag: das war Teil seiner Antwort auf einen Antrag mit der Forderung Senator_innen verantwortbar für ihr Handeln zu machen.

Und zum Vergnügen ein weiteres Körting Zitat: "Wir wollen weniger Waffen in der Gesellschaft." Mein erster Gedanke: die Polizei entwaffnen! Aber leider meinte er damit Waffen in Privatbesitz, insbesondere die unangemeldeten. Für die Abgabe von illegalen Waffen wird es demnächst eine Amnestie geben. Bei der letzten Amnestie hat immerhin ein einziger Mensch eine Waffe abgegeben... soviel zum Kapitel "sinnvolle Massnahmen gegen Amokläufer_innen". Aber wie Körting auch richtig festgestellt hat, gegen Amokläufer gibt es keine absolute Sicherheit... Jedenfalls ging es bei diesem Punkt um eine Änderung der Waffengesetze.

Die vermissten SED-Millionen, 4 davon, aber insbesondere die Diskussion darum, opferte ich einer ZigARRRetten-Pause, in der ich mich "sicher" und gut "bewacht" fühlen durfte... von den usual suspects die von vielen Demos bekannt sind. Ein weiteres Bild von ihnen wäre Spam. Aber es waren noch ganz andere da...

Guantanamo kam auch zur Sprache, ein nicht tatverdächtiger Häftling soll aufgenommen werden. Leider stellte niemand die Frage warum ein nicht Tatverdächtiger überhaupt in Haft ist. Zumindest wurde auf die Beteiligung und die Verantwortung Deutschlands, auf Grund der Unterstüzung durch insbesondere Flughafenlogistik für CIA-Transporte, hingewiesen.

Weitere nicht tatverdächtige Häftlinge wurde thematisiert im Zusammenhang mit brennenden Autos. Eine Frau wurde festgenommen die sich in der Nähe eines Autos befand, bei dem sich angeblich gerade etwas entzündet hatte. Weil es keine Beweise gegen sie gab, keine Zeugen und auch keine Verdunkelungs- oder Fluchtgefahr bestand, wurde sie vom Staatsanwalt wieder frei gelassen. Nach einer Springer-Hetzkampagne, wurde ein anderer Staatsanwalt mit der Sache betraut, der plötzlich einen Haftgrund für gegeben erachtete. Also entweder handelt es sich um eine Panne bei den polizeilichen Ermittlungen oder an einem Menschen soll ein Exempel statuiert werden, nachdem bekannt wurde, dass die Frau politisch aktiv war und bei Demonstrationen in Erscheinung getreten ist. Glietsch zu diesem Widerspruch: "Das war ein grosser Erfolg für die Polizei." Auf die Frage wie es sein könne, dass ein Staatsanwalt keinen Haftgrund sieht, ein anderer aber doch: "Ich weiß nicht wo die Panne gelegen haben soll, im Ergebnis wurde jemand beweissicher festgenommen, der einen Brandsatz gelegt hat." Auf den Einwand, wie bei einem so wichtigen Fall, wie den brennenden Autos in Berlin, wo zusätzlich sogar 10.000 Euro Belohnug zur Ergreifung der Täter_innen ausgesetzt wurden, Staatsanwälte unterschiedlicher Meinung sein könnten und ob es neuere Ermittlungsfakten gäbe, anwortete Körting: "Alle Details sind im Rechtsausschuss zu behandeln. Dazu äussere ich mich hier nicht. Und dort wird es auch nicht um neue Erkenntnisse gehen, das gehört vor Gericht. Das ist eine Frage der Zuständigkeiten und der Rechtsstaats. Und ein bisschen Rechtsstaat muss schon sein."

Zum ungerechtfertigten Vorgehen der Polizei am 15.05 im NKZ, gegen ein Pressegespräch mit studentischen Vertreter_innen der Bildungsproteste, bohrte wie angekündigt Benedikt Lux nach. Aber auch sonst war er argumentativ stark und überzeugte in den meisten Punkten der Tagesordnung. Unverzeihlich ist zwar seine Aussage, dass Brandstifter_innen dem Gesetz nach bestraft werden müssten, aber wenn er ein Autonomer wäre, würde er nicht im Abgeordnetenhaus sitzen und Körting, Glietsch und Konsorten unangenehme Fragen stellen können. Körting antwortete ausweichend auf die Frage ob auch aus heutiger Sicht der Einsatz richtig verlaufen sei: Er habe einen Bericht der Polizei, dass gegenüber den Beamten niemand der Anwesenden ein Pressegespräch erwähnt habe. Auch ein von der Gruppe herbeigerufener Anwalt habe dieses nicht erwähnt. Und weiter: "Man kann sich darüber streiten, ob dies hinterher so konstruiert wurde." Benedikt Lux: "Selbst wenn es sich nicht um ein Pressegespräch gehandelt hätte, dürfen sich etwa in Kreuzberg nicht mehr 22 Menschen in einem Cafe treffen, ohne das gleich die Polizei eingreift? Würden sie das wieder tun?" Glietsch: "Klar können sie sich treffen, die Situation ist nur anders von der Polizei eingeschätz worden."

Zum Fall Kurras wurde nur erwähnt, dass dies zunächst Sache der Birthler-Behörde sei.

Zur Antinationalen Parade vom 23.05 wurde erwähnt, dass es lange gedauert habe bis der Versamlungsleiter mit Unterstützung der Polizei die Situation habe unter Kontrolle bringen können und die notwendigen Massnahmen durchzuführen waren. Insbesondere gegen die etwa 250 Menschen an der Demospitze, die danach Seitenbegleitung erhielten. Glietsch zur Rolle der Partei Die Linke: "Ob "Die Linke" beteiligt ist oder nicht ist egal."

Weiterhin wurde erwähnt, dass in Neukölln ein Mann eine brennende Zeitung unter einen LKW geworfen habe, diese aber selbstständig verlosch und es sich dabei vermutlich nicht um eine politisch motivierte Straftat gehandelt habe. Außerdem seien 2 Polen, 33 und 35 Jahre alt festgenommen worden, nachdem ein alter Golf brannte und von selbst gegen eine Wand rollte. Abschliessend wurde nach Bekennerschreiben zu Carloft-Aktionen gefragt, was negativ beantwortet wurde.


Nachwort: Mich erstaunte, dass so viele Plätze, bei derart spannenden Themen - und ich muss es betonen SPANNEND - leer geblieben sind. Daraus folgt für mich, dass ich künftig öfter mal den ein oder anderen Ausschuss besuchen und darüber berichten werde. Das System zum greifen nah - ein prickelndes Erlebnis für Metaoperaisten ;)

Und letzter Punkt: Es folgt noch ein längerer Artikel zu der geplanten Massenabschiebung nach Vietnam, was ausführlicher diskutiert wurde. Nur jetzt habe ich keine Zeit mehr dafür.

weitere Bilder, Links und Hintergrundinfos:  http://menschenfreundlich.blogsport.de
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Ergänzungen

Martin Kröger denkt sich Geschichten

metaoperaist_in 26.05.2009 - 22:16
In der Zeitung "Neues Deutschland" wurde heute von Martin Kröger ein schlecht recherchierter Bericht, mit der Falschmeldung die Aktion "Körting-Watch" habe nicht stattgefunden, veröffentlicht. Nicht nur, dass er kaum recherchiert hat, er war offenbar auch nicht anwesend, denn verschärfte Kontrollen fanden weder vor noch im Abgeordnetenhaus statt. Und ich muss es wissen, denn ich war da... hier die Zeitungsente zum nachlesen:

Quelle:  http://www.neues-deutschland.de/artikel/149442.waffenrecht-nicht-scharf-genug.html

Waffenrecht nicht scharf genug

Debatte über Bundespläne für großkalibrige Pistolen im Innenausschuss

Von Martin Kröger

Vor dem Eingang des Innenausschusses im Abgeordnetenhaus gab es gestern verschärfte Kontrollen. Polizisten und private Sicherheitsmänner überprüften Taschen und Ausweise. Obwohl das Waffenrecht gestern das Hauptthema war, befürchteten die Parlamentarier indes keinen Protest von Waffenfetischisten, sondern von Linksradikalen. Die hatten nämlich im Internet unter dem Slogan »Körting-Watch« zur Teilnahme am Ausschuss aufgerufen.

Mit der Aktion, die dann nicht stattfand, wollte man offenbar auf die Auflösung einer Pressekonferenz Mitte Mai am Kottbusser Tor durch Polizisten aufmerksam machen. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) verteidigte gestern indes den Einsatz einer kompletten Hundertschaft zur Überprüfung der 22 Personen des Pressegesprächs. Die Polizisten vor Ort seien von einer nicht angemeldeten Versammlung ausgegangen, sagte Körting.

Journalistenverbände und Gewerkschaften hatten in der Woche zuvor allerdings die Stürmung der Pressekonferenz der Gruppe »Bildungsblockaden einreißen« in Kreuzberg durch die Beamten massiv kritisiert. Auch auf Nachfrage von LINKEN und Grünen erklärte Körting jedoch, ihm sei nichts von einem »ruppigen« Einsatz bekannt geworden.

Wesentlich ausführlicher als zu dem umstrittenen Polizeieinsatz bezog der Innensenator gestern Stellung zu den Plänen der Bundesregierung, das Waffenrecht im Zuge der Debatte über den Amoklauf im schwäbischen Winnenden zu verschärfen. Die Idee, die Altersgrenze für großkalibrige Waffen von 14 auf 18 Jahre heraufzusetzen, ein bundesweites Waffenregister einzuführen sowie dieses mit verdachtsunabhängigen Kontrollen zu überprüfen, bezeichnete Körting zwar als »Fortschritt«. Doch blieben die Maßnahmen letztlich hinter den Erwartungen Berlins zurück. »Man hätte auch ein Verbot großkalibriger Waffen fordern können«, so Körting. Im Bundesrat seien aber nur Bremen und Berlin dazu bereit gewesen.

Eine Kontroverse entbrannte unter den Abgeordneten über den richtigen Weg, illegale Waffen aus dem Verkehr zu ziehen. Streitpunkt war etwa, wie genau eine Amnestie auszusehen habe, damit möglichst viele illegale Waffen abgegeben werden. Aber auch bei den legalen Waffen stelle sich doch die Frage, warum sie zu Hause gelagert werden müssen, warf die Linksparteiabgeordnete Marion Seelig ein. Dabei seien die doch beim Jagd-, Sportschützen- oder Forstverband besser aufgehoben.

Nach Ansicht Körtings sei eine Sperrung der vorhandenen Waffen durch biometrische Blockiersysteme am vielversprechendsten. Das sahen Grüne und CDU indes anders, weil sich Computer schließlich immer austricksen ließen. »Wir brauchen mehr Kontrollen«, insistierte Benedikt Lux (Grüne).


und ein kurzer Leserbrief zu dem Artikel "Waffenrecht nicht scharf genug":

Hallo,
selten habe ich einen derart schlecht recherchierten Bericht - eine derartige Zeitungsente - gelesen. Es gab keine verschärften Kontrollen vor oder im Abgeordnetenhaus. Die Aktion "Körting-Watch" fand statt und daraus schliesse ich, dass Martin Kröger nicht vor Ort war. Zumindest habe ich ihn nicht gesehen und dabei waren die meisten Besucherplätze nicht besetzt.

Informationen zur Aktion "Körting-Watch"
 http://menschenfreundlich.blogsport.de/2009/05/23/aktion-koerting-watch/

Ein Augenzeugenbericht von der Sitzung des Innenausschusses
 http://de.indymedia.org/2009/05/251592.shtml

Bilder von der Sitzung
 http://menschenfreundlich.blogsport.de/2009/05/25/bilder-von-der-aktion-koerting-watch/

Körting warnt vor politischer Fanatisierung

http://www.tagesspiegel.de 28.05.2009 - 12:31

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 4 Kommentare an

Anmeldung? — Roland Ionas Bialke

Vielen Dank — Körting

zu den sitzungen — ernie

super! — ...