Kiel: Abgesagte Nazikundgebung

AutonomeR AntifaschistIn 25.05.2009 17:31 Themen: Antifa
Für Samstag, 23. Mai hatten Kieler Neonazis trotz der zeitgleichen Nazidemo in Lüneburg und eines angekündigten Fußballtourniers des Neumünsteraner Nazitreffpunkts "Titanic" eine Kundgebung nahe der Landesbank Schleswig-Holstein in der Küterstraße beim Alten Markt angemeldet, die um 11 Uhr beginnen sollte. Nachdem dies bekannt geworden war, mobilisierten die Autonome Antifa-Koordination Kiel und der Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel seit dem Vortag kurzfristig zu antifaschistischen Gegenaktionen ( http://de.indymedia.org/2009/05/251345.shtml).
So fanden sich ab 10.30 Uhr einige Dutzend Antifaschist/-innen auf dem Alten Markt zu einer spontanen Kundgebung ein, deren Anzahl später auf etwa 100 Personen angewachsen sein dürfte. Die Polizei war ebenfalls bereits mit einem kleineren Aufgebot sichtbar und einem größeren in der Hinterhand, das den angemeldeten Nazi-Kundgebungsort sporadisch absicherte und relativ zügig Platzverweise verteilte, als eine größere Gruppe Antifas kurzfristig den Platz besetzte, aber nicht entschlossen genug war, um ihn zu halten zu versuchen. Die weitere Zeit des Abwartens wurde genutzt, um mit einem Redebeitrag und einigen Flugblättern das Umfeld des Alten Markts über den derzeitigen Naziaktivismus in Kiel aufzuklären.

Zeitgleich sammelten sich seit etwa 9.30 Uhr am Hauptbahnhof ein paar Nazis, die allesamt der Aktionsgruppe Kiel und deren Umfeld zugerechnet werden können. Um etwa 10.30 Uhr waren sie zu acht und wurden seitdem auch nicht mehr mehr. Um 11 Uhr kam es aus dieser Gruppe heraus zu einer kurzen Jagd von etwa fünf Nazis (darunter u.a. Kati L.) auf zwei sich am Bahnhof aufhaltende vermeintliche Antifaschisten. Daraufhin begab sich ein Großteil der Teilnehmer/-innen der Antifa-Kundgebung am Alten Markt Richtung Bahnhof, da es gerüchteweise auch zu einem Angriff auf die Gejagten gekommen sein sollte, was jedoch nicht bestätigt werden konnte. Einige der beteiligten Nazis wurden darauf von der Polizei in Gewahrsam genommen. Kurz darauf, um ca. 11.15 Uhr zog die Polizei ihr Aufgebot am Alten Markt ab und ließ verlauten, dass die Nazis ihre Kundgebung soeben abgemeldet hätten. Angeblich, weil die Anzahl der mobilisierten "Kameraden" hinter ihren Erwartungen zurück geblieben war.

Zu diesem Zeitpunkt verlagerte sich das Geschehen immer mehr zum Hauptbahnhof, wo sich immer mehr Antifaschist/-innen sammelten. Die Polizei begleitete die Nazis jedoch umgehend aus der Bahnhofsgegend, bevor es zu Aktionen kommen konnte. Noch vor 12 Uhr war die angemeldete Nazikundgebung dann vorbei, ohne begonnen zu haben, weshalb sich nach und nach auch die meisten Antifaschist/-innen schöneren Dingen als Nazis widmeten und die Innenstadt verließen. Im Laufe des Vormittags sollen auch zwei Antifas in Gewahrsam genommen worden sein.

Im weiteren Verlauf des Tages kam es zunächst zu keinen weiteren Naziaktivitäten, auch bei der nachmittäglichen "Freiheit statt Angst"-Demo kam es bis auf zwei kurzfristig gesichtete etwas zwielichtige wirkende Personen zu keinen besonderen Vorkommnissen.

Gegen Abend kam es jedoch zu etwas länger andauernden Nazibewegungen in der Wik. Zeitweise bis zu 10 Nazis im "AN-Look" versuchten Passant/-innen, die sie für Linke hielten, einzuschüchtern. Gesichtet wurde dabei auch Peter v. d. B.. Zu Angriffen o.Ä. kam es allerdings nicht.

Insgesamt ist die Bedeutung des Verlaufs des Samstags in Kiel schwer einzuschätzen. Sollte die AG Kiel tatsächlich nicht genügend Leute für ihre Kundgebung zusammen bekommen haben, ist dieser eine weitere peinliche Niederlage für sie gewesen. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Kundgebung von vorn herein nie stattfinden sollte. Was aber dann das Interesse der Kieler Nazis am Samstag war, bleibt noch tiefer im Dunkeln.

Immerhin konnten Kieler Antifaschist/-innen mal wieder eine zumindest befriedigende spontane Mobilisierungsfähigkeit unter Beweis stellen und den vormittäglichen Aufenthalt in der Kieler Innenstadt dazu nutzen, einmal mehr auf die Naziaktivitäten in Kiel aufmerksam zu machen und für antifaschistische Gegenwehr zu werben, die wahrscheinlich auch in nächster Zukunft immer mal wieder erforderlich sein werden wird.
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Ergänzungen

Gesammelte Indymedia-Berichte...

hoho 25.05.2009 - 17:43
...zu den letzten Monaten in Kiel:

MORGEN: Nazikundgebung in Kiel verhindern! -  http://de.indymedia.org/2009/05/251345.shtml
08.Mai: Nazis und Antifa-Kundgebung in Kiel -  http://de.indymedia.org/2009/05/249853.shtml
Kiel: Antifa-Kundgebung in der Wik -  http://de.indymedia.org/2009/05/249774.shtml
Kiel: Hausdurchsuchungen bei Nazis -  http://de.indymedia.org/2009/04/248653.shtml
Kiel: Antifa-Kundgebung in Diedrichsdorf -  http://de.indymedia.org/2009/04/248447.shtml
Kiel 18.4.: Nazi-Überfall verhindert -  http://de.indymedia.org/2009/04/247851.shtml
Erfolgreiche Aktionen gegen Neonazis in Kiel -  http://de.indymedia.org/2009/04/247624.shtml
Morgen: Naziaktion in Kiel verhindern! -  http://de.indymedia.org/2009/04/247470.shtml?c=on#c568170
Reggae in der City gegen Kiels Naziproblem -  http://de.indymedia.org/2009/04/247157.shtml
Kiel: Spontaner Naziaufmarsch behindert -  http://de.indymedia.org/2009/04/246615.shtml
Kiel: Anquatsch-Versuch wegen Antifa -  http://de.indymedia.org/2009/04/246459.shtml
Kiel: Antifa-Kundgebung gegen Naziaktivitäten -  http://de.indymedia.org/2009/03/244754.shtml
Aktionen und Demo gegen Neonazis in Kiel -  http://de.indymedia.org/2009/03/243751.shtml
Kiel: Nazis in Gaarden // heute Spontandemo! -  http://de.indymedia.org/2009/03/243712.shtml
Nazis planen Aktionen und Aufmarsch in Kiel! -  http://de.indymedia.org/2009/03/243338.shtml
Kiel: 50 auf Antifa-Kundgebung -  http://de.indymedia.org/2009/03/243200.shtml
Kiel: Zu den aktuellen Naziumtrieben -  http://de.indymedia.org/2009/02/241177.shtml
"Autonome Nationalisten" in Kiel geoutet -  http://de.indymedia.org/2009/01/240342.shtml

Zu Samstagabend in der Wik...

... 28.05.2009 - 15:15
Presserklärung der Wohnungsgenossenschaft Dampfziegelei e.G. – mit der
Bitte um Veröffentlichung

Die Mitglieder der „Wohnungsgenossenschaft Dampfziegelei e.G.“ sind
glücklich und ein wenig stolz, denn ein ehrgeizig gestecktes Ziel ist
erreicht: 34 Menschen, davon 12 Kinder leben seit Anfang Mai in zwei
Neubauten und einem sanierten Altbau am Timmerberg in Kiel-Wik. Doch nun
sehen sich die Bewohner durch zugezogene Neonazis in der Nachbarschaft
bedroht...

Das langjährige Genossenschaftsmitglied Frank T[.] ist erleichtert: „Nach
zwei Jahren Baustelle mit viel Eigenleistung sind unsere 15 Wohneinheiten
endlich fertig gestellt und bezogen. Für mich persönlich war es eine sehr
spannende Erfahrung, ein so großes Projekt mit so vielen Menschen
gemeinsam zu planen und durchzuführen – das Ergebnis kann sich sehen
lassen!“
Finanziell realisiert werden konnte das Projekt durch Darlehen des Landes
und Einlagen der Genossenschaftsmitglieder. T[.]: „Trotz aller
Widrigkeiten haben wir geschafft, dass bei uns Hartz IV-Empfänger mit sehr
geringen- und Menschen mit größeren Einlagen zusammenleben. Wir sind ein
sozial durchmischtes, solidarisches Wohnprojekt.“

Doch das Glück am Timmerberg wird durch eine reale Bedrohung aus der
Kieler Neonazi-Szene getrübt. Genossenschaftsmitglied Katja S[.]:
„Offensichtlich genügt schon unsere etwas ungewöhnliche Wohnform, um ins
Visier dieser Leute zu geraten. Aus heiterem Himmel wurden bereits im
April 2008 abends Scheiben bei uns eingeschmissen. Gott sei Dank wurden
keine Kinder von den Steinen oder Glas-Splittern verletzt. Anschließend
brüstete sich die faschistische ‚Aktionsgruppe Kiel’ im Internet mit der
Tat.“
Nun scheint die Bedrohung noch näher gerückt zu sein. S[.]: „Besorgte
Nachbarn berichten uns, dass provokativ auftretende Neonazis hier in
unsere direkte Nachbarschaft gezogen sind. Seit einigen Wochen sehen wir
verstärkt Leute mit eindeutigen Nazisymbolen auf der Kleidung hier in der
Gegend. Offensichtlich markieren diese Leute in unserer Nachbarschaft ein
von ihnen beanspruchtes ‚Revier’ mit einer wahren Flut von Aufklebern. Auf
diesen Aufklebern wird eine ‚National befreite Zone’ gefordert und gegen
Minderheiten gehetzt.“
Am vergangenen Samstag spitzte sich die Lage zu. Genossenschaftsmitglied
Dr. Michael S[.]: „Drei Personen die bei uns zu Gast waren, gingen abends
um 19:00 Uhr zu Famila einkaufen. Bereits auf dem Weg wurden sie von Nazis
bedroht. Als sie den Supermarkt nach dem Einkauf verlassen wollten,
erwartete sie eine schwarz gekleidete 10 köpfige Nazigruppe auf dem
Parkplatz. Die Nazis waren mit Knüppeln und Baseball-Schlägern bewaffnet.
Glücklicherweise konnten unsere Gäste flüchten.“
Und die Bedrohungen gingen weiter. Genossenschaftsmitglied Nils C[.]:
„Abends fand bei uns eine Geburtstagsfeier statt. Zunächst konnten wir es
gar nicht glauben, als uns Gäste erzählten sie seien auf der Herfahrt von
mutmaßlichen Nazis fotografiert worden. Dann berichteten uns Besucher,
eine Gruppe schwarz gekleideter Männer stehe an unserer Zufahrt. Gegen
23:00 Uhr versuchten die Nazis allen ernstes ein Auto zu stoppen, das zu
uns fahren wollte. Für uns war überhaupt nicht absehbar, wozu die Nazis
nun noch fähig sind. Wir hatten Angst.“ Irritiert zeigte sich C[.] durch
die Reaktion der Polizei: „Als ich beim zuständigen Revier anrief und von
den aggressiven Nazis in unmittelbarer Nähe der Party erzählte, sagte man
mir zunächst, man werde umgehend eine Streife schicken. Dann wurde ich
nach 15 Minuten zurückgerufen und es hieß, es sei kein Wagen frei, es
werde keine Polizei kommen. Tatsächlich kamen die Beamten erst nach über
einer Stunde. In dieser Zeit hätte Schlimmes passieren können.“
Auch Menschen aus der umliegenden Wohngegend fühlen sich unwohl mit ihren
rechten Nachbarn. Eine Anwohnerin, die aus Angst nicht namentlich genannt
werden möchte: „In unserer Strasse wohnen sehr verschiedene Menschen und
das ist gut so. Es ist eine Schande, dass sich Leute aus meiner
Nachbarschaft in ihrem eigenen Stadtteil bedroht fühlen müssen, weil sie
eine Hautfarbe haben oder eine Frisur tragen, die den Nazis nicht passt!“

Kiel den 27.05.2009

Rückfragen bitte an dampfziegelei[at]gmx.de

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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keine inhaltliche ergänzung — hat jemand n plan...

nur `n Gerücht — Horst