[Jena] Die Freiheit ist sicher

(brp/anne.) 21.05.2009 10:48 Themen: Antifa Freiräume Kultur Militarismus Repression Soziale Kämpfe
(brp/anne.) Am 20. Mai 2009 hielt Wolfgang Schäuble (CDU) auf Bestreben des konservativen „Rings Christlich-Demokratischer Studenten“ (RCDS) einen Vortrag über das Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit. Wie erwartet sorgte das Leib-und-Magen-Thema des Innenministers für reichlichen Unmut. Im Vorfeld riefen verschiedene Gruppen von Grüner Jugend bis Autonomer Antifa zur Demonstration vor dem Hotel „Steigenberger Esplanade“ auf. Einige AktivistInnen gelangten ins Innere des Plenarsaales, enthüllten ein Transparent und verteilten Flugblätter an ZuhörerInnen. Im Anschluss an die Proteste nutzten einige DemonstrantInnen die Gelegenheit, um im Stadtrat auf ihre Ängste in Form eines Redebeitrages hinzuweisen.
Die Befürchtungen der ÜberwachungsgegnerInnen klingen wie Bruchstücke aus George Orwells „1984“: Ein Polizeiapparat mit Zugriff auf elektronische Datenerfassungssysteme und behördliche Informationen, ausgestattet mit der Möglichkeit scheinbar willkürlich Wohnraum zu überwachen und Computer auszuspähen. Tatsache ist jedoch: Niemals waren Orwells Visionen technisch leichter umsetzbar, als sie es heute sind. Das Tauziehen zwischen jener Fiktion und unserer Realität scheint längst begonnen zu haben. Stück für Stück werden Strukturen geschaffen, die vermeintlich Sicherheit bieten sollen. Doch was die BürgerInnen für den Augenblick ruhig schlafen lässt, kann sie schon morgen all ihrer Freiheit berauben. Die Argumente von DatenschützerInnen und BürgerrechtlerInnen mögen intuitiv klingen – doch sie klingen zumindest intuitiv logisch. Summiert könnten sie lauten: Es ist nicht richtig, dass eine Gesellschaft die Menschen unter Generalverdacht stellt, wenngleich sie ihren Sicherheitsbehörden ein derart umfangreiches Vertrauen entgegen bringt. Die Politik kann keine umfassende Freiheit garantieren. Sie kann dies ebenso wenig, wie es eine Garantie ihrer guten Absichten gibt. Eine freie Gesellschaft basiert in erster Linie auf Vertrauen – in dem Moment, wo die Politik den Menschen dieses Vertrauen nicht mehr entgegenbringt, hört die Gesellschaft auf frei zu sein.

Mehr Bilder in Kürze unter:  http://brp.jg-stadtmitte.de/
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

bilder

anne. 21.05.2009 - 11:03
fehlende Bilder...

Im Veranstaltungssaal massive Störungen

3455 21.05.2009 - 12:06
Während der Schäuble Veranstaltung selbst gab es massive Störungen, Schäuble kam nur mühsam vorran, immer wieder beschwerte er sich darüber, dass er keine 3 Sätze zu Ende reden kann.

Der Ablauf war in etwa wie folgt: Schäuble kommt an, spricht 30 Sekunden wirres Zeug. Der Erste Zwischenruf: "Lügner!"; 1/3 bis die Hälfte vom Saal klatscht. Schäuble fühlt sich beleidigt, spricht weiter. Ein Handyklingelmarathon beginnt, in allen Ecken des Saales. Schäuble versucht weiter zu reden. Besucher fangen an zu Niesen, zu Husten, zu Klatschen, auch eine Handsirene geht plötzlich los. Als eine Besucherin solidarisch einer hustenden Frau ein Glas Wasser bringen will und dabei in die Nähe vom Innenminister gelangt, schreiten die Securitys ein. Ein Attentat? Immerwieder fallen ihm Kritiker ins Wort. Die Zwischenrufer und das penetrante Handyklingeln gehen nicht spurlos an ihm vorbei, Schäuble ist sichtlich genervt. Dann packen auch noch Leute ein Transpi aus, verteilen Flugblätter. Sie sind die ersten, die rausgeschmissen werden. Zwei weitere kritische Besucher werden nach Diskussionsbeiträgen später ebenfalls vor die Tür gesetzt.

Die Veranstaltung war ein Reinfall. Schlechter Tag für RCDS und Schäuble.


Presseartikel von TLZ und OTZ:

"Ich bin da abgehärtet"
Jena. (tlz/lio/tb) "Stoppt die Vorratsdatenspeicherung" - unter diesem Motto waren am Mittwochnachmittag etwa 120 junge Leute auf dem Platz vor dem Volkshaus erschienen, um Innenminister Wolfgang Schäuble, der gegenüber im Esplanade-Hotel zu Gast war, ihren Unmut über die Gesetzgebung kundzutun. Auch Vertreter der Jugendorganisationen anderer Parteien waren zugegen, etwa die Jungen Liberalen.

"Dieses Gesetz ist eine Frechheit, die ich mir nicht gefallen lassen kann", so FDP-Landeschef und Mitglied des Bundestages, Uwe Barth. Es handele sich um einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte der Bundesbürger. Er sei nicht bereit, seine Privatsphäre preiszugeben. Die Folge seiner Äußerungen bei der Kundgebung bekam Barth zu spüren: Ihm wurde der Zutritt zum Vortragsraum des Minsters (zunächst?) verweigert.

Etwa 30 junge Leute, die offenbar zur JG Stadtmitte gehörten, forderten die "Abschaffung repressiver Sicherheitsmaßnahmen". Zahlreiche Polizisten hatten das Areal um das Hotel abgeriegelt, die Proteste verliefen weitgehend friedlich. "Wir hatten lediglich zwei Flaschenwürfe, es wurde aber niemand verletzt. Wir prüfen strafrechtliche Maßnahmen", so Katrin Sander, die Leiterin der PI Jena.

Beim Vortrag im Hotel gab es immer wieder Störungen. Dabei wirkten Zwischenrufe, Handyklingeln und Hustenanfälle bei Zuhörern fast theaterreif. Schäuble behielt den roten Faden: "Ich bin da relativ abgehärtet!" Landesspiegel



Polizei, Demo und Bienenschwarm
Von OTZ-Redakteur Lutz Prager Jena. Uwe Barth hatte gestern Nachmittag Pech.

Der Jenaer Chef der Thüringer Liberalen und Abgeordnete des Deutschen Bundestages kam nicht mehr rein in den Saal des Steigenberger Hotel Esplanade. Schon einige Zeit ehe Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) überhaupt in Jena angekommen war, machten die Ordner des Veranstalters, des Rings Christlich Demokratischer Studenten (RCDS), dicht. Im regulär 150 Leute fassenden Saal saßen und standen bereits deutlich mehr als 170. Ordnung muss sein.

Dass zur öffentlichen Veranstaltung nicht nur Schäuble-Fans im Saal waren, merkte der Minister spätestens als er versuchte, seine Auffassung von Freiheit und Sicherheit darzulegen. Akademische Diskussionskultur - Fehlanzeige. Eine halbe Stunde kämpfte der CDU-Politiker mit stoischer Geduld gegen Klatschen, Zwischenrufe, eine Art Zuruf-Theater, lautes Handy-Klingeln und lärmende Elektronik-Spielzeuge an, dann ließ er - legitimiert von einer Abstimmungsmehrheit im Saal - von den Sicherheitsleuten zwei besonders penetrante Nervensägen entfernen.

Danach kam Schäuble tatsächlich etwas besser zu Wort und am Schluss kam es doch noch zu einer Diskussion, auch mit erklärten Gegnern von Schäubles Politik. Der Innen minister versuchte vor allem das Spannungsfeld zu erklären, dass der Schutz der persönlichen Freiheitsrechte der Bürger nicht möglich sei, ohne richterlich angeordnete Eingriffe in diese Freiheiten in genau definierten Einzelfällen. Zum Reizthema Kontrolle des Internets brachte Schäuble diesen Vergleich: Man könne die Polizei nicht nur mit Fahrrädern ausstatten, wenn die Verbrecher Autos fahren.

Als Empfangskomitees für Schäuble hatten sich am Volkshaus Lothar Königs bunte Truppe und eine Initiative gegen Zensur im Internet versammelt. Dazwischen standen viele Polizisten. Und sogar die Feuerwehr musste anrücken mit der Drehleiter. Aber nicht etwa um einen Brand zu löschen, sondern um von Imker Bernd Schmidt am Volkshaus einen wilden Bienenschwarm einfangen zu lassen.

Langweilig war es dadurch auch für Uwe Barth nicht. Auch wenn der gestern draußen bleiben musste.ThüringenBundesinnenminister Schäubles Besuch in Jena ist alles andere als langweilig

deutschland..

...gehört... 21.05.2009 - 12:07
...bereits jetzt zu den elektronischen polizeistaaten:

 http://www.golem.de/0905/67055.html

Schäuble auch an der Uni Braunschweig

--- 21.05.2009 - 22:38

Montag 25.05. 20.00 Uhr 60 Jahre Grundgesetz - Bedeutung für Europa mit Wolfgang Schäuble im Audimax, TU Braunschweig

Wer hat den denn eingeladen ??
Ob das da ruhiger zugeht ?
Was meinen wohl die vielen Informatiker an der Technischen Uni zu Schäubles meiner und vieler Meinung nach grundgesetzwidrigen Überwachungsmaßnahmen ?

Stasi 2.0 in Braunschweig. Wer will die ?

Ergänzung halt

quaktöröö 22.05.2009 - 00:15
Der vollständigkeithalber sollte auch noch die Jubeldemo des "Bündnis für ein sicheres Deutschland" erwähnt werden. Mitgeführte Schilder, übers mega nochmal verstärkte Sprechchöre und ein mehrmals verlesener Redebeitrag, alles mit völlig überzogenen Forderungen bei denen dem Schäuble sicher das Wasser im Mund zusammengelaufen wäre, sollten den Leuten das Thema Überwachung in die Köpfe rufen. Völlig unbehelligt von der Polizei wurde aber nicht ohne einen Bogen über die Hauptstraße zu machen der Platz vor dem Veranstaltungsort angesteuert. Dort wurde uns dann auch nach anfänglichen murren der Weg zu der angemeldeten Kundgebung freigemacht. Lustig war dass der eine Teil der Kundgebung sprechchöre gegen und der andere Teil für(Vorsicht Ironie;-) Überwachung riefen. Danke an alle die dabei waren!!!

äh

egal 22.05.2009 - 11:34
gute störaktion danke, aber wie ist das zu verstehen mit den "intuitiven" argumenten der datenschützer?

Mehr zu Schäuble

wiesel 22.05.2009 - 17:22
Hier ein aufwendig recherchierter Artikel mit mehr Infos zu Schäuble, den Polizeistaat und Überwachung:

 http://www.at.indymedia.org/node/14509

jena-tv

hat auch einen beitrag gesendet 22.05.2009 - 19:48

quatsch

mit soße 23.05.2009 - 00:32
da hat jena tv sich aber schlecht informiert, in der stadtratssitzung wurde niemand des saales verwiesen, die redebeiträge wurden verlesen und erst dann sind wir wieder gegangen.
auch den aussagewert bezüglich des themas und die darstellung der beiden auffassungen möchte ich mal dahingestellt lassen

...dann halt hier

IMJ 26.05.2009 - 13:40
Hups, am Mittwoch das "de" vor dem Indymedia vergessen. Darum der Vollständigkeit hier nochmal der mitlerweile etwas out-of-date Bericht der IMJ


Ein kurzer Bericht über den Besuch Schäubles in Jena: Jubeldemo, Kundgebung, Nutzung des Stadtrates als mediale Bühne

Am heutigen Mittwoch dem 20. Mai wurde Jena die Ehre eines Gastvortrags des Innenministers der BRD Wolfgang Schäuble zum Thema Freiheit und Sicherheit zu teil. Dies nahm ein spontan entstandenes „Bündnis für ein sicheres Deutschland“ zum Anlass, in einer Jubeldemo die Leistungen und den Verdienst Schäubles zur Sicherheit durch Kameraüberwachung in Innenstädten, Vorratsdatenspeicherung und anderen großzügigen Auslegungen der Grund- und Bürgerrechte zu würdigen. Nach dem Verlesen eines fortschrittlichen Forderungskataloges auf dem Carl-Zeiss Platz zogen etwa 50 bis 60 Sicherheitsbegeisterte Menschen auf einem Umweg zum Hotel Esplanade, dem Austragungsort des Vortrages. Parolen wie „Wolfgang Schäuble hilf uns doch – Terror gibt es immer noch“ und der in der Überschrift verwendeten sorgten für die angebrachte positive Stimmung. Vor dem Hotel fand eine Vereinigung mit den Teilnehmern einer parallel abgehaltenen Kundgebung zur Überwachungsfrage statt. Friedlich und von Helikoptern sowie BFE Einheiten gesichert wurden Redebeiträge, Forderungen und Parolen skandiert, schließlich der Star des Tages freundlich empfangen.
Eine grob in Richtung des Ministers geworfene kleine Schnapsflasche wurde von der Polizei dennoch zum Anlass genommen, mit unverhältnismäßigen und rücksichtslosen Abdrängungsaktionen und kurzzeitiger Beschlagnahme von Transparenten und Flugzetteln zu reagieren.
Teils Widersprüchlich gestreute Informationen zur Regelung des Einlasses verhinderten einen größeren Protest direkt im Veranstaltungsort. Trotzdem hatten es eine Handvoll DemonstrantInnen im Vorfeld geschafft, in den Vortragsraum zu gelangen und ein Transparent zu entrollen. Nach ihrem Rauswurf wurden diese Menschen begeistert empfangen.

Nach der Auflösung der Veranstaltung fanden sich spontan etwa 20 Menschen zusammen, um die Bühne der gerade Stattfindenden Bürgerfragestunde im Rathaus zu nutzen, um dort noch einmal ihre Standpunkte zu verdeutlichen. Der sofortige Hinweis auf das Hausrecht wurde ignoriert, dem Abschalten des Mikros mit dem Einschalten des mitgebrachten Megafons begegnet. Die Positionen wurden von einem Mitglied des oben erwähnten „Bündnisses“ sowie einer Vertreterin der Grünen Jugend Weimar verlesen. Auch hier wurden Transparente präsentiert.
Nach etwa fünf Minuten und sehr gemischten Meinungsäußerungen der Abgeordneten wurde die „Bühne der Bürger“ wieder verlassen.
Besonders die CDU Fraktion äußerte sich abfällig und mit angreifenden Kommentaren den jugendlichen DemonstrantInnen gegenüber (á la „Ihr seid doch Sozialschmarotzer!“).
Der Jenaer OB äußerte sich im Rahmen seines Amtes gegen diese, die Stadtratsordnung ignorierende Aktion. Privat fügte er jedoch hinzu, dass er das Engagement der auftretenden Menschen sehr begrüßen würde.
Der Abgeordnete Plander (Bürger für Jena) will sogar in den nächsten Tagen eine Solidaritätserklärung im Plenum der Stadt verlesen.