Bremen: Umsonstfahrtag - die Presse zieht mit

Klimaplenum Bremen 15.05.2009 11:50 Themen: Blogwire Ökologie
Seit einigen Wochen bewirbt das Bremer Klimaplenum den morgigen Umsonstfahrtag in Bremen. So waren bereits auf der Euromayday-Parade am 1. Mai drei „Gehzeuge“ unterwegs, welche auf den Umsonstfahrtag aufmerksam gemacht haben:  http://de.indymedia.org/2009/05/248950.shtml Erfreulich ist, dass mittlerweile auch die lokale Presse den Umsonstfahrtag in ungewöhnlicher großer Aufmachung zum Thema gemacht hat.
Bereits am 5. Mai war in der „taz Bremen“ ein recht zustimmender Artikel erschienen, welcher gleichermaßen die ökologische wie die soziale Stoßrichtung des Umsonstfahrtages beleuchtet. Nach der gestrigen (für hiesige Verhältnisse gut besuchten) Pressekonferenz hat nunmehr der „Weserkurier“ nachgezogen. „Weserkurier“ mag für Nicht-BremerInnen etwas popelig klingen, aber es handelt sich um einen lokalen Monopolisten mit 220.000 Auflage, dagegen sind die 7.000 Flugblätter des Klimaplenums, welche im Vorfeld verteilt wurden (u.a. auf der DGB-Demo am 1. Mai) geradezu Kleinvieh. Doch zurück zum Artikel: Schon auf Seite 1 wird der Artikel im Innenteil mit einem eigenen Kasten angekündigt – unter der Überschrift „Wirbel um Aufruf zum Schwarzfahren“. Was folgt, ist indessen kein Hetzartikel. Im Gegenteil: Die Argumente des Klimaplenums werden mit durchaus sympathisierendem Unterton widergegeben. Schade ist 'lediglich' (auch im Lichte der Krise), dass nahezu ausschließlich die ökologische Dimension der Aktion thematisiert wird, während das Soziale weitgehend unter den Tisch fällt. Wer mehr zu letzterem wissen möchte, sollte sich insofern auf der Webseite des Klimaplenums schlau machen:  http://klimaplenum-bremen.blogspot.com/

Es dürfte sich von selbst verstehen, dass dies nur ein Auftakt sein kann. Natürlich reicht es nicht, eine Aktion zu machen und dafür zwei, drei gute Artikel abzustauben. Das Klimaplenum Bremen hat sich deshalb vorgenommen, an dem Thema dranzubleiben - zumal bereits seit über 1 Jahr die Frage eines sog. "Sozialtickets" äußerst kontrovers in der Stadt diskutiert wird. In diesem Zusammenhang hat von Anfang an ein doppelter Brückenschlag eine wichtige Rolle gespielt: Zum einen die doppelte Stoßrichtung "Klima" und "soziale Frage", zum anderen das Ziel, lokale Aktionen und Kampagnen wie die zum Umsonstfahrtag mit der überregionalen Mobilisierung zum Klimagipfel in Kopenhagen im Dezember zu verbinden. Denn eine der zentralen Schlussfolgerungen aus dem Antira/Klima-Doppelcamp im Sommer 2008 in Hamburg war ja, dass die entstehende Klimabewegung insofern von der antirassistischen Bewegung lernen kann, als langfristig nur dann "Siege" eingefahren werden können, wenn sich symbolische Großaktionen mit kontinuierlichen und sozial verankerten Aktivitäten auf lokaler Ebene verbinden.

Ansonsten folgen jetzt noch die beiden erwähnten Presseartikel:

taz, 05.05.2009:

Bus und Bahn gratis

"Umsonstfahrtag" Das Bremer Klimaplenum wirbt für einen günstigen Personennahverkehr
B.O.G., "Bequem ohne Geld" - so heißt die einem BSAG-Slogan nachempfundene Kampagne, für die in diesen Tagen in Bremen geworben wird. Ganz und gar ohne Geld ist damit gemeint, statt, wie in der Original-Werbung, nur ohne Bargeld. Wenn es nach dem "Bremer Klimaplenum" geht, dann fahren am 16. Mai alle Bremer so, denn diesen Tag haben die Aktivisten zum "Umsonstfahrtag" ausgerufen.
Ein günstiger öffentlicher Personnennahverkehr (ÖPNV) sei "mehr als nur eine Frage des Umweltschutzes", so das Plenum in seinem Aufruf zum "Umsonstfahrtag". Dies sei auch eine Frage der sozialen Integration. Wer sich überhöhte Transportkosten nicht leisten kann, bleibe nämlich außen vor. Dies gelte vor allem für Hartz IV-EmpfängerInnen, die nur wenige Euro für die Nutzung des ÖPNV erhalten. Auch darauf will das Klimaplenum aufmerksam machen.
Wenig angetan ist indes die BSAG. Wie ihr Sprecher Jens Christian Meyer mitteilte, lehne das Unternehmen den "Umsonstfahrtag" ab. Dieser sei "nicht im Interesse der BSAG". Zudem sei man "weder zu der Aktion selbst, noch zu den irreführenden Werbemethoden" konsultiert oder um Erlaubnis gebeten worden. Die Aktivisten haben ihre Plakate denen des Transportunternehmens täuschend echt nachempfunden.
Zum weiteren Vorgehen der BSAG wollte Meyer nichts sagen, rechtliche Schritte müssten noch beraten werden. Informationen, nach denen solche bereits unternommen worden seien, bestritt Meyer ebenso wie Berichte, dass uniformierte Mitarbeiter der BSAG auf der "Euromayday" Parade am 1. Mai versucht hätten, Mitglieder des Klima Plenums mit der Androhung von Strafverfolgung einzuschüchtern.
"Wir verstehen die Aufregung von Seiten der BSAG nicht", sagt ein Vertreter des Plenums. Die Aktion richte sich nicht gegen das Unternehmen selbst, sondern versuche eine öffentliche Diskussion anzustoßen. Strafbar mache man sich damit nicht. Der Umsonstfahrtag sei "lediglich angekündigt" und rufe "nicht unmittelbar zum Schwarzfahren auf". Sebastian Ho


Weserkurier vom 15. Mai 2009 :

Streit um Klima-Schwarzfahrer
Umwelt-Aktivisten richten „Umsonstfahrtag“ ein/BSAG: Das ist Aufruf zu Straftaten

Von Bernd Schneider
Bremen. Wer Sonnabend mit Bus und Bahn fährt, wird sich vielleicht wundern über die lustigen Anhänger an den Haltestangen. Sie werben nicht für das traditionelle BOB-Angebot - Bequem ohne Bargeld -, sondern in fast identischer Aufmachung für das Schwarzfahren. Genauer: für "BOG", "Bequem ohne Geld". Nach dem Vorbild anderer großer Städte will das Bremer Klimaplenum so für den kostenlosen öffentlichen Nahverkehr werben. Die Bremer Straßenbahn AG lehnt die Aktion ab und spricht von einem "Aufruf zu Straftaten".

"Die Industrieländer müssen in den kommenden Jahrzehnten ihren Ausstoß an Kohlendioxid drastisch reduzieren", sagt Mathias Brettner für das Klimaforum, ein loser Zusammenschluss sehr unterschiedlicher sozialer Gruppen. "Dazu ist ein radikaler Umbau auch der Verkehrssysteme notwendig."

Bio-Sprit und Elektro-Antrieb für das Auto würden die Probleme letztlich nur verlagern, so Brettner weiter. Wirksamste mittelfristige Maßnahme zur CO2-Verminderung sei ein massiver Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs - am besten mit dem Null-Euro-Ticket für alle. Stattdessen stiegen aber die Fahrpreise im öffentlichen Nahverkehr stärker als fürs Auto - zwischen 2000 und 2008 um 36 Prozent. "Das Autofahren ist in der Zeit nur um 25 Prozent teurer geworden", sagt Brettner unter Berufung auf das Statistische Bundesamt.

Dass sich das Null-Euro-Ticket nicht von heute auf morgen umsetzen lasse, weiß auch Franzis Binder vom Klimaforum. Doch: Die Stadt Hasselt in der belgischen Provinz Limburg "macht das seit 1997". Eine Kleinstadt, nicht vergleichbar, räumt Binder ein. "Aber sie zeigt, dass das möglich ist." Auch im brandenburgischen Templin habe es Versuche gegeben, das Projekt sei aber wegen der Kosten abgespeckt worden. Jetzt zahlen die Nutzer 44 Euro pro Jahr für das Ticket.

"Mehrere Hundert" Aktive werden sich nun nach Schätzungen des Klimaforums Sonnabend ab 11 Uhr am "Umsonstfahrtag" beteiligen. Am Bahn-Knotenpunkt Domsheide, direkt vor der Glocke, soll ein eigener Stand aufgebaut werden. "Wir gehen davon aus, dass viele dabei sind, die nicht in politischen Gruppen aktiv sind", so Brettner weiter. Sie sollten dort mit zusätzlichen Informationen versorgt werden, mehrere Tausend Infoheftchen seien schon gedruckt.

Dazu gehören auch die "BOG"-Anhänger. "Busse und Bahnen gratis nutzen - für alle so richtig bequem", heißt es dort in Anlehnung an die regulären BOB-Informationen der BSAG. "BOG ist das Ticket, mit dem Sie ganz entspannt umsonst fahren." Und: "Sie können so viele Menschen mitnehmen wie Sie möchten."

Die BSAG findet die ganze Aktion alles andere als witzig. "Wir lehnen das komplett ab", sagte Sprecher Jürgen Lemmermann. Schwarzfahren sei nach dem Strafgesetzbuch ein Straftatbestand. Auch angesichts der Aktion würden Kontrolleure "kein Auge zudrücken". Lemmermann: "Wir fordern dann das erhöhte Beförderungsentgelt von 40 Euro." Ob Sonnabend stärker kontrolliert wird, wollte Lemmermann nicht sagen: "Für uns ist das ein ganz normaler Tag."

Begeisterung klingt anders. Völlig überraschend kommt das für Mathias Brettner und Franzis Binder zwar nicht. Allerdings: "Wir setzen uns mit dieser Aktion ja für eine stärkere Rolle der Verkehrsbetriebe ein", wirbt Brettner um Verständnis. Außerdem richte sich der Umsonstfahrtag nicht gegen das Unternehmen: "Das ist ein Appell an den Senat und das Parlament, hier umzusteuern", so Brettner. "Die Politik ist unser Hauptadressat." Denn die müssten das kostenlose Ticket auf die Schiene setzen. Auf Unterstützung durch die BSAG kann das Klimaplenum dabei derzeit nicht hoffen. Lemmermann: "Uns erscheint die Forderung unter den gegebenen Umständen als illusorisch."
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