Berlin - Prozess gegen Neonazi Alexander B.

Roland Ionas Bialke 12.05.2009 23:55 Themen: Antifa
Gestern, am 11. Mai 2009, fand im Berliner Kriminalgericht der Prozess gegen den bekannten Berliner Neonazi Alexander B. statt. Dem Neonazi wurde das Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen, Körperverletzung und Beleidigung vorgeworfen. Zwei Anklagepunkte, die Beleidigung und das Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen, gestand B., bei der Körperverletzung, geschehen bei einem Angriff einer Gruppe Neonazis gegen Antifas, wollte B. nicht direkt beteiligt gewesen sein.
Zu Beginn gab es jedoch einige Verwirrung um den Raum in dem der Prozess stattfinden sollte. Angekündigt war Raum B129, ein Gross-Gerichtssaal der zu einen Hochsicherheitssaal umfunktioniert werden kann. Doch kommerzielle Medien waren an Alexander B.´s Übergriffe nicht interessiert und auch die erwarteten grossen Gruppen von Anti-Antifas bzw. gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen "Linken und Rechten" blieben aus. Der Prozess wurde in den kleinen Gerichtssaal C109 verlegt, trotzdem beobachteten zwei Polizisten in ziviler Kleidung den Prozess. Nur ein Anti-Antifa begleitete den Angeklagten und etwa 10 vermutlich antifaschistische ProzessbeobachterInnen begleiteten die Farce.

Der Anklageschrift zufolge hatte B. am 22. August 2007 eine Wohnungsdurchsuchung bei der u.a. Plakate gefunden wurden, auf denen zu einer "Rudolf-Heß-Gedenkwoche" aufgerufen wurde, zudem Figuren im Stil der Hitlerjugend darauf zu sehen waren. (vgl.  http://de.indymedia.org/2009/01/239416.shtml - Jugendstrafe wegen Angriff auf Antifaschisten) Ein weiterer Anklagepunkt bezog sich auf eine Beleidigung, die B. gegenüber einen Polizisten in ziviler Kleidung (er wurde mit einer Codiernummer bezeichnet) geäussert hatte. Der dritte Anklagepunkt bezog sich auf den 18. Mai 2008. Damals, so der Staatsanwalt, waren im U-Bahnhof Frankfurter Allee zwei Gruppen aufeinandergetroffen. Aus der einen Gruppe, zu der auch B. gehörte, war dann der Ausruf "Das sind doch Zecken!" gekommen. Die Gruppe B.s sei dann auf die Gruppe der Geschädigten losgestürmt, worauf die Gruppe der Geschädigten wegrannte. Beim Wegrennen hätten dann drei nun mit Sturmhauben Maskierte die Geschädigte weiter verfolgt, mit einem Teleskopschlagstock auf den Kopf geschlagen und Pfefferspray ins Gesicht gesprüht.

Alexander B. gab die Beleidigung und das Verwenden Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen zu. Seine Verteidigerin meinte: "Mein Mandant hat sich aus der rechten Szene zurückgezogen." B. bestritt aber die Körperverletzung begangen zu haben. Er sagte aus, dass er früh morgens mit etwa 10 Personen aus der Disco kam und auf dem U-Bahnhof Frankfurter Alle eine andere Gruppe sah. Einige aus seiner Gruppe hätte die anderen beleidigt und drei seien dann hinter den Wegrennenden hinterhergerannt. B. will dann ein Klirren gehört haben uns sei dann aus Affekt hinterhergegangen. Auf der staatsanwältlichen Nachfrage wie und mit wem er nach hause gefahren sei, sagte B.: "Weiss ich nicht mehr!" Der vorsitzende Richter Dr. Dietz deutete schon einmal an, dass es Überwachungsbilder einer BVG-Kamera gibt. Bevor die Rechtsanwältin der Nebenklägerin etwas fragen konnte, meine B.´s Anwältin, dass B. nicht auf die Fragen der Nebenklage antworten wird.

Die erste Zeugin, die Geschädigte und Nebenklägerin, kam nun zu Wort. Sie sagte, dass sie in einer Gruppe von 6 Personen unterwegs war und im U-Bahnhof Frankfurter Allee auf die etwa 10-köpfige Neonazi-Gruppe traf. Sie vermutete das, weil die Personen schwarz gekleidet waren und von ihnen "Scheiss Zecken!" gerufen wurde. Da ein Freund es für besser hielt sich von der Gruppe zu entfernen, liefen sie aus dem Bahnhof heraus. Drei Personen verfolgten daraufhin die Zeugin. Sie sagte, dass einer einen Schlagring in der Hand hatte und ein anderer einen Schlagstock, alle Personen sollen nach ihrer Aussage maskiert gewesen sein. Sie nahm sich zur Abwehr eine herumstehende Flasche, bekam beim Wegrennen dann einen Schlag von Hinten auf den Kopf. Sie fiel zu Boden und bekam sofort Pfefferspray ins Gesicht. Als die Täter von ihr abliessen flüchtete sie sich in einen Spätkauf in der Rigaer Strasse, hatte eine Beule auf den Kopf und Hautreizungen im Gesicht. Sie rief die Polizei, wollte dann aber durch einen zusätzlich gerufenen Krankenwagen nicht in eine Augenklinik, weil diese anscheinend irgendwo in Marzahn gewesen sei. Vom Staatsanwalt wurde die Zeugin gefragt, ob sie in der linken Szene aktiv ist. Sie bejahte, später entwickelte sich eine Diskussion zwischen Richter, Staatsanwalt und Zeugin darüber was "AN´s" sind.

Danach sagten die zwei uniformierten Polizisten Tino Mann und Stefan Glas aus. Beide konnten nicht viel zum Verfahren beitragen, hatten sich offensichtlich nicht vorbereitet. Der eine war am Tattag im gerufenen Streifenwagen, der andere beschaffte offensichtlich die Videoaufnahmen der Überwachungskameras von den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG).

Eine weitere Zeugin aus der Gruppe der AntifaschistInnen sagte aus, dass sie Alexander B. von einen Ex-Freund her kannte. Sie habe B. erst nicht in der angreifenden Gruppe erkannt, ihn dann aber, als sie verfolgt wurden, auf einen Treppenabsatz gesehen. Nach einer kurzen Pause wurde dann der Kriminalpolizist Robert Müller als Zeuge gehört. Er erklärte, dass er sich mit Straftäter im Bereich Rechtsextremismus beschäftigt und dass Alexander B. aus dem Umfeld der verbotenen Berliner Kameradschaft Tor stamme. Seit einiger Zeit sei B. aber nicht mehr in der Szene aktiv.

Schliesslich wurde schon zum verfrühten Zeitpunkt die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe gehört. Demnach habe B. das Abitur bestanden und sei im ersten Lehrjahr für einen kaufmännischen Beruf. Der Angeklagte würde eigenständig Leben, lebte u.a. mit dem Berliner Neonazi Lars W. in einer WG zusammen. Sie empfahl gegen den zur Tatzeit 21-jährigen Erwachsenenstrafrecht anzuwenden.

Als sechster Zeuge wurde eine weitere Person aus der antifaschistischen Gruppe vernommen. Die Aussage deckte sich mit der Aussage der Geschädigten. Er habe schon früh B. unvermummt erkannt und ihn später vermummt als Angreifer an seiner Statur erkannt. Er warnte die anderen aus seiner Gruppe, weil er u.a. auch bei einer Person den Schriftzug "Germania" auf der Kleidung sah. Einige Wochen später hätte er dann Basil anhand von Fotos beim Landeskriminalamt identifiziert. Der Polizist Felix Enderle habe ihn zum Sachverhalt vernommen.

Der 32-jährige Staatsschützer Felix Enderle wurde schliesslich als letzter Zeuge an diesem Tag vernommen. Früher sei er für "Rechtsextremisten" zuständig gewesen, jetzt, so Enderle, sei er aber im Januar 2009 zu einer anderen Dienststelle gewechselt. Er sagte, dass B. als Rechtsextremer bekannt sei. Nun wurde an einem Laptop das von Enderle ausgewertete Videomaterial der Überwachungskameras vorgespielt. Was darauf zu sehen war blieb den ZuschauerInnen verborgen. Nur die Scherze des Richters Dr. Dietz konnte jeder und jede hören. Dietz meinte: Was man da alles sehen kann, vor einigen Jahren hat man sich über den Überwachungsstaat aufgeregt." Richter Dr. Dietz war augenscheinlich linksbürgerlich angehaucht. Felix Enderle sagte anschliessen, dass etwa eine Stunde später u.a. David G. und Alexander B. in der Weitlingstrasse wegen dem Verklebens eines Aufklebers, er nannte es Sachbeschädigung, festgenommen wurden. Daraufhin wurden diese Personen durchsucht. Anhand eines dort festgestellten BMX-Fahrrads konnten die Personen der Tat in der Frankfurter Allee zugeordnet werden. Dieses Fahrrad war auch auf den Videoaufnahmen zu sehen. Ein gewisser KOK Pante beschlagnahmte bei den ebenfalls anwesenden Phillip B. Pfefferspray, ein Schlagstock wurde jedoch nicht gefunden.

B. entschuldigte sich daraufhin bei allen anwesenden der Gruppe. Er sei nicht direkt an der Tatausführung beteiligt gewesen, war aber in der Gruppe dabei und weiss, dass sich so eine gewisse Stimmung aufgebaut habe. Dann fügte er hinzu: "Mit der Weltanschauung habe ich nichts mehr zu tun.", wobei er die rechtsextreme Weltanschauung meinte. Daraufhin beantragte die Rechtsanwältin der Nebenklage, dass eine Frau einer Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus alsZeugin gehört werden solle. Diese, so die Anwältin, hätte B. nämlich noch am Tag der Menschenrechte am 16. Januar 2009 gesehen, wie er mit Stefanie P. und weiteren Neonazis versucht hatte als Anti-Antifa bei einer Veranstaltung linke AktivistInnen abzufotografieren. Die Verteidigerin B.´s schloss sich dem Antrag gegenbeweislich an. Der Staatsanwalt wollte dies nicht, lenkte aber schliesslich (nachdem der Richter seine Entscheidung signalisierte) ein und will zum nächten Prozesstag die Erkenntnisse dazu vom LKA angefragt haben.

Der nächste Prozesstag, dann ist auch die Aburteilung zu erwarten, wird am 27. Mai 2009 ab 12 Uhr im Amtsgericht Tiergarten sein. Der Raum ist noch nicht bekannt, vermutlich wieder C109, kann aber im Vorraum des Gerichts gefunden anhand des namens Alexander B. gefunden werden.

Die kritische Frage ist: In wie weit müssen Opfer von nationalistischer Gewalt mit dem Staatsapparat zusammenarbeiten? Wohlgemerkt ein repressiver, überwachender und selbst nationalistischer Staat. Eine Intervention von anderen Menschen mag ja bei solchen krassen Taten in Ordnung sein, aber ist es für linke AktivistInnen in Ordnung für Repression zu sorgen? Gefängnis ist Folter - Sollten Wir sowas, wenn auch nur für Neonazis, wollen? Der Neonazi Alexander B. heuchelte eindeutig im Gerichtssaal rum, und auch die antifaschistischen ZeugInnen schienen nicht ihre Wahrheit zu reden. Wollen Wir Menschen die rumheucheln schaffen, die was sie meinen sich nicht zu sagen trauen?
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