Bericht Mieten-Veranstaltung Lohmühle (B)

Tralala 11.05.2009 13:32 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe
Am gestrigen Sonntag fand auf dem Wagenplatz Lohmühle in Berlin-Treptow eine gut besuchte, interessante Veranstaltung zum Thema steigende Mieten und Verdrängung statt. Hier ein kurzer Bericht - um Ergänzungen und Berichtigungen wird gebeten.
Geladen hatten der Wagenplatz Lohmühle selbst zusammen mit der Initiative "Karla Pappel - gegen Mieterhöhung in Alt-Treptow", gekommen waren bei schönem Wetter etwa 60 Leute, das kulinarische Angebot, wie immer an Sommersonntagen auf der Lohmühle, war wieder einmal hervorragend.

Zu Beginn der Veranstaltung stellten verschiedene Initiativen sich und ihre Arbeit vor. Anwesend waren der RAW-Tempel, die AGs Spreeufer und Spreepirat_innen von MediaSpree versenken, Wagenplatz Lohmühle und Initiative Karla Pappel, die Kampagne gegen Zwangsumzüge und die Initiative zum Erhalt der Eisfabrik.

Die Situation beim RAW-Tempel ( http://www.raw-tempel.de) ist relativ dramatisch. Der Eigentümer hat die Verhandlungen um den Verbleib des RAW abgebrochen (siehe aktuelle Pressemitteilung). In den nächsten Wochen und Monaten wird wahrscheinlich vor allem zunächst die Mobilisierung der Anwohner_innen im Vordergrund stehen, ob und wann sich die Situation zuspitzt, ist noch unklar. Aktuelle Infos gibts immer auf der Webseite, demnächst wird es auch verschiedene Veranstaltungen geben, vielfältige Unterstützung ist auf jeden Fall notwendig.

Die AG Spreeufer bei MediaSpree versenken ist weiterhin sehr mit dem Sonderausschuß zur Umsetzung des erfolgreichen Bürger_innenentscheides beschäftigt. Geplant ist aber auch eine "Sommerkampagne" mit verschiedenen Aktionen am Spreeufer ( http://www.ms-versenken.org).

Die AG Spreepirat_innen berichtete von der dramatischen Situation auf dem Wohnungsmarkt in Kreuzberg und Friedrichshain. Als nächste Aktion ist voraussichtlich eine Fahrraddemo zum Thema steigende Mieten und MediaSpree Anfang/ Mitte Juni in Vorbereitung ( http://www.kreuzberg-info.de/pirati).

Der Vertrag des Wagenplatzes Lohmühle läuft in zwei Jahren aus. Die Zukunft ist ungewiss - schließlich ist das Grundstück des Wagenplatzes enorm wertvoll, wenn es etwa als Baugrund für schicke Luxuslofts genutzt werden könnte ( http://www.lohmuehle-berlin.de).

Die Initiative Karla Pappel berichtete von der zunehmend dramatischen Situation in Treptow. Obwohl noch keine belastbaren Zahlen vorliegen, ist der Eindruck der, dass die Mieten ziemlich stark steigen. Bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen ist Treptow auch ganz vorne mit dabei. Schuldnerberatungen berichten, dass zunehmend Mietschulden Thema sind. Die Situation wird dadurch mitgeprägt, dass im Kiez sehr viele alte Menschen mit oft geringen Renten leben ( http://www.kungerkiez.de/aktuelle-kiez-themen/aktuelle-themen/mietsteigerungen). In den nächsten Tagen wird es wieder einen Kiezspaziergang zum Thema steigende Mieten geben (wann genau?).

Die Kampagne gegen Zwangsumzüge stellte sich und ihre Arbeit vor und berichtete über die zunehmend prekäre Situation von Hartz-IV-Empfänger_innen auf dem Wohnungsmarkt, anstehende Zwangsumzüge und ihr Notruftelefon ( http://www.gegen-zwangsumzuege.de/).

Nicht selbst anwesend, aber vorgestellt wurden weitere Initiativen: die Kampagne "Wir bleiben alle", die u.a. vom 06.06. - 21.06. Aktionstage gegen Gentrifizierung plant ( http://actiondays.blogsport.de/). Die Kampagne "Tempelhof für Alle", die gegen die Privatisierung des Tempelhof-Geländes u.a. für teure Wohnungen aktiv ist und zur öffentlichen Massenbesetzung am 20.06. aufruft ( http://tfa.blogsport.de. Die Kampagne "Steigende Mieten stoppen", die dabei ist, eine berlinweite Bewegung gegen die steigenden Mieten ins Leben zu rufen und am 15.05. um 19 Uhr im Stadthaus Böcklerpark (Kreuzberg) ein großes Vernetzungstreffen geplant hat. Die Gruppe "Kreuzberg 36 gegen Mieterhöhung", die sich jeden zweiten Dienstag am Feuerwehrbrunnen am Mariannenplatz trifft, um über die steigenden Mieten zu reden und zu sehen, ob und wie wir gemeinsam dagegen vorgehen können ( http://36-gegen-mieterhoehung.blogspot.com/).

Die anschließende recht spannende Diskussion kreiste um folgende Punkte:

1) In den letzten Jahren gab es immer wieder erfolgreichen Widerstand gegen einzelne Bauprojekte, oft verbunden mit dem Widerstand gegen Naturzerstörung, vor allem Baumfällungen. Was deutlich weniger in der Öffentlichkeit präsent ist, ist der Widerstand an den sozialen Themen, etwa steigende Mieten und Einkommen. Wieso ist das so, sollten und könnten wir das ändern?


2) Welche Widerstandformen gibt es, und wie passen diese zusammen?

3) Wie können wir uns vernetzen, in Kontakt bleiben, uns gegenseitig unterstützen?

4) Was tun?

Die folgende Notizen sind fragmentarisch, fassen manches zusammen, haben sicher manches wichtige vergessen, und sind sicher auch nicht objektiv.


zu 1)

- Bäume, die für Bauprojekte gefällt werden sollen, können etwa ein wirksames Mittel sein, um Leute zu mobilisieren. Es wird aber problematisch, wenn dann die Bäume zum Selbstzweck werden.
- mit schöner Natur usw. lassen sich viele Leute mobilisieren, die eher aus einem linksalternativen, oft bewegungserprobten und teilweise akademischen Umfeld kommen. Diese Leute sind oft selbstbewußt, wissen mit Poliker_innen zu reden und die Presse für ihre Interessen einzuspannen, sich zu organisieren. Bei den sozialen Themen wie steigenden Mieten und Einkommen - und es bestand Übereinstimmung, dass diese beiden Sachen nicht getrennt zu thematisieren sind - sind vor allem Leute betroffen, die gesellschaftlich ausgegrenzt sind, denen es viel schwieriger fällt, sich zu organisieren, selbstbewußt aufzutreten usw.
- dass das so schwierig ist, darf uns nicht daran hindern, hieran zu arbeiten! Und wir sollten immer genau hinschauen, wer gerade für was kämpft. Wenn beispielsweise die Mieter_innen von hochwertigen Wohnungen dagegen kämpfen, dass vor ihrem Haus eine Freifläche bebaut wird, um nicht den schönen Blick aus ihren Fenstern vermiest zu kriegen, ist es sehr zweifelhaft, ob das ein emanzipatorischer Kampf ist. An diesem Punkt war die Diskussion uneinheitlich: manche fanden es gut, wenn überhaupt Widerstand geleistet wird, wenn auch aus fragwürdiger Motivation heraus, andere meinten, es wäre notwendig, solchen Initiativen mit Distanz zu begegnen und diese Distanz auch deutlich zu machen.


zu 2)

- breiter und vielfältiger Widerstand ist notwendig
- der Versuch, auch bürgerliche Medien für radikalere Forderungen zu gewinnen, ist nicht aussichtslos.
- es lohnt sich, besondere Energie in die Aufgabe zu stecken, bestimmte Gruppen auch anzusprechen, etwa mehrsprachiges Infomaterial, mehrsprachige Transpis, Übersetzung auf Veranstaltungen usw.
- Im Vorfeld und während Demos etwa massenhaft Flugblätter zu verteilen, ist eine Sache, die erfolgversprechend erscheint.
- wir brauchen einen langen Atem. Ein großer Fortschritt könnte schon sein, wenn das, was wir machen, unser Forderungen und Aktionen, von vielen, die betroffen sind, gut gefunden werden. Und der nächste Schritt wäre dann, dass ganz viele Menschen selbst aktiv werden und anfangen, für ihre Interessen zu kämpfen.
- wir können davon ausgehen, dass es, trotz vielfältiger Hetze durch bürgerliche Medien, durchaus auch Unterstützung für Interventionen gibt, die sich nicht unbedingt im Rahmen der geltenden repressiven Gesetze bewegen. Aber das Ziel und der Zusammenhang müssen immer gut und möglichst breit vermittelt werden!


zu 3)

- die Veranstaltung gestern selbst, und ähnliche Veranstaltungen, sind hier sehr wichtig. So wurde die Gelegenheit, die aktuelle Betroffenheit durch Stadtumstrukturierung vielen mitzuteilen, durchaus genutzt. Eine Frau aus dem Wrangelkiez berichtete etwa von der ihm Herbst wohl anstehenden Zwangsversteigerung ihres Hauses, und es wurde länger darüber geredet, ob und wie wir hier gemeinsam aktiv werden können.
- die Kampagne gegen steigende Mieten könnte genau eine solche Plattform sein, auf der wir uns gegenseitig informieren, was gerade wo läuft (nächstes Treffen 15.05. - siehe oben!).
- es gibt einen Newsletter "Berlin für alle - Leben ohne Angst - steigende Mieten stoppen". Infos, die an  bfa-mietenstop@riseup.net geschickt werden, werden in den Newsletter aufgenommen und so möglichst vielen Menschen zugänglich gemacht. (Die aktuelle Ausgabe des Newsletters, Nr. 3, findet sich etwa unter  http://wba.blogsport.de).
- Vernetzung auf lokaler Ebene ist unverzichtbar, vor allem in den Häusern selbst, in denen wir wohnen. Nicht nur im Falle von Mietsteigerungen oder sonstigen Eigentümer-Schikanen, sondern allgemein ist sinnvoll, sich regelmäßig zu treffen und auszutauschen. Wichtig ist auch die Vernetzung mit Leuten, die vielleicht nicht im gleichen Haus wohnen, aber den gleichen Eigentümer haben.


zu 4)

Es gab verschiedene Ideen und Projekte, die entweder für die nächste Zeit geplant sind bzw. wo es sinnvoll wäre, wenn das gemacht werden würde.

- Die Eigentümer- und Profitseite sollte mehr betont werden. Wer profitiert eigentlich von den hohen Mieten? Die Eigentümer müssen öffentlich benannt werden, egal, ob es sich um miese Hausbesitzer_innen eines einzelnen Hauses handelt wie Brigitte Fehrle im Wrangelkiez (siehe den oben erwähnten Newsletter Nr. 3), um fiese Besitzer_innen von tausenden von Mietshäusern (wie etwa Padovicz, siehe etwa den Artikel in der Broschüre "Wir bleiben alle", Link unter  http://wba.blogsport.de) oder große, profitorientierte Konzerne wie die privatisierte GSW im Besitz von Cerberus und Co. Den Eigentümern sollte vielfältig demonstriert werden, was wir davon halten, dass die Mieten steigen, um die privaten Profite der Eigentümer_innen zu erhöhen.
- Gerade am profitorientierten Wohnungsmarkt lässt sich die Ungerechtigkeit des Kapitalismus gut zeigen. Alle Mieterinnen und Mieten könnten mal einen Brief an ihren Hausbesitzer oder ihre Hausbesitzerin mit der Bitte um Informationen schreiben: Welcher Teil von meiner Miete wird eigentlich ins Haus gesteckt, für Reparaturen, Instandhaltung, Rücklagen, Verwaltung usw. - und welcher Teil meiner Miete ist Profit für den oder die Hausbesitzer_in?
- Flugblatt- und Flyeraktionen in der Nachbarschaft
- Fahnen für die Fenster gegen steigende Mieten. Das wäre auch gut, um sich in den einzelnen Häusern zu zu solidarisieren. ("Ach, Frau Nachbarin, ich habe gesehen, Du hast auch diese Fahne gegen steigende Mieten aus dem Fenster hängen. Wollen wir nicht mal nen Kaffee trinken und drüber reden, was wir sonst noch so machen können gegen unseren fiesen Hausbesitzer Mr. X ?")
- über Miete und Einkommen reden! So lange miteinander reden, bis wir die bürgerlich-kapitalistische Vorstellung, jeder sei selbst daran schuld, wenn er oder sie die Mieten nicht zahlen kann oder nur einen beschissenen Lohn kriegt, überwunden haben!
- Veranstaltungen machen. Da wurde oben ja schon einiges erwähnt, was die einzelnen Gruppen so vorhaben. Gerade die Aktionswochen gegen Gentrifizierung Anfang Juni eignen sich sicher gut auch für kleine Aktionen. Vermutlich wird Anfang Juni auch noch eine Broschüre zum Thema steigende Mieten und Widerstand in hoher Auflage zum breiten Verteilen erscheinen.
- Der Widerstand auf juristischer Ebene ist wichtig, hat aber deutliche Grenzen und kann den politischen Widerstand nicht ersetzen.
- Zwangsversteigerungen verhinden - eine Stimmung schaffen, die Investoren die Lust am Objekt der Begierde vermiest.
- Zwangsumzüge verhindern!
- Mieterhöhungen öffentlich machen, und schauen, ob wir nicht zumindest in einzelnen Fällen so viel öffentlichen Druck machen können, um die Mieterhöhungen zu verhindern! Wenn uns dass ein paar Mal gelingt, könnte das beispielhaft sein...
- die Besetzung des Baugruppengrundstückes Lohmühle Ecke Kungerstr. und die Errichtung eines "Informationszentrums über steigende Mieten und Widerstand".


Insgesamt war es eine Veranstaltung, die Mut gemacht hat. Es gab ein gutes, produktives Zusammensein von politischen Aktivist_innen und Menschen, die direkt und vielfältig betroffen sind. Zwar gab es zu Beginn der Veranstaltung eine kurze Einführung in den Begriff der "Gentrifizierung", dieser wurde dann aber während der Veranstaltung kein einziges Mal gebraucht. Das empfand ich als sehr angenehm: es geht um steigende Mieten, Verdrängung, Veränderung der Stadt, Möglichkeiten von Widestand und das Recht auf eine gute und bezahlbare Wohnung für alle und überall. Herzlichen Dank an die Veranstalter_innen!
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Ergänzungen

Sehr guter Bericht ;-)

N 11.05.2009 - 19:43
Ich kann M nur zustimmen. Der Bericht ist klasse, die Veranstaltung war es auch. Hier braucht es dringend mehr.
Zu der Versteigerung im Wrangelkiez findet sich mehr unter  http://www.zvg-online.net/1300/1219055953/ag_seite_001.php. Es werden 2 Häuser versteigert, das sollten die Menschen wissen, die da wohnen.



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Lisa Selchow 24.05.2009 - 22:05
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