Eindrücke zur Ernteaktion von Landlosen

Susann Weitzel, Johannes Richter 04.05.2009 16:43 Themen: Soziale Kämpfe Weltweit
Jahrelanger Vertragsbruch von Seiten des Großgrundbesitzers motiviert die landlosen Bauern und Bäuerinnen der philippinischen KMBP zum Boykott, um selbst ihre Rechte in die Hand zu nehmen. Die Ernteaktion der MenschenrechtsverteidigerInnen drückt aus, sich für verbriefte Rechte gewaltfrei einzusetzen. Auf der philippinischen Halbinsel Bondoc kommt es immer wieder zu gewaltsamen Übergriffen.
An dieser Stelle berichten regelmäßig IPON-Observer über die Menschenrechtslage und ihre Arbeit als MenschenrechtsbeobachterInnen in den Philippinen. In einem Erfahrungsbericht über die Ernteaktion in Casay schildert Susann Weitzel (23 Jahre, Studentin aus Lüneburg) die Schwäche des Staates MenschenrechtsverteidigerInnen wirkungsvoll zu schützen. Sehr lange hat sich das Team auf die Begleitung für diese Ernteaktion vorbereitet, da es in der Vergangenheit zu größeren gewaltsamen Übergriffen kam. Sie arbeitet derzeit für 9 Monate ehrenamtlich als MenschenrechtsbeobachterIn im Observer Team in Bondoc.

Die Kokosnüsse sind reif. In der Gemeinde Casay ist Erntezeit und somit auch Zeit, das getrocknete Kokosnussfleisch die Copra an den lokalen Markt zu verkaufen und ein Einkommen für die Familie zu erwirtschaften. Statt die Coprasäcke auf den Transporter zu verladen und die Ware zu verkaufen, sitzen die Bauern und Bäuerinnen der People`s Organisation KMBP mit ernsten Blicken im Schatten einer Bambushütte beisammen und diskutieren. Sie sind besorgt, einige von ihnen haben Angst. Seit 2004 besteht ein Vertrag zwischen den KMBPlerInnen aus Casay und dem Großgrundbesitzer Matias. Laut diesem stehen den Bauernfamilien, die auf dem Grund von Matias wirtschaften, 75% der Ernte zu, nichts weiter als den Anteil der ihnen laut Gesetz auch zusteht. Seit 2004 wurde dieser Vertrag nie eingehalten. Aus Angst vor Waffengewalt und Anzeigen wegen Kokosnussdiebstahls, der in den Philippinen als schweres Kapitalverbrechen geahndet wird, ernteten die Bauern und Bäuerinnen zwar Jahr für Jahr die Kokosnüsse. Aber die Einnahmen durch den Copraverkauf kamen nicht ihnen und ihren Familien, sondern dem Großgrundbesitzer zugute. Die ungleiche Verteilung wurde von Matias` bewaffneten Schergen den „Goons“ mit Repressionen erzwungen. Die KMBPlerInnen wendeten sich an das Agrarreformministerium, um Unterstützung zu bekommen. Ein lokaler Vertreter, der sich dem Fall annahm, wendete seine Hilfe ab und riet den Bauernfamilien, den Vertrag nicht einzufordern. Er selbst müsste im Falle einer Unterstützung der KMBPlerInnen mit einer Anzeige durch Matias rechnen.

Fünf Jahre lang duldeten die Bauernfamilien aus Casay den Vertragsbruch. In dieser Erntesaison wollten sich die KMBPlerInnen ihren zustehenden Anteil nehmen und ein Zeichen setzen, dass sie nicht länger bereit sind, der Willkür des Großgrundbesitzer zu unterliegen. KMBPlerInnen aus anderen Gemeinden wurden zur Unterstützung herbeigerufen, ein Aktionsplan geschmiedet. Die MenschenrechtsbeobachterInnen von IPON wurden angefragt, den Boykott zu beobachten und zu dokumentieren, als auch durch internationale Präsenz das Gewaltpotential der bewaffneten Schergen zu hemmen. Ein Jeepneyfahrer wurde beauftragt, die Kokosnüsse in die nächst größere Stadt zu fahren, damit sie dort auf dem lokalen Markt verkauft werden. Alles war vorbereitet. Die KMBPlerInnen wirkten motiviert, ihren Vertrag nach all den Jahren durchzusetzen. Die Kameras der Menschenrechtsbeobachtenden von IPON waren geladen und die Ferngläser um den Hals gebunden.

Die Bauern und Bäuerinnen der KMBP wissen nicht weiter. Selbst der Schatten, den ihnen die Bambushütte schenkt, macht ihre Gedanken nicht freier. Der Community Organizer der NGO QUARDDS, der die Aktion im Vorfeld zusammen mit der KMBP in Casay geplant hat, nimmt ein großes Papier und skizziert in Windeseile die problematische Situation nach: Es gibt keinen Jeepneyfahrer mehr. Nachdem dieser auf der Dorfstraße das Lager der bewaffneten Schergen des Großgrundbesitzers mit dem Jeepney passiert hatte, um die Kokosnüsse der KMBPlerInnen abzuholen, drohten die Schergen ihm mit einer Anzeige. Wer zuvor ein Fahrer und ein Helfer war, transportiert nun Fahrgäste statt Kokosnüsse in die Stadt. Zudem haben die Schergen erneut mit einer Anzeige wegen Kokosnussdiebstahls gedroht, sollten die Bauernfamilien den Boykott fortsetzen. Ein Vertreter des Agrarreformministeriums teilte den KMBPlerInnen mit, dass ihr Vertrag hinfällig sei. Es hätte in der Zwischenzeit einen Einspruch des Großgrundbesitzers gegeben, der die Richtigkeit der Entscheidung des Ministeriums von 2004 anzweifele. Und das, obwohl das Ministerium den KMBPlerInnen noch zwei Tage zuvor schriftlich bestätigt hatte, dass der Vertrag rechtsgültig sei.
Die Motivation der Menschen aus Casay ist gesunken. Selbst als die gerufene Polizei zum Geschehen hinzustößt, lockert sich die Stimmung nicht auf. Sie wird nur umso verwirrender, weil die Polizeibeamten, schwer bewaffnet und in Tarnuniform, drohen, wieder abzuziehen, wenn sich die Bauernfamilien und die Goons nicht einigen. „Ihr habt uns hergerufen, aber die anderen wollen unsere Unterstützung auch.“, sagt ein Polizist zu den Bauern und Bäuerinnen. Sie könnten schließlich nicht gleichzeitig an einem Ort von zwei unterschiedlichen Parteien zur Unterstützung angefordert werden, erklärt er.
Etliche Gespräche und Momente des Wartens folgen. Der Tag wird zur Nacht und die Coprasäcke lagern in einer Holzhütte in Casay. Alle warten auf eine KMBPlerin, die Neuigkeiten aus der Stadt mitbringen wird. „Wer fünf Jahre wartet, kann auch diese Nacht durchhalten.“, scherzt ein Bauer und reicht die Matadorflasche weiter. Dann erreicht die wartende Menge die Nachricht: Die Coprasäcke sollen in den nächsten Tagen in die Stadt gefahren werden. Dort wird sich eine Vertreterin der KMBP von Casay mit dem Großgrundbesitzer unterhalten, um eine Einigung zu treffen. Niemand soll dabei sein, kein Mediator, kein Vertreter vom DAR, keine IPON-Mitglieder.

Nach drei Tagen in Casay verlässt IPON die lokale KMBP-Gruppe. Der Einsatz habe den Bauern und Bäuerinnen Motivation und Kraft gegeben, um die Aktion durchzustehen, und sie habe die Gewaltbereitschaft der bewaffneten Schergen des Großgrundbesitzers gehemmt, erklären die KMBPlerInnen zum Abschied und bedanken sich.
Casay ist nur eines von vielen Beispielen, die die Situationen der Menschen in Bondoc beschreiben. In etlichen anderen Gemeinden bereiten KMBPlerInnen ähnliche Boykottaktionen vor, um bestehende Verträge durchzusetzen und die Versprechen des Ministeriums einzufordern. IPON begleitet MenschenrechtsverteidigerInnen und dokumentiert die Menschenrechtssituation auf der Halbinsel Bondoc und der Insel Negros in den Philippinen.



Interessiert, als MenschenrechtsbeobachterIn aktiv zu werden?
IPON sucht laufend Aktivisten, die gesellschaftspolitisch engagiert sind und Lust auf Menschenrechtsbeobachtung haben. Die MenschenrechtsbeobachterInnen von IPON (International Peace Observers Network) engagieren sich für die Belange von MenschenrechtsverteidigerInnen in den Philippinen. Aktuell arbeiten Observer-Teams von IPON in den beiden Regionen Halbinsel Bondoc und der Insel Negros Occidental. Hauptarbeitsfelder sind, internationale Präsenz in den local communities zu zeigen, in Gefahr befindliche MenschenrechtsverteidigerInnen zu begleiten (z.B. zu Gerichtsprozessen), die Lage zu dokumentieren und an die Verantwortlichen für die Einhaltung der Menschenrechte zu addressieren - die philippinischen staatlichen Organe.
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Ergänzungen

Mehr über Philipinen................

gegen alle faschismus , imperialismus ,.. 05.05.2009 - 00:07
An example on how the Global Market works on food!
On the example of Banana Plantations on the Philippines Island of Mindanao farmers and NGO workers explain about the land tenure, dependencies and their cooperative struggle to sucessfully stop the toxic Aerial Spraying of the Banana Plantations as well their visions of organic farming.

Since their victory was destructed by the Banana Cooperations the need NOW (March 2009)
strong support for their fight to go to the Court of Appeals !

More Information and Support:

 http://www.dirtybananas.org - look for Davao

 http://peoplevsprofit.wordpress.com/


Video:

The Plastic Bananas Part 1

 http://www.youtube.com/watch?v=JFvnBrQ00Ms&eurl=http%3A%2F%2Factioninasia%2Ewordpress%2Ecom%2Fdvd%2Dno%2D1%2F&feature=player_embedded

Plastic Bananas Part 2

 http://www.youtube.com/watch?v=x5vMkIncPMg&feature=related




The Buliwag Collective

This is a short documentary clip about an Autonomous Center with its Illiteracy, Guerillia Gardening, Food not Bombs projects. They are also describing the political persecution of activists in the Philippines. Authorities are involved in torture, killings and abductions.
The activists are happy about any support with material (books, zines, DVDs, DV-camera) or financial support you can give them.


video


 http://www.youtube.com/watch?v=VfIRKD4VCLM&eurl=http%3A%2F%2Factioninasia%2Ewordpress%2Ecom%2Fdvd%2Dno%2D1%2F&feature=player_embedded