Nazis, Waffen und Rotlicht in Göttingen

PK Mohamed 03.05.2009 20:41 Themen: Antifa
Wegen versuchten Totschlags, versuchter schwerer Brandstiftung und Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz müssen sich zur Zeit drei Mitglieder der extrem rechten Szene vor dem Göttinger Landgericht verantworten.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Hauptangeklagten Mario M. vor im November 2008 in einem Strip-Lokal in Göttingen-Weende auf den Bar-Inhaber mit einer so genannten Pumpgun geschossen zu haben. Kurze Zeit später flogen unter Mithilfe der beiden anderen Mitangeklagten zwei Brandsätze gegen eine Hauswand des Lokals. Bei anschließenden Hausdurchsuchungen in den Wohnungen der Beschuldigten fand die Polizei zahlreiche verbotene Waffen.

Vor Gericht bestritt der Göttinger Mario M. jedoch absichtlich auf den Mann geschossen zu haben. Nach seiner Darstellung habe er nicht gewollt auf den Inhaber geschossen, stattdessen habe sich der Schuss nur aus versehen gelöst. Die beiden seien vor dem Vorfall gut befreundet gewesen und er selbst so etwas wie ein „Freier Mitarbeiter“ gewesen. Bereits im Juli 2008 hatte er zusammen mit seiner Freundin Alena H. versucht ein Rechts-Rock Konzert in dem Strip-Lokal zu veranstalten um so mehr Publikum in die Bar zu locken. Aufgrund von Protesten der Linken-Szene fand das Konzert dann doch nicht statt. Eingeladen war unter anderem der extrem rechte „Adler-Versand“ aus Hildesheim.

Das „beinahe Opfer“ des späteren Schuss und Mario M. kannten sich scheinbar so gut, dass er nach eigenen Angaben des öfteren seine Waffe mitgebracht habe. Waffen seien in diesem „Milieu Gang und gebe“. An dem besagten Abend besuchte Mario M. zusammen mit Axel B., Marco B., Dirk N. und weiteren Freunden die Strip-Bar um dort seinen Geburtstag zu feiern. Nach einem deftigen Trinkgelage kam es dann gegen 7 Uhr zu dem folgenschweren Zwischenfall. Die Bar sollte bald geschlossen werden und der 34-jährige Mario M. wollte seine mitgebrachte Waffe wieder mitnehmen. Dabei löste sich dann - entweder gewollt oder ungewollt - der Schuss aus der Waffe und schlug in eine Wand des Lokals ein. Der Inhaber der Bar wurde nicht getroffen, prügelte aber den Hauptangeklagten daraufhin aus seinem Lokal. Nach Polizeiangaben sollen die Räumlichkeiten völlig blutverschmiert gewesen sein – kein Wunder wenn man bedenkt dass der Inhaber, Ausbilder in einem Wing-Tzun Verein ist und langjährige Kampfsporterfahrung hat. Dirk N., Anführer der extrem rechten Szene aus Einbeck, der seinem Kameraden offenbar zur Hilfe kommen wollte, fand sich wenig später mit gebrochener Nase, mehrfach gebrochener Wangenknochen und einem Schädel-Hirn-Trauma, auf der Straße vor dem Lokal wieder. Ebenfalls mit dabei waren zu diesem Zeitpunkt noch Axel B., Betreiber eines rechten Szene-Versands aus Bockenem, Jens U. aus Einbeck und ein weiterer Neonazi aus Herzberg. Mario M. wollte nach diesem, seiner Meinung nach ungerechtfertigtem, Rauschschmiss, Rache üben und dem Inhaber der Bar eine „Lektion“ erteilen. Prompt wurde der in der „Rangfolge der Struktur unten stehende“ Axel B. losgeschickt um Material für „Mollis“ zu besorgen. Dies tat der 29-jährige Mann dann auch pflichtbewusst. Er kaufte an der nahe gelegenen Tankstelle, zwei Flaschen Limonade, einen 5L Benzinkanister, tankte seinen Wagen auf und bezahlte an der Kasse mit seiner EC-Karte. Zurück am Strip-Lokal wurden dann zwei Brandsätze hergestellt. Wer aber diese dann gegen die Hauswand des Lokales warf, blieb nach bisherigen Aussagen widersprüchlich. Nach zwei Wochen in Haft hatte Mario M. ausgesagt, den einen habe er den anderen Dirk N. geworfen. Vor dem Landgericht widerrief er dies nun und behauptete er selbst habe beide Brandsätze geworfen. Fest steht nur: Dirk N. und Axel B. flüchteten daraufhin mit dem Auto; Mario M. rannte zu Fuß zu seiner nahe gelegenen Wohnung. Dort ließ er die Pumpgun, die er „abgesägt hatte um diese verdeckt tragen zu können“, im Keller des Hauses verschwinden. 10Min später wurde er vor seiner Haustür von der Polizei verhaftet. Im Keller fanden die Beamten dann noch einen Revolver, ein Maschinengewehr und ein Scharfschützengewehr samt Zielfernrohr. Der 34-jährige Göttinger muss sich deshalb zudem auch wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verantworten. Vor Gericht präsentierte sich der 34-jährige als Waffennarr und Kenner im Molotovcocktailbau, kein Wunder arbeitete er 4 Jahre als Ausbilder für die Bundeswehr.

Das Gericht hat sich auf einen monatelangen Prozess eingestellt, bis zum Prozessende im August sind noch zahlreiche Zeugen und Sachverständige geladen.
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Ergänzungen

auch lesenswert

xxyy 03.05.2009 - 23:40
Prozessbeginn gegen Neonazis wegen Schießerei mit Pumpgun
Allgemein, Niedersachsen

Vor dem Landgericht Göttingen müssen sich zurzeit drei Angehörige der rechtsextremen Szene aus Südniedersachsen wegen versuchten Totschlags und anderer Delikte verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 34-jährigen Hauptangeklagten vor, im November 2008 in einer Göttinger Table Dance Bar mit einer abgesägten Pumpgun auf den Geschäftsführer geschossen zu haben. Nachdem er und vier Bekannte aus dem Haus geworfen wurden, sollen sie zwei Brandsätze gegen das Gebäude geworfen haben. Schon nach dem ersten Verhandlungstag verspricht der Prozess tiefe Einblicke in die Verstrickung von Neonazis, Rotlicht-Milieu und Waffenhandel in Südniedersachsen.

NPD-BLOG.INFO,  http://npd-blog.info/2009/04/28/prozessbeginn-gegen-neonazis-wegen-schieserei-mit-pumpgun/

Es sei alles ganz anders gewesen, sagte der 34-jährige Mario M. zu Prozessbeginn. Er habe mit seiner Pumpgun nicht gezielt auf den Geschäftsführer geschossen. Der Schuss habe sich aus Versehen gelöst, als er die Waffe wieder einpacken wollte. Ohnehin habe er die Waffe in der Vergangenheit schon mehrmals mitgebracht, wenn er vom Geschäftsführer gerufen worden sei. Er sei für die Sicherheitsmaßnahmen zuständig gewesen, wenn sich Ärger angekündigt habe: im “Milieu” sei es keine Seltenheit, wenn man eine Pumpgun ziehe.

Polizisten vor der Table Dance Bar

Doch nachdem er den Schuss abgegeben hatte, war die Freundschaft zwischen den beiden Männern offenbar zu Ende. Von kräftigen Schlägen begleitet, wurde der 34-Jährige mit vier weiteren Bekannten aus der Bar geworfen. Daraufhin habe man in den frühen Morgenstunden beschlossen, dem Geschäftsführer einen Denkzettel zu verpassen. Aus dem von dem mitangeklagten 38-jährigen Axel B. in einer Tankstelle gekauften Benzinkanister und zwei Flaschen bastelte Mario M. zwei Brandsätze und schleuderte sie aus ca. fünf Metern Entfernung gegen die holzverkleidete Gebäudewand.

Benzin für Brandbomben mit Karte bezahlt

Die beiden Mitangeklagten ließen über ihre Anwälte Erklärungen verlesen, in denen sie die Angaben ihres Bekannten weitestgehend bestätigten. Axel B. blieb auch nichts anderes übrig: Er hatte das Benzin mit seiner Scheckkarte bezahlt und wurde dabei in der Tankstelle von einer Videokamera gefilmt.

Die Vorfälle hatten weitreichende Folgen: bereits am Tattag hatten die Ermittler bei Mario M. eine Maschinenpistole, ein Präzisionsgewehr mit Zielfernrohr, eine Pistole, mehrere Messer und 450 Schuss Munition sichergestellt. Weil er zwei Jahre vorher schon einmal eine Maschinenpistole gekauft hatte, erhob die Staatsanwaltschaft jetzt gegen ihn Anklage wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Auf weitere Waffen waren die Ermittler am Tattag bei dem 34-jährigen mitangeklagten Dirk N. gestoßen. Der gelernte Koch gilt als führendes Mitglied der rechtsextremen Szene im Raum Einbeck bei Göttingen und betrieb mit Axel B. einen Online-Versandhandel. In dem “erlebnisorientierten Kleidungsversand” sind neben rechtsextremer Musik u.a. Baseballschläger und Ku-Klux-Klan Aufnäher erhältlich.

Woher kommen die Waffen?

Zu der Herkunft der bei ihm gefundenen Waffen schwieg Mario M., der bei der Bundeswehr vier Jahre als Ausbilder und Panzerkommandeur beschäftigt gewesen war. Dabei dürfte für die Ermittler besonders die Quelle von großem Interesse sein, immerhin führten die ersten Waffenfunde im Januar zu groß angelegten Hausdurchsuchungen in der südniedersächsischen Neonaziszene. Dabei stellte die Polizei ein umfangreiches Waffenarsenal, indizierte Tonträger und Propagandamaterial sicher. Nur zwei Wochen später hob die Polizei einen Waffenhändlerring mit Schwerpunkt in Osterode am Harz aus. An diesem Schlag dürften die kurz zuvor gewonnenen Erkenntnisse einen erheblichen Anteil gehabt haben. Auf die Spur gekommen waren die Ermittler dem Ring, nachdem sich ein Rechtsextremer aus dem Landkreis Osterode im Jahr 2007 mit einer Pumpgun in die eigene Decke geschossen hatte. Auch der damals 25-jährige war an der Auseinandersetzung in der Table Dance Bar beteiligt und soll im Prozess als Zeuge gehört werden.

Neben einer möglichen Aufklärung der Waffenherkunft eröffnet der Prozess auch einen neuen Blick auf die personelle Zusammensetzung der rechtsextremen Szene vor Ort. Dafür sorgt die Gästeliste der Geburtstagsparty von Mario M., die dem Besuch der Bar vorausgegangen war. Unter den rund 15 Personen finden sich Mitglieder der NPD Göttingen ebenso wie ehemalige Kader der inzwischen verbotenen FAP aus dem Umfeld von Thorsten Heise, die bereits Ende der 1980er Jahre in Südniedersachsen ihnen missliebige Personen angegriffen und zum Teil verletzt hatten. Eine gefährliche Mischung, die von heute aktiven Neonazis aus der Region nur noch verschärft wird. Um die wirklichen Zusammenhänge aufzuklären, bleibt noch viel Zeit: für den Prozess sind vorerst 15 Verhandlungstage bis in den August angesetzt.

Fragen über Fragen

Frager 04.05.2009 - 11:45
Was ist den mit dem im Artikel erwähnten Marco B. (hier ein Indy-Bericht der ihn arbeitslos gemacht hat:  http://de.indymedia.org/2009/01/239114.shtml)? Hat er vor dem "Zwischenfall" die Stript-Bar verlassen und sitzt deshalb nicht auf der Anklagebank?

Gibt es für Mai schon Prozesstermine, falls man von außerhalb mal anreisen will?

Dirk N(iebuhr) scheint ja nach solchen Dulli-Aktionen immer eine Drohkulisse aufbauen zu können, dass andere Angeklagte die Schuld auf sich nehmen. Hat Niebuhr ja auch schon bei seinem letzten Prozess gemacht, allerdings nicht ganz erfolgreich. Oder da er ja Kameradschaftsführer der KS Einbeck sein soll, muss man vielleicht sich für sein Führer "opfern". Komisch die Nazis.

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