Mayday 09: Farbattacke auf Finanzministerium

Homo Farbei 02.05.2009 21:02 Themen: Soziale Kämpfe
1. Mai um 16:20 Uhr am Bundesfinanzministerium. Dutzende Farbeier fliegen aus der Maydayparade auf den grauen Bau in der Wilhelmstraße. Darunter tanzen demonstrantInnen und über ihren Köpfen tanzen Regenschirme. Nach einer Minute ist es vorbei. Fast 100 Farbeier sind an der Fassade des Finanzministeriums zerplatzt. Die Ecke Leipziger Straße-Wilhelmstraße leuchtet weithin sichtbar "ganz schön bunt" wie ein Polizeisprecher sagt.
Die Farbattacke ist ein charmant vorgetragener Protest an der Krisenpolitik der Regierung. Auf Papierschnippseln, die bei der Aktion auch durch die Luft flogen, war zu lesen: "Wir sollen für die Krise bezahlen. Das tun wir heute - in unserer Währung. Die ist bunt, 300g schwer, liegt gut in der Hand und hat beste Flug-Eigenschaften. Der Kapitalismus ist in der Krise? Der Kapitalismus IST die Krise. Wer dieses System retten will und die Krise auf ArbeiterInnen, Erwerbslose und prekär Beschäftigte abwälzt, riskiert soziale Unruhe. Bitte schön."

Danke schön! Die Farbei-Aktion war gut vorbereitet und als mitmach-Aktion geplant. In den Minuten davor wurden mehrere hundert Farbbeutel auf der Maydayparade verteilt. Ein Beipackzettel informierte kurz und bündig: "Wirf mich wenn du das Signal hörst. Danach: Ruhe bewahren. Wechsle deine Kleidung wenn du kannst und verlasse unauffällig die Demonstration"
Das war nicht mal nötig, denn die überraschte Polizei griff nicht ein. Es wäre auch schwer gewesen WerferInnen zu identifizieren denn sie waren teilweise maskiert und machten sich die vielen Schirme auf der Parade zu nutze. Das Maydaybündnis hatte aufgerufen Schutzschirme für Prekäre mitzubringen. Aus Protest gegen das Krisenmanagement der Regierung. Damit sind potentiell alle 3-4000 TeilnehmerInnen der Parade verdächtig. Viel Spaß beim Suchen!

Die Aktion ist für die fröhliche Maydayparade eine Neuheit, aber auch für die Demonstrations-Kultur in Berlin am 1. Mai. Die Farb-fans haben sich ein politisches Ausdrucksmittel (wieder-) erobert. Der Versuch eine Regelverletzung zu organisieren, an der sich viele Menschen spontan beteiligen können und eine gut sichtbare Spur zu hinterlassen ist geglückt. Eine Mayday-Demonstrantin sagte es direkt nach der Aktion so: "Das war ja ganz einfach."
Vielleicht macht das Beispiel ja Schule.

Auch die OrganisatorInnen des Mayday distanzierten sich ausdrücklich nicht von der Aktion. In einer Pressemitteilung schreiben sie: "Das war keine unpolitische Randale sondern eine deutliche Meinungsäußerung. Wenn große Demonstrationen mit mehreren 10000 Teilnehmern keine Bedeutung mehr haben und es immer noch Hartz IV gibt, ist es verständlich wenn die Menschen andere Ausdrucksformen suchen. Das Finanzministerium scheint für viele ein symbolischer Ort gewesen zu sein um zu zeigen, das sie mit den derzeitigen Verhältnissen nicht einverstanden sind."
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Ergänzungen

noch mal die offizielle pm

ljhg 03.05.2009 - 09:30
da sie als eigenständiger Beitrag bei Indy ja wegzensiert wurde, noch einmal die offizielle PM zur Mayday-Parade 2009 in Berlin.


Mayday-Parade: „Ganz schön bunt!“

Heute, am 1.Mai.2009, fand zum vierten Mal die Mayday-Parade gegen Kapitalismus und Prekarisierung in Berlin statt. An der Demonstration durch die Bezirke Mitte und Kreuzberg nahmen mehr als 4000 Menschen teil. Die Parade verlief friedlich. Es gab Farbbeutelwürfe auf das Finanzministerium. Unabhängig davon kam es zu einer Festnahme.

Hannah Schuster, die Sprecherin des Bündnisses erklärte: „Der Protest war wie in den Jahren zuvor kreativ und kraftvoll. Viele Menschen haben sich mit Fantasie und eigenen Ideen beteiligt. Mit dieser Parade haben wir ein deutliches Zeichen gegen die Krisenpolitik der Regierung gesetzt. Her mit dem schönen Leben!“ Es gab viele verschiedene Aktionsformen wie Straßentheater, humorvolle Parolen, von den Teilnehmern gestaltete Sprechblasen und eine Choreographie mit Schirm und Charme.

Um ca. 16:20 Uhr kam es zu Farbbeutelwürfen auf das Finanzministerium in der Wilhelmstraße.
„Das war keine unpolitische Randale sondern eine deutliche Meinungsäußerung. Wenn große Demonstrationen mit mehreren zehntausend Teilnehmern keine Bedeutung mehr haben und es immer noch Maßnahmen wie Hartz IV gibt, ist es verständlich wenn die Menschen andere Ausdrucksformen suchen. Das Finanzministerium scheint für viele ein symbolisches Objekt gewesen zu sein, um zu zeigen, dass sie mit den derzeitigen Verhältnissen nicht einverstanden sind.“ kommentierte Sprecherin Hannah Schuster. Der Sprecher der Polizei gab an, dass die Fassade des Finanzministeriums „ganz schön bunt aussehe.“

Vor der Parade demonstrierten in Köpenick mehrere tausend Menschen gegen eine Veranstaltung der NPD. Es kam dabei zu einer Blockade des S-Bahnhofs Köpenick. „Wir solidarisieren uns mit den Aktivitäten gegen die NPD. Gut, dass dort so viele Menschen waren“, so Hannah Schuster.

Nicht nur in Berlin sondern in über 20 Städten weltweit finden am 1. Mai Mayday-Paraden statt. Insgesamt demonstrierten heute über hunderttausend Menschen in Europa, Nordamerika und Asien.

Video der Farbfrohen Schmückung

hehe 03.05.2009 - 09:45
Das war einfach eine Gelungene und schöne Demo.
Hier noch ein Video vom Farbenfroh geschmückten Finanzministerium.

 http://www.youtube.com/watch?v=7AWPjU5Lp0c

Mayday-Redebeitrag der FAU

Louis Lingg 03.05.2009 - 13:18
(Gehalten auf der Zwischenkundgebung bei der Senatsverwaltung für Arbeit und Soziales)

Ein paar Jährchen ist es her, da ging ein Aufschrei durch Deutschland: landauf, landab Proteste gegen die Agenda 2010. Auch die radikale Linke kam wieder in die Gänge und entdeckte allmählich die soziale Frage wieder. Hartz IV und Ein-Euro-Jobs wurden der Kampf angesagt. Heute ist es ruhig geworden um diese Themenfelder. Die Agenda 2010, von vielen als „Klassenkampf von oben“ bezeichnet, ist Alltag geworden.
Wir alle wissen, was Hartz IV bedeutet: Kaum Geld zum Leben und Schikanen auf den Ämtern; skrupellose Fall-Manager und Leistungskürzungen; Eingriffe in die Privatsphäre und Angriffe auf die Würde; Einschränkung in der Freiheit der Bewegungs-, Wohnorts- und Arbeitsplatzwahl; entweder Gurkensammeln in Thüringen oder weitere Kürzungen… – Stress, Kontrolle, Disziplinierung.
Doch das Hartz IV-System ist mehr als nur ein Regiment der angezogenen Zügel und ein Werkzeug des Sozialabbaus. Hartz IV ist auch ein Geschäft, eine regelrechte Industrie! Wer weiß das schon?

Stell dir vor, dein Fall-Manager nötigt dich in eine Beschäftigungsmaßnahme, wo du den ganzen Tag aberwitzige Arbeiten verrichtest. Und der Träger der Maßnahme kassiert dafür schön ab: sagen wir mal, 500 Euro bekommt er monatlich vom Jobcenter dafür, dass er dich „betreut“ – mehr als du vom Amt zum Leben bekommst.
Stell dir vor, du und zwanzig andere werden in eine Ein-Euro-Job-Maßnahme genötigt, wo ihr den ganzen Tag nur sinnlosen Beschäftigungstherapien nachgehen müsst, die den Träger kaum etwas kosten. Im Gegenteil: dafür kassiert er 10.000 Euro im Monat vom Jobcenter.
Stell dir vor, du befindest dich in einer solchen Maßnahme und machst das Maul auf, z.B. weil das Arbeitswerkzeug gesundheitsgefährdend ist oder du etwas gegen die rassistischen Sprüche eines Kollegen unternehmen möchtest. Und der Träger kündigt dir einfach, er hatte dich ja eh auf dem Kieker, weil du gewerkschaftlich organisiert bist.
Stell dir vor, du wurdest willkürlich aus solch einer Maßnahme gekündigt, und das Amt streicht dir deshalb einen Teil deiner Leistungen. Und du kannst nichts dagegen machen. Arbeitsrecht? Im Beschäftigungssektor eine Farce. Und das Jobcenter? Hat es ja schwarz auf weiß: der Träger behauptet, du wärest "arbeitsfaul" und "aggressiv". Du weißt, die Kündigung hat andere Gründe. Für das Amt jedoch ist das eine willkommener Anlass, wieder etwas kürzen zu dürfen. Hoffnungslos, da etwas auszurichten.
Du befindest dich eingekeilt zwischen Beschäftigungsträger und Jobcenter, die beide von
deiner Misere profitieren.

Die Berliner Beschäftigungsindustrie ist groß, komplex und unübersichtlich – und vor allem stinkt sie bis zum Himmel. Ein moderner Humanhandel ist das Geschäft zahlreicher Träger, die auf diesem lukrativen Gebiet tätig sind. Regelrechte Sozialkonzerne kassieren Unsummen dafür, dass sie Erwerbslose unter die Rute nehmen. Arbeitslosenstatistiken werden so geschönt, Gelder umverteilt und Erwerblose entrechtet und gefügig gemacht.
Ein paar Fakten:
- Fast eine halbe Milliarde Euro pumpten allein die Berliner Jobcenter im letzten Jahr in die Beschäftigungsträger.
- Diese kassieren Kopfpauschalen von jeweils mehreren hundert Euro und andere Gelder dafür, dass sie Zehntausende Erwerbslose in Maßnahmen nahmen. Ca. 35.000 Berliner Erwerbslose befinden sich monatlich in einer Maßnahme.
- 60 hochprofessionalisierte und 450 kleine Träger teilen sich diesen Markt auf und ringen um die Aufträge. Der größte Träger in Berlin hat ständig fast 3.000 Leute in Maßnahmen.
- In Berlin wurden im letzten Jahr gegen fast 12.000 Erwerbslose Sanktionen verhängt und in ihrer Existenzsicherung weiter beschnitten.
- Das angestrebte Ziel der Wiedereingliederung ist dabei eine Farce. Selbst offizielle Berichte haben festgestellt, dass dieser Effekt fast vollkommen verpufft.
- Bekämen die 200.000 Berliner Erwerbslosen, das investierte Geld direkt ausgezahlt, hätte jeder mehrere Tausend Euro mehr im Jahr. So aber verdienen ein paar wenige saftig daran.

Die Träger sind organisiert. Sie haben spezielle Interessenvertretungen und machen Lobbyarbeit in politischen Gremien. In manchen Jobcentern bestimmen die Trägervertretungen regelrecht die Politik und schanzen sich selbst die Aufträge zu. In Mitte wurde unlängst gar die Jobcenterleitung abgesägt, weil sich einer der größten Träger bei der Auftragsvergabe übergangen sah.
Viele Träger arbeiten regelrecht mafiös. Unternehmen aus der Normalwirtschaft gründen Ableger mit entsprechenden Gesellschaftsverträgen, um auf dem Sozialmarkt tätig zu sein und Finanzspritzen für das Stammgeschäft abzugreifen.
Viele Träger bieten Maßnahmen an, ohne irgendetwas darein zu investieren und wirklich anzubieten. Hunderte von Fällen sind registriert, wo die Träger nicht ordnungsgemäß arbeiten. Die Konsequenzen sind nicht wirklich der Rede wert. Das Geld wird schön weiter in sie reingepumpt, die Erwerbslosen werden weiter verarscht.
Auch andere machen ein dickes Geschäft damit: Extra vom Berliner Senat beauftragte Servicegesellschaften leiten weitere Millionenbeträge aus Landes und EU-Gelder als Querfinanzierung an die Träger weiter. Für diese „Dienstleistung“ erhalten auch sie hohe Summen. Wie hoch genau? Das will die Senatsverwaltung nicht öffentlich machen, obwohl auch dies öffentliche Gelder sind. Von einer Kontrolle dieser Servicegesellschaften, die sich unverblümt den Interessen der Trägerunternehmen verpflichtet fühlen, kann keine Rede sein.

Unsere politische Forderung kann nur lauten: das Hartz IV-Regime muss vollständig verschwinden! Anbetrachts der gegenwärtigen Machtkonstellationen werden solche Forderungen jedoch unerhört bleiben.
Wir können aber gesellschaftliche Gegenmacht organisieren, auch in diesem Bereich. Und der beste Weg dorthin ist es, wenn Betroffene sich organisieren und wir gemeinsam und solidarisch Kämpfe führen, die die Maschinerie der Beschäftigungsindustrie aufweichen.
Angreifbare Akteure auf diesem Gebiet gibt es genug: sei es die Senatsverwaltung und die einzelnen Jobcenter selber, verschiedene, besonders dubiose Träger und deren Interessenverbände oder die Servicegesellschaften, die darin ein lukratives Geschäft gefunden haben. Auch die DGB-Gewerkschaften und die Sozialverbände, die mit diesem Klüngel in dieser Sache kooperieren, müssen in die Pflicht genommen werden.
Die FAU Berlin hat den ersten Stein geworfen und erste Ansätze gezeigt. Als der Erwerbslose Oli W. im letzten Jahr willkürlich aus einer ABM gekündigt wurde und Leistungssanktionen hinnehmen musste, wurde die Zwickmühle durchbrochen, indem der Träger selbst in die Verantwortung genommen wurde und er den Leistungsausfall von Oli kompensieren sollte.
Es ist Zeit, dass wir das Geld zurückholen, das die Träger mit dem Schicksal tausender Erwerbsloser verdienen. Stellen wir der Träger-Mafia unsere eigenen Eintreibungsmethoden entgegen!

Bilder

T. 03.05.2009 - 15:17
Die schwarz-roten...

Pig's-Pic's

- 03.05.2009 - 17:00

Euromayday 009 in Hamburg

euromayday009 03.05.2009 - 18:41
Der Euromayday 009 in Hamburg

Mehr als 2000 Demonstranten/innen fanden ihren Weg
erstmals durch die nagelneue Hafencity u.a vorbei am
millionenschweren Prestigeobjekt Elbphilharmonie
die einer Schuhwerfer-Orgie zum Opfer fiel...

watch the video on youtube:
 http://www.youtube.com/watch?v=RIV4pPTwgx4

Weitere Fotos

. 03.05.2009 - 21:32

Das einzig Gute . . .

* machnow * 05.05.2009 - 17:55
Zur Geschichte der diesjährigen Mayday-Parade gehört, dass sie in ihrer Außerwirkung als "reine Spaßdemo", als Party rüberkam. Die Zentrierung auf Moderation, fette Bässe, 80iger-Wave-Musik und andere musikalische Perlen unter Abwesenheit beinah jeder politischen Äußerung - bis auf bei der FAU & FeLS - trug dazu bei. Die Farbeieraktion wurde nach außen nicht kommuniziert. Noch schlimmer war allerdings, dass die Parade erst 2 1/2 Stunden nach dem Treffpunkt startete, was jede übliche Verzögerung bei linksradikalen Demos um circa 1h bei Weitem übertraf. Damit wurde eine Teilnahme an der 18 Uhr Demo erschwerte. Allerdings hatten ohnehin viele politische Teilnehmer_innen die Demo recht schnell und enttäuscht verlassen.

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