Chronologie-1.Mai/Berlin 18H Demo

Peter 02.05.2009 20:01 Themen: Freiräume Kultur Repression
Wer den Medienhype in den letzten Jahre etwas distanzierter betrachtet, wird bei den bisher Publizierten Bildern und Schreckensmeldungen des 1. Mai 2009 denken: Same procedure as every year - am Ende doch nichts gewesen, außer ein wenig unentschlossener Randale um die ein, zwei obligatorischen Mülltonnenfeuer am Kotti.

Doch dem war nicht so, was diese kurze Chronologie der 18Uhr Demo aufzeigen wird.
Reichenberger Straße
Die Demonstration formiert sich. (Bundespolizei-)Bullen stellen sich derweil in Zugstärke links und Rechts auf dem Bürgerstreig auf, ziehen sich jedoch zurück, als es zu ersten, noch vereinzelten Steinwürfen kommt. Auch das Kamerafahrzeug, welches bis gerade eben noch auf Wurfdistanz den Frontblock abfilmt, vergrößert seinen Sicherheitsabstand auf Rund 100m.

Reichenberger/Mariennenstraße
Nachdem alle Redebeiträge gehalten und die Acts auf dem Truck mit dem Programm durch sind, setzt sich die Demo in Bewegung. An der Spitze ein (das man sowas für Berlin noch sagen kann) Schwarzer Block, überwiegend vermummt und in Ketten.

Mariennenstraße/Skalitzer Straße (Tankstelle)
Am Gelände einer Tankstelle trifft der Frontblock auf die erste größere Bullenformation. Ein sehr lauter Feuerwekrskörper fliegt, danach folgt ein Hagel von rund drei Dutzend Wurfgeschossen. Die Bullen flüchten sich sichtlich überrascht hinter ihre Fahrzeuge, vereinzelte Schilde sind zu sehen. Die intensität dieser direkten Aktionen, die unmittelbar aus der Demo heraus stattfinden, überschreitet schon an dieser Stelle die Qualität des vorigen Jahres: Kurz nachdem Glietsch von Demonstranten umringt wurde, waren an der selben Stelle vereinzelt Gegenstände auf die Bullen niederprasselten, worauf die Demo sich allerdings zügig auflöste (2008).

Mariennenstraße/Skalitzer Straße (Kreuzungsbereich)
Kurzzeitige Verunsicherung. Menschen in den hinteren Reihen bleiben stehen, sind offensichtlich überrascht von den Aktionen, auch bei den Militanten an der Spitze kurzzeitig Hektik: So etwas hat es seit Jahren nicht mehr gegeben. Der Puls geht runter, als die hinteren Reihen, wieder zur Spitze aufschließen und der Zug sich geschlossen in Richtung des Myfests bewegt.

Mariannenstraße
Im Myfest ruft die Spitze des Demonstrationszuges gemischte Reaktionen hervor. Viele bejubeln den kämpferischen Block. Acts auf den Bühnen "Grüßen die 18-Uhr-Demo", beglückwünschen die Demonstranten im "Kampf gegen Umstrukturierung", andere raunen, schimpfen auf die "Verrückten" und "Chaoten". Die positiven Resonanzen überwiegen offenbar, immer wieder Applaus, Schulterklopfen o.ä.

Mariannenplatz
Der Weg durch das Myfest hält an. Die Bullen können hier nicht agieren, höchstens verdeckt Aufklären, ohne Zuzugreifen, da geschlossene Verbände hier schnell eskalieren würden: Sie können hier weder martialisch Auftreten, noch einen Riot in den vollbesetzten Straßen provozieren. Auf Höhe des Mariannenplatzes biegt der Zug rechts in die Muskauer Straße ein und lässt den Strom der MyFestbesucher damit hinter sich.

Muskauer Straße/Manteuffel
Im Bereich der Kreuzung kommt es zu einem ersten massiven Bullenangriff, der jedoch erfolgreich und ohne Festnahmen zurückgeschlagen wird. An der Kreuzung ergibt sich für rund 10 Minuten eine Konfrontation, in der sich ca. 50 Bullen in Schutzanzügen und Tonfas, sowie Demonstranten mit Wurfgeschossen in gerader Linie gegenüber stehen. Die Bullen stehen buchstäblich mit dem Rücken an der Wand, können mir ihren Tonfas gegen den massiven Steinhagel nichts ausrichten (Erinnerungen an den 2.Juni 2007 werden wach), Der Polizei stehen an dieser Stelle weder Fahrzeuge, noch Verstärkungen bereit, wohin Greiftrupps sich mit Gefangenen zurück ziehen könnten. Die Bullen belassen es bei hoffnungslosen Scheinangriffen, nehmen niemanden Fest.

Muskauerstraße
Die Bullen ziehen sich vom Kreuzungsbereich zurück auf die linke Seite des Gehwegs, wo sie weiter massiv eingedeckt werden, Der Demozug setzt sich wieder in Bewegung, Treibt die Bullen am Rand vor sich her „Haut ab!“-Rufe sind zu hören. Weiter massiver Bewurf. Bullen ducken sich, gehen kurzzeitig zu Boden, Kameras zerbersten.

Muskauer/Pücklerstraße/Waldemarstraße/Lausitzer Platz
Hier ist de Polizei allmäglich besser aufgestellt. Die Präsens steigt rasch an auf mindestens zwei Hundertschaften. Viele einzelne Greiftrupps sind im Gelände verteilt, die Bullen bieten keine glatte Angriffsfläche, sind z.T. umringt von Schaulustigen und daher kaum auf Distanz zu halten. Zahl der Wurfgeschosse nimmt ab. Der Demonsrationszug zerfasert über den ganzen Platz. Überall Greiftrupps. Ob es hier unter den Vorbeiziehenden Leuten zu Festnahmen kommt, ist nicht bekannt.

Skalitzer Straße/Lausitzer Str.
Der Demonstrationszug überquert die Skalitzer Straße und bewegt sich in die Lausitzer. Hier stoppt der Zug für mehrere Minuten. Offenbar wird über eine Änderung der Route verhandelt. Nach einer gefühlten Viertelstunde setzt der Zug sich wieder in Bewegung und biegt in die Wiener Straße ein.

Wiender Straße
Auf der Wienerstraße sind die Bullen wiederum kaum dezentral aufgestellt. Große gut sichtbare Formationen bewegen sich auf dem Fahrbahnbereich und ziehen allerhand Wurfgeschosse auf sich. An der ehemaligen Feuerwache zieht eine Einheit massiven Steinhagel auf sich, steht mit dem Rücken zur Wand. Zwei Polizeifahrzeuge, ein Verkehrsauto und der Auswertungswagen einer Videoeinheit stehen plötzlich mittem im Demonstrationszug. Scheiben gehen zu bruch, Steine fliegen. Dabei werden auch Teilnehmer der Demonstration verletzt, weil einige unnötiger Weise aus 20. Reihe werfen.

Wiener Straße/Görlitzer Bahnhof/Skalitzer Straße
Auf dem Weg zum Kottbusser Tor zerstreut sich die Menge zusehens. Viele, viele kleine Gruppen sind im Laufschritt unterwegs. Kleine Konfrontationen, einzelne Steinwürfe an allen Ecken. Faktisch ist die Demo an dieser Stelle aufgelöst.

Kottbusser Tor
Geschlosse Polizeieinheiten sind kaum aufgestellt. Die Hundertschaften warten noch am Kottbuser Damm, in der Reichenberger Straße (nord-östlich vom Kotti) und in der Skalitzer (westlich vom Kotti). Allerdings sind viele Zivile Aufklärer unterwegs, von einigen Dächern filmen Polizisten, ein Hubschrauber mit Wärmebildkamera schwebt über den Köpfen.

Als zum ersten mal massiv Polizeieinheiten aus Richtung Reichenbegrer Straße auf den Kotti stürmen, werden diese von einem massiven Steinhagel zurück gedrängt. Das Manöver wiederholt sich in den kommenden 15 Minuten noch rund ein Dutzend mal. Festnahmen werden dabei kaum getätigt, sie können nur zerstreuen und sich zurück ziehen. Pfefferspray und Tränengas kommen massiv zum Einsatz.. Auf der anderen Seite soll es auch zum Einsatz mehrer Molotovcocktails gekommen sein.

Nach einer halben Stunde haben sich die wartenden Hundertschaften in kleine Gruppen gesplittet und flächendeckend auf dem Kotti verteilt. Die Bühne vor Ort wird gestürmt und abgeschlatet. Es folgen die Scharmützel der letzten Jahre mit kleineren Barrikaden, wobei die Bullen die Oberhand gewinnen. Autonome ziehen sich zunehmend zurück. MyFestBesucher, Hooligans etc. pp. treten an ihre Stelle. Ein Großteil der Festnahmen dieses Tages ist wohl ab hier zu beklagen.
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Ergänzungen

Innensenator erwägt Verbot der Demo

http://www.tagesspiegel.de 02.05.2009 - 20:57
Der Vorschlag ist nicht neu. Schon in diesem Jahr hatte sich die CDU dafür stark gemacht, die "Revolutionäre 1. Mai Demo" nicht stattfinden zu lassen. Nach der massiven Gewalt hält nun auch Berlins Innensenator Körting schärfere Auflagen für möglich - bis hin zum Verbot.

Hatte die Polizei eine realistische Chance, den Gewaltausbruch des 1. Mai zu verhindern? Wohl nicht. Selbst ein Verbot der Demonstration hätte laut Experten die Steinewerfer nicht von ihrem Tun abgehalten, weil sich dann der harte Kern spontan versammelt hätte. Allerdings konnten sich auf dieser angemeldeten Demo, für die die autonome Szene im Vorfeld mobilisiert hatte, mehr gewaltbereite Menschen sammeln. Die CDU hatte deshalb ein Verbot der „Revolutionären 1. Mai-Demo“ gefordert. Dies war rechtlich nicht möglich, da in den letzten Jahren die Gewalt erst nach der Autonomen-Demo ausgebrochen war.(...)

Weiterlesen:  http://www.tagesspiegel.de/berlin/1-Mai-Krawalle;art270,2787876

Streit in der Linken

Belike 02.05.2009 - 21:01
In der Linken gibt es kontroverse Ansichten über den Umgang mit einem jungen Parteifunktionär, der eine nicht unwichtige Rolle bei der Eskalation der Gewalt im Rahmen einer Autonomen-Demonstration am Abend des 1. Mai gespielt hat. Die Demonstration war angemeldet worden vom Linken-Politiker Kirill Jermak, der für die Regierungspartei als Verordneter in der Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg sitzt. Während sein Vorgehen von führenden Linken-Politikern scharf kritisiert wurde, nahmen andere Parteifreunde Jermak in Schutz.(...)

Weiterlesen:  http://www.tagesspiegel.de/berlin/art270,2787865

das gehört hier nicht hin

reset 02.05.2009 - 22:28
in dem moment als die beiden mollies von dem freak geschmissen wurden, waren genügend bullen vor ort, die ein besseres ziel abgegeben hätten, weil feststehend!
aber nein dieser idiot schmeißt unvermummt auf einen einzelnen laufenden bullen vor einer menschenmenge. zum glück hat er niemanden getroffen.
beim zweiten mollie sah es schon anders aus.
die kleidung einer frau fing feuer.

werfer und sein kompagnon wirkten auf mich wie auf drogen, leicht torkelnd und bewusstseins gestört. die beiden haben ja noch nicht mal die filmkamera in ihrem rücken gemerkt, die sehr gute aufnahmen von den beiden bei ihren unkontrollierten aktionen gemacht haben muss/hat.

das komische ist, zu dem zeitpunkt haben die berliner bullen langsam die oberhand über den kottbusser tor bekommen. überall festnahmeeinheiten, kameras auf dächern und hubschrauber mit wärmebildkamera in der luft.

zu einem anderen brand, heißt es in einer tickermeldung:
"Die Wärmebildkamera des Polizeihubschraubers, der über der Szene kreist, zeigt einen großen weißen Fleck. Es handelt sich um eine brennende Barrikade in der Mariannenstraße."

selbst die bullen, die die reichenberger (strasse geht vom kottbusser tor ab) abgesperrt haben, müssen diese situation aus ihrer 30 - 40 m entfernung gesehen oder gefilmt haben.

festnahme erfolgte jedoch nicht!

"werfer" und seine gang waren nicht politisch motiviert, sondern einfach verhaltensgestörte kranke looser!

a.b.a.c.

warum postest du das doppelt?

genervt 02.05.2009 - 22:58

Es gibt zur Demo bereits eine ausführliche Diskussion, wo du deine Chronologie auch schon reingepostet hast:  http://de.indymedia.org/2009/05/248971.shtml - Wenn du jetzt damit nochmal einen eigene Diskussion aufmachst, verhinderst du, dass die dort bereits abgegebenen Kommentare gelesen werden, obwohl es ganz danach aussieht, als ob sich dort eine diskussion abbildet, die dringend weiter geführt werden muss.

FAZ Artikel

(muss ausgefüllt werden) 03.05.2009 - 09:39
Faz Artikel
Zumindest hat sich der Reporter die Mühe gemacht auf die Demo zu gehen und es ist ein Standpunkt.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 10 Kommentare an

@ genervt — Chronik-Quelle

@history 03.05.2009 - 00:14 — straightxedge

Schnauze,wa — Altautonomer

@ straightxedge — history

@ history — Anarcho

Quengel — Troll

@history — Altautonomer

Mollis, Zivis, Zeugen — Anwälte Yorckstrasse